Sphinx

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Griechische Sphinx, Attika, ca. 530 v. Chr.

Die Sphinx (griech. σφίγξ, von σφίγγειν, sphíngein = erwürgen; möglicherweise auch abgeleitet von altägypt. spanch = was das Leben empfängt) ist ein Mischwesen mit einem Menschenkopf und einem meist geflügelten Tierkörper, das sich dem hellsichtigen Blick zeigen kann. Im Idealfall kann man das Viergetier (auch Viergestalt oder Tetramorph genannt) erblicken, das alle vier Sphinxtiere in sich vereinigt, also Mensch, Adler, Löwe und Stier, die den vier Gruppenseelen des lemurischen und atlantischen Menschen entsprechen. Gelegentlich sieht man sogar noch einen Drachen- oder Reptilienschwanz, der auf eine sehr frühe Entwicklungsstufe des Menschen zurückweist.

"Der Hellseher hat in der Tat das vor sich, was in der Sphinx festgehalten ist, wo die Sphinx insbesondere den ausgeprägten Löwenleib hat, dann die Adlerflügel, aber auch etwas Stierartiges – bei den ältesten Darstellungen der Sphinx war sogar der Reptilienschwanz vorhanden, der auf die alte Reptiliengestalt hinweist –, und nach vorne haben wir die Menschengestalt, die die anderen Teile harmonisiert." (Lit.: GA 106, S 102)

Die Sphinxgestalt zeigt sich, ähnlich wie etwa auch der Kentaur, im Ätherleib des Menschen:

"Wenn Sie ein Pferd hellseherisch betrachten, dann sehen Sie den Ätherkopf als eine Lichtgestalt über die Pferdeschnauze sich auftürmen. Nicht so stark, aber ähnlich so war der Ätherkopf bei dem alten Atlantier vorhanden, später ging er immer mehr in den Kopf hinein, so daß er heute ungefähr gleich ist an Größe und Form. Aber dafür war auch der physische Kopf, der nur teilweise erst vom Ätherkopf beherrscht war, der noch viele Kräfte draußen hatte, die heute im Inneren sind, nicht in jenem hohen Grade menschenähnlich; er bildete sich erst heraus, man sah sozusagen noch etwas von einer niederen tierischen Kopfform. Wie war es, wenn der alte Atlantier einen seiner Genossen bei Tag ansah? Da sah er eine weit zurückliegende Stirn, weit hervortretende Zähne, etwas, was noch an das Tier erinnerte. Wenn dann abends der Mensch einschlief, wenn das atlantische Hellsehen begann, dann richtete der Blick sich nicht nur auf die tierähnliche Gestalt, sondern es wuchs schon die ätherische menschliche Kopfform, und zwar eine weit schönere Form, als sie heute ist, heraus aus dem physischen Kopfe. Da war dem nächtlichen Anschauen das Tierähnliche undeutlich geworden, und es wuchs heraus die schöne Menschengestalt. Und in noch entlegenere Zeiten konnte der atlantische Hellseher zurückschauen, in Zeiten, wo der Mensch noch mehr tierähnlich war, aber verbunden mit einem ganz und gar menschenähnlichen Ätherleib; viel schöner war dieser Ätherleib als der heutige physische Menschenleib, der sich angepaßt hat den starken dichten Kräften. Diese Erinnerung, plastisch ausgestaltet: das ist die Sphinx." (Lit.: GA 105, 27f)

Das Viergetier bildet auch die Grundlage der Evangelistensymbole und in der christlichen Tradition wird oftmals der Christus mit dem Viergetier in Zusammenhang gebracht, so etwa bei den Kirchenvätern Irenäus von Lyon (2. Jh.) und Hippolyt. Der Christus sei Mensch in der Geburt, „Stierkalb“ im Opfertod am Kreuz, „Löwe“ in der Auferstehung und „Adler“ durch die Himmelfahrt. Das ist allerdings dahingehend zu verstehen, dass der Christus - als Menschheitsrepräsentant und Urbild des Menschen schlechthin - die tierischen Kräfte im Menschenwesen vollkommen überwindet. Die Sphinxgestalt als solche ist eine luziferische Erscheinung, die durch den Sündenfall in den Menschen eingezogen ist und nur durch die Opfertat des Christus überwunden werden kann.

"Wenn der Ätherleib des Menschen durch die Energie des Atmens sich ausweitet, taucht ein luziferisches Wesen in der Seele auf. Es lebt in diesem Ätherleibe nicht die menschliche Gestalt, sondern die luziferische Gestalt, die Sphinxgestalt. So steht der Mensch dadurch, daß er in seinem Atmungsprozeß dem Kosmos geöffnet ist, der Sphinxnatur gegenüber. Dieses Grunderlebnis ging besonders in der 4. nachatlantischen, der griechisch-lateinischen Kulturperiode auf. Und in der Ödipus-Sage sehen wir, wie der Mensch der Sphinx gegenübersteht, wie die Sphinx sich an ihn kettet, zur Fragepeinigerin wird. Der Mensch und die Sphinx, oder wir können auch sagen, der Mensch und das Luziferische im Weltall sollten gleichsam als ein Grunderlebnis der 4. nachatlantischen Kulturperiode so hingestellt werden, daß, wenn der Mensch sein äußeres normales Leben auf dem physischen Plan nur ein wenig durchbricht, er mit der Sphinxnatur in Berührung kommt. Da tritt Luzifer in seinem Leben an ihn heran, und er muß mit Luzifer, mit der Sphinx fertig werden." (Lit.: GA 158, S 102f)

"In der Zukunft blickt das Menschenantlitz in verklärter Gestalt hervor aus dem abgesonderten, hinuntergestoßenen Bösen des Tierischen. Denken wir uns das verklärte Menschenantlitz, das heute wie ein Rätsel schlummert in der tierischen Materie, abgesondert von dem Tierisch-Bösen und symbolisch dargestellt – die ägyptische Sphinx. Sie ist nicht etwas, was nur auf die Vergangenheit hinweist, sondern sie weist auch auf die Zukunft hin." (Lit.: GA 93a, S 239)

Nach der der griechischen Mythologie galt die Sphinx als unheilbringendes Wesen und galt als eine Tochter von Typhon und Echidna und damit zugleich eine Schwester von Hydra, Chimära, Kerberos und Orthos. Das Fragemotiv ist ein wesentlicher Bestandteil der Ödipus-Sage, nach der die Sphinx auf Berg außerhalb Thebens hauste und den vorüberkommenden Reisenden ein Rätsel aufgab, das folgendermaßen lautete: „Was geht am Morgen auf vier Füßen, am Mittag auf zweien und am Abend auf dreien?“ (τί ἐστιν ὃ μίαν ἔχον φωνὴν τετράπουν καὶ δίπουν καὶ τρίπουν γίνεται). Wer dieses Rätsel nicht zu lösen vermochte, wurde von der Sphinx erwürgt und gefressen. Erst Ödipus erkannte, dass damit auf den Menschen selbst hingewiesen ist: Als Kind krabbelt er auf allen vieren, als Erwachsener geht er auf zwei Beinen und im Alter gebraucht er einen Stock als drittes Bein. Tatsächlich weist das Rätsel der Sphinx noch auf eine tiefere okkulte Wahrheit. Sie ist ein Hinweis auf die menschheitliche Entwicklung von tierähnlichen Wesen, allerdings nicht im Sinn der modernen materialistischen Evolutionslehre, zum heutigen Menschen und weiter zum künftigen Venus- oder Vulkan-Menschen mit drei "Fortbewegungsorganen", nämlich den beiden „Flügeln“ der zweiblättrigen Lotosblume an der Nasenwurzel und der zur Hand umgebildeten linken Körperhälfte[1]. Nachdem Ödipus derart das Rätsel gelöst hatte, stürzte sich die Sphinx in den Abgrund und starb. Theben war befreit und Ödipus eilte seinem weiteren tragischen Schicksal entgegen.

"Es ist in der griechischen Sage das richtige Gefühl ausgedrückt, das der Hellseher noch während der alten ägyptischen Zeit und in den griechischen Mysterien hatte, wenn er so weit war, daß ihm die Sphinx vor das Auge trat. Was war es denn, was ihm da vor das Auge trat? Etwas Unfertiges, etwas, was werden sollte. Er sah diese Gestalt, die in gewisser Beziehung noch tierische Formen hatte, im Ätherkopf sah er, was hineinwirken sollte in die physische Form, um diese menschenähnlicher zu gestalten. Wie dieser Mensch werden sollte, welch eine Aufgabe die Menschheit in der Entwickelung hatte, diese Frage stand lebendig vor ihm als eine Frage der Erwartung, der Sehnsucht, der Entfaltung des Kommenden, wenn er die Sphinx sah. Daß alle menschliche Forschung und Philosophie aus der Sehnsucht heraus entsteht, ist ein griechischer Ausspruch, aber zugleich auch ein hellseherischer. Man hat vor sich eine Gestalt, die nur mit astralischem Bewußtsein wahrgenommen wird, aber sie quält einen, sie gibt einem Rätsel auf: das Rätsel, wie man werden soll.

Nunmehr hat sich diese Äthergestalt, die in der atlantischen Zeit da war und in der ägyptischen Zeit in der Erinnerung lebte, mehr und mehr dem menschlichen Wesen einverleibt, und sie erscheint auf der anderen Seite in der Menschennatur wieder, sie erscheint in all den religiösen Zweifeln, in dem Unvermögen unserer Kulturepoche gegenüber der Frage: Was ist der Mensch? – In all den unbeantworteten Fragen, in all den Aussprüchen, die sich um das «Ignorabimus» drehen, erscheint die Sphinx wieder. Daher kann der Mensch so schwer zu einer Überzeugung von der geistigen Welt kommen, weil die Sphinx, die früher außen war, nachdem gerade in dem mittleren Zeitraum sich der gefunden hat, der das Rätsel gelöst, der sie in den Abgrund, in das eigene Innere des Menschen gestürzt hat, weil diese Sphinx jetzt im Inneren des Menschen erscheint." (Lit.: GA 105, 187f)

Anmerkungen

  1. Rudolf Steiner sagt dazu:

    "Später werden nur noch drei Organe da sein: Das Herz als Buddhiorgan, die zweiblättrige Lotusblume in der Augenmitte und die linke Hand als Bewegungsorgan. Auf diese Zukunft bezieht sich auch die Angabe Blavatskys von einer zweiten Wirbelsäule. Die Zirbeldrüse und die Schleimdrüse organisieren eine zweite Wirbelsäule, die sich später mit der anderen vereinigt. Die zweite Wirbelsäule wird vom Kopf vorn heruntergehen." (Lit.: GA 93a, 37f)

    Diese Angabe bezieht sich nach Rudolf Steiner auf das künftige Venusdasein bzw. vielleicht sogar erst auf das künftige Vulkandasein (Lit.: GA 94, 70ff)

    Eine entsprechende Stelle bei Blavatsky lautet

    "Am Ende der nächsten Runde wird die Menschheit wieder mannweiblich werden, und dann werden zwei Rückenmarke sein. In der siebenten Rasse werden die zwei in die eine verschmelzen. Die Evolution entspricht den Rassen, und mit der Evolution der Rassen entwickelt sich der sympathische Nerv in ein echtes Rückenmark. Wir kehren den Bogen aufwärts steigend zurück, nur mit Hinzutritt des Selbstbewusstseins." (Lit.: Geheimlehre, III. Band, S 545)

Literatur

  1. H. P. Blavatsky: Die Geheimlehre (The Secret Doctrine), Band I: Kosmogenesis, Band II: Anthropogenesis, Band III: Esoterik (posthum zusammengestellt von Annie Besant), Band IV: Index, deutsche Gesamtausgabe Leipzig 1919, Nachdruck Hannover 1999.
  2. Rudolf Steiner: Grundelemente der Esoterik, GA 93a (1987)
  3. Rudolf Steiner: Kosmogonie, GA 94 (2001)
  4. Rudolf Steiner: Welt, Erde und Mensch , GA 105 (1983)
  5. Rudolf Steiner: Ägyptische Mythen und Mysterien, GA 106 (1992)
  6. Rudolf Steiner: Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt, GA 158 (1993)
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.