Loreley

Aus AnthroWiki
Version vom 1. Dezember 2013, 22:31 Uhr von imported>Odyssee
Emil Krupa-Krupinski: Loreley, 1899

Die Loreley (auch Lorelei, Loreleï, Lore-Ley, Lurley, Lurelei, Lurlei) ist ein Schieferfelsen, der am östlichen Rheinufer mit einer Höhe von 132 m entgegenragt und zugleich auch der Name einer Nixe, die der Legenda nach hier ihre langen goldenen Haare kämmte und die Schiffersleute mit ihrem unwiderstehlichen Gesang so bezauberte, dass sie die gefährlichen Strömungen nicht mehr beachteten und ihre Schiffe an den Felsen zerschellten.

"Alle Sagen und Mythen sind erlebt, nicht erdichtet, aber auch nicht im heutigen Gegenstandsbewußtsein erlebt, sondern im alten dämmerhaften Bewußtsein." (Lit.: GA 057, S. 412)

Der Loreleyfelsen im Mittelrheintal mit Loreleyhafen.
Links im Hintergrund beginnt Sankt Goarshausen, vom Bankeck teilweise verdeckt.

"Unser heutiger Atmungsprozeß ist entsprungen einem Prozeß, der als Überbleibsel im Alpdruck vorhanden ist, in ihm sein letztes Erbstück hat, einem Prozeß, wo der Mensch nicht so viel Sauerstoff brauchte. Als der Mensch noch dem Pflanzenzustande näher war, hatte er eine andere Bewußtseinsform, war untergetaucht in das alte dämmerhafte Bewußtsein. Dann tauchte er daraus auf, und beim Übergang, als der Mensch abwechselnd da und dort in seinem Bewußtsein war, erlebte der alteuropäische Mensch alles dasjenige, was in allem Alben- und Elfenwesen uns entgegentritt. So blicken wir in einer natürlichen Weise zurück in uralte Zustände. Wir haben im Alpdrücken den heutigen äußeren Zustand von etwas, was geistig war, und was nichts anderes darstellt, als den Überrest des alten hellseherischen Bewußtseins, des Bilderbewußtseins, das Mythen und Sagen schafft.

Aber indem sich das Atmen umwandelte, hat sich ja auch manches andere umgewandelt. Es ist auch entstanden das äußere Sehen der Gegenstände. Das «Bildersehen» der Gegenstände war nicht verknüpft mit dem Sehen der äußeren Konturen, der Oberflächen der Gegenstände. Der Mensch sah nicht die Außenflächen der Gegenstände. Es gab auch einen Übergang, wo der Mensch erfahren hat, daß die alten Bilder versanken und aufstieg das Bild der äußeren Gegenstände. Und wiederum gab es einen Zwischenzustand, wo der Mensch schon zum Sehen entwickelt war, aber in abnormen Zuständen, wo das äußere Sehen zurücktrat, in hellseherische Zustände kam. DerVolksmund hat ein altes Wort für diesen Zustand, wo das normale Bewußtsein zurücktritt, wo man einen Gegenstand anschaut und doch nicht sieht. Das nennt man «spannen», «staunen», und dieses Wort ist wurzelhaft verwandt mit dem Wort Gespenst, so daß Sie hier sozusagen das Gespenst vor sich haben, dasjenige, was als inneres Bild auftauchte, was noch nicht äußerer Gegenstand war, sondern durch astralische Kräfte gesehen wurde. Heute ist das etwas Abnormes. Beim Übergang war der Mensch darauf angewiesen, wenn das auftrat, sich zu sagen: Aber ich will doch sehen, ich will nicht, daß du mich anglotzt, ich will sehen. — Da kam ihm das, was als Äußeres vor ihm stand, als etwas vor, das er zu überwinden hatte. Alle Sagen, die darauf ausgehen, das, was einen anglotzt, blind zu machen, zu überwinden, daß es einen nicht mehr anglotzt, haben hier ihren Ursprung. In der Sage von Polyphän, in der Blendung vom Riesen bis zu der wunderbaren Sage, wo Dietrich von Bern den Riesen Grim überwindet, überall haben wir dieses Bewußtseinsmoment.

Die ganze Seltsamkeit der Erscheinungen konnte aber auch für die Seele etwas Lockendes haben. Dadurch, daß sie auftraten, wie einer unbekannten Welt angehörend, hatten sie etwas Verlockendes, dadurch waren diese Wesenheiten solche, die ver-lockend, ver-führend auf den Menschen wirken konnten. Der oder die «Lur» oder «Lore» ist das Grundwort für ein Lockgespenst. Wenn der Mensch es erblickte, konnte er nicht anders es sehen, als aus dem Innern der Dinge entstanden. Nun noch etwas Merkwürdiges: Mit dem Wort «Heimat» hängt wurzelhaft zusammen das Wort «Lei», daher «Lorelei-Felsen». Das ist das Lockgespenst, das sich in die Lei, also in seine Heimat zurückzieht, die dort war. Das Wort «Lei» kann man in den mannigfaltigsten Gegenden finden. So haben wir sozusagen das unterbewußte Erlebnis des Sehens der Lore oder Lure, das auftritt, als sich das bestimmte Sehen nach außen entwickelt. Die Alpe oder Elfen sind damit zusammenhängend, daß der Mensch in seinem Innern sein Ich-Bewußtsein erhält." (Lit.: GA 057, S. 414f)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Wo und wie findet man den Geist?, GA 57 (1984), ISBN 3-7274-0570-8 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.