Lotosbaum

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Der Lotosbaum (griech. λωτός) ist eine in der antiken Literatur mehrfach genannte, unterschiedlich beschriebene Baumart, deren eigentliche Bedeutung aber verhüllt bleibt. Tasächlich handelt es sich dabei - ähnlich wie bei dem Bodhi-Baum, unter dem der Buddha seine Erleuchtung empfing, oder dem von dem von Christus verfluchten Feigenbaum - um einen Hinweis auf das alte naturhafte Hellsehen, dessen Grundlage das eng miteinander verflochtene System der seelischen Wahrnehmungsorgane, der Lotosblumen, bildet. Auch der Prophet Mohammed empfing seine Offenbarung durch den Erzengel Gabriel „beim Lotusbaum am äußersten Ende, an dem das Paradies der Geborgenheit liegt.“ (Koran 53,13-14)

Die geistige Bedeutung der Lotosblumen und des Lotosbaums

Hauptartikel: Lotosblumen

So wie für die sinnliche Wahrnehmung physische Sinnesorgane nötig sind, bedarf es zur geistigen Wahrnehmung seelischer Wahrnehmungsorgane. Im gegenwärtigen Entwicklungszustand der Menschheit sind sie während unseres irdischen Lebens nicht aktiv. Wenn der Mensch mit dem Tod seinen physischen Leib - und damit auch seine physischen Sinne - ablegt, beginnen sie zu erwachen. Sie können aber auch während des Erdendaseins durch gezielte geistige Schulung in Tätigkeit gesetzt werden.

Die Lotosblumen oder Chakren (von skrt., m., चक्र, cakra, [ʧʌkɽʌ], wörtl: Rad, Diskus, Kreis) sind Organe des Astralleibs. Dem hellsichtigen Blick zeigen sie sich in kreisrunder, blütenartiger Form, was ihren Namen rechtfertigt. Beim heutigen Menschen stehen sie still, können aber durch geistige Schulung in Bewegung gesetzt werden. Beim fortgeschrittenen Geheimschüler drehen sie sich im Uhrzeigersinn und eröffnen ihm dadurch den Blick in die geistige Welt. Das moderne Hellsehen ist dabei mit strenger Gedankenkontrolle verbunden.

Beim Atlantier waren die Lotosblumen noch beweglich, beim Lemurier sogar sehr heftig bewegt, drehten sich aber gegen den Uhrzeigersinn. Das ist auch bei heutigen Medien mit atavistischem Hellsehen der Fall. Das Hellsehen der Medien ist allerdings ein unbewusstes, das keiner Gedankenkontrolle unterliegt (Lit.:GA 94, S. 173).

Es gibt sieben Hauptchakren und darüber hinaus noch zahlreiche Nebenchakren, z. B. in den Händen.

„Man unterscheidet sieben solcher astralen Organe. Die erste, die zweiblättrige Lotusblume, ist in der Gegend der Nasenwurzel; die zweite, die sechzehnblättrige, liegt in der Höhe des Kehlkopfes; die dritte, die zwölfblättrige, in der Höhe des Herzens; die vierte, die acht- bis zehnblättrige, in der Nähe des Nabels; die fünfte, die sechsblättrige, etwas tiefer unten; die sechste, die vierblättrige, noch weiter unten, die Swastika, die mit allem, was Befruchtung ist, zusammenhängt; von der siebenten kann nicht ohne weiteres gesprochen werden. Diese sechs Organe haben für die seelische Welt dieselbe Bedeutung wie die physischen Sinne für die Wahrnehmung der Sinnenwelt.“ (Lit.:GA 94, S. 173)

In der orientalischen Überlieferung wird die siebente Lotosblume, von der Rudolf Steiner hier nicht weiter spricht, weitgehend übereinstimmend als tausendblättrige Lotosblume bezeichnet. Sie liegt als Scheitelchakra in der Nähe der Zirbeldrüse. Ihre Tätigkeit offenbart sich in der Kopfaura des Menschen, im Heiligenschein.

„Man sollte sich diese Organe nicht wie etwas vorstellen, das in der Vorstellung seines sinnlichen Bildes ein Abdruck seiner Wirklichkeit hat. Diese Organe sind eben übersinnlich und bestehen in einer bestimmt geformten Seelenbetätigung; und sie bestehen nur insofern und so lange, als diese Seelenbetätigung geübt wird. Etwas, was sich als Sinnenfälliges anschauen läßt, ist mit diesen Organen so wenig am Menschen, als irgendein «Dunst» um ihn ist, wenn er denkt. Wer sich das Übersinnliche durchaus sinnlich vorstellen will, gerät eben in Mißverständnisse.“ (Lit.:GA 13, S. 345)

Historische Überlieferung

Antike Zeugnisse

Syrischer Christusdorn (Ziziphus spina-christi), auch Sidarbaum genannt.
Europäischer Zürgelbaum (Celtis australis) aus der Gattung der Zürgelbäume oder Nesselbäume (Celtis).

Bei dem in Homers Odyssee erscheinenden,[1] von den Lotosessern verzehrten Lotos handelt es sich vermutlich um die Lotosblume, eine schon bei den alten Ägyptern als Nahrung belegte Wasserpflanze, und nicht um den Baum.

Erstmals ein ausdrücklich als Baum bezeichneter Lotos wird bei Herodot beschrieben. Ihm zufolge sei der nordafrikanische Lotos ein der dornigen Akazie ähnelnder Baum oder Strauch.[2] Man geht davon aus, dass es sich bei dem von Herodot und Polybios[3] beschriebenen Baum um den auch als Sidarbaum bekannten strauchartigen Syrischer Christusdorn aus der Gattung Ziziphus handelt.

Der von Theophrastos von Eresos beschriebene Baum ist vermutlich der Zürgelbaum (Celtis australis).[4]

Plinius der Ältere gibt in seiner Naturalis historia die folgende Beschreibung des Lotosbaums: Der Baum stamme aus Nordafrika, sei aber in Italien heimisch gemacht worden. Manche nannten ihn „Celtis“. Er sei ungefähr so groß wie ein Birnbaum, obgleich Cornelius Nepos schreibe, dass er nur nieder sei. Die Blätter hätten Einschnitte wie die der Steineiche. Es gebe mehrere Sorten des Lotosbaums, die sich im Wesentlichen durch die Früchte unterschieden, die etwa die Größe von Bohnen hätten, safranfarben seien, die Farbe aber während der Reifung wechselten, so wie die Trauben. Die Zweige seien, so wie bei der Myrte, dicht mit Blättern besetzt.[5]

An anderer Stelle beschreibt Plinius die medizinische Verwendung: Die Beeren wirkten als Adstringens und in Wein gekochte Rindenstücke wirkten gegen Durchfall, zu starke Monatsblutung, Schwindel, Epilepsie. Außerdem seien sie gut gegen Haarausfall. Und es gebe nichts auf der Welt, das bitterer schmecke.[6]

Lotosbäume werden von Plinius noch mehrfach erwähnt:

  • ein Lotosbaum, der ein sehr hohes Alter erreichen kann,[7] vermutlich die Lotuspflaume,
  • ein überseeischer Lotosbaum, der keinerlei Stamm besitzt (möglicherweise ebenfalls der Sidarbaum oder eine andere Art von Ziziphus),[8]
  • ein Baum mit besonders gutem Holz, vermutlich ebenfalls die Lotospflaume, da diese ein besonders dunkles und festes Holz hat.[9]

Außerdem erwähnt Plinius eine Auseinandersetzung der römischen Censoren Gnaeus Domitius Ahenobarbus und Lucius Licinius Crassus: Gnaeus Domitius beneidete Crassus um dessen Haus und bot ihm dafür 10 Millionen Sesterzen. Crassus antwortete, er würde das Angebot akzeptieren, sofern er 6 Bäume vom Grundstück entfernen könne, worauf Gnaeus Domitius erwiderte, dass ohne die Bäume das Grundstück ihm keine Sesterze wert sei.[10] Diese sehr hoch geschätzten Lotosbäume, von denen Plinius sagt, sie hätten sehr weit ausladende Äste und böten guten Schatten, waren vermutlich wieder Zürgelbäume.

Islam

Der Lotosbaum hängt auch eng mit der Erleuchtung Mohammeds durch den Erzengel Gabriel und seiner Himmelfahrt zusammen. Eine Version der hellsichtigen Schau des Propheten (al-Miʿrādsch) wird im (Koran 53,1-18) und (Koran 81,1-29) angedeutet:

„Beim Stern, wenn er heruntersaust! (1) Euer Gefährte ist weder verwirrt, noch befindet er sich im Unrecht, (2) noch spricht er aus Begierde. (3) Vielmehr ist es eine Offenbarung, die (ihm) eingegeben wird. (4) Gelehrt hat ihn einer, der über starke Macht verfügt, (5) dessen Macht sich auf alles erstreckt; darum stand er aufrecht da, (6) als er am obersten Horizont war. (7) Hierauf näherte er sich; kam dann nach unten, (8) bis er eine Entfernung von zwei Bogenlängen erreicht hatte oder noch näher. (9) Und er offenbarte Seinem Diener, was er offenbarte. (10) (Und) dessen Herz hielt es nicht für gelogen, was er sah. (11) Wollt ihr da mit ihm über das streiten, was er sah? (12) Und er sah ihn bei einer anderen Begegnung (13) beim Lotusbaum am äußersten Ende, (14) an dem das Paradies der Geborgenheit liegt. (15) Dabei überflutete den Lotusbaum, was (ihn) überflutete. (16) Da wankte der Blick nicht, noch schweifte er ab. (17) Wahrlich, er hatte eines der größten Zeichen seines Herrn gesehen. (18)“

Direkt im Anschluss daran sollen die von dem britischen Orientalisten, Islamwissenschaftler und Kolonialpolitiker William Muir (1819-1905) als „Satanische Verse“ bezeichneten Kranich-Verse gestanden haben, die sich auf eine satanische Suggestion beziehen, die der islamische Prophet Mohammed fälschlich als göttliche Offenbarung angesehen haben soll. In Korankommentaren und arabischen Chroniken und werden sie als قصة الغرانيق / qiṣṣat al-ġarānīq /„Kranichbericht“ oder auch als „untergeschobene Verse“ bezeichnet. Nach dem Bericht des Mohammed-Biograph Muhammad ibn Saʿd in seinem Kitāb aṭ-Ṭabaqāt[11] und dem Korankommentar des at-Tabarī soll Mohammed dem strengen Monotheismus zum Trotz den polytheistischen Mekkanern erlaubt haben, die als erhabene „Kraniche“[12] bezeichneten Göttinnen al-Lāt, al-ʿUzzā und Manāt um Fürsprache anzurufen.

In Sure 81 (arab. التكوير‎ at-Takwīr ‚das Umwinden, das Einhüllen‘), die aus der ersten mekkanischen Periode (610–615) stammt und zusammen mit Sure 82 und Sure 99 zu den sogenannten apokalyptischen Suren zählt[13], wird die Schau Mohammeds so geschildert:

„Wenn die Sonne eingerollt ist, (1) und wenn die Sterne trübe sind, (2) und wenn die Berge fortbewegt werden, (3) und wenn die trächtigen Kamelstuten vernachlässigt werden, (4) und wenn wildes Getier versammelt wird, (5) und wenn die Meere zu einem Flammenmeer werden, (6) und wenn die Seelen (mit ihren Leibern) gepaart werden, (7) und wenn das lebendig begrabene Mädchen gefragt wird: (8) "Für welch ein Verbrechen wurdest du getötet?" (9) "Und wenn Schriften weithin aufgerollt werden, (10) und wenn der Himmel weggezogen wird, (11) und wenn die Dschahim angefacht wird, (12) und wenn das Paradies nahegerückt wird; (13) dann wird jede Seele wissen, was sie mitgebracht hat. (14) Doch nein! Ich schwöre bei den rückläufigen Sternen, (15) den voraneilenden und den sich verbergenden, (16) und bei der Nacht, wenn sie vergeht, (17) und Ich schwöre beim Morgen, wenn er zu atmen beginnt, (18) daß dies in Wahrheit ein Wort eines edlen Boten ist, (19) der mit Macht begabt ist bei dem Herrn des Throns und in Ansehen steht, (20) dem gehorcht wird und der getreu ist; (21) und euer Gefährte ist nicht ein Besessener. (22) Wahrlich, er sah ihn am klaren Horizont. (23) Und er ist weder geizig hinsichtlich des Verborgenen, (24) noch ist dies das Wort Satans, des Verfluchten. (25) Wohin also wollt ihr gehen? (26) Dies ist ja nur eine Ermahnung für alle Welten. (27) Für denjenigen unter euch, der aufrichtig sein will. (28) Und ihr werdet nicht wollen, es sei denn, daß Allah will, der Herr der Welten. (29)“

Die andere Version in Sure 17 (arab. الإسراء, DMG al-Isrāʾ ‚die nächtliche Reise‘) schildert die Nachtreise des Propheten Mohammed zu einer „entfernten Moschee“ (al-masdschid al-aqṣā) geschildert (Koran 17,1), die nach der Überlieferung auf dem Tempelberg in Jerusalem gelegen haben soll.

„Gepriesen sei Der, Der bei Nacht Seinen Diener von der heiligen Moschee zu der fernen Moschee, deren Umgebung Wir gesegnet haben, hinführte, auf daß Wir ihm einige Unserer Zeichen zeigten. Wahrlich, Er ist der Allhörende, der Allsehende. (1)“

– (Koran 17,1)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Homer Odyssee 9.91–99
  2. Herodot Historien 2.96, 4.177
  3. Polybios Historíai 12.2
  4. Theophrastos von Eresos Historia plantarum 4.3.1f
  5. Plinius Naturalis historia 13.32: Eadem Africa, qua vergit ad nos, insignem arborem loton gignit, quam vocat celthim, et ipsam Italiae familiarem, sed terra mutatam. praecipua est circa Syrtis atque Nasimonas. magnitudo quae piro, quamquam Nepos Cornelius brevem tradit. incisurae folio crebriores; alioqui ilicis viderentur. differentiae plures, eaeque maxime fructibus fiunt. magnitudo huic fabae, color croci, sed ante maturitatem alius atque alius, sicut uvis. nascitur densus in ramis myrti modo, non ut in Italia cerasis.
  6. Plinius Naturalis historia 24.2
  7. Plinius Naturalis historia 16.85
  8. Plinius Naturalis historia 16.53
  9. Plinius Naturalis historia 13.17
  10. Plinius Naturalis historia 17.1
  11. Ibn Saʿd: Kitāb aṭ-Ṭabaqāt, Kairo: 1968, Bd. I,1 S. 137, Z. 8–13
  12. oder Schwäne
  13. Frederik Leemhuis: Apocalypse. In: Encyclopaedia of the Qur'ān. Vol. 1, Brill, Leiden/ Boston/ Köln 2001, ISBN 90-04-11465-3.