Schwarzes Bilsenkraut (Hyoscyamus niger): Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 28. Februar 2019, 23:00 Uhr

Schwarzes Bilsenkraut

Hyoscyamus niger

Asteriden
Euasteriden I
Ordnung: Nachtschattenartige (Solanales)
Familie: Nachtschattengewächse (Solanaceae)
Gattung: Bilsenkräuter (Hyoscyamus)
Art: Schwarzes Bilsenkraut
Hyoscyamus niger
L.
Habitus
Hyoscyamus niger, Früchte und Samen

Das Schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) ist eine Pflanze aus der Gattung der Bilsenkräuter aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae).

Beschreibung

Die krautige Pflanze wird meist 30 bis 60 (in Extremfällen bis ca. 170) Zentimeter hoch. Die Wurzel ist spindelförmig und nach oben hin rübenförmig, der Stängel ist klebrig. Die Blätter sind länglich-eiförmig und grob buchtig gezähnt. Die Rosettenblätter sind gestielt, die Stängelblätter stängelumfassend.

Bilsenkraut kann – je nach Zeitpunkt der Keimung – ein- oder zweijährig sein. Bei zweijährigen Pflanzen erscheint im ersten Jahr nur eine Blattrosette. Im darauffolgenden Jahr kommt die Pflanze dann zur Blüte. Den einjährigen Pflanzen fehlt oft der purpurne Blütenfarbstoff.

Die trichterförmige Blüte ist schmutzig gelblich weiß und violett geadert. Die Blüten sind in den Blattachseln angeordnet. Die Frucht ist eine bauchige circa 1,5 Zentimeter lange Deckelkapsel, die vom Kelch umschlossen wird. Der Samen ist graubraun, grubig vertieft und circa 1 mal 1,3 Millimeter groß.

Die Blütezeit erstreckt sich im Wesentlichen über die Monate Juni bis Oktober.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 34, seltener 68.

Ökologie

Das Schwarze Bilsenkraut ist einjährig (sommer- oder winterannuell) oder zweijährig. Durch seine klebrigen Drüsenhaare riecht es unangenehm; es wurzelt bis 55 cm tief.

Die Blüten sind homogame „Große Trichterblumen“. Es ist eine typische Langtagpflanze und blüht erst ab einer Tageslänge von mindestens 11 Stunden. Die Staubfäden sind am Grunde behaart und wirken als Saftdecke, die den Zugang zum Nektar erschwert; aber es bleiben drei spaltförmige Öffnungen frei. Der Nektar wird von den unteren Fruchtknotenhälften abgeschieden und im unteren Teil der Kronröhre gesammelt. Bestäuber sind Hummeln, aber auch andere Blütenbesucher. Außerdem kann es zur Selbstbestäubung kommen. Die Blütezeit erstreckt sich im Wesentlichen über die Monate Juni bis Oktober.

Die Früchte sind Deckelkapseln, die nach der Blüte auf einem kurzen starren Stiel stehen. Sie tragen 300–400 Samen pro Kapsel. Nach der Samenreife vergrößert sich der Kelch, wird zum Windfang, so dass die Kapsel bei starkem Wind zum Windstreuer wird. Durch den klebrig-drüsigen Kelch und die stachelspitzigen Kelchzipfel wird die Fruchtkapsel auch zum Tierstreuer. Es findet aber auch Menschenausbreitung statt, so dass die Pflanze zum Kulturbegleiter und Kulturrelikt wurde. Fruchtreife ist von August bis Oktober. Die Samen sind Wärmekeimer und bleiben über 600 Jahre keimfähig [1].

Verbreitung und Standorte

Das Schwarze Bilsenkraut ist in Eurasien und Afrika weit verbreitet: von Skandinavien bis Südeuropa, in Nord- und Westasien, in Nordindien und Nordafrika. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist die Art sehr zerstreut bis selten im ganzen Gebiet zu finden.

Schwarzes Bilsenkraut wächst in Schuttunkrautgesellschaften, an Wegrändern, Mauern usw. Es bevorzugt frische, nährstoff- und stickstoffreiche Sand- oder Lehmböden. Es ist in Mitteleuropa eine Charakterart des Onopordetum acanthii aus dem Onopordion-Verband.

Inhaltsstoffe und Giftigkeit

Die ganze Pflanze ist sehr giftig, besonders aber die Wurzeln und die Samen. Die Blätter sind in Mengen über 0,5 g giftig. Etwa 15 Samen sind für Kinder tödlich.

Hauptwirkstoffe: In den Blättern findet man einen Gesamtalkaloidgehalt von 0,06-0,17 %, in den Wurzeln 0,08 %, in den Samen 0,05-0,3 %. Dazu gehören die Alkaloide: (–)-Hyoscyamin (bei Isolierung entsteht das Racemat Atropin) und (–)-Scopolamin (stellen 40 % der Gesamtalkaloide dar), sowie weitere Alkaloide wie Apoatropin, Cuskhygrin und andere.

Mehltaupilze senken den Alkaloidgehalt der Pflanze.

Da die Verwendungsmöglichkeit des Bilsenkrauts als Rauschmittel seit langem bekannt ist und sein Ruf als Hexensalbenzutat (Bilsenkraut bzw. Bilsenkrautöl war angeblich Bestandteil sogenannter „Hexensalben“[2]) es für manche sehr interessant macht, werden immer wieder Selbstversuche mit Extrakten des Bilsenkrauts vorgenommen. Da jedoch einerseits die Grenzwerte von berauschender und toxischer Dosis sehr nahe beieinanderliegen und andererseits der Wirkstoffgehalt (bei variabler Wirkstoffzusammensetzung) drastisch schwankt, können sehr schnell schwere Vergiftungen auftreten, die aufgrund der hohen Toxizität der Stoffe auch tödlich enden können. Die tödliche Dosis liegt bei Scopolamin bei 50 mg, niedrigere Dosen können jedoch bereits durch Atemlähmung den Tod herbeiführen.

Vergiftungssymptome: Hautrötung, trockener Mund, Unruhe, Schläfrigkeit oder Halluzinationen, Verwirrtheit, Pupillenerweiterung, Herzrhythmusstörungen und komatöse Zustände, Bewusstlosigkeit und Tod durch Atemlähmung.

Die Rauschwirkung kann mehrere Tage bis zu einer Woche anhalten. Irreversible Schäden wie Gedächtnisverluste und Verhaltensstörungen können aufgrund der Neurotoxizität der Inhaltsstoffe auftreten.

Medizinische Anwendung

Apothekengefäße für Hyoscyamuspräparate aus dem 19. Jahrhundert
Schwarzes Bilsenkraut, Illustration

Seit dem Altertum wurde das Bilsenkraut medizinisch verwendet, insbesondere zur Schmerzstillung, aber spätestens seit den Hippokratikern auch zur Behandlung von Geschwüren und Geschwülsten sowie weiteren Leiden.[3]

Vor allem das Öl aus den Samen des Bilsenkrauts wurde (neben Opium) als Schmerzmittel eingesetzt. Etwa zur Therapie von Zahnschmerzen[4] und als Bestandteil von Einreibungsmitteln bei Rheuma.[5]

Zur Anwendung gelangte in den europäischen Apotheken sowohl das Schwarze Bilsenkraut als auch das Weiße Bilsenkraut, wobei die Weiße Bilse als weniger gefährlich galt.[6] Bereits in Antike und Mittelalter wurde vom Schwarzen Bilsenkraut abgeraten,[7] so dass für die medizinischen Anwendungen eher Hyoscyamus albus (Weißes Bilsenkraut) bzw. Hyoscyamus muticus (Ägyptisches Bilsenkraut), Hyoscyamus aureus und Hyoscyamus reticulatus (Rotes Bilsenkraut) sowie Hyoscyamus pallidus, als bis in die Frühe Neuzeit übliche Bilsenkraut-Arten angesehen werden können.

Im Mittelalter findet sich die volksmedizinische Verwendung des Bilsenkrautöls als Zusatz zu einem bei schmerzhaften Befall mit dem „Zahnwurm“ eingesetzten Arzneimittel. Bilsenkraut wurde im Deutschen Arzneibuch von 1874 als ein dem Opium ähnlich, aber weniger verstopfend wirkendes Narkotikum beschrieben.[8]

In der Volksheilkunde wurde die narkotisch und halluzinogen wirkende Pflanze als krampflösendes Mittel und als Räuchermittel bei Asthma bronchiale eingesetzt. Die Blätter und auch die leicht dosierbaren Samen des Bilsenkrautes werden wegen ihres berauschenden Effekts geraucht. Heute ist der Einsatz als obsolet anzusehen, da der Wirkstoffgehalt stark schwankt und es häufig zu Vergiftungen kam.

Bis ins 17. Jahrhundert wurde auch Bier mit den Samen des Bilsenkrautes versetzt, um seine Wirkung zu verstärken. In einer Trinkszene des deutschen Volksbuchs Der abenteuerliche Simplicissimus von 1668 heißt es „zuletzt dürmelten sie alle herum, als wenn sie Bilsensamen genossen hätten.“

Obwohl verschiedene Quellen angeben, dass auch der Name der Stadt Pilsen, aus der das bekannte Pilsner Bier stammt, in Zusammenhang mit dem Anbau des Bilsenkraut ("Pilsenkraut") steht, ist diese (volks-)etymologische Zuordnung umstritten.[9][10]

Literarisch gewann das Bilsenkraut in den deutschen Shakespeare-Übersetzungen an Publizität, indem das Gift Hebenon, mit dem Hamlets Onkel dessen Vater vergiftete, als Bilsenkraut übersetzt wurde – die eigentliche Interpretation von Hebenon bleibt jedoch umstritten:

„Da ich im Garten schlief
Beschlich dein Oheim meine sich’re Stunde
Mit Saft verfluchten Bilsenkrauts im Fläschchen
Und träufelt’ in den Eingang meines Ohres
Das schwärende Getränk!“

In der Homöopathie wird Bilsenkraut zur Herstellung der Urtinktur die ganze Pflanze im blühenden Zustand verwendet. Extrakte des Bilsenkrauts wurden auch zur Herstellung von Laudanum verwendet.

Trivialnamen

Das Bilsenkraut, insbesondere das Schwarze Bilsenkraut wurde auch Hexenkraut, Tollkraut, Dollkraut, Zigeunerkraut und Saukraut genannt.

Siehe auch

  • {{WikipediaDE|Schwarzes Bilsenkraut 00

Literatur

  • Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. 7. Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
  • Jochen Gartz: Halluzinogene in historischen Schriften. Eine Anthologie von 1913–1968. Nachtschatten-Verlag, Solothurn 1999, ISBN 3-907080-48-3.
  • Henning Haeupler, Thomas Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3364-4.
  • Wolfgang Adler, Karl Oswald, Manfred A. Fischer: Exkursionsflora von Österreich. Ulmer, Stuttgart / Wien 1994, ISBN 3-8001-3461-6.
  • August Binz, Christian Heitz: Schul- und Exkursionsflora für die Schweiz. Schwabe, Basel 1986, ISBN 3-7965-0832-4.
  • H.-P. Michael Freyer: Hyoscyamus niger. Zur Unterrichts- und Anwendungsgeschichte einer Giftpflanze. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 18, 1999, S. 189–221.
  • Jürgen Müller: Pharmaca diabolica und Pocula amatoria. Zur Kulturgeschichte der Solanaceen-Alkaloide Atropin und Skopolamin. In: Würzburger medizinhistorische Forschungen 17, 1998, S. 361–373.
  • Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora. Ulmer, Stuttgart 1990, ISBN 3-8001-3454-3.
  • Christian August Friedrich Garcke: Illustrierte Flora. Parey, Berlin / Hamburg 1972, ISBN 3-489-68034-0.
  • Werner E. Gerabek: Bilsenkraut. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 180 f.
  • Lutz Roth, Max Daunderer, Kurt Kormann: Giftpflanzen Pflanzengifte. 6. Auflage. Nikol, Hamburg 2012, ISBN 978-3-86820-009-6.
  • Ingrid und Peter Schönfelder: Das neue Handbuch der Heilpflanzen. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-440-09387-0.
  • Bert Marco Schuldes: Psychoaktive Pflanzen: mehr als 65 Pflanzen mit anregender, euphorisierender, beruhigender, sexuell erregender oder halluzinogener Wirkung. Nachtschatten-Verlag, Solothurn 1994, ISBN 3-925817-64-6.
  • Wolf-Dieter Storl: Götterpflanze Bilsenkraut. Die Nachtschattengewächse – Eine faszinierende Pflanzenfamilie . Nachtschatten-Verlag, Solothurn 2004, ISBN 3-907080-63-7.
  • Bernhard Josef Wellen: Zur Geschichte des Bilsenkrautes. Eine pharmaziehistorische Untersuchung besonders zu Hyoscyamus niger L. Mathematisch-naturwissenschaftliche Dissertation, Marburg an der Lahn 1986.
  • Stefan Wulle: Bilsenkraut und Bibergeil. TU Braunschweig, Braunschweig 1999, ISBN 3-927115-41-X (50 Jahre DFG-Sondersammelgebiet Pharmazie, zur Entwicklung des Arzneischatzes: Begleitheft und Auswahlbibliographie zur Ausstellung vom 30. April bis 16. September 1999).

Weblinks

Commons: Schwarzes Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Schwarzes Bilsenkraut – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Volker Unterladstetter: Hyoscyamus niger – Schwarzes Bilsenkraut (Solanaceae) Pflanzenporträt des Bochumer Botanischen Vereins (PDF 5,4 MB)
  2. Petra Christ: Hexensalbe – eine Droge des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit? Überlieferung und Kritik. Volkskundliche Magisterarbeit, Würzburg 1995.
  3. H.-P. Michael Freyer: Hyoscyamus niger. Zur Unterrichts- und Anwendungsgeschichte einer Giftpflanze. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 18, 1999, S. 189–221; hier: S. 194–197.
  4. Heinrich L. Werneck: Kräuterbuch des Johannes Hartlieb. Eine deutsche Handschrift um 1435/1450 aus dem Innviertel. In: Ostbairische Grenzmarken. Band 2, 1958, S. 71–123; hier: S. 83 („Jusquianus hayst pilsenkraut [...]. Das öll, das auß dem sam des krautes wirt gemacht, ist gut für den zand smerzen [...] und für all siechtumb, dy von haysser sach kommen“).
  5. Ernst Gilg, Paul Norbert Schürhoff: Aus dem Reiche der Drogen. Geschichtliche, kulturgeschichtliche und botanische Betrachtungen über wichtigere Drogen. Dresden 1926, S. 147–155.
  6. H.-P. Michael Freyer: Hyoscyamus niger. Zur Unterrichts- und Anwendungsgeschichte einer Giftpflanze. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 18, 1999, S. 189–221; hier: S. 200 f.
  7. Pedacii Dioscoridis Anazaraei Kraeuterbuch [...]. Ins Deutsche übersetzt von Johannes Danzius, Frankfurt am Main (Petrus Uffenbach) 1610; Neudruck Grünwald bei München 1964, S. 280–282 („Deß Bilsenkrauts sind dreyerley geschlecht. Das eien bringt purpurfarbe Blumen, einen schwartzen Samen [...] Das ander Geschlecht hat dottergelbe Blumen [...], einen gelben Samen [...]. Diese zwey Geschlecht machen hirnschellig unnd unsinnig [...]. Das dritte Geschlecht ist in den Artzneyen zu gebrauchen unschaedtlich [...] mit weissen Blumen unnd Samen, waechst in Laendern bey dem Meer [...]. Wann man dieses Geschlecht nicht haben mag, so gebraucht man an statt desselben das mit dem gelben Samen. Das schwartze aber, welches das allerboesest ist, soll auß allem Gebrauch verworffen werden“).
  8. Werner E. Gerabek: Bilsenkraut. 2005, S. 180.
  9. Profous, A. 1951: Místní jména v Čechách. Praha, S. 382–384
  10. Opium fürs Volk: Natürliche Drogen in unserem Essen von Andrea Fock, Jutta Muth, Udo Pollmer, Monika Niehaus
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