Ereignis

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Ein Ereignis (aus ahd. irougen, nhd. eräugen = vor Augen stellen, zeigen) ist das Auftreten eines beobachtbaren Geschehens; beobachtbar, weil es sich um ein Geschehen handelt, das im ursprünglichen Sinne des Wortes vor Augen tritt, eräugt werden kann.

Ontologie

In der modernen Philosophie wird zumeist in zwei verschiedenen Kontexten von „Ereignis“ gesprochen:

  • Zum ersten im Kontext der Kontinentalphilosophie bei Existentialisten und Phänomenologen, darunter z. B. Martin Heidegger und diverse französische Philosophen, ebenso im Poststrukturalismus. In dieser Verwendung meint Ereignis, Ereignishaftigkeit u. ä. einen singulären und instantanen Akt, der für Sein, Handeln, Moral oder Erkennen konstitutiv ist. In Alain Badious Werk ist Ereignis der Schlüsselbegriff. Er ist das Unberechenbare, Unvorhersehbare, dasjenige, was sich in keiner Weise einer bereits bestehenden Ordnung einfügen oder sich aus ihr ableiten lässt. Es ist kein Element der Menge von Elementen, die eine gegebene Situation ausmachen, es ist nicht benennbar, nicht präsentierbar, nichts Mögliches. Es ist eine Singularität, die die jeweilige Situation und alle darauf folgenden in ihrer Bedeutung grundsätzlich ändert.
  • In einem zweiten Kontext, der systematischen Ontologie, wie sie vor allem im Anschluss an Klassiker der analytischen Ontologie betrieben wird, ist damit ein Objekt gemeint, das sich nicht wie ein Gegenstand, sondern wie ein Prozess verhält. Ereignisse in diesem Sinne werden meist nicht als instantan, sondern als zeitlich ausgedehnt verstanden.

Von einigen Theoretikern wird dabei vertreten, dass im Grunde die gesamte Ontologie nicht auf Gegenständen, sondern Ereignissen fußen sollte, beispielsweise, indem argumentiert wird, dass eine wechselseitige Reduzierbarkeit besteht, man aber Ereignisse ohnehin für eine funktionierende Ontologie benötigt und also ohne Gegenstände auskommt oder, indem argumentiert wird, dass damit ontologische Probleme des qualitativen Wandels bei Objektpersistenz besser zu behandeln sind. Ein klassischer Vertreter einer solchen Ereignisontologie ist beispielsweise Alfred North Whitehead, ein jüngerer Klassiker Donald Davidson.

Die philosophische Konzeption von Ereignissen als eigener Sorte von Entitäten in der Welt, insbesondere nach Donald Davidson hat einen starken Einfluss auf linguistische Darstellungen der Semantik von Verben genommen, und führte zum Entstehen der sog. Ereignissemantik.

Wahrscheinlichkeitstheorie

In der Wahrscheinlichkeitstheorie umfasst ein Ereignis eine Teilmenge von Ergebnissen eines Zufallsexperiments, der eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zugewiesen werden kann. So ist etwa bei einem Wurf mit einem sechsseitigen Spielwürfel die Gesamtmenge aller möglichen Eregebnisse . Dem Ereignis, eine Sechs zu würfeln, entspricht die Teilmenge und die zugehörige Wahrscheinlichkeit ist . Dem Ereignis, eine ungerade Zahl zu würfeln, entspricht hingegen die Teilmenge und die Wahrscheinlichkeit beträgt hier .

Siehe auch

Literatur

Philosophische Ontologie
Analytische Philosophie und Ereignissemantik
  • Donald Davidson: The Logical Form of Action Sentences. In: Nicholas Rescher (Hrsg.): The Logic of Decision and Action. University of Pittsburgh Press, Pittsburgh 1967.

Psychologie

  • René A. Spitz: Hospitalismus I und II. In: Günther Bittner, Edda Harms: Erziehung in früher Kindheit. München 1985, S. 89–122.
Kunst
  • Dominic E. Delarue, Johann Schulz und Laura Sobez (Hrsg.): Das Bild als Ereignis. Zur Lesbarkeit spätmittelalterlicher Kunst mit Hans-Georg Gadamer. Winter Verlag, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-8253-6036-8

Weblinks

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 Wiktionary: Ereignis – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


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