Deduktiv-nomologisches Modell und Explanans: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''deduktiv-nomologische Modell''' (DN-Modell), auch '''Hempel-Oppenheim-Schema''' genannt (HO-Schema) genannt, ist ein formales Modell zur [[wissenschaft]]lichen [[Erklärung]] [[Kausalität|kausaler]] Zusammenhänge mittels der [[Natürliche Sprache|natürlichen Sprache]]. Das logische Grundprinzip ist bereits seit dem [[Wikipedia:19. Jahrhundert|19. Jahrhundert]] bekannt und wurde von [[Karl Popper|Karl Popper]] in seiner [[Wikipedia:1935|1935]] veröffentlichten ''[[Wikipedia:Logik der Forschung|Logik der Forschung]]'' angewendet und formal von [[Carl Gustav Hempel]] und [[Paul Oppenheim]] in ihrem [[Wikipedia:1948|1948]] veröffentlichten Artikel ''Studies in the Logic of Explanation''<ref>Carl Gustav Hempel, Paul Oppenheim: ''Studies in the Logic of Explanation'', in: Philosophy of Science 15 (1948), 135–175; reproduziert in Hempel, ''Aspects of Scientific Explanation''; [http://www.sfu.ca/~jillmc/Hempel%20and%20Oppenheim.pdf pdf]</ref> ausgearbeitet. Das Erklärungsschema beruht darauf, dass der zu begründende Satz als '''Explanandum''' durch logischen [[Schluss]] derart auf den als Erklärung dienenden Satz - das '''Explanans''' - zurückgeführt wird, dass damit der Nachweis erbracht wird, dass sich das betrachtete Phänomen als spezieller Fall allgemeiner [[Gesetz]]mäßigkeiten L<sub>1</sub>, L<sub>2</sub>, ..., L<sub>r</sub> (von [[lat.]] ''lex'' „Gesetz“) unter den gegebenen besonderen Bedingungen C<sub>1</sub>, C<sub>2</sub>, ..., C<sub>k</sub> (von lat. ''conditio'' „Bedingung“) erweist.
#WEITERLEITUNG [[Deduktiv-nomologisches Modell]]
 
{{Zitat|Wir unterteilen eine Erklärung in zwei wesentliche Bestandteile, das Explanandum und das Explanans. Unter dem Explanandum verstehen wir den Satz, der das zu erklärende Phänomen beschreibt (nicht dieses Phänomen selbst); unter den Explanans die Klasse derjenigen Sätze, die zur Erklärung des Phänomens verwendet werden. Wie bereits erwähnt, gliedert sich die Erklärung in zwei Unterklassen; eine davon enthält bestimmte Sätze C<sub>1</sub>, C<sub>2</sub>, ..., C<sub>k</sub>, die spezifische Vorbedingungen enthalten; die andere ist ein Satz von Sätzen L<sub>1</sub>, L<sub>2</sub>, ..., L<sub>r</sub>, die allgemeine Gesetze darstellen.|Übersetzung=We divide an explanation into two major constituents, the explanandum and the explanans. By the explanandum, we understand the sentence describing the phenomenon to be explained (not that phenomenon itself); by the explanans, the class of those sentences which are adduced to account for the phenomenon. As was noted before, the explanans falls into two subclasses; one of these contains certain sentences C<sub>1</sub>, C<sub>2</sub>, ..., C<sub>k</sub>, which state specific antecedent conditions; the other is a set of sentences L<sub>1</sub>, L<sub>2</sub>, ..., L<sub>r</sub>, which represent general laws.|Hempel, Oppenheim|''Studies in the Logic of Explanation'', S. 136f}}
 
Damit das Explanans das Explanandum angemessen erklärt, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
 
'''I. Logische Bedingungen''':
* (R1) Das Explanandum muss eine logische Konsquenz des Explanans sein.
* (R2) Das Explanans muss allgemeine Gesetzmäßigkeiten enthalten, die tatsächlich zur Ableitung des Explanandums notwendig sind.
* (R3) Das Explanans muss einen [[Empirie|empirischen]] Inhalt haben, d.h. es muss entsprechende Vorhersagen ermöglichen, die zumindest im Prinzip durch Experiment oder Beobachtung überprüfbar ([[falsifizierbar]]) sind.
 
'''II. Empirische Bedingungen''':
* (R4) Die Sätze, welche das Explanans konstituieren, müsssen [[wahr]] sein.
 
Damit ergibt sich folgendes logisches Deduktionsschema:
 
{|align="center" width="600px"
|-
| C<sub>1</sub>, C<sub>2</sub>, ..., C<sub>k</sub> || Vorbedingungen || Explanans
|-
| L<sub>1</sub>, L<sub>2</sub>, ..., L<sub>r</sub> || allgemeine Gesetzmäßigkeiten || Explanans
|-
|colspan="3"|_____________________________________________________________________________________
|-
| E || Beschreibung des zu erklärenden empirischen Phänomens || Explanandum
|}
 
Hempel und Oppenheim beschränken sich in ihrer Arbeit auf kausal-deterministische Erklärungen.
 
{{Zitat|Die Art der Erklärung, die hier bisher berücksichtigt wurde, wird oft als kausale Erklärung bezeichnet. Wenn E ein bestimmtes Ereignis beschreibt, dann wird von den vorangehenden, in den Sätzen C<sub>1</sub>, C<sub>2</sub>, ..., C<sub>k</sub> beschriebenen Umständen gemeinsam ausgesagt werden können, dass sie dieses Ereignis zu "verursachen", in dem Sinne, dass es bestimmte empirische Regelmäßigkeiten gibt, ausgedrückt durch die Gesetze L<sub>1</sub>, L<sub>2</sub>, ..., L<sub>r</sub>, was bedeutet, dass, wenn Bedingungen von der durch C<sub>1</sub>, C<sub>2</sub>, ..., C<sub>k</sub> angegebenen Art auftreten, ein Ereignis der beschriebenen Art in E stattfinden wird. Anweisungen wie L<sub>1</sub>, L<sub>2</sub>, ..., L<sub>r</sub>, die allgemeine und ausnahmslos gültige Verbindungen zwischen bestimmten Merkmalen von Ereignissen beschreiben, werden üblicherweise als kausale oder deterministische Gesetze bezeichnet. Sie sind zu unterscheiden von den sogenannten statistischen Gesetzen, die behaupten, dass auf lange Sicht ein explizit angegebener Prozentsatz aller Fälle, die einen bestimmten Satz von Bedingungen erfüllen, durch ein Ereignis einer bestimmten spezifizierten Art begleitet werden. Bestimmte Fälle wissenschaftlicher Erklärung beinhalten eine "Unterordnung" des Explanandums mit einer Reihe von Gesetzen, von denen zumindest einige statistischen Charakter haben. Die Analyse der besonderen logischen Struktur dieser Art von Unterordnung verursacht schwierige spezielle Probleme. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Untersuchung der kausalen Art der Erklärung, die ihre Bedeutung in weiten Teilen der zeitgenössischen Wissenschaft beibehalten hat, sogar in einigen Bereichen, in denen ein angemesseneres Verfahren eine Bezugnahme auf statistische Gesetze erfordert.|Übersetzung=The type of explanation which has been considered here so far is often referred to as causal explanation. If E describes a particular event, then the antecedent circumstances described in the sentences C<sub>1</sub>, C<sub>2</sub>, ..., C<sub>k</sub> may be said jointly to "cause" that event, in the sense that there are certain empirical regularities, expressed by the laws L<sub>1</sub>, L<sub>2</sub>, ..., L<sub>r</sub>, which imply that whenever conditions of the kind indicated by C<sub>1</sub>, C<sub>2</sub>, ..., C<sub>k</sub> occur, an event of the kind described in E will take place. Statements such as L<sub>1</sub>, L<sub>2</sub>, ..., L<sub>r</sub>, which assert general and unexceptional connections between specified cbaraeteristics of events, are
customarily called causal, or deterministic, laws. They are to be distinguished from the so-called statistical laws which assert that in the long run, an explicitly stated percentage of all cases satisfying a given set of conditions are accompanied by an event of a certain specified kind. Certain cases of scientific explanation involve "subsumption" of the explanandum under a set of laws of which at least some are statistical in character. Analysis of the peculiar logical structure|Hempel, Oppenheim|''Studies in the Logic of Explanation'', S. 139f}}
 
Die Phänomene können durch Gesetze von unterschiedlichem Allgemeinheitsgrad erklärt werden. So kann etwa die [[Bewegung]] der [[Planet]]en auf einfache Weise durch die [[Keplersche Gesetze|Keplerschen Gesetze]] beschrieben werden, aber auch durch das viel allgemeinere [[Gravitationsgesetz]] in Zusammenhang mit den [[Newtonsche Gesetze|newtonschen Gesetzen]] der [[Klassische Mechanik|klassischen Mechanik]] oder am allgemeinsten durch die [[Allgemeine Relativitätstheorie]]. Dabei können bei komplexeren Phänomenen auch ganz überraschend neue [[Emergenz|emergente]] Eigenschaften auftreten, die sich aus den bisher bekannten physikalisch-chemischen Gesetzen nicht stimmig ableiten lassen. Diese müssen aber laut Hempel und Oppenheimer dennoch nicht als prinzipiell unerklärliche „Wunder“ hingenommen werden, sondern es muss dann eben die Beziehung zu den bekannten „höheren“, vorerst oder prinzipiell irreduziblen biologischen und psychologischen Gesetzmäßigkeiten aufgesucht werden:
 
{{Zitat|Was seinen kognitiven Inhalt betrifft, so kann man die behauptete Emergenz der Phänomene des Lebens nun grob als elliptische
Formulierung der folgenden Aussage ansehen: Bestimmte spezifizierbare biologische Phänomene können nicht mit Hilfe zeitgenössischer physikalisch-chemischer Theorien auf Grundlage der Daten über die physikalischen und chemischen Eigenschaften der atomare und molekulare Bestandteile von Organismen erklärt werden. Ebenso reduziert sich das sogenannte emergente Phänomen des Geistes auf die Behauptung, dass die heutige physikalische, chemische und biologische Theorien nicht ausreichen, um alle psychologischen Phänomene durch die Datengrundlage für die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften der Zellen oder der Moleküle oder Atome zu erklären, die die betreffenden Organismen bilden. Aber nach dieser Interpretation wir der emergente Charakter der biologischen und psychologischen Phänomene trivial; die Beschreibung verschiedener biologischer Phänomene erfordert Begriffe, die nicht im Vokabular der heutigen Physik und Chemie enthalten sind; daher können wir nicht erwarten, dass alle spezifischen biologischen Phänomene mittels der heutigen physikalisch-chemischen Methoden erklärbar, d.h. deduktiv ableitbar sind durch Theorien auf der Grundlage von Ausgangsbedingungen, die selbst ausschließlich in physikalisch-chemischer Begriffen beschrieben werden. Um eine weniger triviale Interpretation für die Behauptung zu erreichen, dass die Phänomene des Lebens emergent sind, müssen wir daher alle derzeit bekannten Gesetze in die Erklärung aufzunehmen, die die physikalisch-chemische mit der biologischen "Ebene" verbinden, d.h. die einerseits bestimmte physikalische und chemische Begriffe, einschließlich der zur Beschreibung von molekularen Strukturen erforderlichen, und andererseits bestimmte Konzepte der Biologie enthalten. Eine analoge Beobachtung gilt für den Fall der Psychologie. Wenn die Behauptung, dass Leben und Verstand einen emergenten Status haben, in diesem Sinn interpretiert wird, dann kann diese Annahme ungefähr durch die Aussage zusammengefasst werden, dass derzeit keine Erklärung, in Begriffen der Mikrostruktur-Theorien, für große Klassen von Phänomenen, die in Biologie und Psychologie studiert wurden, verfügbar ist.|Übersetzung=As far as its cognitive content is concerned, the emergentist assertion that the
phenomena of life are emergent may now be construed, roughly, as an elliptic
formulation of the following statement: Certain specifiable biological phenomena
cannot be explained, by means of contemporary physico-chemical theories, on
the basis of data concerning the physical and chemical characteristics of the
atomic and molecular constituents of organisms. Similarly, the so-called emergent
status of mind reduces to the assertion that present-day physical, chemical
and biological theories do not suffice to explain all psychological phenomena on
the basis of data concerning the physical, chemical, and biological characteristics
of the cells or of the molecules or atoms constituting the organisms in question.
But in this interpretation, the emergent character of biological and psychological
phenomena becomes trivial; for the description of various biological phenomena
requires terms which are not contained in the vocabulary of present day physics
and chemistry; hence we cannot expect that all specifically biological phenomena
are explainable, i.e. deductively inferable, by means of present day physicochemical
theories on the basis of initial conditions which themselves are described
in exclusively physico-chemical terms. In order to obtain a less trivial interpretation
of the assertion that the phenomena of life are emergent, we have
therefore to include in the explanatory theory all those laws known at present
which connect the physico-chemical with the biological "level", i.e., which contain,
on the one hand, certain physical and chemical terms, including those required
for the description of molecular structures, and on the other hand, certain
concepts of biology. An analogous observation applies to the case of psychology.
If the assertion that life and mind have an emergent status is interpreted in this
sense, then its import can be summarized approximately by the statement that
no explanation, in terms of micro-structure theories, is available at present for
large classes of phenomena studied in biology and psychology.|Hempel, Oppenheim|''Studies in the Logic of Explanation'', S. 151}}
 
Es tut einer rationalen Erklärung der Phänomene keinen Abbruch, wenn auch höhere biologische oder psychologische Gesetzmäßigkeiten einbezogen werden und es bleibt der weiteren Forschung überlassen, ob sich künftig auch eine [[Reduktionismus|reduktionistische]], auf den Mikrostruktur-Theorien basierende Erklärung finden lässt oder nicht.
 
== Siehe auch ==
 
* {{WikipediaDE|Deduktiv-nomologisches Modell}}
 
== Einzelnachweise ==
 
<references />
 
[[Kategorie:Logik]] [[Kategorie:Wissenschaftstheorie]]

Aktuelle Version vom 16. September 2018, 10:03 Uhr