Bewusstsein der Toten

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Das Bewusstsein der Toten ist anders geartet als das des irdisch verkörperten Menschen. Was der Mensch auf Erden klar bewusst erlebt hat, verblasst im Leben zwischen Tod und neuer Geburt sehr bald zu einer schwachen Erinnerung. In bedeutsamen Imaginationen entrollt sich im ersten Drittel des nachtodlichen Lebens aber all das, was er im irdischen Leben unbewusst durchlebt hat. Im zweiten Drittel enthüllt sich durch Inspiration die Bedeutung dieser Bilder. Im letzten Drittel fühlt sich der Mensch durch Intuition in seine ganze seelische und geistige Umgebung versetzt und bereitet sich dadurch auf seine Wiedergeburt auf Erden vor. Ein Nachklang dieser Intuitionen ist die Nachahmungsfähigkeit des Kindes in den ersten sieben Lebensjahren.

"Alles, was unvermerkt am gewöhnlichen Bewußtsein vorübergeht, das wird dann entrollt, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes geschritten ist. Und ich möchte dasjenige, was da der Mensch zunächst durch lange Zeit hindurch erlebt, nennen das Entrollen der Bilder. Es ist im wesentlichen ein Durchmachen von Erlebnissen des imaginativen Bewußtseins, was da der Mensch durchmacht. Eine große, große Anzahl von Bildern wird entrollt über Lebensszenen, die wir uns sehr wenig zum Bewußtsein gebracht haben. Und von dem wiederum, was wir uns hier zum Bewußtsein gebracht haben, wird dasjenige entrollt, was hier vom Bewußtsein auch wenig berührt worden ist. Das andere, was hier deutliches Bewußtsein war, das tritt mehr als Erinnerung nach dem Tode auf, wie Gedächtnisbilder, wie Erinnerung; aber das, was hier wenig beachtet worden ist, entrollt sich wie in Gegenwartsbildern.

Heute ist es mir besonders wichtig darauf hinzuweisen, daß das erste Drittel des Lebens zwischen dem Tode und einer neuen Geburt im wesentlichen zu tun hat mit diesem Entrollen der Bilder, im wesentlichen zu tun hat mit einem Leben in Imaginationen. Diesen Imaginationen können wir ja dadurch zu Hilfe kommen, daß wir eine Verbindung herstellen zwischen uns, die wir hier übriggeblieben sind, und denen, die als mit uns karmisch verbunden durch des Todes Pforte gegangen sind. - Dann kommt das zweite Drittel, in dem dieses geistig-seelische Menschenleben mehr ausgefüllt ist mit Inspirationen. Da findet das statt, daß dem Menschen klar wird, welche Bedeutung die Bilder, die er zuerst erlebt hat, im ganzen Weltzusammenhange haben, wie er sich durch diese Bilder in den Weltenzusammenhang hineinstellt. Denn alles, was der Mensch erlebt, hat Bedeutung für den Weltenzusammenhang. Man darf nicht glauben, daß es gleichgültig ist, einen Menschen einmal begegnet zu haben, den man vielleicht wenig beachtet hat, in seiner Nähe gewesen zu sein. Es wird in Bildern entrollt, und das, was es im gesamten Weltengeschehen für eine Bedeutung hat, das kommt in Inspirationen in dem zweiten Drittel des Lebens zwischen dem Tode und einer neuen Geburt zur Offenbarung.

Im letzten Drittel ist das Leben hauptsächlich ein solches in Intuitionen. Da hat sich der Mensch hineinzuversetzen in dasjenige, was in seiner geistig-seelischen Umgebung ist. Da lebt der Mensch wie untergetaucht mit seinem Bewußtsein in das, was in seiner geistig-seelischen Umgebung ist. Und gerade in diesem letzten Drittel, durch dieses Untertauchen, bereitet er vor das Untertauchen in den physischen Leib nach der Geburt beziehungsweise der Empfängnis. Die Intuitionen im letzten Drittel des Lebens zwischen dem Tode und einer neuen Geburt sind die Einleitung jener Intuition, die dann natürlich unterbewußt oder unbewußt ist, die darin besteht, daß der Mensch in den Leib untertaucht, der ihm überliefert wird in der Vererbungsströmung von Eltern, Großeltern und so weiter. Und es bleibt dem Menschen etwas, wenn er nun aus der geistig-seelischen Welt in die physische Welt übergetreten ist. Denken Sie, wenn Sie das ins Auge fassen, daß der Mensch eigentlich durch lange Zeit in geistig-seelischen Intuitionen lebt, gewöhnt ist, in solchen zu leben, so wird er an dieser Gewohnheit noch etwas festhalten wollen, wenn er in den physischen Leib hineingegangen ist. Das tut er in der Tat. Denn was ist denn - lesen Sie es nach in dem Büchelchen «Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft» - die hauptsächliche Seelenbestrebung in den ersten sieben Lebensjahren bis zum Zahnwechsel? Ich habe gesagt: Nachahmungssucht. Das Kind versucht immer dasjenige zu tun, was in seiner Umgebung getan wird; es geht nicht von eigenen Intentionen aus; es versetzt sich in die Handlungen derjenigen, die in seiner Umgebung leben und ahmt diese nach. Das ist der Nachklang der Intuitionen im letzten Drittel des Lebens zwischen dem Tod und einer neuen Geburt." (Lit.: GA 174b, S. 312ff)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Die geistigen Hintergründe des Ersten Weltkrieges, GA 174b (1994), ISBN 3-7274-1742-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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