Mereologie

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Die Mereologie (von griech. μέρος meros „Teil“) ist eine relativ junge philosophisch-logische Disziplin, die auf streng formalem Weg die Relation eines Ganzen zu seinen Teilen untersucht. Sie entstand aus der Debatte um die logische Grundlegung der Mathematik und bildet eine Alternative zum Konzept der Mengenlehre. Praktisch angewendet wird die Mereologie heute vor allem bei der Wissensrepräsentation mittels künstlicher Intelligenz.

Mereologischer Fehlschluss

Ein mereologischer Fehlschluss liegt vor, wenn bestimmte Eigenschaften des Ganzen fälschlich seinen konstituierenden Teilen zugesprochen wird. Eine solchen Fehlschluss sehen der englische Philosoph Peter Hacker und der australische Neurowissenschaftler Maxwell Bennett in den Neurowissenschaften gegeben, wenn die geistigen Fähigkeiten des Menschen auf seine Gehirntätigkeit reduziert wird.

„Den Irrtum, den sich Neurowissenschaftler zuschulden kommen lassen, wenn sie den konstituierenden Teilen eines Lebewesens Attribute zuzuschreiben, die in logischer Hinsicht nur auf das ganze Lebewesen zutreffen, werden wir den ‚mereologischen Fehlschluss‘ in den Neurowissenschaften nennen. Das Prinzip, dass die psychologischen Prädikate, die nur auf menschliche Wesen (oder andere Tiere) als Ganze zutreffen, auf ihre Teile (wie das Gehirn) nicht sinnvoll angewendet werden können, werden wir ‚das mereologische Prinzip‘ in den Neurowissenschaften nennen. Von menschlichen Wesen, nicht aber von ihren Gehirnen, kann man sagen, dass sie rücksichtsvoll oder nicht rücksichtsvoll sind; von Tieren, nicht aber von ihren Gehirnen, und schon gar nicht von deren Hemisphären, kann man sagen, dass sie etwas sehen, hören, riechen und schmecken; von Menschen, nicht aber von ihren Gehirnen, kann man sagen, dass sie Entscheidungen treffen oder unentschlossen sind.

Es sollte festgehalten werden, dass es viele Prädikate gibt, die sowohl auf ein gegebenes Ganzes (insbesondere einen Menschen) als auch auf dessen Teile angewendet werden können, wobei möglicherweise aus der Anwendung auf das eine auf die Anwendung auf das andere geschlossen wird. Ein Mann kann braun gebrannt sein und sein Gesicht kann braun gebrannt sein; er kann am ganzen Körper kalt sein, also werden auch seine Hände kalt sein. Ebenso weiten wir mitunter den Anwendungsbereich eines Prädikats von einem menschlichen Wesen auf die Teile des menschlichen Körpers aus; so sagen wir beispielsweise, dass ein Mann die Klinke ergriff und auch, dass seine Hand die Klinke ergriff; dass er ausrutschte und dass sein Fuß ausrutschte. Hier gibt es logisch nichts zu beanstanden. Psychologische Prädikate treffen jedoch gemeinhin auf den Menschen (oder das Tier) als ein Ganzes zu und nicht auf den Körper und seine Teile.“

M. Bennett, P. Hacker: Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften, S. 171f.

Siehe auch

Literatur

  • Lothar Ridder: Mereologie. Ein Beitrag zur Ontologie und Erkenntnistheorie. Vittorio Klostermann Verlag 2002, ISBN 978-3-465-03168-0
  • Peter Simons: Mereologie. In: M. Schrenk (Hrsg.): Handbuch Metaphysik, J.B. Metzler, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-476-02512-8
  • Maxwell Bennett, Daniel C. Dennett, Peter Hacker, John R. Searle: Neurowissenschaft und Philosophie: Gehirn, Geist und Sprache, Suhrkamp Verlag 2010, ISBN 978-3518585429
  • Maxwell R. Bennett , Peter M. Hacker, Axel Walter (Übers.): Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften, Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) 2010, ISBN 978-3534228775, eBook ASIN B01A16QLUA Kategorei:Philosophie des Geistes