Zeugen Jehovas und Iwan Alexandrowitsch Iljin: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Jehovah's witnesses literature.jpg|mini|Wagen mit Schriften der Zeugen Jehovas, der bei der Staßenmission verwendet wird. Cannes, Frankreich, 2015]]
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[[Datei:Evangelização.jpg|mini|Zeugen Jehovas bei der typischen Missionierung an Haus- und Wohnungstüren (nachgestellte Szene)]]
'''Iwan Alexandrowitsch Iljin''' ({{ruS|Иван Александрович Ильин}}; * {{JULGREGDATUM|9|4|1883|Link=1}} in [[Moskau]]; † [[21. Dezember]] [[1954]] in [[Zollikon]] nahe [[Zürich]]) war ein [[Russland|russischer]] Philosoph, Schriftsteller und Publizist. Er war Gegner der [[Bolschewiki]], Anhänger der [[Weiße Armee|Weißen Armee]], konservativer Monarchist und ein [[Slawophile]]r. Seine Ansichten und Gedanken über die Gesellschaftsorganisation in Russland hatten großen Einfluss auf andere russische Schriftsteller und Intellektuelle des 20. Jahrhunderts, darunter auch [[Alexander Issajewitsch Solschenizyn|Alexander Solschenizyn]].


Die '''Zeugen Jehovas''' (Eigenbezeichnung: '''Jehovas Zeugen''',<ref>{{Literatur |Autor=Hermann Weber |Titel=Die Religionsfreiheit und das Staat-Kirche-Verhältnis in Europa und den USA |Sammelwerk=Religion - Staat - Gesellschaft. Zeitschrift für Glaubensformen und Weltanschauungen |Band=14. Jahrgang (2013) |Nummer=Heft 1 |Verlag=LIT Verlag |Ort=Münster |Datum=2013 |ISBN=978-3-643-99850-7 |ISSN=1438-955X |Seiten=127}}</ref> {{enS}}: {{lang|en|''Jehovah’s Witnesses''}}<ref>{{Internetquelle |url=http://www.jw.org/en/ |titel=Jehovah’s Witnesses&nbsp;– Official Website |hrsg=Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania |zugriff=2013-03-11 |sprache=en}}</ref>) sind eine [[Wikipedia:Christentum|christliche]], [[Wikipedia:Millenarismus|chiliastisch]] ausgerichtete und [[Wikipedia:Antitrinitarier|nichttrinitarische]] [[Wikipedia:Glaubensgemeinschaft|Religionsgemeinschaft]], die sich [[Wikipedia:Kirche (Organisation)|kirchlich organisiert]]. Sie gingen aus der [[Wikipedia:Bibelforscherbewegung|Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher]]“ hervor, die im ausgehenden 19.&nbsp;Jahrhundert in den [[Wikipedia:Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] von [[Wikipedia:Charles Taze Russell|Charles Taze Russell]] gegründet wurde.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.britannica.com/EBchecked/topic/513182/Charles-Taze-Russell |titel=Charles Taze Russell |hrsg=Encyclopædia Britannica, Inc. |zugriff=2013-04-12 |sprache=en |zitat=Charles Taze Russell, …, founder of the International Bible Students Association, forerunner of the Jehovah’s Witnesses.}}</ref>
== Leben ==
Iwan Iljin entstammte einer aristokratischen Familie aus Moskau, deren Wurzeln teilweise in der [[Rurikiden]]-Dynastie lagen. 1906 absolvierte er ein [[Rechtswissenschaft|Jura]]-Studium an der Kaiserlichen Moskauer Universität (heute [[Lomonossow-Universität]]) und blieb dort als Mitarbeiter.
Sein Lehrer war der Philosoph und Jurist [[Pawel Iwanowitsch Nowgorodzew|Pawel Nowgorodzew]] (1866–1924), der auch die Position des Direktors des Moskauer Handels-Instituts bekleidete und der ersten Staats[[duma]] angehörte. Politisch orientierte sich Iljin zuerst bei den [[Sozialrevolutionäre]]n, um dann der [[Konstitutionelle Demokraten|Konstitutionell Demokratischen Partei]] den Vorzug zu geben.


Zeugen Jehovas sind durch ihre ausgeprägte [[Wikipedia:Missionierende Religion|Missionstätigkeit]], ihre Ablehnung von [[Wikipedia:Bluttrnsfusion|Bluttransfusion]]en, das Nichtbegehen aller religiösen [[Wikipedia:Feiertag|Feier- und Festtage]] außer dem [[Wikipedia:Abendmahl Jesu|Abendmahl]] und das Nichtfeiern von [[Wikipedia:Geburtstag|Geburtstag]]en bekannt. Die Missionstätigkeit führen sie unter anderem durch das "Predigen" an Haustüren und durch das Verteilen der Zeitschriften ''[[Wikipedia:Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich|Der Wachtturm]]'' und ''[[Wikipedia:Erwachet!|Erwachet!]]'' aus. Alle Print-, audiovisuelle Medien, Software und Onlineinhalte werden durch ein eigenes spendenfinanziertes, [[Wikipedia:Gemeinnützigkeit|gemeinnütziges]] Verlagsunternehmen im Rahmen der [[Wikipedia:Wachturm-Gesellschaft|Wachtturm-Gesellschaft]] produziert. Die meisten Inhalte und Medien werden in 884 Sprachen (Stand: März 2017)<ref>{{Internetquelle |url=http://www.jw.org/ |titel=Jehovas Zeugen — Offizielle Website: jw.org |zugriff=2016-07-24}}</ref> zur Verfügung gestellt.
1909 wurde er Privatdozent an der Jura-Fakultät. 1918 schrieb er eine Dissertation zum Thema „Philosophie [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegels]] als Lehrwerk über das Wesen Gottes und des Menschen“, nach der er zum Professor der Rechtswissenschaften wurde. Wegen „anti-kommunistischer“ Tätigkeit wurde er mehrmals verhaftet und sogar zum Tode verurteilt. Letztlich wurde er jedoch 1922 zusammen mit 160 anderen Denkern auf dem „[[Philosophenschiff]]“ aus Russland verbannt.


Den Namen ''Jehovas Zeugen'' verwendet die Religionsgemeinschaft seit 1931, gestützt auf {{B|Jes|43|10–12}}. Davor waren sie als [[Wikipedia:Ernste Bibelforscher|Ernste Bibelforscher]] oder „Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher“ bekannt. Der Begriff „Russelliten“ wurde von Gegnern der Bibelforscher geprägt und gehörte nie zum Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft. Als Eigenbezeichnung im deutschsprachigen Raum verwenden sie den Namen „Jehovas Zeugen in [Landbezeichnung]“. Ortsansässige Gemeinden, als Träger der Versammlungen und Organisatoren der Zusammenkünfte, verwenden die Bezeichnung „Jehovas Zeugen, Versammlung [Stadtbezeichnung]“.
Er kam am 26. September 1922 in [[Stettin]] an und zog ein Jahr später nach [[Berlin]] zu [[Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew|Nikolai Berdjajew]], der eine „Religionsphilosophische Akademie“ gegründet hatte, wo Iljin bis 1934 als Professor am „Russischen Wissenschaftsinstitut“ beschäftigt war. In dieser Zeit wurde er zu einem der wichtigsten Ideologen der [[Russische All-Militärische Union|Weißen Bewegung im Ausland]].<ref>Die Berlinskij Chronik verzeichnet über die Jahre hinweg ca. 50 Vortragsaktivitäten des Mannes in Berlin. Der erste Vortrag datiert bereits auf den 8. Januar 1922. Demnach wäre die vorstehende Datierung „26. September“ falsch, es sei denn, er wäre aus Russland nach Berlin angereist. [http://russkij-berlin.org/Personen-I.html online,] Sortierung „Il'in“, bzw. [http://russkij-berlin.org/Chronik-1922.html vom 22. Januar 1922]</ref>
== Kontroversen ==
Kritik an Jehovas Zeugen wird oft von Angehörigen anderer christlicher Gruppierungen oder ehemaligen Mitgliedern (oft „Aussteiger“ genannt) wie z.&nbsp;B. [[Wikipedia:Raymond Victor Franz|Raymond&nbsp;Franz]] geäußert. Es werden vor allem die Plausibilität der Lehren, die Methoden und die innere Zwangsstruktur der Glaubensgemeinschaft in Frage gestellt. In Veröffentlichungen der Zeugen Jehovas wird vor Publikationen ehemaliger Mitglieder gewarnt und jegliche Kritik zurückgewiesen.<ref>{{Literatur |Hrsg=Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania |Titel=Der Wachtturm |Datum=1994-07-01 |Seiten=12}}</ref> Manche Kritikpunkte werden von Religionswissenschaftlern bestritten bzw. konnten durch Gerichte nicht festgestellt werden und werden als unsubstantiiert zurückgewiesen.<ref>{{Literatur |Autor=[[Wikipedia:Gerhard Besier|Gerhard Besier]] und Renate-Maria Besier |Hrsg=Gerhard Besier und Erwin Scheuch |Titel=Zeugen Jehovas/Wachtturm-Gesellschaft: Eine „vormoderne“ religiöse Gemeinschaft in der „modernen“ Gesellschaft? Gutachtliche Stellungnahme |Sammelwerk=Die neuen Inquisitoren. Religionsfreiheit und Glaubensneid |Band=2 |Verlag=Edition Interfrom |Ort=Zürich |Datum=1999 |ISBN=978-3-7201-5278-5 |Seiten=114–123}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Michael Krenzer |Titel=Welch eine triste Epoche, in der es leichter ist ein Atom zu spalten als ein Vorurteil – Religiöse Minderheiten in deutschen Lehrplänen und Schulbüchern |Sammelwerk=Religion – Staat – Gesellschaft. Zeitschrift für Glaubensformen und Weltanschauungen |Band=6 |Nummer=2 |Datum=2005 |Seiten=177–262}}</ref>
Gegen ein Aussteigerbuch von Konja Simon Rohde, welches Anfang 2017 im Duisburger Mercator-Verlag erschien, versuchen die Zeugen Jehovas gerichtlich vorzugehen, indem sie Streichungen und Schwärzungen im Buch fordern.<ref>Vgl. https://www.waz.de/staedte/duisburg/zeugen-jehovas-gehen-gegen-buch-aus-dem-mercator-verlag-vor-id211248939.html </ref>
Rußland verbot erst kürzlich die "christliche Sekte".<ref>Vgl. https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5428447&s=Zeugen+Jehovas/ </ref>


== Zu vielen weiteren Themen siehe auch ==
In seinem Werk ''Über den gewaltsamen Widerstand gegen das Böse'' rief er zum Mut auf, „zu verhaften, zu verurteilen und zu erschiessen“, was [[Maxim Gorki]] ein „Evangelium der Rache“ nannte und [[Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew|Nikolai Berdjajew]] mit einer „Tscheka Gottes“ gegen die bolschewistische [[Tscheka]] verglich.<ref name="Gorki"/>
* {{WikipediaDE|Zeugen Jehovas}}
 
Zwischen 1927 und 1930 war er Redakteur und Herausgeber der Zeitschrift „Russische Glocke“ (''Русский колокол''). 1933 äußerte er Verständnis für Hitlers [[Machtergreifung]],<ref>И. А. Ильин: [http://www.odinblago.ru/filosofiya/ilin/ilin_i_nacional_sociali Национал-социализм. Новый дух.] In: Возрождение, Paris, 17. Mai 1933 (Iwan Iljin: ''Nationalsozialismus. Ein neuer Geist'')</ref> sah er doch im Faschismus eine Antwort auf die bolschewistische Barbarei, er feierte er Hitler als Verteidiger Europas.<ref name="Akte">[https://www.tagesanzeiger.ch/geheimakte-von-putins-lieblingsphilosoph-wird-erstmals-veroeffentlicht-238176255437 Geheimakte von Putins Lieblingsphilosoph wird erstmals veröffentlicht], Tages-Anzeiger, 2. März 2022, S. 13</ref> <!-- 1934 wurde er jedoch von den Nationalsozialisten verhaftet, konnte aber durch [[Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow|Sergei Rachmaninow]] freigekauft werden. --> 1938 stellte er während eines Urlaubs im Tessin ein Aufenthaltsgesuch für die Schweiz und übersiedelte dann nach [[Genf]], wo er seine publizistische Arbeit bis ans Lebensende fortsetzte.
 
Iljin gehörte der philosophischen Richtung des [[Transzendentalismus]] an. Seine Hauptarbeit bestand in der Interpretation der Werke von [[Hegel]]. Aus seinen Studien heraus veröffentlichte er zuerst Arbeiten über das Gebiet der Rechtsphilosophie und der politischen Ethik. Aber schon früh widmete er sich Themen der Politik. So veröffentlichte er 1915 Bücher zur Teilnahme Russlands am [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]]. Im gleichen Jahr gab er mit [[Michail Gernet]] (1874–1953), I. Nowizki und V. Ustinow eine umfassende Studie über „Grundlagen der Rechtswissenschaft“ heraus.
 
Seine Hauptthesen in den philosophischen Ansichten bestanden in der Erkenntnis des geistigen und gegenständlichen Sinnes der Erscheinungen. Darin sah er auch hauptsächlich das Wesen der Seele. Seine Studien über Hegel werden zu den bedeutendsten Arbeiten über die Untersuchungen des dialektischen Bewusstseins gerechnet. Er versuchte zum Beispiel, die von [[Wladimir Sergejewitsch Solowjow|Wladimir Solowjow]] (1853–1900) beschriebenen „geistigen Impulse“ mit der Interpretation der [[Phänomenologie]] bei Hegel in Verbindung zu bringen.
 
In seinen Werken lässt sich nachweisen, dass er unter dem Einfluss der deutschen Philosophen [[Edmund Husserl]] und [[Max Scheler]] stand. In seinem Werk „Über die Staatsform“ plädierte er angesichts der politischen Entwicklung und seines Standes für „eine nationale, patriotische, keineswegs totalitäre, jedoch autoritäre – zugleich erzieherische und aufweckende – Diktatur“. Weiterhin sah er in den Beziehungen zur [[Ukraine]] und zu den Völkern des [[Kaukasus]] für Russland große Probleme.
 
Iljin wurde in der Schweiz überwacht, da man sich in der Schweiz uneins war, wer er eigentlich sei. In einem Gutachten des Armeekommandos von 1942 wurde  Entwarnung gegeben im Bezug auf die direkte Sicherheit der Schweiz; seine Vorträge seien „national in dem Sinn, dass es sich gegen den gesamten Westen richtet“.<ref name="Akte"/>
 
Die Lehren Iljins, soweit sie eine Ideologie über den gegenwärtigen Staat Russland berühren, haben in der Führung des modernen Russland ab der 2010er-Jahre eine wachsende Bedeutung gewonnen.<ref>vgl. dazu [[Timothy Snyder]]s Vortrag „Ukraine and Russia in a Fracturing Europe“ vom 3. Mai 2016 auf [https://www.youtube.com/watch?v=dfduV68C1Jk YouTube]</ref>
 
== Iljin heute ==
In der [[Sowjetunion]] war Iljin weitgehend unbekannt, weil die staatliche Zensur seine Werke nicht ins Land ließ. Im postsowjetischen Russland hat man sich an Iljin nicht sofort erinnert. Seine Bekanntheit wuchs nur langsam, bis im Oktober 2005 einer seiner Verehrer, der Regisseur [[Nikita Sergejewitsch Michalkow|Nikita Michalkow]], die Überführung seiner Überreste aus [[Zollikon]] nach Moskau und seine Beisetzung im [[Donskoi-Kloster]] organisierte, so wie Iljin es in seinem Testament gewünscht hatte. Diese Überführung, zusammen mit dem General [[Anton Iwanowitsch Denikin|Anton Denikin]] und beiden Ehefrauen, machte seinen Namen auch größeren Kreisen bekannt. Der russisch-orthodoxe [[Alexius II.|Patriarch Alexis II]] nannte die Umbettung Denikins und Iljins ein „Zeichen einer wiederhergestellten Einheit zwischen der russischen Nation und der orthodoxen Kirche“.<ref>[https://www.nzz.ch/articleD756K-ld.362531 Rückkehr General Denikins in die russische Heimat], NZZ, 4. Oktober 2005</ref>
Noch im gleichen Jahr wurden mehrere Bände von Iljins Werken herausgegeben und ein Film „Iljins Testament“ gedreht. Das Ansehen Iljins steigt auch unter den Anhängern der [[Russisch-Orthodoxe Kirche|Russisch-Orthodoxen Kirche]].
 
Iljin hatte in der Schweiz eine zukünftige Verfassung für Russland nach dem Zusammenbruch des Kommunismus entworfen, das ''Grundgesetz des Russischen Imperiums''. Weil er die europäischen Republiken dem Untergang geweiht sah, hielt er die Demokratie für schädlich für Russland. Es müsse stattdessen eine „erzieherische und wiedergebärende Diktatur“ eingerichtet werden. Gegenstände der „nationalen Erziehung“ in dieser Aristokratie sollten neben Geschichte, Armee, Territorium und Wirtschaft auch Gebete, Märchen und Heiligenlegenden sein.<ref name="Gorki">[[Ulrich M. Schmid]]: [https://www.nzz.ch/feuilleton/der-russische-philosoph-aus-zollikon-der-die-politik-des-kremls-mit-formatiert-ld.1383716 ''Putins Philosoph aus Zollikon'']. Rezension, in: NZZ, 19. Mai 2018, S. 23 barrierefrei auf [[Dekoder.org|dekoder]]: [https://www.dekoder.org/de/gnose/iwan-iljin dekoder Gnose: Iwan Iljin]</ref>
 
Der russische Präsident [[Wladimir Wladimirowitsch Putin|Wladimir Putin]] beruft sich bei seiner spezifisch russischen Gesellschaftsphilosophie, die auf religiösen Werten beruhe, auf Iljin, [[Ulrich Schmid (Slawist)|Ulrich Schmid]] nannte Iljin den Stichwortgeber des neuen Putin’schen [[Nationalismus]]. Die russische Präsidialverwaltung verteilte im Januar 2014 „Unsere Aufgaben“ an Gouverneure, wichtigen Beamte und die Kader von [[Einiges Russland]], nachdem der „geliebte und gefürchtete“ (Eltchaninoff) Präsident u.&nbsp;a. Iljin zitiert hatte. Putins diskrete Bezugnahmen auf Iljin von 2000 bis 2008 hätten sich nach 2012 verstärkt. Die in den Reden vermittelte Doktrin „verspricht dem Rest der Welt eine eher unruhige Zukunft“, so Michel Eltchaninoff im Jahr 2014.<ref>Michel Eltchaninoff: [https://www.philomag.de/artikel/im-kopf-von-putin-0 Im Kopf von Putin], 1. Mai 2014</ref>
 
== Werke ==
 
[[Datei:Iwan IIljin Welt vor dem Abgrund 1931 Titel.jpg|mini|''Welt vor dem Abgrund''. 1931]]
Iwan Iljin schrieb über 50 Bücher und Broschüren und hunderte Artikel auf Russisch, Deutsch und in anderen europäischen Sprachen. Fast alle seine Werke hatten einen politischen, sozialen oder religiösen Charakter und bezogen sich auf Russland. Zu den bekanntesten gehört sein Buch „Die Begriffe Monarchie und Republik“, seine Artikelreihe „Vom künftigen Russland“ sowie das 1956 erschienene Buch „Unsere Aufgaben“ mit einer umfangreichen Artikelsammlung aus der Feder Iljins zwischen 1948 und 1954.
 
Anmerkung: Die Titel wurden in die deutsche Sprache übersetzt. Schriften, die (auch) in deutscher Sprache erschienen, sind gekennzeichnet.
 
* ''Die Begriffe Recht und Gewalt – Versuch einer methodologischen Analyse'', Moskau 1910
* ''Die Idee der Persönlichkeit in der Lehre [[Max Stirner|Stirners]]''. In: Voprosy filosofii i psichologii, XXII/I, 1911, S. 55–93
* ''Die Krise der Idee des Subjektes in der Wissenschaftslehre des älteren [[Johann Gottlieb Fichte|Fichte]]'', Moskau 1912
* ''Die Philosophie Fichtes als Religion der Gegenwart'',  Moskau 1914
* ''Der sittliche Grundwiderspruch des Krieges'', Moskau 1915
* ''Der geistige Sinn des Krieges – Krieg und Kultur'', Moskau 1915
* ''Grundlagen der Rechtswissenschaft'' mit anderen, Moskau 1915
* ''Lehre von Gott'', Moskau 1918
* ''Lehre vom Menschen'', Moskau 1918 (beide Arbeiten sind 1946 in Bern gekürzt in deutscher Sprache mit dem Titel ''Die Philosophie [[Hegel]]s als kontemplative Gotteslehre'' erschienen)
* ''Der religiöse Sinn der Philosophie'', Paris 1925
* ''Die Heimat und wir'', Berlin 1925
* ''Über den gewaltsamen Widerstand gegen das Böse'', Berlin 1925; deutsche Erstübersetzung: Adorján Kovács (Hg.), Edition Hagia Sophia, Wachtendonk 2018, ISBN 978-3-96321-005-1
* 1930: ''Welt vor dem Abgrund. Politik, Wirtschaft und Kultur im kommunistischen Staate.'' Nach authentischen Quellen. Ein Sammelwerk von 12 Autoren. Umschlagsdesign: German von Schmidt. Geleitwort 1930 von Freiherr W. von Wrangel. Eckart-Verlag, Berlin-Steglitz 1930.
* ''Gift, Geist und Wesen des [[w:Bolschewismus|Bolschewismus]]'' (deutsch) Genf 1931
* ''Über Russland – Drei Reden'', Sofia 1934
* ''Die Grundlagen des Schönen – Über das Vollkommene in der Kunst'', Riga 1937
* ''[[Alexander Sergejewitsch Puschkin|Puschkins]] prophetischer Aufruf'', Riga 1937
* ''Der Weg der geistigen Erneuerung'', Belgrad 1937
* ''Die Grundlagen des Kampfes für ein nationales Russland'', Narva 1938
* ''Ich schaue ins Leben'' (deutsch) Berlin 1938
* ''Die ewigen Grundlagen des Lebens'' (deutsch) Zürich 1939
* ''Das verschollene Herz: ein Buch stiller Betrachtungen'' (deutsch) Haupt, Bern 1943
* ''Wesen und Eigenart der russischen Kultur'' (deutsch) Zürich 1942, Affoltern am Albis 1944; 2017 und 2018 (Neuauflagen)
* ''Blick in die Ferne'', (deutsch) Zürich 1945
* ''Über Faschismus'', 1948
* ''Die Axiome der religiösen Erfahrung'', Paris 1953
* ''Über das Wesen des Rechtsbewußtseins'', München 1956
* ''Unsere Aufgaben – Artikel von 1948 bis 1954'', Paris 1956
* ''Der Weg zur Evidenz'', München 1957
* ''Das singende Herz – Ein Buch stillen Schauens'', München 1958
* ''Über Finsternis und Aufhellung – Eine Kunstkritik'', München 1959


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Zeugen Jehovas}}
* {{WikipediaDE|Iwan alexandrowitsch Iljin}}
* {{WikipediaDE|Zeugen Jehovas}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Gerhard Besier, Erwin K. Scheuch (Hrsg.): ''Die neuen Inquisitoren, Religionsfreiheit und Glaubensneid.'' Band 2, Edition Interfrom, Zürich 1999, ISBN 3-7201-5278-2.
* Helmut Dahm: ''Grundzüge russischen Denkens. Persönlichkeiten und Zeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts.'' Berchmans, München 1976, ISBN 3-87056-012-6 (''Sammlung Wissenschaft und Gegenwart'').
* Gerald Hacke: ''Die Zeugen Jehovas im Dritten Reich und in der DDR. Feindbild und Verfolgungspraxis'' (= ''Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung''. Bd. 41). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-36917-3.
* Felix Philipp Ingold, [http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/geisteswissenschaften/machtvertikale-1411111.html ''Machtvertikale'']. ''FAZ'' vom 27. März 2007.
* Ferdinand Herrmann (Hrsg.): ''Symbolik der Religionen.'' Band 11: ''Symbolik der kleineren Kirchen, Freikirchen und Sekten des Westens.'' Hiersemann, Stuttgart 1964.
* Dirk Budde: ''Ivan A. Illin – Vom Wesen der Rechtgläubigkeit''. in: Daniel Führing (Hrsg.): ''Gegen die Krise der Zeit. Konservative Denker im Portrait''. Ares-Verlag, Graz 2013 ISBN 978-3-902732-21-7 S. 65–80.
* Sebastian Koch (Hrsg.): ''Die Zeugen Jehovas in Ostmittel-, Südost- und Südeuropa: Zum Schicksal einer religiösen Minderheit.'' LIT Verlag, Münster 2007, ISBN 978-3-8258-0683-5.
* Wolfgang Offermanns: ''Mensch, werde wesentlich! Das Lebenswerk des russischen religiösen Denkers Iwan Iljin für die Erneuerung der geistigen Grundlagen der Menschheit.'' Vorwort von Prof. Adorján Kovács. Edition Hagia Sophia, Wachtendonk 2018, ISBN 978-3-96321-009-9.
* Robert Schmidt: ''Zeugen Jehovas.'' In: Christoph Auffarth, Jutta Bernard, Hubert Mohr (Hrsg.): ''Metzler-Lexikon Religion. Gegenwart – Alltag – Medien.'' Bd.&nbsp;3, J. B. Metzler, Stuttgart/ Weimar 2000, ISBN 3-476-01553-X, S. 708–711.
* {{TRE|36|660|663|Zeugen Jehovas|Matthias Schreiber}} ({{Google Buch|BuchID=Mrb7kRD5-ekC|Seite=663}})
* David L. Weddle: ''Jehovah’s Witnesses.'' In: Lindsay Jones (Hrsg.): ''Encyclopedia of Religion.'' 2. Auflage. Bd.&nbsp;7, Thomson Gale, Farmington MI 2005, ISBN 0-02-865740-3, S. 4820–4824.
* Konja Simon Rohde: ''Ausstieg ins Leben. Wie ich aufhörte, ein Zeuge Jehovas zu sein'', Mercator Vlg., Duisburg 2017, ISBN 978-3-946895-05-3
* Monika Deppe: ''Die Zeugen Jehovas. Auch ich habe ihnen geglaubt''. Sanfter Einstieg, harter Ausstieg. Ein Lebensbericht, Brunnen Vlg., Giessen 2015, ISBN 978-3-7655-3967-1


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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* [http://iljinru.tsygankov.ru/german/index_d.html Werke Iljins auf Deutsch]
* [http://www.jw.org/de JW.ORG: Offizielle Website der Zeugen Jehovas mit diversen Audio-, Video- und E-Book-Downloads in vielen Sprachen]
* [http://marsiada.ru/359/407/644/668/ Biografie] auf Marsiada
* [http://remid.de/pdf/remid-faltblatt-ZJ_alt.pdf Kurzinformation über Zeugen Jehovas] (Stand Januar 2012). Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e.&nbsp;V.
* [http://www.hrono.ru/biograf/bio_i/ilin1ia.php Biografie] auf Chronos
* {{dmoz|World/Deutsch/Gesellschaft/Religion_und_Spiritualität/Christentum/Glaubensrichtungen/Zeugen_Jehovas|Zeugen Jehovas}}
* {{GSE|052843}}
* [http://www.jehovaszeugen.de/ Deutsche Internetseite der Zeugen Jehovas (mit Pressemitteilungen, Radiosendungen und Informationen über Glaubensansichten)]
* [https://web.archive.org/web/20151218184930/http://de.bogoslov.ru/text/271507.html Die Philosophie der religiösen Erfahrung in den Werken von I.A. Iljin]
* Sonja Margolina: ''[http://www.nzz.ch/feuilleton/die-weissen-haben-gewonnen-1.18432762 Putins Ideologie vom eurasischen Grossrussland. Die Weissen haben gewonnen]'', der Einfluss der Ideen von Iljin auf Russland von heute. NZZ, 27. November 2014.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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Version vom 27. März 2022, 20:48 Uhr

Iwan Iljin
Iljins Unterschrift

Iwan Alexandrowitsch Iljin (russisch Иван Александрович Ильин; * 28. Märzjul. / 9. April 1883greg. in Moskau; † 21. Dezember 1954 in Zollikon nahe Zürich) war ein russischer Philosoph, Schriftsteller und Publizist. Er war Gegner der Bolschewiki, Anhänger der Weißen Armee, konservativer Monarchist und ein Slawophiler. Seine Ansichten und Gedanken über die Gesellschaftsorganisation in Russland hatten großen Einfluss auf andere russische Schriftsteller und Intellektuelle des 20. Jahrhunderts, darunter auch Alexander Solschenizyn.

Leben

Iwan Iljin entstammte einer aristokratischen Familie aus Moskau, deren Wurzeln teilweise in der Rurikiden-Dynastie lagen. 1906 absolvierte er ein Jura-Studium an der Kaiserlichen Moskauer Universität (heute Lomonossow-Universität) und blieb dort als Mitarbeiter. Sein Lehrer war der Philosoph und Jurist Pawel Nowgorodzew (1866–1924), der auch die Position des Direktors des Moskauer Handels-Instituts bekleidete und der ersten Staatsduma angehörte. Politisch orientierte sich Iljin zuerst bei den Sozialrevolutionären, um dann der Konstitutionell Demokratischen Partei den Vorzug zu geben.

1909 wurde er Privatdozent an der Jura-Fakultät. 1918 schrieb er eine Dissertation zum Thema „Philosophie Hegels als Lehrwerk über das Wesen Gottes und des Menschen“, nach der er zum Professor der Rechtswissenschaften wurde. Wegen „anti-kommunistischer“ Tätigkeit wurde er mehrmals verhaftet und sogar zum Tode verurteilt. Letztlich wurde er jedoch 1922 zusammen mit 160 anderen Denkern auf dem „Philosophenschiff“ aus Russland verbannt.

Er kam am 26. September 1922 in Stettin an und zog ein Jahr später nach Berlin zu Nikolai Berdjajew, der eine „Religionsphilosophische Akademie“ gegründet hatte, wo Iljin bis 1934 als Professor am „Russischen Wissenschaftsinstitut“ beschäftigt war. In dieser Zeit wurde er zu einem der wichtigsten Ideologen der Weißen Bewegung im Ausland.[1]

In seinem Werk Über den gewaltsamen Widerstand gegen das Böse rief er zum Mut auf, „zu verhaften, zu verurteilen und zu erschiessen“, was Maxim Gorki ein „Evangelium der Rache“ nannte und Nikolai Berdjajew mit einer „Tscheka Gottes“ gegen die bolschewistische Tscheka verglich.[2]

Zwischen 1927 und 1930 war er Redakteur und Herausgeber der Zeitschrift „Russische Glocke“ (Русский колокол). 1933 äußerte er Verständnis für Hitlers Machtergreifung,[3] sah er doch im Faschismus eine Antwort auf die bolschewistische Barbarei, er feierte er Hitler als Verteidiger Europas.[4] 1938 stellte er während eines Urlaubs im Tessin ein Aufenthaltsgesuch für die Schweiz und übersiedelte dann nach Genf, wo er seine publizistische Arbeit bis ans Lebensende fortsetzte.

Iljin gehörte der philosophischen Richtung des Transzendentalismus an. Seine Hauptarbeit bestand in der Interpretation der Werke von Hegel. Aus seinen Studien heraus veröffentlichte er zuerst Arbeiten über das Gebiet der Rechtsphilosophie und der politischen Ethik. Aber schon früh widmete er sich Themen der Politik. So veröffentlichte er 1915 Bücher zur Teilnahme Russlands am Ersten Weltkrieg. Im gleichen Jahr gab er mit Michail Gernet (1874–1953), I. Nowizki und V. Ustinow eine umfassende Studie über „Grundlagen der Rechtswissenschaft“ heraus.

Seine Hauptthesen in den philosophischen Ansichten bestanden in der Erkenntnis des geistigen und gegenständlichen Sinnes der Erscheinungen. Darin sah er auch hauptsächlich das Wesen der Seele. Seine Studien über Hegel werden zu den bedeutendsten Arbeiten über die Untersuchungen des dialektischen Bewusstseins gerechnet. Er versuchte zum Beispiel, die von Wladimir Solowjow (1853–1900) beschriebenen „geistigen Impulse“ mit der Interpretation der Phänomenologie bei Hegel in Verbindung zu bringen.

In seinen Werken lässt sich nachweisen, dass er unter dem Einfluss der deutschen Philosophen Edmund Husserl und Max Scheler stand. In seinem Werk „Über die Staatsform“ plädierte er angesichts der politischen Entwicklung und seines Standes für „eine nationale, patriotische, keineswegs totalitäre, jedoch autoritäre – zugleich erzieherische und aufweckende – Diktatur“. Weiterhin sah er in den Beziehungen zur Ukraine und zu den Völkern des Kaukasus für Russland große Probleme.

Iljin wurde in der Schweiz überwacht, da man sich in der Schweiz uneins war, wer er eigentlich sei. In einem Gutachten des Armeekommandos von 1942 wurde Entwarnung gegeben im Bezug auf die direkte Sicherheit der Schweiz; seine Vorträge seien „national in dem Sinn, dass es sich gegen den gesamten Westen richtet“.[4]

Die Lehren Iljins, soweit sie eine Ideologie über den gegenwärtigen Staat Russland berühren, haben in der Führung des modernen Russland ab der 2010er-Jahre eine wachsende Bedeutung gewonnen.[5]

Iljin heute

In der Sowjetunion war Iljin weitgehend unbekannt, weil die staatliche Zensur seine Werke nicht ins Land ließ. Im postsowjetischen Russland hat man sich an Iljin nicht sofort erinnert. Seine Bekanntheit wuchs nur langsam, bis im Oktober 2005 einer seiner Verehrer, der Regisseur Nikita Michalkow, die Überführung seiner Überreste aus Zollikon nach Moskau und seine Beisetzung im Donskoi-Kloster organisierte, so wie Iljin es in seinem Testament gewünscht hatte. Diese Überführung, zusammen mit dem General Anton Denikin und beiden Ehefrauen, machte seinen Namen auch größeren Kreisen bekannt. Der russisch-orthodoxe Patriarch Alexis II nannte die Umbettung Denikins und Iljins ein „Zeichen einer wiederhergestellten Einheit zwischen der russischen Nation und der orthodoxen Kirche“.[6] Noch im gleichen Jahr wurden mehrere Bände von Iljins Werken herausgegeben und ein Film „Iljins Testament“ gedreht. Das Ansehen Iljins steigt auch unter den Anhängern der Russisch-Orthodoxen Kirche.

Iljin hatte in der Schweiz eine zukünftige Verfassung für Russland nach dem Zusammenbruch des Kommunismus entworfen, das Grundgesetz des Russischen Imperiums. Weil er die europäischen Republiken dem Untergang geweiht sah, hielt er die Demokratie für schädlich für Russland. Es müsse stattdessen eine „erzieherische und wiedergebärende Diktatur“ eingerichtet werden. Gegenstände der „nationalen Erziehung“ in dieser Aristokratie sollten neben Geschichte, Armee, Territorium und Wirtschaft auch Gebete, Märchen und Heiligenlegenden sein.[2]

Der russische Präsident Wladimir Putin beruft sich bei seiner spezifisch russischen Gesellschaftsphilosophie, die auf religiösen Werten beruhe, auf Iljin, Ulrich Schmid nannte Iljin den Stichwortgeber des neuen Putin’schen Nationalismus. Die russische Präsidialverwaltung verteilte im Januar 2014 „Unsere Aufgaben“ an Gouverneure, wichtigen Beamte und die Kader von Einiges Russland, nachdem der „geliebte und gefürchtete“ (Eltchaninoff) Präsident u. a. Iljin zitiert hatte. Putins diskrete Bezugnahmen auf Iljin von 2000 bis 2008 hätten sich nach 2012 verstärkt. Die in den Reden vermittelte Doktrin „verspricht dem Rest der Welt eine eher unruhige Zukunft“, so Michel Eltchaninoff im Jahr 2014.[7]

Werke

Welt vor dem Abgrund. 1931

Iwan Iljin schrieb über 50 Bücher und Broschüren und hunderte Artikel auf Russisch, Deutsch und in anderen europäischen Sprachen. Fast alle seine Werke hatten einen politischen, sozialen oder religiösen Charakter und bezogen sich auf Russland. Zu den bekanntesten gehört sein Buch „Die Begriffe Monarchie und Republik“, seine Artikelreihe „Vom künftigen Russland“ sowie das 1956 erschienene Buch „Unsere Aufgaben“ mit einer umfangreichen Artikelsammlung aus der Feder Iljins zwischen 1948 und 1954.

Anmerkung: Die Titel wurden in die deutsche Sprache übersetzt. Schriften, die (auch) in deutscher Sprache erschienen, sind gekennzeichnet.

  • Die Begriffe Recht und Gewalt – Versuch einer methodologischen Analyse, Moskau 1910
  • Die Idee der Persönlichkeit in der Lehre Stirners. In: Voprosy filosofii i psichologii, XXII/I, 1911, S. 55–93
  • Die Krise der Idee des Subjektes in der Wissenschaftslehre des älteren Fichte, Moskau 1912
  • Die Philosophie Fichtes als Religion der Gegenwart, Moskau 1914
  • Der sittliche Grundwiderspruch des Krieges, Moskau 1915
  • Der geistige Sinn des Krieges – Krieg und Kultur, Moskau 1915
  • Grundlagen der Rechtswissenschaft mit anderen, Moskau 1915
  • Lehre von Gott, Moskau 1918
  • Lehre vom Menschen, Moskau 1918 (beide Arbeiten sind 1946 in Bern gekürzt in deutscher Sprache mit dem Titel Die Philosophie Hegels als kontemplative Gotteslehre erschienen)
  • Der religiöse Sinn der Philosophie, Paris 1925
  • Die Heimat und wir, Berlin 1925
  • Über den gewaltsamen Widerstand gegen das Böse, Berlin 1925; deutsche Erstübersetzung: Adorján Kovács (Hg.), Edition Hagia Sophia, Wachtendonk 2018, ISBN 978-3-96321-005-1
  • 1930: Welt vor dem Abgrund. Politik, Wirtschaft und Kultur im kommunistischen Staate. Nach authentischen Quellen. Ein Sammelwerk von 12 Autoren. Umschlagsdesign: German von Schmidt. Geleitwort 1930 von Freiherr W. von Wrangel. Eckart-Verlag, Berlin-Steglitz 1930.
  • Gift, Geist und Wesen des Bolschewismus (deutsch) Genf 1931
  • Über Russland – Drei Reden, Sofia 1934
  • Die Grundlagen des Schönen – Über das Vollkommene in der Kunst, Riga 1937
  • Puschkins prophetischer Aufruf, Riga 1937
  • Der Weg der geistigen Erneuerung, Belgrad 1937
  • Die Grundlagen des Kampfes für ein nationales Russland, Narva 1938
  • Ich schaue ins Leben (deutsch) Berlin 1938
  • Die ewigen Grundlagen des Lebens (deutsch) Zürich 1939
  • Das verschollene Herz: ein Buch stiller Betrachtungen (deutsch) Haupt, Bern 1943
  • Wesen und Eigenart der russischen Kultur (deutsch) Zürich 1942, Affoltern am Albis 1944; 2017 und 2018 (Neuauflagen)
  • Blick in die Ferne, (deutsch) Zürich 1945
  • Über Faschismus, 1948
  • Die Axiome der religiösen Erfahrung, Paris 1953
  • Über das Wesen des Rechtsbewußtseins, München 1956
  • Unsere Aufgaben – Artikel von 1948 bis 1954, Paris 1956
  • Der Weg zur Evidenz, München 1957
  • Das singende Herz – Ein Buch stillen Schauens, München 1958
  • Über Finsternis und Aufhellung – Eine Kunstkritik, München 1959

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Dahm: Grundzüge russischen Denkens. Persönlichkeiten und Zeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts. Berchmans, München 1976, ISBN 3-87056-012-6 (Sammlung Wissenschaft und Gegenwart).
  • Felix Philipp Ingold, Machtvertikale. FAZ vom 27. März 2007.
  • Dirk Budde: Ivan A. Illin – Vom Wesen der Rechtgläubigkeit. in: Daniel Führing (Hrsg.): Gegen die Krise der Zeit. Konservative Denker im Portrait. Ares-Verlag, Graz 2013 ISBN 978-3-902732-21-7 S. 65–80.
  • Wolfgang Offermanns: Mensch, werde wesentlich! Das Lebenswerk des russischen religiösen Denkers Iwan Iljin für die Erneuerung der geistigen Grundlagen der Menschheit. Vorwort von Prof. Adorján Kovács. Edition Hagia Sophia, Wachtendonk 2018, ISBN 978-3-96321-009-9.

Weblinks

Commons: Ivan Ilyin - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Die Berlinskij Chronik verzeichnet über die Jahre hinweg ca. 50 Vortragsaktivitäten des Mannes in Berlin. Der erste Vortrag datiert bereits auf den 8. Januar 1922. Demnach wäre die vorstehende Datierung „26. September“ falsch, es sei denn, er wäre aus Russland nach Berlin angereist. online, Sortierung „Il'in“, bzw. vom 22. Januar 1922
  2. 2,0 2,1 Ulrich M. Schmid: Putins Philosoph aus Zollikon. Rezension, in: NZZ, 19. Mai 2018, S. 23 barrierefrei auf dekoder: dekoder Gnose: Iwan Iljin
  3. И. А. Ильин: Национал-социализм. Новый дух. In: Возрождение, Paris, 17. Mai 1933 (Iwan Iljin: Nationalsozialismus. Ein neuer Geist)
  4. 4,0 4,1 Geheimakte von Putins Lieblingsphilosoph wird erstmals veröffentlicht, Tages-Anzeiger, 2. März 2022, S. 13
  5. vgl. dazu Timothy Snyders Vortrag „Ukraine and Russia in a Fracturing Europe“ vom 3. Mai 2016 auf YouTube
  6. Rückkehr General Denikins in die russische Heimat, NZZ, 4. Oktober 2005
  7. Michel Eltchaninoff: Im Kopf von Putin, 1. Mai 2014
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