Vitalismus und Bonaventura: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Vitalismus''' ([[Latein|lat.]]: ''vita'' „Leben“) ist eine Sammelbezeichnung für Lehren, die als Grundlage alles [[Leben|Leben]]digen eine meist nicht näher definierte [[Lebenskraft|Lebenskraft]] (''vis vitalis'') als eigenständiges Prinzip oder eine [[Seele]] annehmen. Damit wird ein Wesensunterschied zwischen Organischem und Anorganischem behauptet. Die Vertreter des Vitalismus werden als ''Vitalisten'' bezeichnet.  Die Bezeichnung ''Vitalismus'' ist ein gegen den sich ausbreitenden [[Mechanizismus]] gerichteter Kampfbegriff aus dem 19. Jahrhundert.
[[File:François, Claude (dit Frère Luc) - Saint Bonaventure.jpg|mini|Der Heilige Bonaventura, [[WikipediaFR:Claude François (peintre)|Claude François]] (genannt Frère Luc)]]  


== Geschichte des Vitalismus ==
'''Bonaventura''', mit bürgerlichem Namen '''Giovanni (di) Fidanza''' (* [[Wikipedia:1221|1221]] in [[Wikipedia:Bagnoregio|Bagnoregio]] bei [[Wikipedia:Viterbo|Viterbo]]; † [[Wikipedia:15. Juli|15. Juli]] [[Wikipedia:1274|1274]] in [[Wikipedia:Lyon|Lyon]]), gilt als einer der bedeutendsten [[Philosoph]]en, [[Theologe]]n und [[Mystiker]] der [[Scholastik]]. Sein Denken war stark von [[Augustinus]] geprägt, dessen an [[Platon]]s [[Ideenlehre]] gereifter und im [[christlich]]en Sinn gedeuteter [[Illuminationslehre]] er systematisch ausarbeite. Bonaventura knüpfte dabei auch an [[Wikipedia:Boëthius|Boëthius]] und [[Bernhard von Clairvaux]], an die [[Mystik]] von [[Hugo von St. Viktor|Hugo von St. Viktor]] und vor allem an [[Dionysius Areopagita]] an.


Als ein Vorläufer des Vitalismus kann [[Aristoteles]] gelten, der das Lebendige als durch ein Lebensprinzip ermöglicht betrachtete, welches er [[Wikipedia:Entelechie|Entelechie]] nannte. Allerdings kann seine Metaphysik auch funktionalistisch-materialistisch gedeutet werden. Bedeutende Vertreter des Vitalismus im engeren Sinne waren [[Wikipedia:Johan Baptista van Helmont|Jan Baptist van Helmont]] (1577–1644), [[Wikipedia:Georg Ernst Stahl|Georg Ernst Stahl]] (1659–1734), [[Wikipedia:Albrecht von Haller|Albrecht von Haller]] (1708–1777), [[Wikipedia:Théophile de Bordeu|Théophile de Bordeu]] (1722-1776) und [[Wikipedia:Johann Friedrich Blumenbach|Johann Friedrich Blumenbach]] (1752–1840). Die [[Wikipedia:Schule von Montpellier|Schule von Montpellier]] vertritt im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert eine eigene Art des Vitalismus, die sich von Stahls [[Wikipedia:Animismus (Psychosomatik)|Animismus]] abhebt.
== Leben und Werk ==


[[Rudolf Steiner]] stand dem Vitalismus sehr kritisch gegenüber.
In seiner Biographie von [[Franz von Assisi]] berichtet Bonaventura, dass er als Kind dem Tode nahe gewesen sei und nur durch den [[Segen]] des Franziskus errettet worden sei. Fidanza, wie er damals noch hieß, studierte ab 1235 an der [[w:Sorbonne|Sorbonne]] in [[Paris]] zunächst noch als Laie die [[Sieben Freie Künste|sieben freien Künste]]. 1243<ref>nach anderen Quellen trat er vielleicht schon 1238 in den Orden ein oder aber auch erst 1244.</ref> trat er in den [[Wikipedia:Franziskanische Orden|Franziskanerorden]] ein und nahm den Ordensnamen Bonaventura an, was soviel wie „gutes Los“ oder „gute Zukunft“ bedeutet (von [[lat.]] ''bona'' „Besitz, Gut, Vermögen“ und ''ventura'' „Schicksal, Los“, eigentlich „das Kommende“, von [[lat.]] ''venire'' „kommen“). Von 1243 bis 1248 studierte Bonaventura [[Theologie]] und promovierte zeitgleich mit [[Thomas von Aquin]], der zum vermutlich bedeutendsten Vertreter der [[Scholastik]] wurde.


{{GZ|Die Stahlsche Medizin nimmt alle
Die Quelle des geistigen [[Licht]]s ist für Bonaventura, wie schon zuvor für [[Augustinus]], [[Gott]]. An dessen [[Existenz]] zu zweifeln erscheint Bonaventura völlig denkunmöglich. Das von Gott in die [[Seele]] des Menschen gestrahlte Licht ist ewig unwandelbar und gibt damit der [[Erkenntnis]] absolute [[Gewissheit]], wenn es die der Seele eingeborenen ewigen unveränderlichen [[Wahrheit]]en beleuchtet. Das wäre nicht der Fall, würde der Mensch diese ewigen Ideen nur mit dem unvollkommenen, wandelbaren Licht seines irdischen [[Intellekt]]s erhellen. Bonaventura stand damit im deutlichen Gegensatz zu der von ihm oft kritisierten Lehre vieler [[Wikipedia:Dominikaner|Dominikaner]] und insbesondere zu dem im gleichen Jahr wie er verstorbenen [[Thomas von Aquin]] (* um 1225; † 7. März 1274), der sich in seiner [[Erkenntnistheorie]] vor allem auf [[Aristoteles]] berief. Als unterstes aller geistigen Wesen sei der Mensch nach Thomas bereits so weit von der Quelle des göttlichen Lichts entfernt, dass er dadurch, anders als die [[Engelhierarchien]], nur mehr eine sehr allgemeine und ungenügende Erkenntnis erlangen können. Eben darum habe der Mensch von Gott sein [[leib]]liches Werkzeug bekommen, dass er damit aus den [[sinn]]lich [[Wahrnehmung|wahrgenomenen]] Dingen die in ihnen liegenden unvergänglichen göttlichen Ideen mit Hilfe der [[Vernunft]] herauslösen und so viel klarer und detailreicher die Wahrheit erkennen könne. Über die höchsten Wahrheiten, an die die menschliche Intelligenz nicht heranreiche, würde er aber durch den unerschütterlichen [[Glaube]]n an die überlieferte göttliche [[Offenbarung]] belehrt.
möglichen Begriffe zu Hilfe, die rein in der Luft schweben, Begriffe
von Lebenskraft, Begriffe von Lebensgeistern. Während noch Paracelsus
und van Helmont mit einer gewissen Bewußtheit sprachen
von etwas, was zwischen dem eigentlich Geistig-Seelischen des
Menschen und der physischen Organisation liegt, reden Stahl und
seine Anhänger so, als ob das Bewußt-Seelische nur in einer
anderen Form hineinspiele in die Strukturgebung des menschlichen
Leibes. Dadurch riefen sie natürlich eine starke Reaktion hervor.
Denn wenn man in dieser Weise vorgeht und eine Art von hypothetischem
Vitalismus begründet, dann kommt man eigentlich in
rein willkürliche Aufstellungen hinein. Gegen diese willkürlichen
Aufstellungen ist namentlich das neunzehnte Jahrhundert dann
angegangen. Man kann sagen: Nur so große Geister wie zum Beispiel
Johannes Müller, der 1858 gestorben ist, der Lehrer von Ernst
Haeckel, kamen darüber hinaus, all die Schädlichkeiten einigermaßen
zu überwinden, die von dieser unklaren Sprechweise über
den menschlichen Organismus herrührten, die darin bestand, daß
man einfach wie von seelischen Kräften von Lebenskräften gesprochen
hat, die wirken sollen im menschlichen Organismus, ohne
daß man sich deutlich vorzustellen hätte, wie sie wirken sollen.|312|20f}}


== Vitalismus versus Mechanizismus ==
[[Wikipedia:1257|1257]] wurde Bonaventura zum [[Wikipedia:Liste franziskanischer Generalminister|Generalminister]] des [[Wikipedia:Franziskanische Orden|Franziskanerordens]] gewählt und übte dieses Amt bis zu seinem Tod mit so großem Organisationstalent aus, dass er als dessen zweiter Stifter gilt. [[Wikipedia:1273|1273]] wurde Bonaventura von dem soeben neue gewählten [[Wikipedia:Papst|Papst]] [[Wikipedia:Gregor X.|Gregor X.]] zum Kardinalbischof von [[Wikipedia:Bistum Albano|Albano]] ernannt und mit der Organisation des [[Wikipedia:Zweites Konzil von Lyon|Zweiten Konzils von Lyon]] betraut. Während des Konzils verstarb Bonaventura nach kurzer schwerer Krankheit.


Seit der gelungenen Synthese von [[Wikipedia:Harnstoff|Harnstoff]] im Jahr [[Wikipedia:1828|1828]] durch [[Wikipedia:Friedrich Wöhler|Friedrich Wöhler]] und erst recht seit der spontanen Entstehung von Aminosäuren in den Versuchen von [[Wikipedia:Stanley Miller|Stanley Miller]] und [[Wikipedia:Harold C. Urey|Harold C. Urey]] 1959, gilt der vitalistische Ansatz in der Biologie als überholt. Es wird dort geschlossen, dass Lebenskraft bzw. Lebensenergien zur Herstellung organischer Substanzen nicht notwendig sind. Von Vitalisten wird hierzu allerdings darauf hingewiesen, dass die manipulierte oder spontane  Entstehung von einzelnen Lebensbausteinen keineswegs mit der Entstehung belebter Substanz gleichzusetzen ist. Tatsächlich sind bis heute die wesentlichsten Fragen der [[Morphogenese]] lebendiger Organismen weitgehend ungeklärt, denn es entspricht nur einem weit verbreiteten modernen [[Vorurteil]], dass sich die [[Gestalt]] und [[Struktur]] eines jeglichen Lebewesens vollständig aus seiner genetischen Grundlage verstehen lasse. Zweifellos sind die [[Wikipedia:Gen|Gen]]e und die in ihnen enthaltenen [[Wikipedia:Nukleinsäuren|Nukleinsäuren]] Träger wichtiger biologisch relevanter [[Information]], doch diese allein reicht nicht aus, die [[Gestalt]] eines Lebewesens zu erklären. Tatsächlich lässt sich nicht einmal die Struktur der einfachsten lebendigen Zelle aus den Genen ableiten. Die Biologin ''Ellen Baake'' sagt daher zu Recht:
[[Wikipedia:1482|1482]] wurde Bonaventura von [[Wikipedia:Sixtus IV.|Sixtus IV.]] heiliggesprochen und [[Wikipedia:1588|1588]] als ''Doctor seraphicus'' von [[Wikipedia:Sixtus V.|Sixtus V.]] zum [[Wikipedia:Kirchenlehrer|Kirchenlehrer]] erklärt.


{{LZ|Kaum jemand bestreitet, daß selbst die vollständige Kenntnis der genetischen Ausstattung eines Organismus bei weitem nicht dafür ausreichen würde, seine Eigenschaften vorauszusagen.|Baake, S. 126}}
== Siehe auch ==


Marek B. Majorek schreibt:
* {{WikipediaDE|Bonaventura}}


{{LZ|Selbst wenn man aber auf der Basis der im Genom befindlichen „Information“
== Werkausgaben ==
die Synthese bestimmter Proteine in bestimmten Zellarten erklären
könnte, wäre das Rätsel der Morphogenese noch nicht gelöst. Denn das
Hauptproblem des gegenwärtigen Erklärungsparadigmas liegt nicht darin,
dass es nicht imstande ist, die Differenzierung der Zygote in unterschiedliche
Zellarten befriedigend zu erklären, sondern dass es überhaupt nicht imstande
ist, die Entstehung selbst einer einzigen Zelle, geschweige denn eines
komplexen Organismus zu erklären. Im Erfolgsrausch der täglich neuen
punktuellen Entdeckungen auf immer tieferen Ebenen der subzellularen
Prozesse wird nämlich die unangenehme Tatsache völlig übersehen, dass die
moderne Molekularbiologie uns im besten Fall Teileinsichten in die Mechanismen
bietet, welche zur ''Fabrikation der Rohstoffe'' des Organismus, der
Proteine, führen, dass sie uns aber keine Einsicht darin gibt, wie aus diesen
Rohstoffen die komplexen Strukturen einer Zelle entstehen können,
geschweige denn wie es dazu kommt, dass aus Millionen oder sogar
Milliarden unterschiedlichen Zellen komplexe ''Organe'' gebildet werden
und wie diese komplexen Organe zu einem harmonischen und weisen
Zusammenwirken innerhalb eines ''Organismus'' gelangen.|Majorek, S. 555}}


Dass in den Molekülen der DNS die [[Information]] über die für ein Lebewesen wesentlichen [[Protein]]e gespeichert werden und bei Bedarf abgerufen werden kann, ist ein unbestreitbares, wissenschaftlich gut erforschtes Faktum. Das sagt aber nichts über den konkreten Inhalt der gespeicherten Information aus. Genau diesen konkreten Inhalt müssten wir aber erfassen, wenn wir verstehen wollen, wie sich das Leben in seinen einzelnen physischen Erscheinungen manifestiert.
* Doctoris Seraphici S. B. Opera omnia, 10 Bde., hg. in Quaracchi 1882–1902, {{Digitalisat|IA=doctorisseraphi00bonagoog}}, [http://www.archive.org/search.php?query=creator%3A%22Collegium%20S.%20Bonaventurae%20%28Rome%2C%20Italy%29%22%20title%3Aopera Bände] bei [[archive.org]]; [http://standish.stanford.edu/bin/search/simple/process?query=Bonaventure%2C+Saint%2C+Cardinal%2C+ca.+1217-1274 Stanford]
* Opera theologica selecta, 4 Bde., 1934–1949
* Mystisch-ascetische Schriften, hg. und Übers. Siegfried Johannes Hamburger 1923.


{{LZ|Naturgesetzlich erklären läßt sich daher nur das «Dasein» biologischer Strukturen,
== Literatur ==
nicht aber ihr «Sosein». Das «Sosein» spiegelt die historische Einzigartigkeit
lebender Systeme wider und entzieht sich prinzipiell einer naturgesetzlichen
Beschreibung. Dies bedeutet: Der Ursprung biologischer Information läßt sich zwar als
allgemeines Phänomen erklären, die biologische Information ist jedoch nicht in ihrem
konkreten Inhalt aus den Gesetzmäßigkeiten der Physik und Chemie ableitbar.|Küppers, S. 261}}


Dass den Genen und den an der [[Morphogenese]] beteiligten [[muster]]bildenden [[Wikipedia:Morphogen|Morphogen]]en eine wichtige Rolle zukommt, soll also keineswegs geleugnet werden, denn sie stellen das geeignet bildsame Material bereit, das von dem gestaltenden [[Licht]] und anderen verwandten Kräften durchformt werden kann, die [[Rudolf Steiner]] zusammenfassend als [[ätherisch]]e [[Bildekräfte]] bezeichnet hat. Insoweit ein lebendiges Wesen diese Kräfte auf unverwechselbare Weise in seinen Organismus aufnimmt, darf man von einem Bildekräfte- oder [[Ätherleib]] sprechen, der als eigenständige Realität im physischen Leib wirkt und diesen am Leben erhält. Mit dem [[Tod]] zieht sich dieser Ätherleib vom physischen Körper zurück und überlässt ihn dem dann unausweichlichen Zerfall. Den inhaltsleeren und wissenschaftlich unfruchtbaren Begriff einer nicht weiter spezifizierten allgemeinen „Lebenskraft“ lehnt Rudolf Steiner ab, wies aber schon seit seiner Studienzeit immer wieder auf die Bedeutung der viel konkreteren [[Metamorphosenlehre]] [[Goethe]]s hin. In «[[Goethes Weltanschauung]]» schreibt Steiner:
* {{BBKL|archiveurl={{Webarchiv | url=http://www.bautz.de/bbkl/b/bonaventura.shtml | wayback=20070613070828 | text=}} |band=1|spalten=679–681|autor=Friedrich Wilhelm Bautz|artikel=Bonaventura (Johannes Fidanza)}}
* [[Benedikt XVI.|Joseph Ratzinger]]: ''[[w:Das Offenbarungsverständnis und die Geschichtstheologie Bonaventuras|Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura]]''. In: Joseph (Benedikt XVI.) Ratzinger: ''Offenbarungsverständnis und Geschichtstheologie Bonaventuras.'' Habilitationsschrift und Bonaventura-Studien ([[w:Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften|Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften]], Bd. 2), Herder, Freiburg 2009, ISBN 978-3-451-30130-8


{{GZ|Goethe nimmt zur Erklärung der Lebenserscheinungen
{{Normdaten|TYP=p|GND=118513176|LCCN=n/79/43613|VIAF=89657091}}
einen Weg, der gänzlich verschieden ist von denen, welche
die Naturforscher gewöhnlich gehen. Diese scheiden sich
in zwei Parteien. Es gibt Verteidiger einer in den organischen
Wesen wirkenden Lebenskraft, die gegenüber anderen Naturursachen
eine besondere, höhere Kräfteform darstellt.
Wie es Schwerkraft, chemische Anziehung und Abstoßung,
Magnetismus usw. gibt, so soll es auch eine Lebenskraft
geben, welche die Stoffe des Organismus in eine solche
Wechselwirkung bringt, daß dieser sich erhalten, wachsen,
nähren und fortpflanzen kann. Die Naturforscher, welche
dieser Meinung sind, sagen: in dem Organismus wirken
dieselben Kräfte wie in der übrigen Natur; aber sie wirken
nicht wie in einer leblosen Maschine. Sie werden von der
Lebenskraft gleichsam eingefangen und auf eine höhere
Stufe des Wirkens gehoben. Den Bekennern dieser Meinung
stehen andere Naturforscher gegenüber, welche glauben,
daß in den Organismen keine besondere Lebenskraft
wirke. Sie halten die Lebenserscheinungen für komplizierte
chemische und physikalische Vorgänge und geben sich der
Hoffnung hin, daß es einst vielleicht gelingen werde, einen
Organismus ebenso durch Zurückführung auf unorganische
Kraftwirkungen zu erklären wie eine Maschine. Die
erstere Ansicht wird als Vitalismus, die andere als Mechanismus
bezeichnet. Von beiden ist die Goethesche Auffassungsweise
durchaus verschieden. Daß in dem Organismus noch
etwas anderes wirksam ist, als die Kräfte der unorganischen
Natur, erscheint ihm selbstverständlich. Zur mechanischen
Auffassung der Lebenserscheinungen kann er sich nicht bekennen.
Ebensowenig sucht er, um die Wirkungen im Organismus
zu erklären, nach einer besonderen Lebenskraft.
Er ist überzeugt, daß zur Erfassung der Lebens Vorgänge
eine Anschauung gehört, die anderer Art ist als diejenige,
durch welche die Erscheinungen der unorganischen Natur
wahrgenommen werden. Wer zur Annahme einer Lebenskraft
sich entschließt, der sieht zwar ein, daß die organischen
Wirkungen nicht mechanisch sind, aber es fehlt
ihm zugleich die Fähigkeit, jene andere Art der Anschauung
in sich auszubilden, durch die ihm das Organische erkennbar
werden könnte. Die Vorstellung der Lebenskraft
bleibt dunkel und unbestimmt. Ein neuerer Anhänger des
Vitalismus, Gustav Bunge, meint:- «In der kleinsten Zelle -
da stecken schon alle Rätsel des Lebens drin, und bei der
Erforschung der kleinsten Zelle - da sind wir mit den bisherigen
Hilfsmitteln bereits an der Grenze angelangt» («Vitalismus
und Mechanismus», Leipzig 1886, S. 17). Es ist
durchaus im Sinne der Goetheschen Denkweise, darauf zu
antworten: Dasjenige Anschauungsvermögen, welches nur
das Wesen der unorganischen Erscheinungen erkennt, ist
mit seinen Hilfsmitteln an der Grenze angelangt, die überschritten
werden muß, um das Lebendige zu erfassen. Dieses
Anschauungsvermögen wird aber nie innerhalb seines
Bereiches Mittel finden, die zur Erklärung des Lebens auch
nur der kleinsten Zelle geeignet sein können. Wie zur Wahrnehmung
der Farbenerscheinungen das Auge gehört, so
gehört zur Auffassung des Lebens die Fähigkeit, in dem
Sinnlichen ein Übersinnliches unmittelbar anzuschauen.
Dieses Übersinnliche wird demjenigen immer entschlüpfen,
der nur die Sinne auf die organischen Formen richtet. Goethe
sucht die sinnliche Anschauung der Pflanzengestalten
auf eine höhere Art zu beleben und sich die sinnliche Form
einer übersinnlichen Urpflanze vorzustellen (vgl.« Geschichte meines botanischen Studiums» in Kürschner, Band 33,
S. 80). Der Vitalist nimmt seine Zuflucht zu dem inhaltleeren
Begriff der Lebenskraft, weil er das, was seine Sinne
im Organismus nicht wahrnehmen können, überhaupt
nicht sieht. Goethe sieht das Sinnliche von einem Übersinnlichen
so durchdrungen, wie eine gefärbte Fläche von
der Farbe.|6|121ff}}


Seit den 1940er Jahren beschäftigt sich [[Johannes W. Rohen]] mit [[Goetheanismus|goetheanistischen]] und [[Anthroposophie|anthroposophischen]] Ideen zur [[Anthropologie]]. Die Frucht dieser Studien publizierte er im Jahr 2000 in seinem Buch: ''„Morphologie des menschlichen Organismus - Versuch einer goetheanistischen Gestaltlehre des Menschen“'' und 2009 in: ''„Eine funktionelle und spirituelle Anthropologie: unter Einbeziehung der Menschenkunde Rudolf Steiners“''. Rohen stützt sich dabei auf die von [[Rudolf Steiner]] beschriebene funktionelle [[Dreigliederung des menschlichen Organismus]] und zeigt, wie die höheren [[Wesensglieder]] des [[Mensch]]en, also der [[Ätherleib]], der [[Astralleib]] und das [[Ich]], konkret an der Gestaltung des anatomisch fassbaren [[Physischer Leib|physischen Leibes]] mitwirken.
{{SORTIERUNG:Bonaventura}}
 
[[Kategorie:Philosoph (Mittelalter)]]
{{Zitat|Der moderne Mensch wird natürlich an dieser Stelle sofort auf das Genom
[[Kategorie:Christlicher Theologe]]
verweisen, in dem ja alle diese «ätherischen» Lebensprozesse, wie Vererbung,
[[Kategorie:Bischof]]
Rhythmik und Entwicklung, als «Programm» fixiert seien. Es ist natürlich
[[Kategorie:Kirchenvater]]
richtig, dass die Chromosomen mit ihrer DNA ein genetisches Programm
[[Kategorie:Kirchenlehrer]]
enthalten, das vom Organismus «nur» abgerufen zu werden braucht, um
[[Kategorie:Heiliger]] <!-- Hl. u. Sel. nach Vornamen sort. -->
die entsprechenden Entwicklungsvorgänge in Gang zu setzen. Man hat diesen
[[Kategorie:Franziskaner]]
DNA-Code berechtigterweise mit einer Schrift verglichen, die insgesamt
[[Kategorie:Autor (Philosophie)]]
einen Text darstellt, der dann die «Befehle» für die notwendigen Lebensprozesse
[[Kategorie:Geboren 1221]]
in der jeweiligen Entwicklungsphase erteilen soll. Derjenige, der sich
[[Kategorie:Gestorben 1274]]
mit diesen Erklärungen zufriedengibt, übersieht einen kardinalen Denkfehler.
[[Kategorie:Mann]]
Wer liest denn diese Schrift - und wer erteilt letztlich die «Befehle»!?
Ein chiffrierter Code hat ja keinen Inhalt - wie der Computer mit seinen
zwei Zeichen (ja und nein oder + und -) zwar alles ver- und entschlüsseln
kann, aber über die Bedeutung, d.h. den eigentlichen Inhalt, natürlich niemals
etwas aussagen kann. Im Genom haben wir zwar eine «Geheimschrift des Lebendigen», nicht aber das Lebendige selbst vor uns. Der Ätherleib ist
es der diese Schrift entziffern und in «Befehle» umsetzen kann.|Johannes W. Rohen|''Eine funktionelle und spirituelle Anthropologie: unter Einbeziehung der Menschenkunde Rudolf Steiners'' (2009), S. 21}}
 
== Neovitalismus ==
 
Im 19.&nbsp;und frühen 20.&nbsp;Jahrhundert vertraten auch die Denker der [[Wikipedia:Lebensphilosophie|Lebensphilosophie]] Positionen des Vitalismus. Der letzte bedeutende Vertreter des '''Neovitalismus''' war [[Wikipedia:Hans Driesch|Hans Driesch]] (1867–1941), der dabei den aristotelischen Begriff der [[Entelechie]] wieder aufgriff.
 
Merkmale oder Elemente einer vitalistischen Deutung finden sich auch in den Arbeiten von [[Wikipedia:Franz Anton Mesmer|Franz Anton Mesmer]] („animalischer Magnetismus“), [[Wikipedia:Karl von Reichenbach|Karl von Reichenbach]] („Od“), [[Wikipedia:Henri Bergson|Henri Bergson]] („[[Wikipedia:élan vital|élan vital]]“), [[Wikipedia:Alfred North Whitehead|Alfred North Whitehead]] („creativity“), [[Wikipedia:Pierre Teilhard de Chardin|Pierre Teilhard de Chardin]] („Radiale Energie“), [[Wikipedia:Wilhelm Reich|Wilhelm Reich]] („[[Wikipedia:Orgon|Orgon]]“), [[Wikipedia:Adolf Portmann|Adolf Portmann]] („Selbstdarstellung“), [[Wikipedia:Arthur Koestler|Arthur Koestler]] („The Ghost in the Machine“), [[Ken Wilber]] („holon“), [[Wikipedia:Ervin Laszlo|Ervin Laszlo]] („Akashic field“) und [[Wikipedia:Rupert Sheldrake|Rupert Sheldrake]] („[[Wikipedia:Morphogenetisches Feld|Morphogenetisches Feld]]“), sowie in der fernöstlichen Vorstellung einer Lebenskraft [[Prana]] oder [[Qi]], die auch von der modernen westlichen Esoterik aufgegriffen wurde.
 
In neuerer Zeit griffen einige Zellbiologen diese Bezeichnung in einem übertragenen Sinn wieder auf als „molekularen Vitalismus“.<ref>Kirschner, M., Gerhart, J., Mitchison, T. (2000). Molecular vitalism. Cell 100, 79-88.</ref>
 
== Literatur==
* [[Wikipedia:Otto Bütschli|Otto Bütschli]]: ''Mechanismus und Vitalismus'', Leipzig, 1901 <ref>http://www.archive.org/stream/mechanismusundvi00buts/mechanismusundvi00buts_djvu.txt</ref>
* [[Wikipedia:Eve-Marie Engels|Eve-Marie Engels]]: ''Die Teleologie des Lebendigen'', Berlin, 1982
* Ellen Baake: Buchbesprechung zu Brian Goodwins: ''Der Leopard, der seine Flecken verliert'', in Spektrum der Wissenschaft, 2/1998, S. 126
* Bernd-Olaf Küppers: ''Der Ursprung biologischer Information'', Piper Verlag, München 1986, S. 261
* Marek B. Majorek: ''Rudolf Steiners Geisteswissenschaft: Mythisches Denken oder Wissenschaft?'', 2 Bände, Verlag Narr Francke Attempto, Tübingen 2015, ISBN 978-3772085635, eBook: ASIN B0714F4N5R
* [[Johannes W. Rohen]]: ''Eine funktionelle und spirituelle Anthropologie: unter Einbeziehung der Menschenkunde Rudolf Steiners'', 1. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2009, ISBN 978-3772520983
* Johannes W. Rohen: ''Morphologie des menschlichen Organismus'', 4. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016, ISBN 978-3772519987
* Rudolf Steiner: ''Goethes Weltanschauung'', [[GA 6]] (1990), ISBN 3-7274-0060-9; '''Tb 625''', ISBN 978-3-7274-6250-4 {{Schriften|006}}
 
{{GA}}
 
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Weltanschauung]] [[Kategorie:Naturwissenschaft]] [[Kategorie:Biologie]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 1. Mai 2019, 12:04 Uhr

Der Heilige Bonaventura, Claude François (genannt Frère Luc)

Bonaventura, mit bürgerlichem Namen Giovanni (di) Fidanza (* 1221 in Bagnoregio bei Viterbo; † 15. Juli 1274 in Lyon), gilt als einer der bedeutendsten Philosophen, Theologen und Mystiker der Scholastik. Sein Denken war stark von Augustinus geprägt, dessen an Platons Ideenlehre gereifter und im christlichen Sinn gedeuteter Illuminationslehre er systematisch ausarbeite. Bonaventura knüpfte dabei auch an Boëthius und Bernhard von Clairvaux, an die Mystik von Hugo von St. Viktor und vor allem an Dionysius Areopagita an.

Leben und Werk

In seiner Biographie von Franz von Assisi berichtet Bonaventura, dass er als Kind dem Tode nahe gewesen sei und nur durch den Segen des Franziskus errettet worden sei. Fidanza, wie er damals noch hieß, studierte ab 1235 an der Sorbonne in Paris zunächst noch als Laie die sieben freien Künste. 1243[1] trat er in den Franziskanerorden ein und nahm den Ordensnamen Bonaventura an, was soviel wie „gutes Los“ oder „gute Zukunft“ bedeutet (von lat. bona „Besitz, Gut, Vermögen“ und ventura „Schicksal, Los“, eigentlich „das Kommende“, von lat. venire „kommen“). Von 1243 bis 1248 studierte Bonaventura Theologie und promovierte zeitgleich mit Thomas von Aquin, der zum vermutlich bedeutendsten Vertreter der Scholastik wurde.

Die Quelle des geistigen Lichts ist für Bonaventura, wie schon zuvor für Augustinus, Gott. An dessen Existenz zu zweifeln erscheint Bonaventura völlig denkunmöglich. Das von Gott in die Seele des Menschen gestrahlte Licht ist ewig unwandelbar und gibt damit der Erkenntnis absolute Gewissheit, wenn es die der Seele eingeborenen ewigen unveränderlichen Wahrheiten beleuchtet. Das wäre nicht der Fall, würde der Mensch diese ewigen Ideen nur mit dem unvollkommenen, wandelbaren Licht seines irdischen Intellekts erhellen. Bonaventura stand damit im deutlichen Gegensatz zu der von ihm oft kritisierten Lehre vieler Dominikaner und insbesondere zu dem im gleichen Jahr wie er verstorbenen Thomas von Aquin (* um 1225; † 7. März 1274), der sich in seiner Erkenntnistheorie vor allem auf Aristoteles berief. Als unterstes aller geistigen Wesen sei der Mensch nach Thomas bereits so weit von der Quelle des göttlichen Lichts entfernt, dass er dadurch, anders als die Engelhierarchien, nur mehr eine sehr allgemeine und ungenügende Erkenntnis erlangen können. Eben darum habe der Mensch von Gott sein leibliches Werkzeug bekommen, dass er damit aus den sinnlich wahrgenomenen Dingen die in ihnen liegenden unvergänglichen göttlichen Ideen mit Hilfe der Vernunft herauslösen und so viel klarer und detailreicher die Wahrheit erkennen könne. Über die höchsten Wahrheiten, an die die menschliche Intelligenz nicht heranreiche, würde er aber durch den unerschütterlichen Glauben an die überlieferte göttliche Offenbarung belehrt.

1257 wurde Bonaventura zum Generalminister des Franziskanerordens gewählt und übte dieses Amt bis zu seinem Tod mit so großem Organisationstalent aus, dass er als dessen zweiter Stifter gilt. 1273 wurde Bonaventura von dem soeben neue gewählten Papst Gregor X. zum Kardinalbischof von Albano ernannt und mit der Organisation des Zweiten Konzils von Lyon betraut. Während des Konzils verstarb Bonaventura nach kurzer schwerer Krankheit.

1482 wurde Bonaventura von Sixtus IV. heiliggesprochen und 1588 als Doctor seraphicus von Sixtus V. zum Kirchenlehrer erklärt.

Siehe auch

Werkausgaben

  • Doctoris Seraphici S. B. Opera omnia, 10 Bde., hg. in Quaracchi 1882–1902, Digitalisat, Bände bei archive.org; Stanford
  • Opera theologica selecta, 4 Bde., 1934–1949
  • Mystisch-ascetische Schriften, hg. und Übers. Siegfried Johannes Hamburger 1923.

Literatur


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Bonaventura aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
  1. nach anderen Quellen trat er vielleicht schon 1238 in den Orden ein oder aber auch erst 1244.