Das Wissen der Welt und Giovanni Boccaccio: Unterschied zwischen den Seiten

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Seit der Zeit der Aufklärung wurde das jeweilige zeitgemässe Wissen aufgespeichert in Enzyklopädien. Diese befinden sich heute ausschließlich nur noch im Internet.
'''Giovanni Boccaccio''' ({{IPA|[d͡ʒoˈvanːi boˈkːat͡ʃːo]}}; * [[1313]] in [[Paris]], [[Frankreich]]; † [[21. Dezember]] [[1375]] in [[Certaldo]]) war ein [[italien]]ischer [[Schriftsteller]], Demokrat, Dichter und bedeutender Vertreter des [[Renaissance-Humanismus]]. Sein Meisterwerk, das ''[[Decamerone]]'', porträtiert mit bis dahin unbekanntem Realismus und Witz die facettenreiche Gesellschaft des 14. Jahrhunderts und erhebt ihn zum Begründer der [[prosa]]ischen Erzähltradition in Europa.
Es gibt "zwei" Wikis, ein großes Wiki (Wikipedia) und ein kleines Wiki (AnthroWiki). In beiden findet sich nahezu sämtliches Wissen der Menschheit systematisiert. Nicht nur der Umfang ist unterschiedlich. Während Wikipedia typisch exoterisches und oft sehr einseitiges Wissen bietet, erstreckt sich Anthrowiki auch auf das übersinnliche Wissen der Menschheit - insbesondere, soweit es aus der [[Anthroposophie]] geschöpft ist.


== Was ist Wissen? ==
== Leben ==
Was ist [[Wissen]]?
[[Datei:Andrea del Castagno Giovanni Boccaccio c 1450.jpg|miniatur| [[Andrea del Castagno]]: Giovanni Boccaccio, um 1450]]


Wiki-Definition [[Wissen]]: Als Wissen wird üblicherweise ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand von Fakten, Theorien und Regeln verstanden, die sich durch den größtmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen wird.  
Die genauen Umstände seiner Geburt sind nicht gesichert. Boccaccio wurde 1313 geboren, vermutlich in Paris, möglicherweise aber auch in Florenz oder im nahe gelegenen Bergdorf [[Certaldo]], als unehelicher Sohn des Kaufmanns Boccaccio di Chellino. Seine Mutter starb kurz nach der Niederkunft.<ref name="VerlagGoldmann"/> Später kam die in vielen Quellen zitierte und auch von ihm selbst geförderte, bis heute unbewiesene Legende auf, er sei in [[Paris]] geboren worden, hervorgegangen aus einer Beziehung zwischen seinem Vater und einer französischen Adligen namens Giovanna.


Diese Definition kann nicht wirklich befriedigen. Fragen wir also alternativ nach der Wissenschaft.
Seine Kindheit verlebte er in Florenz im Haus des Vaters, der für die ''[[Compagnia dei Bardi]]'', eine Bankgesellschaft, arbeitete. Noch als Jugendlicher –&nbsp;ungefähr vierzehn Jahre alt&nbsp;– wurde er nach [[Neapel]] zur Arbeit in eine Filiale der ''Compagnia dei Bardi'' geschickt, um sich im Beruf des Kaufmanns zu üben.


Wiki-Definition [[Wissenschaft]]: Das Wort Wissenschaft bezeichnet die Gesamtheit des menschlichen Wissens, der Erkenntnisse und der Erfahrungen einer Zeitepoche, welches systematisch erweitert, gesammelt, aufbewahrt, gelehrt und tradiert wird.
Die in Neapel verbrachten Jahre (bis 1340) hatten großen Einfluss auf die persönliche und intellektuelle Entwicklung Boccaccios. Anstatt sich mit dem Studium der Handelstätigkeit oder des kanonischen Rechts zu beschäftigen, wie es der Vater gewollt hatte, widmete er sich seiner Leidenschaft für die Literatur. Dank seinem guten Namen erhielt er Zugang zum neapolitanischen Hof des [[Robert von Anjou]], wo er den eleganten, höfischen Lebensstil kennenlernte, mit Intellektuellen verkehrte und sich autodidaktisch eine breitgefächerte Bildung aneignete.


Daraus können wir nun durch geeignete Kombination eine ganz neue Definition von Wissen aufstellen:
In dieser Zeit entstanden auch seine ersten Werke in Versform und Prosa, in denen Boccaccio mit verschiedenen Genres und Stilen experimentierte. Dem Geschmack der Zeit entsprechend, entwarf er das wiederkehrende Bild einer idealen Geliebten, die er Fiammetta nannte und deren reales Vorbild vermutlich eine neapolitanische Adlige namens [[Maria d’Aquino]] ist.


Definition Wissen: Wissen ist die Summe aller Erkenntnise und Erfahrungen einer einzelnen Person (Individuum) oder Personengruppe (Kollektiv) zu einem bestimmten (historischen) Zeitpunkt. Dabei handelt es sich sehr oft um tradiertes und an nachfolgende Generationen weitergegebenes Wissen.
1340 kehrte er nach Florenz zurück. Wegen finanzieller Schwierigkeiten trat er in den Staatsdienst ein und bekleidete mehrere Ämter. Zwischen 1345 und 1346 begab er sich an den Hof des Ostasio da Polenta in [[Ravenna]], während er im nächsten Jahr im Dienst des Francesco Ordelaffi in [[Forlì]] stand. Das bürgerliche-städtische Umfeld, sehr verschieden vom höfischen Leben, war eine bedeutende Inspirationsquelle für seine fruchtbare literarische Tätigkeit in jenem Jahrzehnt, die ihren Höhepunkt im ''[[Decamerone]]'' fand, geschrieben in den Jahren nach der Pestepidemie, die Italien 1348 heimsuchte.


== Das Wissen der Welt im Zusammenhang ==
[[Datei:Boccaccio01.jpg|miniatur|links|Standbild in den [[Uffizien]], Florenz]]


Das gesamte Wissen der Welt und (fast) alle Tatsachen der Welt lassen sich unter genau fünf höchste Vernunftbegriffe subsummieren. Es sind die fünf regulativen [[Idee|Ideen]] der [[Vernunft]]. Diese höchsten und nicht weiter reduzierbaren [[Begriff]]e sind:
Sein Meisterwerk war indes sicher schon abgeschlossen, als er im Herbst 1350 erstmals [[Francesco Petrarca]] traf. Boccaccio schloss mit ihm eine tiefe Freundschaft. Beiden war die Verehrung für die klassischen Autoren gemein, wie ihr Briefwechsel bezeugt, in dem sie sich über literarische Erfahrungen austauschten.


* [[Gott]]
Jetzt, wo sein Ruhm gewachsen war, vertraute ihm die florentinische Stadtverwaltung verschiedene diplomatische Aufträge an, die ihn auf viele Reisen führten.
** [[Trinität]], [[Hierarchien]], [[Geistige Wesen]], [[Engel]], [[Widersacher]]


* [[Welt]]
In diesen Jahren widmete sich Boccaccio&nbsp;– auch beeinflusst von seinem Freund Petrarca&nbsp;– verstärkt seinem Studium der klassischen Texte. Um 1355 erhielt er freien Zugang zur Bibliothek von [[Montecassino]], in der viele Meisterwerke aus der Antike die Zeiten überdauert hatten. Einige der kostbaren [[Kodex|Kodizes]] schrieb Boccaccio sogar eigenhändig ab.
** [[Weltall]], [[Universum]], [[Kosmos]], [[Erde (Planet)|Erde]], [[Mond]], [[Sonne]], [[Sterne]], [[Natur]]


* [[Gesellschaft]]
Bald entstand um Petrarca und Boccaccio ein Kreis von Intellektuellen, die einige bedeutende klassische Werke wiederentdeckten, darunter die ''[[Annales (Tacitus)|Annalen]]'' des [[Tacitus]] und die ''Metamorphosen'' des [[Apuleius]].
** [[Wirtschaftsleben]], [[Wirtschaft]], [[Geldwesen]], [[Rechtsleben]], [[Staat]], [[Geistesleben]], [[Kultur]], [[Religion]], [[Soziales Leben]], [[Technik]]


* [[Mensch]]
Nachdem Boccaccio um 1360 mit dem Studium des Griechischen begonnen hatte, erwirkte er, dass in Florenz der erste Lehrstuhl für jene Sprache eingerichtet wurde. Der Lehrstuhl wurde an [[Leontius Pilatus]] vergeben, dem Boccaccio darüber hinaus die Übersetzung der ''[[Ilias]]'' und der ''[[Odyssee]]'' des [[Homer]] ins Lateinische anvertraute. Diese Werke konnten somit von einem weitaus breiteren Publikum gelesen werden.
** [[Körper]], [[Seele]], [[Geist]], [[Physischer Leib]], [[Ätherleib]], [[Astralleib]], [[Ich]]


* [[Geschichte]]
Sein Interesse für die Antike beeinflusste auch die Literaturproduktion gegen Ende seines Lebens. In seinen späteren Lebensjahren schrieb er nämlich weniger im ''Volgare'' gehaltene erzählerische Texte, sondern mehr Werke, die sich in lateinischer Sprache mit enzyklopädischen oder philologischen Themen befassten.
** [[Weltentwicklung]], [[Erdentwicklung]], [[Menschheitsentwicklung]], [[Evolution]], [[Kulturgeschichte|Kulturentwicklung]]


Diese fünf regulativen Ideen der Vernunft sind seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt.
Möglicherweise ist diese Veränderung auch auf eine religiöse Krise im Leben Boccaccios zurückzuführen. Diese Krise soll so tiefgreifend gewesen sein, dass Boccaccio sogar einige seiner Werke zerstören wollte, die er nun für unmoralisch hielt, und nur von Petrarca zurückgehalten wurde. Diese Darstellung wird in Frage gestellt durch die Tatsache, dass er noch um 1370 eigenhändig Abschriften seines ''Decamerone'' verfertigte. Auf jeden Fall war er bereits 1360 in den minderen Geistlichenstand eingetreten, wenn auch wahrscheinlich aufgrund finanzieller Nöte. Schließlich begegnete er im Jahr 1362 dem [[Kartäuser]]mönch [[Gioachino Cianni]] aus [[Siena]], der Boccaccio zu „frommem Leben“ bekehrte.<ref name="VerlagGoldmann">Zeittafel und bibliographische Hinweise in: Giovanni Boccaccio: ''Das Dekameron'', München 1981, ISBN 3-442-07599-8, S. 860 f.</ref>
 
1373 wurde ihm, der bereits zwanzig Jahre zuvor mit seiner Dante-Biographie den Kult um [[Dante Alighieri]] angefacht hatte, von der Stadt Florenz aufgetragen, öffentlich die ''[[Die Göttliche Komödie|Divina Commedia]]'' zu lesen, zu erklären und zu kommentieren. 1374 verschlechterte sich allerdings sein gesundheitlicher Zustand (er war wahrscheinlich an [[Aszites|Hydropsie]] erkrankt, einer Krankheit, bei der sich die Bauchhöhle mit Wasser füllt), und so musste er diese Tätigkeit abbrechen.
 
Nachdem er sich schließlich in Certaldo niedergelassen hatte, führte er die Arbeit an einigen Werken bis zu seinem Tod am 21. Dezember 1375 fort.
 
== Werke ==
[[Datei:Boccaccio Altonensis 2.jpg|miniatur|Boccaccio, ''Il Filostrato''. Handschrift, 14. Jahrhundert (Codex Christianei, Hamburg)]]
[[Datei:Bocaccio Von etlichen frouwen.jpg|miniatur|Deutsche Erstausgabe (1473/74) von Boccaccios ''De mulieribus claris'' (deutsche Übersetzung von Heinrich Steinhöwel)]]
 
; Die italienischen Werke
;; Die neapolitanische Phase
* ''La caccia di Diana'' 1334, Kurzepos in 18 Gesängen
* ''Il Filostrato'' 1335, Epos in [[Stanze]]n (ottava rima)
* ''Il Filocolo'' 1336–1339, Roman in Prosa
* ''Teseida'' 1340–1341 (vollendet in Florenz), Epos in Stanzen (ottava rima)
* ''Rime'', Sammlung von Gedichten, die Boccaccio im Verlauf seines Lebens verfasste; von ihm selbst nie zu einem Werk zusammengefasst
 
;; Die Jahre 1340–1350
* ''Ninfale d’Ameto'' 1341–1342, Hirtenroman in Versform und Prosa
* ''L’amorosa visione'' 1342–1344, Epos in Terzinen, imitiert Dantes ''Divina Commedia''
* ''Elegia di Madonna Fiammetta'' 1343–1344, Roman in Prosa
* ''Ninfale fiesolano'' 1344–1346, Epos in Stanzen (ottava rima)
 
;; Das Hauptwerk
* ''[[Decamerone|Il Decamerone]]'' 1348–1353, Novellensammlung
 
;; Das Spätwerk
* ''Il Corbaccio'' 1354, Satire in Prosa
* ''[[Trattatello in laude di Dante]]'' 1351–1373, Biographie Dante Alighieris
* ''Esposizione sopra la Commedia di Dante'' 1373–1374, Überlieferung seiner öffentlichen Vorlesungen und Kommentare zur ''Divina Commedia''
 
;Die lateinischen Werke
* ''Bucolicum carmen'' 1349–1367, sechzehn [[Ekloge]]n
* ''Genealogia deorum gentilium'' 1350–1367, Sammlung mythologischer Erzählungen aus der Antike in 15 Büchern
* ''De montibus, silvis, fontibus, lacubus, fluminibus, stagnis, seu paludibus et de nominibus maris liber'' 1355–1375, umfangreicher Katalog geographischer Objekte, die in der klassischen Literatur vorkommen
* ''[[De casibus virorum illustrium]]'' 1356–1373, Sammlung von Episoden aus dem Leben berühmter Persönlichkeiten, die ein übles Schicksal ereilte
* ''[[De mulieribus claris]]'' 1361–1362, Sammlung moralisierender Biographien berühmter Frauen der Antike und des Mittelalters
 
== Textausgaben und Übersetzungen ==
* Brigitte Hege (Hrsg.): ''Boccaccios Apologie der heidnischen Dichtung in den Genealogie deorum gentilium. Buch XIV. Text, Übersetzung, Kommentar und Abhandlung.'' Stauffenburg, Tübingen 1997, ISBN 3-86057-183-4
* Virginia Brown (Hrsg.): ''Giovanni Boccaccio: Famous Women.'' Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) 2001, ISBN 0-674-00347-0 (lateinischer Text und englische Übersetzung)
* Jon Solomon (Hrsg.): ''Giovanni Boccaccio: Genealogy of the Pagan Gods.'' Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) 2011 ff. (lateinischer Text und englische Übersetzung)
** Band 1: ''Books I–V'', 2011, ISBN 978-0-674-05710-4


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:!Hauptkategorie}}
* {{WikipediaDE|Kategorie:Giovanni Boccaccio}}
* {{WikipediaDE|Kategorie:Sachsystematik}}
* {{WikipediaDE|Giovanni Boccaccio}}
 
== Literatur ==
* Hans-Jörg Neuschäfer: ''Boccaccio und der Beginn der Novelle. Strukturen der Kurzerzählung auf der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit.'' München 1969.
* Joachim Heinzle: ''Boccaccio und die Tradition der Novelle. Zur Strukturanalyse und Gattungsbestimmung kleinepischer Formen zwischen Mittelalter und Neuzeit.'' In: Wolfram-Studien 5 (1979), S. 41–62.
* Hans-Joachim Ziegeler: ''Boccaccio, Chaucer, Mären, Novellen: „The Tale of the Cradle“.'' In: Klaus Grubmüller u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Kleinere Erzählformen im Mittelalter. Paderborner Colloquium 1987.'' Paderborn/München/Wien/Zürich 1988, S. 9–32.
* Winfried Wehle: ''Der Tod, das Leben und die Kunst: Boccaccios Decameron oder der Triumph der Sprache.'' In: Arno Borst (Hrsg.): ''Tod im Mittelalter.'' Konstanz 1993, S. 221–260. [http://edoc.ku-eichstaett.de/3922/1/DerToddasLebenudieKunst.pdf Online] (PDF; 250&nbsp;kB).
* Winfried Wehle: ''Im Purgatorium des Lebens: Boccaccios Projekt einer narrativen Anthropologie.'' In: Achim Aurnhammer, Rainer Stillers (Hrsg.): ''Giovanni Boccaccio in Europa: Studien zu seiner Rezeption in Spätmittelalter und Früher Neuzeit.'' Wiesbaden 2014, S. 19–45. [http://edoc.ku-eichstaett.de/14129/1/Bocc._Purgatorium.pdf Online] (PDF; 3&nbsp;MB).
 
== Weblinks ==
{{Wikisource|Autore:Giovanni Boccaccio|Giovanni Boccaccio|lang=it}}
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* {{DNB-Portal|11851217X}}
* {{DDB|Person|11851217X}}
* {{Zeno-Autor|Literatur/M/Boccaccio,+Giovanni}}
* {{PGDA|58}}
* [http://www.intratext.com/Catalogo/Autori/AUT47.HTM Werke von Giovanni Boccaccio]: Text, Konkordanzen, Wortlisten und Statistik
* Autograph in Humanistischer Kursive von Giovanni Cardello da Imola abgeschrieben : Giovanni Boccaccio: Elegie von Madonna Fiammetta [http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/cb/0039 Italien 1467 ]  im digitalen Angebot von Cologny, Fondation Martin Bodmer, Cod. Bodmer 39
* [http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0009/bsb00092987/images/index.html?id=00092987&groesser=&fip=193.174.98.30&no=&seite=1 Le livre de Jehan Bocace des cas des nobles hommes et femmes Digitalisat einer französischen Handschrift 15.Jh BSB Cod.gall. 6]
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
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[[Kategorie:Dichter]]
[[Kategorie:Jurist]]
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[[Kategorie:Italienische Literatur]]
[[Kategorie:Schriftsteller]]
[[Kategorie:Altphilologe]]
[[Kategorie:Geboren 1313]]
[[Kategorie:Gestorben 1375]]
[[Kategorie:Mann]]


[[Kategorie:!Hauptkategorie|!]]
{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Idee]]
[[Kategorie:Wissen|101]]

Version vom 21. Juni 2018, 22:25 Uhr

Giovanni Boccaccio ([d͡ʒoˈvanːi boˈkːat͡ʃːo]; * 1313 in Paris, Frankreich; † 21. Dezember 1375 in Certaldo) war ein italienischer Schriftsteller, Demokrat, Dichter und bedeutender Vertreter des Renaissance-Humanismus. Sein Meisterwerk, das Decamerone, porträtiert mit bis dahin unbekanntem Realismus und Witz die facettenreiche Gesellschaft des 14. Jahrhunderts und erhebt ihn zum Begründer der prosaischen Erzähltradition in Europa.

Leben

Andrea del Castagno: Giovanni Boccaccio, um 1450

Die genauen Umstände seiner Geburt sind nicht gesichert. Boccaccio wurde 1313 geboren, vermutlich in Paris, möglicherweise aber auch in Florenz oder im nahe gelegenen Bergdorf Certaldo, als unehelicher Sohn des Kaufmanns Boccaccio di Chellino. Seine Mutter starb kurz nach der Niederkunft.[1] Später kam die in vielen Quellen zitierte und auch von ihm selbst geförderte, bis heute unbewiesene Legende auf, er sei in Paris geboren worden, hervorgegangen aus einer Beziehung zwischen seinem Vater und einer französischen Adligen namens Giovanna.

Seine Kindheit verlebte er in Florenz im Haus des Vaters, der für die Compagnia dei Bardi, eine Bankgesellschaft, arbeitete. Noch als Jugendlicher – ungefähr vierzehn Jahre alt – wurde er nach Neapel zur Arbeit in eine Filiale der Compagnia dei Bardi geschickt, um sich im Beruf des Kaufmanns zu üben.

Die in Neapel verbrachten Jahre (bis 1340) hatten großen Einfluss auf die persönliche und intellektuelle Entwicklung Boccaccios. Anstatt sich mit dem Studium der Handelstätigkeit oder des kanonischen Rechts zu beschäftigen, wie es der Vater gewollt hatte, widmete er sich seiner Leidenschaft für die Literatur. Dank seinem guten Namen erhielt er Zugang zum neapolitanischen Hof des Robert von Anjou, wo er den eleganten, höfischen Lebensstil kennenlernte, mit Intellektuellen verkehrte und sich autodidaktisch eine breitgefächerte Bildung aneignete.

In dieser Zeit entstanden auch seine ersten Werke in Versform und Prosa, in denen Boccaccio mit verschiedenen Genres und Stilen experimentierte. Dem Geschmack der Zeit entsprechend, entwarf er das wiederkehrende Bild einer idealen Geliebten, die er Fiammetta nannte und deren reales Vorbild vermutlich eine neapolitanische Adlige namens Maria d’Aquino ist.

1340 kehrte er nach Florenz zurück. Wegen finanzieller Schwierigkeiten trat er in den Staatsdienst ein und bekleidete mehrere Ämter. Zwischen 1345 und 1346 begab er sich an den Hof des Ostasio da Polenta in Ravenna, während er im nächsten Jahr im Dienst des Francesco Ordelaffi in Forlì stand. Das bürgerliche-städtische Umfeld, sehr verschieden vom höfischen Leben, war eine bedeutende Inspirationsquelle für seine fruchtbare literarische Tätigkeit in jenem Jahrzehnt, die ihren Höhepunkt im Decamerone fand, geschrieben in den Jahren nach der Pestepidemie, die Italien 1348 heimsuchte.

Standbild in den Uffizien, Florenz

Sein Meisterwerk war indes sicher schon abgeschlossen, als er im Herbst 1350 erstmals Francesco Petrarca traf. Boccaccio schloss mit ihm eine tiefe Freundschaft. Beiden war die Verehrung für die klassischen Autoren gemein, wie ihr Briefwechsel bezeugt, in dem sie sich über literarische Erfahrungen austauschten.

Jetzt, wo sein Ruhm gewachsen war, vertraute ihm die florentinische Stadtverwaltung verschiedene diplomatische Aufträge an, die ihn auf viele Reisen führten.

In diesen Jahren widmete sich Boccaccio – auch beeinflusst von seinem Freund Petrarca – verstärkt seinem Studium der klassischen Texte. Um 1355 erhielt er freien Zugang zur Bibliothek von Montecassino, in der viele Meisterwerke aus der Antike die Zeiten überdauert hatten. Einige der kostbaren Kodizes schrieb Boccaccio sogar eigenhändig ab.

Bald entstand um Petrarca und Boccaccio ein Kreis von Intellektuellen, die einige bedeutende klassische Werke wiederentdeckten, darunter die Annalen des Tacitus und die Metamorphosen des Apuleius.

Nachdem Boccaccio um 1360 mit dem Studium des Griechischen begonnen hatte, erwirkte er, dass in Florenz der erste Lehrstuhl für jene Sprache eingerichtet wurde. Der Lehrstuhl wurde an Leontius Pilatus vergeben, dem Boccaccio darüber hinaus die Übersetzung der Ilias und der Odyssee des Homer ins Lateinische anvertraute. Diese Werke konnten somit von einem weitaus breiteren Publikum gelesen werden.

Sein Interesse für die Antike beeinflusste auch die Literaturproduktion gegen Ende seines Lebens. In seinen späteren Lebensjahren schrieb er nämlich weniger im Volgare gehaltene erzählerische Texte, sondern mehr Werke, die sich in lateinischer Sprache mit enzyklopädischen oder philologischen Themen befassten.

Möglicherweise ist diese Veränderung auch auf eine religiöse Krise im Leben Boccaccios zurückzuführen. Diese Krise soll so tiefgreifend gewesen sein, dass Boccaccio sogar einige seiner Werke zerstören wollte, die er nun für unmoralisch hielt, und nur von Petrarca zurückgehalten wurde. Diese Darstellung wird in Frage gestellt durch die Tatsache, dass er noch um 1370 eigenhändig Abschriften seines Decamerone verfertigte. Auf jeden Fall war er bereits 1360 in den minderen Geistlichenstand eingetreten, wenn auch wahrscheinlich aufgrund finanzieller Nöte. Schließlich begegnete er im Jahr 1362 dem Kartäusermönch Gioachino Cianni aus Siena, der Boccaccio zu „frommem Leben“ bekehrte.[1]

1373 wurde ihm, der bereits zwanzig Jahre zuvor mit seiner Dante-Biographie den Kult um Dante Alighieri angefacht hatte, von der Stadt Florenz aufgetragen, öffentlich die Divina Commedia zu lesen, zu erklären und zu kommentieren. 1374 verschlechterte sich allerdings sein gesundheitlicher Zustand (er war wahrscheinlich an Hydropsie erkrankt, einer Krankheit, bei der sich die Bauchhöhle mit Wasser füllt), und so musste er diese Tätigkeit abbrechen.

Nachdem er sich schließlich in Certaldo niedergelassen hatte, führte er die Arbeit an einigen Werken bis zu seinem Tod am 21. Dezember 1375 fort.

Werke

Boccaccio, Il Filostrato. Handschrift, 14. Jahrhundert (Codex Christianei, Hamburg)
Deutsche Erstausgabe (1473/74) von Boccaccios De mulieribus claris (deutsche Übersetzung von Heinrich Steinhöwel)
Die italienischen Werke
Die neapolitanische Phase
  • La caccia di Diana 1334, Kurzepos in 18 Gesängen
  • Il Filostrato 1335, Epos in Stanzen (ottava rima)
  • Il Filocolo 1336–1339, Roman in Prosa
  • Teseida 1340–1341 (vollendet in Florenz), Epos in Stanzen (ottava rima)
  • Rime, Sammlung von Gedichten, die Boccaccio im Verlauf seines Lebens verfasste; von ihm selbst nie zu einem Werk zusammengefasst
Die Jahre 1340–1350
  • Ninfale d’Ameto 1341–1342, Hirtenroman in Versform und Prosa
  • L’amorosa visione 1342–1344, Epos in Terzinen, imitiert Dantes Divina Commedia
  • Elegia di Madonna Fiammetta 1343–1344, Roman in Prosa
  • Ninfale fiesolano 1344–1346, Epos in Stanzen (ottava rima)
Das Hauptwerk
Das Spätwerk
  • Il Corbaccio 1354, Satire in Prosa
  • Trattatello in laude di Dante 1351–1373, Biographie Dante Alighieris
  • Esposizione sopra la Commedia di Dante 1373–1374, Überlieferung seiner öffentlichen Vorlesungen und Kommentare zur Divina Commedia
Die lateinischen Werke
  • Bucolicum carmen 1349–1367, sechzehn Eklogen
  • Genealogia deorum gentilium 1350–1367, Sammlung mythologischer Erzählungen aus der Antike in 15 Büchern
  • De montibus, silvis, fontibus, lacubus, fluminibus, stagnis, seu paludibus et de nominibus maris liber 1355–1375, umfangreicher Katalog geographischer Objekte, die in der klassischen Literatur vorkommen
  • De casibus virorum illustrium 1356–1373, Sammlung von Episoden aus dem Leben berühmter Persönlichkeiten, die ein übles Schicksal ereilte
  • De mulieribus claris 1361–1362, Sammlung moralisierender Biographien berühmter Frauen der Antike und des Mittelalters

Textausgaben und Übersetzungen

  • Brigitte Hege (Hrsg.): Boccaccios Apologie der heidnischen Dichtung in den Genealogie deorum gentilium. Buch XIV. Text, Übersetzung, Kommentar und Abhandlung. Stauffenburg, Tübingen 1997, ISBN 3-86057-183-4
  • Virginia Brown (Hrsg.): Giovanni Boccaccio: Famous Women. Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) 2001, ISBN 0-674-00347-0 (lateinischer Text und englische Übersetzung)
  • Jon Solomon (Hrsg.): Giovanni Boccaccio: Genealogy of the Pagan Gods. Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) 2011 ff. (lateinischer Text und englische Übersetzung)

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Jörg Neuschäfer: Boccaccio und der Beginn der Novelle. Strukturen der Kurzerzählung auf der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit. München 1969.
  • Joachim Heinzle: Boccaccio und die Tradition der Novelle. Zur Strukturanalyse und Gattungsbestimmung kleinepischer Formen zwischen Mittelalter und Neuzeit. In: Wolfram-Studien 5 (1979), S. 41–62.
  • Hans-Joachim Ziegeler: Boccaccio, Chaucer, Mären, Novellen: „The Tale of the Cradle“. In: Klaus Grubmüller u. a. (Hrsg.): Kleinere Erzählformen im Mittelalter. Paderborner Colloquium 1987. Paderborn/München/Wien/Zürich 1988, S. 9–32.
  • Winfried Wehle: Der Tod, das Leben und die Kunst: Boccaccios Decameron oder der Triumph der Sprache. In: Arno Borst (Hrsg.): Tod im Mittelalter. Konstanz 1993, S. 221–260. Online (PDF; 250 kB).
  • Winfried Wehle: Im Purgatorium des Lebens: Boccaccios Projekt einer narrativen Anthropologie. In: Achim Aurnhammer, Rainer Stillers (Hrsg.): Giovanni Boccaccio in Europa: Studien zu seiner Rezeption in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Wiesbaden 2014, S. 19–45. Online (PDF; 3 MB).

Weblinks

 Wikisource: Giovanni Boccaccio – Quellen und Volltexte (italiano)
 Wikisource: Giovanni Boccaccio – Quellen und Volltexte
Commons: Giovanni Boccaccio - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Zeittafel und bibliographische Hinweise in: Giovanni Boccaccio: Das Dekameron, München 1981, ISBN 3-442-07599-8, S. 860 f.


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