Händigkeit und Rechtshänder: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:HolbeinErasmusHands.jpg|miniatur|Die dominante rechte Hand führt den Schreibstift und wird beim [[Schreiben]] von der nichtdominanten linken  Hand unterstützt, die das Blatt festhät (Studie von [[w:Erasmus von Rotterdam|Erasmus von Rotterdam]], etwa 1523)]]
#WEITERLEITUNG [[Händigkeit]]
 
Als '''Händigkeit''' oder '''Chiralität''' (von {{ELSalt|χειρ}} ''ch[e]ir'' „Hand“) bezeichnet man die bevorzugte Verwendung einer bestimmten Hand, namentlich für Tätigkeiten die viel Kraft, Schnelligkeit und feinmotorische Geschicklichkeit erfordern. Weltweit und unabhängig von der jeweiligen [[Kultur]] überwiegt die '''Rechtshändigkeit''' deutlich. Der Anteil an '''Linkshändern''' liegt nach statistischen Untersuchungen nur bei etwa 10 bis 15%<ref>Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V.: [http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/002-017l_S1_Haendigkeit_Bedeutung_Untersuchung_20414-12.pdf Leitlinie ''Händigkeit - Bedeutung und Untersuchung''] (Stand 11/2014)</ref>, wobei aber der Grad der Händigkeit für verschiedene Tätigkeiten oft unterschiedlich ausgeprägt ist. '''Beidhänder''' setzen beide Hände weitgehend gleichwertig ein.
 
[[Neurologie|Neurologische]] Untersuchungen zeigen, dass die Händigkeit mit einer Dominanz der jeweil gegenüberliegenden [[Gehirnhälfte]] verbunden ist, in der dann auch die [[Sprachzentren]] ausgebildet werden (→ [[Lateralisation des Gehirns#Lateralisation kognitiver Fähigkeiten|Lateralisation des Gehirns]]). Die Dominanz der linken Hemisphäre bei der [[Sprachproduktion]] lässt sich bei rund 95 % der Rechtshänder und 70 % der Linkshänder nachweisen<ref>Artikel „Asymmetrie des Gehirns“, in: ''Lexikon der Neurowissenschaften'', Heidelberg, Spektrum Akademischer Verlag, 2001, ISBN 3-8274-0453-3 Band 1, S. 114</ref>. Neurologische Asymmetrien finden sich bereits bei [[Weichtiere]]n und [[Krebstiere]]n<ref>J. F. Stein und C. J. Stoodley: ''Neuroscience. An Introduction''. John Wiley & Sons, Chichester 2006, ISBN 1-86156-389-2, S. 432</ref>. Auch viele [[höhere Säugetiere]], insbesondere [[Ratten]], [[Katzen]] und [[Affen]], bevorzugen namentlich bei der [[Nahrung]]sbeschaffung die linke oder rechte Vorderpfote, wobei aber „Rechts-“ und „Linkspföter“ etwa gleichstark vertreten sind<ref>J. F. Stein und C. J. Stoodley: ''Neuroscience. An Introduction''. John Wiley & Sons, Chichester 2006, ISBN 1-86156-389-2, S. 428 und 433.</ref>. Überraschenderweise ist das auch bei vielen [[Beuteltiere|Beuteltiere]]n der Fall, bei denen das [[Gehirn]] über keinen [[Corpus callosum|Hirnbalken]] verfügt, der die beiden Gehirnhälften verbindet.
 
Die Ursachen, warum ein Mensch '''Linkshänder''' oder '''Rechtshänder''' ist, werden schon seit der [[Antike]] diskutiert. [[Platon]] ging davon aus, dass die Händigkeit nicht angeboren sei, sondern erst durch die Erziehung erworben werde und empfahl daher, die Geschicklichkeit beider Hände zu üben<ref>Platon, ''Nomoi'', Buch 7, 788a–795d.</ref>. [[Aristoteles]] meinte hingegen, dass die Händigkeit angeboren sei<ref>Aristoteles, ''Magna Moralia'', Buch 1, 1194.b.32.</ref>. Die Frage ist bis heute nicht eindeutig geklärt. [[Vererbung]] als auch [[Erziehung]] bzw. [[Nachahmung]] scheinen gleichermaßen eine Rolle zu spielen. So haben etwa linkshändige Eltern häufiger auch linkshändige Kinder. Andersseits können eineiige Zwillinge oft auch eine unterschiedliche Händigkeit entwickeln.<ref>I.C. McManus & M.P. Bryden (1992). The genetics of handedness, cerebral dominance and lateralization. In: I.Rapin & S. J. Segalowitz (Eds.), Handbook of Neuropsychology, Volume 6, Section 10: Child neuropsychology (Part 1) (pp. 115-144). Amsterdam: Elsevier</ref> Vermutlich besteht auch ein Zusammenhang mit der asymmetrischen Verteilung der [[Organ]]e im menschlichen [[Organismus]]. So liegen etwa hochaktive [[Stoffwechsel]]organe wie die [[Leber]] in der Regel in der rechten Körperhälfte.
 
Strittig ist auch noch immer, ob [[Kinder]], die Linkshänder sind, frühzeitig umgeschult werden sollten. Zur Zeit überwiegt die Ansicht, dass man das unterlassen sollte. [[Rudolf Steiner]] empfahl in der Regel bezüglich des [[Schreiben]]s die Umschulung, die allerdings sehr behutsam und mit aufmerksamer Beobachtung erfolgen müsse.
 
{{GZ|Bei einem Linkshänder ist es schon notwendig, daß man versucht,
möglichst viel dazu zu tun, ihn in einen Rechtshänder umzuwandeln.
Nur wenn man sieht in der Praxis, daß es gar nicht gelingt, muß man
natürlich mit der Linkshändigkeit fortarbeiten. Aber das einzig wünschenswerte
ist, solche Linkshänder in Rechtshänder umzuwandeln;
und das wird im wesentlichen ganz besonders mit Bezug auf das Schreiben,
das zeichnende Schreiben meistens gelingen. Es ist im allgemeinen
natürlich notwendig, daß man ein solches Kind, das man versucht, vom
Linkshändigen zum Rechtshändigen überzuführen, sehr stark beobachtet;
beobachtet namentlich, wie sehr leicht in einem gewissen Stadium,
wenn man eine Zeitlang Anstrengungen gemacht hat, um die
Linkshändigkeit in Rechtshändigkeit überzuführen, da gewisse Ideenflüchtigkeiten
eintreten; daß das Kind auch unter Umständen wegen
zu schnellen Denkens sich fortwährend im Denken ins Stolpern bringt,
und dergleichen. Das muß man sorgfältig beachten und dann gerade
die Kinder aufmerksam machen auf solche Dinge, weil es viel wesentlicher
ist für die Entwickelung des ganzen Menschen, wie dieser Zusammenhang
ist zwischen Arm- und Handentwickelung und Sprachzentrumentwickelung,
als man gewöhnlich denkt; und vieles andere
hat darauf einen Einfluß, ob ein Kind links- oder rechtshändig ist.|309|90|91}}
 
{{GZ|Denken
Sie sich, bei linkshändigen Kindern - wenige linkshändige Kinder hat
man ja schon auch in der Schule - muß man sich sagen: Während bei
allen anderen sehr künstlich ausgebildet ist die linke Schläfenwindung
im Gehirn, ist bei diesen Linkshändigen in voller Bildung begriffen,
bildet sich aus die rechte Schläfenwindung. Und unterrichte ich die
Kinder im Schreiben, da verwende ich die rechte Hand. Diejenigen
Kinder, die rechtshändig sind, die werden nur dasjenige verstärken in
ihrer linken Stirnwindung, was sie schon angefangen haben auszubilden
beim Sprechenlernen. Diejenigen Kinder aber, die linkshändig sind,
die werden, wenn ich sie nun zwinge mit der rechten Hand zu schreiben,
dasjenige wieder ruinieren, was sie in der rechten Schläfenwindung
sich eingebildet haben durch die Sprache. Die ruinieren sich das wieder,
und ich habe daher die Aufgabe, da es mit dem Schreiben doch nicht so
sein soll, daß man die Linkshänder links schreiben läßt, ich habe zunächst
die Aufgabe, bei denjenigen Kindern, welche linkshändig sind,
langsam und allmählich dasjenige, was sie mit der linken Hand tun, in
die rechte Hand herüberzuleiten, damit sie zuerst lernen, mit der anderen
Hand so etwas zu arbeiten, und sie dann erst viel langsamer als
die anderen Kinder ins Schreiben hineinkommen. Das macht nichts,
wenn die etwas später schreiben lernen.
 
Wenn ich einfach Kinder, die linkshändig sind, so schnell schreiben
lernen lasse wie diejenigen, die rechtshändig sind, so mache ich diese
Kinder dümmer, weil ich ihnen wiederum dasjenige ruiniere, was sie in
der rechten Gehirnhälfte ausgebildet haben. Also ich muß beachten,
daß ich die Kinder, die linkshändig sind, in einer anderen Weise im
Schreiben unterrichte als diejenigen Kinder, die rechtshändig sind. Sie
werden dadurch eben für das spätere Leben nicht dümmer, sondern
gescheiter, wenn ich langsam hineinleite die Linkshändigkeit in die
Rechtshändigkeit, und nicht durch Schreiben mit der rechten Hand
einfach das ganze Gehirn konfus mache.|347|19f}}
 
== Literatur ==
 
* Rudolf Steiner: ''Anthroposophische Pädagogik und ihre Voraussetzungen'', [[GA 309]] (1981), ISBN 3-7274-3090-7 {{Vorträge|309}}
* Rudolf Steiner: ''Vom Leben des Menschen und der Erde. Über das Wesen des Christentums'', [[GA 349]] (1980), ISBN 3-7274-3490-2 {{Vorträge|349}}
 
{{GA}}
 
== Einzelnachweise ==
 
<references />
 
[[Kategorie:Neurologie]] [[Kategorie:Pädagogik]]

Aktuelle Version vom 29. Dezember 2018, 10:19 Uhr

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