Julius Baumann und Turingmaschine: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Julius Baumann''' (* 1837; † 1916<ref>http://kalliope-verbund.info/de/eac?eac.id=116088524</ref>) war ein [[Wikipedia:Deutschland|deutscher]] Gymnasiallehrer und ab 1869 Professor für [[Philosophie]] an der [[Wikipedia:Georg-August-Universität Göttingen|Georg-August-Universität Göttingen]]<ref>[[Wikipedia:Wilhelm Dilthey|Wilhelm Dilthey]]: ''Briefwechsel: Band I: 1852–1882'', Vandenhoeck & Ruprecht 2011, ISBN 978-3-525-30368-9, S. 456 [http://books.google.at/books?id=lBMLS5Q84DEC&pg=PA456]</ref> und Geheimer Regierungsrat.
[[Datei:Model of a Turing machine.jpg|mini|250px|Modell einer Turingmaschine]]


Baumann war ein Schüler von [[Wikipedia:Hermann Lotze|Hermann Lotze]] (1817-1881)<ref>Hans-Günther Schlotter: ''Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der Georg-August-Universität zu Göttingen'', Vandenhoeck & Ruprecht 1994, ISBN 3-525-35847-4, S. 89 [http://books.google.at/books?id=SZPuC7VGVbIC&pg=PA89]</ref>, der damals als wichtigster deutscher [[Metaphysik]]er nach [[Hegel]] und als bahnbrechender Naturforscher galt, und vertrat selbst einen [[naturwissenschaft]]lich orientierten [[Realismus]]. Baumann geht methodisch davon aus, ''„... dass die Ergebnisse der Naturwissenschaften wohl noch Raum für eine wissenschaftliche Gottesvorstellung lassen. Den Versuch einer solchen wissenschaftlichen Gotteslehre lege ich nunmehr vor. Dass eine solche mir nicht früher gelingen wollte, kommt davon, dass wir in der Gewohnheit stecken, in der Gottesvorstellung sofort die idealisierende Tätigkeit des menschlichen Geistes vorwalten zu lassen, wodurch alsbald unlösbare Schwierigkeiten entstehen. ''Wissenschaftlich'' ist auch hier allein das Verfahren, vom Gegebenen auszugehen und zu demselben wieder zurückzukehren, das Idealisieren nur als ein Exaktmachen des Gegebenen nach dessen eigenen Andeutungen verwertend.'' {{Lit|Baumann (2016), Vorwort}}
Die '''Turingmaschine''' ist ein 1936<ref>{{Literatur
  |Autor=Alan M. Turing
  |Titel=On Computable Numbers, with an Application to the Entscheidungsproblem
  |Sammelwerk=Proceedings of the London Mathematical Society
  |Band=42
  |Datum=1937
  |Seiten=230–265
  |DOI=10.1112/plms/s2-42.1.230
  |Online=[https://www.cs.virginia.edu/~robins/Turing_Paper_1936.pdf pdf]}}</ref> von dem britischen [[Mathematiker]] und [[Logik]]er [[Alan Turing]] (1912-1954) eingeführtes [[Berechenbarkeit]]smodell, das die Arbeitsweise eines [[Computer]]s mathematisch exakt beschreibt und damit eine wesentliche Grundlage der [[Theoretische Informatik|theoretischen Informatik]] ist. Es handelt sich dabei also um ein Gedankenmodell und nicht um ein physisch realisiertes Gerät. Turing analysierte dazu die menschlichen Gedankenprozesse beim [[Rechnen|Zahlenrechnen]] und bildete sie in seinem Modell nach, indem er die mathematischen Begriffe „[[Berechenbarkeit]]“ und „[[Algorithmus]]“ (Rechenvorschrift) streng formalisierte.


[[Rudolf Steiner]] nennt Baumanns Schrift ''Philosophie als Orientierung über die Welt'' (1873) als Quelle schon in seiner 1892 als erweiterte Buchausgabe erschienenen [[Wikipedia:Dissertation|Dissertation]] «[[Wahrheit und Wissenschaft]]» {{GZ||3|17|12}}. Später erwähnt er ihn in dem 1903 geschriebenen Aufsatz «[[Reinkarnation und Karma, vom Standpunkte der modernen Naturwissenschaft notwendige Vorstellungen]]» {{GZ||34|67ff}} als einen Denker, der aus naturwissenschaftlichen Erwägungen und in Anlehnung an [[Lessing]] «[[Die Erziehung des Menschengeschlechts]]» folgerichtig auf den Gedanken der [[Reinkarnation]] gekommen war.
== Schematischer Aufbau einer Turingmaschine ==
[[Datei:Turingmaschine.svg|mini|250px|Schematischer Aufbau einer Ein-Band-Turingmaschine]]


{{GZ|Man lasse entweder die ganze naturwissenschaftliche
Eine einfache Turingmaschine repräsentiert einen bestimmten Algorithmus bzw. ein [[Computerprogramm|Programm]]. Sie verfügt über ein endloses, in quadratische Felder eingeteiltes Band, das als Datenspeicher mit unbeschränkter Kapazität dient. Die Felder können mit [[Zeichen]] (inklusive Leerzeichen) aus einem definierten [[Zeichensatz]] - im einfachsten Fall 0 und 1 - beschrieben werden. Das Band wird durch einen beweglichen Lese- und Schreibkopf gelesen bzw. beschrieben, wobei das Band programmgesteuert vorwärts und rückwärts bewegt und das jeweilige Zeichen verändert werden kann. Die Maschine startet bei dem ersten eingegebenen Zeichen und stoppt, wenn für den aktuellen Zustand und das gerade gelesene Zeichen keine weitere Aktion definiert ist. Die Frage, ob der Algorithmus nach einer endlichen Zahl von Schritten zum Ende kommt, wird als '''Halteproblem''' bezeichnet. Für einfache Algorithmen kann diese Frage meist leicht beantwortet werden. Turing hat aber mittels seiner Turingmaschine nachgewiesen, dass es keinen Algorithmus gibt, der diese Frage für alle möglichen Algorithmen und beliebige Eingaben beantworten könnte. Das Halteproblem ist daher algorithmisch ''nicht'' [[entscheidbar]]. [[Erkenntnistheorie|Erkenntnistheoretisch]] folgt daraus, dass grundsätzlich nicht jedes Problem logisch lösbar ist, selbst wenn alle dafür relevanten Fakten bekannt sind. Das trifft sich mit dem bereits 1931 von [[Kurt Gödel]] formulierten [[Gödelscher Unvollständigkeitssatz|Gödelschen Unvollständigkeitssatz]].<ref>Kurt Gödel: ''Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme&nbsp;I.'' In: ''Monatshefte für Mathematik und Physik.'' 38, 1931, S. 173–198, {{DOI|10.1007/BF01700692}}. [http://www.zentralblatt-math.org/zbmath/search/?q=an:57.0054.02 Zentralblatt MATH.]</ref>
Entwickelungslehre fallen, oder man gebe zu, daß sie auf
die seelische Entwickelung ausgedehnt werden müsse. Es gibt
nur zweierlei: ''entweder'' es ist jede Seele durch ein ''Wunder geschaffen'',
wie die tierischen Arten durch Wunder geschaffen
sein müßten, wenn sie sich nicht auseinander entwickelt haben;
''oder'' die Seele hat sich entwickelt und ist in anderer Form früher
dagewesen, wie die tierische Art in anderer Form da war [...]


Denker, in denen das naturwissenschaftliche Streben
In seinem 1948 veröffentlichten Bericht ''Intelligent Machinery'' beschrieb Turing seine „''Logischen Berechnungsmaschinen''“ (''Logical Computing Machines'', kurz: LCM) wie folgt:
anfängt, sich folgerichtig auszubilden, kommen notwendig
zu dieser Ansicht. So lesen wir in der Schrift des Göttinger Philosophieprofessors
Julius Baumann über « Neuchristentum und
reale Religion» unter den neununddreißig Sätzen eines «Entwurfes
eines kurzen Inbegriffs realwissenschaftlicher Religion»
auch den folgenden (zweiundzwanzigsten): «... Wie
... in der unorganischen Natur die physikalisch-chemischen
Elemente und Kräfte nicht vergehen, sondern nur ihre Kombinationen
ändern, so ist dies nach realwissenschaftlicher Methode
auch anzunehmen von den organischen und den organisch-geistigen Kräften. Die Menschenseele als formale Einheit,
als verknüpfendes Ich kehrt wieder in neuen Menschenleibern und kann
so alle Stufen menschheitlicher Entwickelung durchleben.»<ref>Julius Baumann: ''Neuchristentum und reale Religion. Eine Streitschrift wider Harnack und Stendel. Nebst einem Katechismus realer Religion.'' Strauß, Bonn 1901, S. 48; bei Baumann schließt der Satz mit dem Wort «(Lessing)».</ref>


Solche Anschauung muß haben, wer den vollen Mut zum
{{Zitat|In Turing (1937) wurde ein bestimmter Typ einer diskreten Maschine beschrieben. Sie hatte eine unendliche Speicherkapazität in Form eines unendlichen Bandes, das in Quadrate unterteilt ist, auf die jeweils ein Symbol gedruckt werden kann. Zu jedem Zeitpunkt befindet sich ein Symbol in der Maschine; es wird das gescannte Symbol genannt. Die Maschine kann das gescannte Symbol ändern und sein Verhalten wird teilweise durch dieses Symbol beschrieben, aber die Symbole an anderer Stelle auf dem Band  haben keinen Einfluss auf das Verhalten der Maschine. Das Band kann jedoch durch die Maschine hin- und herbewegt werden, wobei dies eine der elementaren Operationen der Maschine ist. Jedes Symbol auf dem Band kann daher irgendwann einen Durchgang haben.
naturwissenschaftlichen Glaubensbekenntnis der Gegenwart
besitzt.|34|85f}}


== Werke (Auswahl) ==
Diese Maschinen werden hier 'Logical Computing Machines' genannt. Sie sind vor allem von Interesse wenn wir überlegen wollen, wozu eine Maschine prinzipiell ausgelegt sein könnte, wenn wir bereit sind um sowohl unbegrenzte Zeit als auch unbegrenzte Speicherkapazität zu ermöglichen.|Alan Turing|''Intelligent Machinery'' (1948)|ref=<ref>„In Turing (1937) a certain type of discrete machine was described. lt had an infinite memory capacity obtained in the form of an infinite tape marked out into squares on each of which a symbol could be printed. At any moment there is one symbol in the machine; it is called the scanned symbol. The machine can alter the scanned symbol and its behaviour is in part described by that symbol, but the symbols on the tape elsewhere do not affect the behaviour of the machine. However the tape can be moved back and forth through the machine, this being one of the elementary operations of the machine. Any symbol on the tape may therefore eventually have an innings.<br />
These machines will here be called ‘Logical Computing Machines’. They are chiefly of interest when we wish to consider what a machine could in principle be designed to do, when we are willing to allow it both unlimited time and unlimited storage capacity.“ (Alan M. Turing: ''Intelligent Machinery'', 1948, The Turing Archive, [http://www.alanturing.net/turing_archive/archive/l/l32/L32-004.html S. 3f.]</ref>)}}


* ''Die Lehren von Raum, Zeit und Mathematik in der neueren Philosophie nach ihrem Ganzen Einfluss dargestellt und beurtheilt'', Band 1, G. Reimer, 1868 [http://books.google.at/books?id=ZiBVAAAAMAAJ]
== Church-Turing-These ==
* ''Philosophie als Orientirung über die Welt'', S. Hirzel, 1872 [http://books.google.at/books?id=S3tZAAAAcAAJ]
* ''Die Staatslehre des h. Thomas von Aquino: des grössten Theologen und Philosophen der katholischen Kirche'', S. Hirzel, 1873 [http://books.google.at/books?id=EyfGCjm2G5UC]
* ''Sechs Vorträge aus dem Gebiete der praktischen Philosophie'', Hirzel, 1874 [http://books.google.at/books?id=UVXIM9Yrwk4C]
* ''Handbuch der Moral: nebst, Abriss der Rechtsphilosophie'', S. Hirzel, 1879 [http://books.google.at/books?id=2IRYAAAAMAAJ]
* ''Platons Phädon: philosophisch erklärt und durch die späteren Beweise für die Unsterblichkeit ergänzt'', F. A. Perthes, 1889 [http://books.google.at/books?id=85XAboe7yNUC]
* ''Geschichte der Philosophie nach Ideengehalt und Beweisen'', Perthes, 1890 [http://books.google.at/books?id=BYQ3AAAAMAAJ]
* ''Elemente der Philosophie: Logik, Erkenntnistheorie und Metaphysik, Moral (praktische Psychologie) für das akademische Studium und zum Selbstunterricht'', Veit, 1891 [http://books.google.at/books?id=4jQaAAAAYAAJ]
* ''Die Grundfrage der Religion - Versuch einer auf den realen Wissenschaften beruhenden Gotteslehre'', Frommann, 1895 [http://books.google.at/books?id=wVorAAAAYAAJ], Neuauflage:Hansebooks 2016, ISBN 9783743610736
* ''Über Willens- und Charakterbildung auf physiologisch-psychologischer Grundlage'', Reuther & Reichard, 1897, Neuauflage: Hansebooks 2017, ISBN 9783743693975
* ''Realwissenschaftliche Begründung der Moral, des Rechts und der Gotteslehre'', Th. Weicher, 1898 [http://books.google.at/books?id=QMpAAAAAYAAJ]
* ''Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der Pädagogischen Psychologie und Physiologie'', Band 1, Reuther & Reichard, 1898 [http://books.google.at/books?id=LNUYAQAAIAAJ]
* ''Häckels Welträthsel nach ihren starken und ihren schwachen Seiten: mit einem Anhang über Häckels theologische Kritiker'', T. Weicher, 1900 [http://books.google.at/books?id=sgVHAAAAIAAJ]
* ''Neuchristentum und reale Religion. Eine Streitschrift wider Harnack und Stendel. Nebst einem Katechismus realer Religion.'' Strauß, Bonn 1901
* ''Einführung in die Pädagogik: Geschichte der pädagogischen Theorien. Allgemeine Pädagogik (pädagogische Psychologie)'', Veit & Comp., 1901 [http://books.google.at/books?id=CaJDAAAAIAAJ]
* ''Deutsche und außerdeutsche Philosophie der letzten Jahrzehnte'', F.A. Perthes, 1903 [http://books.google.at/books?id=Sms_AAAAIAAJ]
* ''Denifle's Luther und Luthertum vom allgemeinwissenschaftlichen Standpunkt'', Hermann Beyer, 1904 [http://books.google.at/books?id=uczO4L9k8Z4C]
* ''Dichterische und wissenschaftliche Weltansicht: mit besonderer Beziehung auf Don Juan, Faust, und die Moderne'', F.A. Perthes, 1904 [http://books.google.at/books?id=ItwNAAAAYAAJ]
* ''Wille und Charakter: eine Erziehungslehre auf moderner Grundlage'', Reuther & Reichard, 1905 [http://books.google.at/books?id=Pf9UAAAAMAAJ]
* ''Über Religionen und Religion: Worte zur Verständigung'', H. Beyer, 1905 [http://books.google.at/books?id=OKQG4HaqNnUC]
* ''Der Wissensbegriff: eine historisch-philosophische und philosophisch-kritische Monographie'', C. Winter, 1908 [http://books.google.at/books?id=cRtVAAAAMAAJ]
* ''Die Gemütsart Jesu: nach jetziger wiss. insbesondere psychologischer Methode erkennbar gemacht'', Kröner, 1908 [http://books.google.at/books?id=lscUAAAAYAAJ]
* ''Unsterblichkeit und Seelenwanderung: Ein Einigungspunkt morgenländischer und abendländischer Weltansicht'', S. Hirzel, 1909 [http://books.google.at/books?id=m2xHAAAAIAAJ]
* ''Neues zu Sokrates, Aristoteles, Euripides'', Veit, 1912 [http://books.google.at/books?id=l0NCAQAAIAAJ]


== Literatur ==
Eine mathematische [[Funktion (Mathematik)|Funktion]] wird als '''Turing-berechenbar''' oder kurz als [[berechenbar]] bezeichnet, wenn sie mit einer Turingmaschine berechnet werden kann. Gemäß der '''Church-Turing-These''' stimmt die Klasse der Turing-berechenbaren mit der Klasse der intuitiv berechenbaren Funktionen überein<ref>Benannt nach Alan Turing und dem US-amerikanischen Mathematiker, Logiker und Philosophen [[Wikipedia:Alonzo Church|Alonzo Church]] (1903-1995), der einer der Mitbegründer der [[Theoretische Informatik|theoretischen Informatik]] war. Die Church-Turing-These ist zwar nicht formal beweisbar, da sich der Begriff „intuitiv berechenbare Funktion“ nicht exakt formalisieren lässt, wird aber allgemein als gültig angesehen.</ref>. Eine Funktion, die mittels einer Turingmaschine nicht berechnet werden kann, gilt damit erwiesenermaßen als nicht berechenbar. Tatsächlich stellte Turing fest, dass viele Funktionen, die sich der Mensch ''ausdenken'' kann, grundsätzlich nicht berechenbar.


#Julius Baumann: ''Neuchristentum und reale Religion. Eine Streitschrift wider Harnack und Stendel. Nebst einem Katechismus realer Religion.'' Strauß, Bonn 1901
== Siehe auch ==
#Julius Baumann: ''Die Grundfrage der Religion: Versuch einer auf den realen Wissenschaften beruhenden Gotteslehre'', Hansebooks 2016, ISBN 9783743610736
#Rudolf Steiner: ''Wahrheit und Wissenschaft''. 5. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1980, ISBN 3-7274-0030-7 {{Schriften|003}}
#Rudolf Steiner: ''Lucifer – Gnosis'', [[GA 34]] (1987), ISBN 3-7274-0340-3 {{Vorträge|034}}


{{GA}}
* {{WikipediaDE|Turingmaschine}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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<references />
<references />


[[Kategorie:Philosoph]] [[Kategorie:Naturwissenschaftler]] [[Kategorie:Naturforscher]] [[Kategorie:Reinkarnation]] [[Kategorie:Geboren 1837]] [[Kategorie:Gestorben 1916]] [[Kategorie:Mann]]
{{Normdaten|TYP=s|GND=4203525-9}}
 
[[Kategorie:Alan Turing]]
[[Kategorie:Automatentheorie]]
[[Kategorie:Komplexitätstheorie]]
[[Kategorie:Berechenbarkeitstheorie]]

Version vom 7. August 2018, 15:16 Uhr

Modell einer Turingmaschine

Die Turingmaschine ist ein 1936[1] von dem britischen Mathematiker und Logiker Alan Turing (1912-1954) eingeführtes Berechenbarkeitsmodell, das die Arbeitsweise eines Computers mathematisch exakt beschreibt und damit eine wesentliche Grundlage der theoretischen Informatik ist. Es handelt sich dabei also um ein Gedankenmodell und nicht um ein physisch realisiertes Gerät. Turing analysierte dazu die menschlichen Gedankenprozesse beim Zahlenrechnen und bildete sie in seinem Modell nach, indem er die mathematischen Begriffe „Berechenbarkeit“ und „Algorithmus“ (Rechenvorschrift) streng formalisierte.

Schematischer Aufbau einer Turingmaschine

Schematischer Aufbau einer Ein-Band-Turingmaschine

Eine einfache Turingmaschine repräsentiert einen bestimmten Algorithmus bzw. ein Programm. Sie verfügt über ein endloses, in quadratische Felder eingeteiltes Band, das als Datenspeicher mit unbeschränkter Kapazität dient. Die Felder können mit Zeichen (inklusive Leerzeichen) aus einem definierten Zeichensatz - im einfachsten Fall 0 und 1 - beschrieben werden. Das Band wird durch einen beweglichen Lese- und Schreibkopf gelesen bzw. beschrieben, wobei das Band programmgesteuert vorwärts und rückwärts bewegt und das jeweilige Zeichen verändert werden kann. Die Maschine startet bei dem ersten eingegebenen Zeichen und stoppt, wenn für den aktuellen Zustand und das gerade gelesene Zeichen keine weitere Aktion definiert ist. Die Frage, ob der Algorithmus nach einer endlichen Zahl von Schritten zum Ende kommt, wird als Halteproblem bezeichnet. Für einfache Algorithmen kann diese Frage meist leicht beantwortet werden. Turing hat aber mittels seiner Turingmaschine nachgewiesen, dass es keinen Algorithmus gibt, der diese Frage für alle möglichen Algorithmen und beliebige Eingaben beantworten könnte. Das Halteproblem ist daher algorithmisch nicht entscheidbar. Erkenntnistheoretisch folgt daraus, dass grundsätzlich nicht jedes Problem logisch lösbar ist, selbst wenn alle dafür relevanten Fakten bekannt sind. Das trifft sich mit dem bereits 1931 von Kurt Gödel formulierten Gödelschen Unvollständigkeitssatz.[2]

In seinem 1948 veröffentlichten Bericht Intelligent Machinery beschrieb Turing seine „Logischen Berechnungsmaschinen“ (Logical Computing Machines, kurz: LCM) wie folgt:

„In Turing (1937) wurde ein bestimmter Typ einer diskreten Maschine beschrieben. Sie hatte eine unendliche Speicherkapazität in Form eines unendlichen Bandes, das in Quadrate unterteilt ist, auf die jeweils ein Symbol gedruckt werden kann. Zu jedem Zeitpunkt befindet sich ein Symbol in der Maschine; es wird das gescannte Symbol genannt. Die Maschine kann das gescannte Symbol ändern und sein Verhalten wird teilweise durch dieses Symbol beschrieben, aber die Symbole an anderer Stelle auf dem Band haben keinen Einfluss auf das Verhalten der Maschine. Das Band kann jedoch durch die Maschine hin- und herbewegt werden, wobei dies eine der elementaren Operationen der Maschine ist. Jedes Symbol auf dem Band kann daher irgendwann einen Durchgang haben.

Diese Maschinen werden hier 'Logical Computing Machines' genannt. Sie sind vor allem von Interesse wenn wir überlegen wollen, wozu eine Maschine prinzipiell ausgelegt sein könnte, wenn wir bereit sind um sowohl unbegrenzte Zeit als auch unbegrenzte Speicherkapazität zu ermöglichen.“

Alan Turing: Intelligent Machinery (1948)[3])

Church-Turing-These

Eine mathematische Funktion wird als Turing-berechenbar oder kurz als berechenbar bezeichnet, wenn sie mit einer Turingmaschine berechnet werden kann. Gemäß der Church-Turing-These stimmt die Klasse der Turing-berechenbaren mit der Klasse der intuitiv berechenbaren Funktionen überein[4]. Eine Funktion, die mittels einer Turingmaschine nicht berechnet werden kann, gilt damit erwiesenermaßen als nicht berechenbar. Tatsächlich stellte Turing fest, dass viele Funktionen, die sich der Mensch ausdenken kann, grundsätzlich nicht berechenbar.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1.  Alan M. Turing: On Computable Numbers, with an Application to the Entscheidungsproblem. In: Proceedings of the London Mathematical Society. 42, 1937, S. 230–265, doi:10.1112/plms/s2-42.1.230 (pdf).
  2. Kurt Gödel: Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I. In: Monatshefte für Mathematik und Physik. 38, 1931, S. 173–198, doi:10.1007/BF01700692. Zentralblatt MATH.
  3. „In Turing (1937) a certain type of discrete machine was described. lt had an infinite memory capacity obtained in the form of an infinite tape marked out into squares on each of which a symbol could be printed. At any moment there is one symbol in the machine; it is called the scanned symbol. The machine can alter the scanned symbol and its behaviour is in part described by that symbol, but the symbols on the tape elsewhere do not affect the behaviour of the machine. However the tape can be moved back and forth through the machine, this being one of the elementary operations of the machine. Any symbol on the tape may therefore eventually have an innings.
    These machines will here be called ‘Logical Computing Machines’. They are chiefly of interest when we wish to consider what a machine could in principle be designed to do, when we are willing to allow it both unlimited time and unlimited storage capacity.“ (Alan M. Turing: Intelligent Machinery, 1948, The Turing Archive, S. 3f.
  4. Benannt nach Alan Turing und dem US-amerikanischen Mathematiker, Logiker und Philosophen Alonzo Church (1903-1995), der einer der Mitbegründer der theoretischen Informatik war. Die Church-Turing-These ist zwar nicht formal beweisbar, da sich der Begriff „intuitiv berechenbare Funktion“ nicht exakt formalisieren lässt, wird aber allgemein als gültig angesehen.