Schicksal und Parmenides: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Schicksal''' (von [[altniederländisch]] ''schicksel'' „Fakt“) oder '''Los''' (von [[Althochdeutsch|ahd.]], [[Mittelhochdeutsch|mhd.]] ''(h)lôჳ'' „[[Omen]], [[Orakel]]“), ([[Latein|lat.]] ''fatum'', [[Griechische Sprache|griech.]] μοίρα ''moira''), im [[Islam]] '''Kismet''' ({{arS|قسمة|d=qisma(t)}}) ist der Ablauf von Ereignissen im Leben des Menschen, die als von göttlichen Mächten vorherbestimmt (geschickt) oder von Zufällen bewirkt empfunden werden, mithin also der Entscheidungsfreiheit des Menschen entzogen sind.
[[Datei:Parmenides.jpg|thumb|Porträtbüste des Parmenides, angefertigt vermutlich im 3. Jh. v. Chr. nach Metrodoros von Lampsakos (Epikureer)]]
[[Datei:Sanzio 01 Parmenides.jpg|miniatur|Parmenides in [[Wikipedia:Raphael Santi|Raphaels]] Fresko ''[[Wikipedia:Die Schule von Athen|Die Schule von Athen]]'' (1510-1511)]]


==Begriffsverwendung==
'''Parmenides aus Elea''' ({{ELSalt|Παρμενίδης}}; * um 520/515 v. Chr.; † um 460/455 v. Chr.) war einer der bedeutendsten griechischen Philosophen aus der Zeit der [[Wikipedia:Vorsokratiker|Vorsokratiker]] und lebte in der von Griechen begründeten süditalienischen Stadt [[Wikipedia:Elea|Elea]]. Im Zentrum seiner Lehre stand die ''Unveränderlichkeit des [[Sein]]s''; alle Veränderung, alles [[Werden]] und [[Vergehen]], ist ihm nur [[Schein]], entspringend dem Wahn der Sterblichen.
Der Begriff Schicksal hat keine ihm zugrundeliegende eindeutig wertende Bedeutung. [[Synonym]] wird das Wort ''Los'' verwendet. Zumeist wird als Schicksal eine Art höhere Macht begriffen, die ohne direktes menschliches Zutun das Leben einer Person entscheidend beeinflusst. Beispiele: „Das Schicksal meint es gut mit ihr“, „Er wurde vom Schicksal dazu bestimmt“, „Das Schicksal nahm seinen Lauf“ oder der ''Schicksalsschlag''. In diesem Sinne ist es der Inbegriff ''unpersönlicher [[Macht|Mächte]]''. Weit verbreitet ist aber besonders die Auffassung, man könne sein Schicksal beeinflussen; daher wird auch davon gesprochen, „sein Schicksal zu meistern“ oder „sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen“.


Die Einstellung gegenüber dem Schicksal reicht
In seinem Gedicht [http://www.zeno.org/Philosophie/M/Parmenides+aus+Elea/Fragmente/Aus%3A+%C3%9Cber+die+Natur Über die Natur] schildert Parmenides, wie er mit einem Rossegespann, geleitet von Mädchen, bis vor das von [[Dike]], der Göttin der [[Gerechtigkeit]], bewachte Tor geführt wird, wo sich die Pfade des Tages und der Nacht scheiden. Er wird eingelassen und soll hier durch der Göttin "verläßliches Reden und Denken" alles erfahren, "der wohlgerundeten Wahrheit unerschütterliches Herz und der Sterblichen Wahngedanken, denen verläßliche Wahrheit nicht innewohnt."<ref>Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch von Hermann Diels. 1. Band, Berlin 1922, S 150</ref>
* von völliger Ergebung (''[[Fatalismus]]'') über den
* Glauben an seine Überwindbarkeit (''nimmer sich beugen/ kräftig sich zeigen/ rufet die Arme/ der Gottheit herbei'' – [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]]) bis zur
* völligen [[Willensfreiheit]] des Individuums (''[[Voluntarismus]]'').


== Hintergrund ==
{{Zitat|Dies ist nötig zu sagen und zu denken, daß [nur] das Seiende existiert. Denn seine Existenz ist möglich, die des Nichtseienden dagegen nicht; das heiß' ich Dich wohl zu beherzigen.|Parmenides|Über die Natur, Fragment 6<ref>Diels, S 153</ref>}}
In den meisten Kulturen gilt das Schicksal als unausweichliche Bestimmung:


In der [[Mythologie]] entwickelte sich der Gedanke des Schicksals als ''personifizierte Macht'' (die ''Schicksalsgottheiten'' [[Fortuna]], [[Nornen]], [[Tyche]], [[Moiren]], [[Parzen]], [[Namtaru]]), die sowohl das individuelle Leben als auch den Weltlauf beherrscht und das Schicksal dem Menschen „schickt“.
[[Rudolf Steiner]] bemerkt zum Denken des Parmenides:


Die Vorstellung, das Schicksal sei vorbestimmt, führte zum Versuch, im Voraus zumindest Andeutungen darauf zu bekommen. Dieses Konzept liegt der [[Mantik]] (''[[Wahrsagung]]'') zugrunde.
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"Parmenides sieht in der äußeren Natur, welche die Sinne betrachten, das Unwahre, Täuschende; in der Einheit, dem Unvergänglichen, das der Gedanke ergreift, allein das Wahre." {{Lit|{{G|018|57}}}}
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Häufig ist der Schicksalsglaube [[Religion|religiös]] eingebettet oder ausgeformt. Die Annahme, das Schicksal des Menschen liege in der Hand [[Gott]]es oder eines übermächtigen göttlichen Wesens und werde von ihm bestimmt oder zumindest geführt, findet man im Glauben an die göttliche [[Vorsehung]], der etwa im [[Islam]] und im [[Christentum]] eine wichtige Rolle spielt. Je nachdem wie viel Entscheidungsspielraum dabei dem [[Freier Wille|freien Willen]] des Menschen gegenüber dem vorbestimmten oder vorgesehenen Schicksal zugestanden wird, gehen diese Vorstellungen recht weit auseinander und reichen von expliziter Ablehnung des Schicksalsbegriffs in vielen christlichen Richtungen über einen schicksalhaften Bestimmungsglauben, wie er beispielsweise im Islam betont wird, bis hin zu der Vorstellung einer [[Prädestination]] des [[Seelenheil]]s, also der Vorherbestimmung des zukünftigen Schicksals eines Menschen nach seinem Tod, wie sie auch in der christlichen [[Theologie]] im Anschluss an [[Augustinus]] beispielsweise von [[Martin Luther]] gelehrt wurde, der damit die Lehre von der Alleinwirksamkeit der göttlichen [[Gnade#Christliche Theologie|Gnade]] und der Unfähigkeit des Menschen verband, sich das Heil durch gute Werke zu verdienen. In ihrer radikalen Ausformung, die dem Menschen jegliche Möglichkeit nimmt, sein Schicksal zu beeinflussen und an seinem Heil mitzuwirken, werden diese Vorstellungen aber ebenso wie ein philosophischer [[Determinismus]] (der die Unbeeinflussbarkeit irdischer Ereignisse einschließlich menschlicher Handlungen durch den Willen postuliert und insoweit dem Schicksalsglauben verwandt ist) sowohl im Christentum als auch im Islam abgelehnt.
{{Zitat|Denken und des Gedankens Ziel ist ein und dasselbe; denn nicht ohne das Seiende, in dem es sich ausgesprochen findet, kannst Du das Denken antreffen. Es gibt ja nichts und wird nichts anderes geben außerhalb des Seienden, da es ja das Schicksal an das unzerstückelte und unbewegliche Wesen gebunden hat. Darum muß alles leerer Schall sein, was die Sterblichen [in ihrer Sprache] festgelegt haben, überzeugt, es sei wahr: Werden sowohl als Vergehen, Sein sowohl als Nichtsein, Veränderung des Ortes und Wechsel der leuchtenden Farbe.|Parmenides|Über die Natur, Fragment 8<ref>Diels, S 157</ref>}}


Philosophisch ist die Stellung und Bewertung des [[Zufall]]s von Bedeutung, der im Schicksals- und Vorsehungsglauben häufig als göttliche oder schicksalhafte Fügung verstanden oder gedeutet und teils – wie im konsequenten Determinismus – als nicht existent abgelehnt wird („es gibt keine Zufälle“). Im Unterschied zu deterministischen Vorstellungen betont der Schicksalsglaube jedoch die Unausweichlichkeit nur des ''Ergebnisses'' (der „Bestimmung“) eines Vorgangs oder einer Biografie, billigt dem Individuum jedoch mitunter durchaus die Möglichkeit freier Willensentscheidungen zu, mit denen es den Eintritt des vorbestimmten Ergebnisses freilich nicht beeinflussen, jedenfalls nicht verhindern kann. Klassische Beispiele für dieses paradoxe Moment in der schicksalgläubigen Weltauffassung finden sich in der antiken Sagenwelt, etwa in den Geschichten des [[Ödipus]] oder des [[Odysseus]], deren Protagonisten in ihren Handlungen frei sind und alles unternehmen, um ihrer (durch [[Orakel]] prophezeiten) schicksalhaften Bestimmung zu entgehen, letztlich aber gerade dadurch ihr vorherbestimmtes Schicksal selbst realisieren. Dagegen schließt der strenge Determinismus die Existenz freier Willensentscheidungen und dadurch bestimmter Handlungen von vornherein aus, insoweit er von einer [[Mechanistisches Weltbild|mechanistischen]] Vorbestimmtheit aller [[Kontingenz|kontingenten]] Ereignisse − also auch des menschlichen Wollens und Handelns – durch bekannte und unbekannte [[Kausalität|Kausalfaktoren]] ausgeht und dementsprechend weniger am Ergebnis der Bestimmung (dem Schicksal) interessiert ist, sondern daran, die strikte Abhängigkeit aller Phänomene einschließlich aller scheinbar selbstbestimmten Lebensvorgänge von vorgegebenen Ursachen in den Blick zu nehmen. Einig sind sich das schicksalgläubige und das deterministische Weltbild indes in der Betonung der Unausweichlichkeit und Alternativlosigkeit der Realität. Das kann zu einer eher passiven, schicksalergebenen (fatalistischen), bisweilen [[Gleichgültigkeit|gleichgültigen]] oder − auch [[Ethik|ethisch]] – [[Indifferentismus|indifferenten]] Lebenseinstellung führen und das Streben nach Selbstbestimmung und Weltveränderung als Illusion begreifen lassen.
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Man wird die Bedeutung dieser Weltanschauung,
die man die eleatische nennt (Parmenides und [[Zenon]] sind
aus Elea), erkennen, wenn man den Blick darauf lenkt,
daß ihre Träger mit der Ausbildung des Gedanken-Erlebens
so weit fortgeschritten sind, daß sie dieses Erleben zu
einer besonderen Kunst, zur sogenannten [[Dialektik]] gestaltet
haben. In dieser «Gedanken-Kunst» lernt sich die
Seele in ihrer Selbständigkeit und inneren Geschlossenheit
erfühlen. Damit wird die Realität der Seele als das empfunden,
was sie durch ihr eigenes Wesen ist, und als was
sie sich dadurch fühlt, daß sie nicht mehr, wie in der Vorzeit,
das allgemeine Welt-Erleben mitlebt, sondern in sich
ein Leben - das Gedanken-Erleben - entfaltet, das in ihr
wurzelt, und durch das sie sieb eingepflanzt fühlen kann
in einen rein geistigen Weltengrund. Zunächst kommt
diese Empfindung noch nicht in einem deutlich ausgesprochenen
Gedanken zum Ausdruck; man kann sie aber als
Empfindung lebendig in diesem Zeitalter fühlen an der
Schätzung, welche ihr zuteil wird. Nach einem «Gespräche»
Piatos wurde von Parmenides dem jungen Sokrates gesagt:
er solle von Zenon die Gedankenkunst lernen, sonst müßte
ihm die Wahrheit ferne bleiben. Man empfand diese «Gedankenkunst» als eine Notwendigkeit für die Menschenseele,
die an die geistigen Urgründe des Daseins herantreten
will." {{Lit|{{G|018|57}}}}
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== Schicksal und Fraktale ==
Zuletzt vergleicht Parmenides die Vollkommenheit des Seins mit der vollkommenen Gestalt einer Kugel:
[[Datei:Bild x 10.png|thumb|hochkant|Schicksalswege]]


[[Joachim Stiller]] ist der Meinung, dass sich das Schicksal wie eine [[Fraktale]] ausnehmen würde. Man müsse nur wähelne, welchen Weg man denn gehen wolle. Das Schickal würde praktisch den [[Frame]] darstellen.
{{Zitat|Aber da eine letzte Grenze vorhanden, so ist [das Seiende] abgeschlossen nach allen Seiten hin, vergleichbar der Masse einer wohlgerundeten Kugel, von der Mitte nach allen Seiten hin gleich stark. Es darf ja nicht da und dort etwa größer oder schwächer sein. Denn da gibt es weder ein Nichts, das eine Vereinigung aufhöbe, noch kann ein Seiendes irgendwie hier mehr, dort weniger vorhanden sein als das Seiende, da es ganz unverletzlich ist. Denn [der Mittelpunkt,] wohin es von allen Seiten gleichweit ist, zielt gleichmäßig auf die Grenzen.|Parmenides|Über die Natur, Fragment 8<ref>Diels, S 157-158</ref>}}


== Siehe auch ==
== Anmerkungen ==
* {{WikipediaDE|Schicksal}}
* {{WikipediaDE|Karma}}
* {{WikipediaDE|Schicksalsglaube}}
* {{WikipediaDE|Schicksalsgöttin}}
* {{WikipediaDE|Schicksalstafeln}} in der mesopotamischen Mythologie


== Literatur ==
<references/>
* Juana Danis, Erwin Möde: ''Schicksal und Mythos.'' Edition Psychosomatik, München 1982, ISBN 3-925350-03-9.
 
* Klaus P. Fischer: ''Schicksal in Theologie und Philosophie.'' WBG Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-534-21958-2.
==Literatur==
* Reinhard G. Kratz, Hermann Spieckermann (Hrsg.): ''Vorsehung, Schicksal und göttliche Macht · Antike Stimmen zu einem aktuellen Thema''. Mohr Siebeck, Tübingen 2008, ISBN 978-3-16-149463-5.
#Rudolf Steiner: ''Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt'', [[GA 18]] (1985), ISBN 3-7274-0180-X; '''Tb 610/11''', ISBN 978-3-7274-6105-7 {{Schriften|018}}
* Franziska Rehlinghaus: ''Die Semantik des Schicksals. Zur Relevanz des Unverfügbaren zwischen Aufklärung und Erstem Weltkrieg.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015, ISBN 978-3-525-36724-7.
 
{{GA}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}


[[Kategorie:Reinkarnation und Karma|101]]
* {{Zeno-Werk|Philosophie/M/Parmenides+aus+Elea/Fragmente/Aus%3A+Über+die+Natur|Über die Natur}}
[[Kategorie:Anthroposophie]]
 
[[Kategorie:Grundbegriffe]]
[[Kategorie:Reinkarnation|101]]
[[Kategorie:Buddhismus]]
[[Kategorie:Metaphysik]]
[[Kategorie:Religion]]
[[Kategorie:Karma|!]]


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Philosoph]] [[Kategorie:Biographie]] [[Kategorie:Mann]]

Version vom 22. April 2013, 02:07 Uhr

Porträtbüste des Parmenides, angefertigt vermutlich im 3. Jh. v. Chr. nach Metrodoros von Lampsakos (Epikureer)
Parmenides in Raphaels Fresko Die Schule von Athen (1510-1511)

Parmenides aus Elea (griech. Παρμενίδης; * um 520/515 v. Chr.; † um 460/455 v. Chr.) war einer der bedeutendsten griechischen Philosophen aus der Zeit der Vorsokratiker und lebte in der von Griechen begründeten süditalienischen Stadt Elea. Im Zentrum seiner Lehre stand die Unveränderlichkeit des Seins; alle Veränderung, alles Werden und Vergehen, ist ihm nur Schein, entspringend dem Wahn der Sterblichen.

In seinem Gedicht Über die Natur schildert Parmenides, wie er mit einem Rossegespann, geleitet von Mädchen, bis vor das von Dike, der Göttin der Gerechtigkeit, bewachte Tor geführt wird, wo sich die Pfade des Tages und der Nacht scheiden. Er wird eingelassen und soll hier durch der Göttin "verläßliches Reden und Denken" alles erfahren, "der wohlgerundeten Wahrheit unerschütterliches Herz und der Sterblichen Wahngedanken, denen verläßliche Wahrheit nicht innewohnt."[1]

„Dies ist nötig zu sagen und zu denken, daß [nur] das Seiende existiert. Denn seine Existenz ist möglich, die des Nichtseienden dagegen nicht; das heiß' ich Dich wohl zu beherzigen.“

Parmenides: Über die Natur, Fragment 6[2]

Rudolf Steiner bemerkt zum Denken des Parmenides:

"Parmenides sieht in der äußeren Natur, welche die Sinne betrachten, das Unwahre, Täuschende; in der Einheit, dem Unvergänglichen, das der Gedanke ergreift, allein das Wahre." (Lit.: GA 018, S. 57)

„Denken und des Gedankens Ziel ist ein und dasselbe; denn nicht ohne das Seiende, in dem es sich ausgesprochen findet, kannst Du das Denken antreffen. Es gibt ja nichts und wird nichts anderes geben außerhalb des Seienden, da es ja das Schicksal an das unzerstückelte und unbewegliche Wesen gebunden hat. Darum muß alles leerer Schall sein, was die Sterblichen [in ihrer Sprache] festgelegt haben, überzeugt, es sei wahr: Werden sowohl als Vergehen, Sein sowohl als Nichtsein, Veränderung des Ortes und Wechsel der leuchtenden Farbe.“

Parmenides: Über die Natur, Fragment 8[3]

Man wird die Bedeutung dieser Weltanschauung, die man die eleatische nennt (Parmenides und Zenon sind aus Elea), erkennen, wenn man den Blick darauf lenkt, daß ihre Träger mit der Ausbildung des Gedanken-Erlebens so weit fortgeschritten sind, daß sie dieses Erleben zu einer besonderen Kunst, zur sogenannten Dialektik gestaltet haben. In dieser «Gedanken-Kunst» lernt sich die Seele in ihrer Selbständigkeit und inneren Geschlossenheit erfühlen. Damit wird die Realität der Seele als das empfunden, was sie durch ihr eigenes Wesen ist, und als was sie sich dadurch fühlt, daß sie nicht mehr, wie in der Vorzeit, das allgemeine Welt-Erleben mitlebt, sondern in sich ein Leben - das Gedanken-Erleben - entfaltet, das in ihr wurzelt, und durch das sie sieb eingepflanzt fühlen kann in einen rein geistigen Weltengrund. Zunächst kommt diese Empfindung noch nicht in einem deutlich ausgesprochenen Gedanken zum Ausdruck; man kann sie aber als Empfindung lebendig in diesem Zeitalter fühlen an der Schätzung, welche ihr zuteil wird. Nach einem «Gespräche» Piatos wurde von Parmenides dem jungen Sokrates gesagt: er solle von Zenon die Gedankenkunst lernen, sonst müßte ihm die Wahrheit ferne bleiben. Man empfand diese «Gedankenkunst» als eine Notwendigkeit für die Menschenseele, die an die geistigen Urgründe des Daseins herantreten will." (Lit.: GA 018, S. 57)

Zuletzt vergleicht Parmenides die Vollkommenheit des Seins mit der vollkommenen Gestalt einer Kugel:

„Aber da eine letzte Grenze vorhanden, so ist [das Seiende] abgeschlossen nach allen Seiten hin, vergleichbar der Masse einer wohlgerundeten Kugel, von der Mitte nach allen Seiten hin gleich stark. Es darf ja nicht da und dort etwa größer oder schwächer sein. Denn da gibt es weder ein Nichts, das eine Vereinigung aufhöbe, noch kann ein Seiendes irgendwie hier mehr, dort weniger vorhanden sein als das Seiende, da es ganz unverletzlich ist. Denn [der Mittelpunkt,] wohin es von allen Seiten gleichweit ist, zielt gleichmäßig auf die Grenzen.“

Parmenides: Über die Natur, Fragment 8[4]

Anmerkungen

  1. Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch von Hermann Diels. 1. Band, Berlin 1922, S 150
  2. Diels, S 153
  3. Diels, S 157
  4. Diels, S 157-158

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt, GA 18 (1985), ISBN 3-7274-0180-X; Tb 610/11, ISBN 978-3-7274-6105-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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