Selbsterkenntnis und Parmenides: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Hgp
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
Zeile 1: Zeile 1:
'''Selbsterkenntnis''' ({{ELSalt|Γνῶθι σεαυτόν}} ''[[Gnothi seauton|Gnōthi seautón]]''; [[lat.]] ''Nosce te ipsum'') ist dem [[Mensch]]en durch sein [[Ich]] ermöglicht. Wesen, die über kein eigenständiges Ich verfügen, wie z.B. [[Tier]]e oder [[Elementarwesen]], können naturgemäß keine Selbsterkenntnis erringen. Wahre Selbsterkenntnis ist aber auch dem Menschen nicht schon automatisch durch sein Ich gegeben, sondern muss erst, sowohl [[Menschheit|menschheitlich]] als [[Individuum|individuell]], auf einem langen Entwicklungsweg aktiv errungen werden. Wahre Selbsterkenntnis schreitet über vier Stufen voran, die den vier [[Wesensglieder]]n des [[Mensch]]en, also [[Physischer Leib|physischem Leib]], [[Ätherleib]], [[Astralleib]] und [[Ich]], entsprechen.
[[Datei:Parmenides.jpg|thumb|Porträtbüste des Parmenides, angefertigt vermutlich im 3. Jh. v. Chr. nach Metrodoros von Lampsakos (Epikureer)]]
[[Datei:Sanzio 01 Parmenides.jpg|miniatur|Parmenides in [[Wikipedia:Raphael Santi|Raphaels]] Fresko ''[[Wikipedia:Die Schule von Athen|Die Schule von Athen]]'' (1510-1511)]]


== Die erste Stufe der Selbsterkenntnis ==
'''Parmenides aus Elea''' ({{ELSalt|Παρμενίδης}}; * um 520/515 v. Chr.; † um 460/455 v. Chr.) war einer der bedeutendsten griechischen Philosophen aus der Zeit der [[Wikipedia:Vorsokratiker|Vorsokratiker]] und lebte in der von Griechen begründeten süditalienischen Stadt [[Wikipedia:Elea|Elea]]. Sein Freund und Schüler war [[Zenon von Elea]]. Im Zentrum von Parmenides Lehre und auch aller anderen [[Wikipedia:Eleaten|Eleaten]] stand die ''Unveränderlichkeit des [[Sein]]s''; alle [[Veränderung]], alles [[Werden]] und [[Vergehen]], ist ihm nur [[Schein]], entspringend dem Wahn der Sterblichen.
ist die, die der Mensch durch das gewöhnliche [[Tagesbewusstsein]] bekommt, indem er sich der physischen Organe bedient und dadurch zum Erkennen der Umgebung kommt. Durch sein Gegenstandsbewusstsein sieht sich der Mensch als [[Subjekt]] einer Welt von [[Objekt]]en gegenübergestellt, an denen sein [[Selbstbewusstsein]] erwacht. Verfehlt wäre es aber, wollte der Mensch nun versuchen, dadurch zur Selbsterkenntnis zu kommen, dass er in sein Inneres hineinbrütet. Was wir heute als Selbst erleben, wenn wir in unser Inneres blicken, und wie es auch die moderne Psychologie beschreibt, weitet uns nicht den Blick zu unserer wahren [[geist]]igen [[Individualität]], sondern ist nur ein selbstgemachtes Konstrukt, ein abstraktes, höchst vergängliches gedankliches Bild, das wir uns von uns selbst machen, das obendrein von mancherlei [[luzifer]]ischem Wunschdenken  einerseits und verschiedensten [[ahriman]]isch begründeten Ängsten anderseits tingiert ist. Daran schließt sich dann in Form des '''Selbstwertgefühls''' eine bloß subjektive Bewertung der eigenen Person, die nicht in der Erkenntnis des realen Urteil gründet, das die geistige Welt über uns fällt und das allein unseren wahren Wert als geistige Individualität begründet. Der ganze Selbsterfahrungs-Humbug unserer Zeit, und mag er sich noch so spirituell gebärden, ist geradezu ein von den [[Widersacher]]mächten aufgeworfenes Hindernis auf dem Weg zu wahrer Selbsterkenntnis. In Wahrheit wird dadurch höchstens das [[Ego]] durch ein gesteigertes Selbstwertgefühl gestärkt, was zwar dem Menschen schmeicheln mag und ihm angenehm erscheinen kann, aber ihn um so sicherer seinem wahren Wesen entfremdet.


<div style="margin-left:20px">
In seinem Gedicht [http://www.zeno.org/Philosophie/M/Parmenides+aus+Elea/Fragmente/Aus%3A+%C3%9Cber+die+Natur Über die Natur] schildert Parmenides, wie er mit einem Rossegespann, geleitet von Mädchen, bis vor das von [[Dike]], der Göttin der [[Gerechtigkeit]], bewachte Tor geführt wird, wo sich die Pfade des Tages und der Nacht scheiden. Er wird eingelassen und soll hier durch der Göttin "verläßliches Reden und Denken" alles erfahren, "der wohlgerundeten Wahrheit unerschütterliches Herz und der Sterblichen Wahngedanken, denen verläßliche Wahrheit nicht innewohnt."<ref>''Die Fragmente der Vorsokratiker''. Griechisch und Deutsch von Hermann Diels. 1. Band, Berlin 1922, S 150</ref>
"Leicht kann da geglaubt werden, daß der Mensch nun in sein Inneres blicken muß, daß er sozusagen sich selbst erforschen muß. Da kommen wir nun an alle möglichen Arten der Selbsterkenntnis, die da gepflogen und angeraten werden. Zum Beispiel soll der Mensch beobachten, was er tut, was seine Eigenschaften sind und seine Fehler, er soll hineinbrüten in sein Inneres und zu erkennen suchen, wieviel er wert sei, wie tüchtig er zu dieser oder jener Handlung sei und dergleichen. Hier beginnen schon die Gefahren der falsch verstandenen Selbsterkenntnis, und darum müssen wir von den Gefahren sprechen. Wir haben ja immer im Auge, daß der Mensch versuchen soll, hinaufzukommen in die höheren Welten. Wir wissen auch, daß dieses Hinaufsteigen etwas ist, was aus dem Menschen etwas ganz anderes macht, als er heute ist, und deshalb ist es natürlich, daß da manche Hindernisse in den Weg treten. Durch falsche Selbsterkenntis wird der Aufstieg ebenso gefahrvoll, wie er erst möglich wird durch eine richtige Selbsterkenntnis. Diese Art Selbsterkenntnis, die man eher ein Bebrüten seines alltäglichen Ich nennen möchte, ein Achtgeben auf seine Fehler, ist eine falsche und eine Gefahr, die den Menschen tatsächlich eher zurückwirft, weil nämlich der umfassende Maßstab für das Urteil fehlt.


Wenn der Mensch durch eine gewöhnliche Erwägung seiner Vorzüge und Fehler sagt: Das hast du richtig gemacht, das hast du unrichtig gemacht, da mußt du dich bessern -, setzt das voraus, daß er einen Maßstab habe, nach dem er sich richten kann. Dieser Maßstab wird sozusagen auch zu einem Wertmesser für dasjenige, was der Mensch auch in der Zukunft darstellen wird. Und auf diese Art wird der Mensch eigentlich niemals über sich selbst hinauskommen, und das ist gerade das, was der Anthroposoph sich immer vorzusagen hat: Nicht stehenbleiben, sondern immer und immer, Schritt für Schritt über diesen Punkt hinauskommen. - Ein Ausspruch, der beherzigt werden sollte, ist: Alles, was du in bezug auf Entwickelung der Seele unternimmst und was dich auf dem Lebenspfade vorwärts bringt, ist gut getan; alles, was dich auf dem Punkte erhält, ist im Grunde genommen für deine Seele ein Verlust. - Keine Selbsterkenntnis, die den Menschen dahin treibt, daß er in Reue zerknirscht ist oder ihn zu einer Selbstbefriedigung führt, kann den Menschen vorwärts bringen." {{Lit|{{G|108|33f}}}}
{{Zitat|Dies ist nötig zu sagen und zu denken, daß [nur] das Seiende existiert. Denn seine Existenz ist möglich, die des Nichtseienden dagegen nicht; das heiß' ich Dich wohl zu beherzigen.|Parmenides|Über die Natur, Fragment 6<ref>Diels, S 153</ref>}}
</div>


Objektive Selbsterkenntnis wird damit beginnen müssen, sich darüber eine lebendige [[Anschauung]] zu verschaffen, was man dem Ort und der Zeit verdankt, in die man hineingeboren wurde:
[[Rudolf Steiner]] bemerkt zum [[Denken]] des Parmenides:


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Wenn wir nur eine Möglichkeit gewinnen wollen, einzusehen, worauf es ankommt, müssen wir uns die Frage vorlegen: Wovon hängt denn der eigentliche Mensch gewöhnlich ab? -Sie werden sich leicht hineinversetzen in den Gedanken: Wie wäre es denn mit meinen Vorstellungen, meinen Empfindungen und Gefühlen, wenn diese Individualität, die ja von Inkarnation zu Inkarnation gegangen ist und von Inkarnation zu Inkarnation gehen wird, wie wäre es, wenn diese Individualität nicht, sagen wir, vor so und soviel Jahren in Wien geboren wäre, sondern fünfzig Jahre früher etwa in Moskau? Was würde diese Individualität dann für einen Inhalt haben; welche Empfindungen, Gefühle, Vorstellungen, Gedanken und Ideen würden dann diese Individualität durchziehen und ihr den eigentümlichen Grundton geben? Ganz andere! Sie kommen am leichtesten dazu, sich das ganz genau vorzustellen, wenn Sie einmal darüber reflektieren, wie vom Morgen bis zum Abend Ihre Vorstellungen und Empfindungen laufen, wieviel bei diesen abhängt davon, wann und wo Sie in die Welt geraten sind. Versuchen Sie, sich einmal genau eine Rechnung zu machen, ziehen Sie vom Inneren der Seele alles ab, was bedingt ist von dem Wann und Wo der Geburt. Alle diese Vorstellungen werfen Sie aus dem Seelenleben hinaus. Versuchen Sie einmal darüber nachzudenken, was dann noch bleibt, und versuchen Sie vor allen Dingen noch nachzudenken, wieviele von diesen Vorstellungen, die vom Morgen bis zum Abend durch die Seele ziehen, überhaupt Gültigkeit und Wert haben außer durch Ort und Zeit Ihres Lebens zwischen Geburt und Tod. Da werden Sie sehen, wie bedeutsam es ist für das Ich, wohl darauf zu achten, wie weit es unter den Einflüssen des Wann und Wo steht. Das lernen Sie nicht erkennen dadurch, daß Sie in Ihr Inneres hineinbrüten, sondern das lernen Sie erkennen durch eine gute Berücksichtigung des Dichterspruches: Willst du dich selbst betrachten, lerne dich durch die anderen kennen! - durch die Umgebung. Und so werden wir in eigenartiger Weise vom Bebrüten der Seele ab- und dazu geführt, daß wir sagen: Wir müssen, um unser Ich kennenzulernen, uns ein offenes Auge, einen offenen Sinn schaffen für die Eigenart des Weltinhalts, in den wir nach Wann und Wo hineingeboren sind. Je mehr wir uns bemühen, diesen offenen Sinn zu haben für die Außenwelt, für das, was um uns ist, desto mehr kommen wir im geisteswissenschaftlichen Sinne zu dem, was wir auf diesem niedersten Gebiete Selbsterkenntnis nennen können.
"Parmenides sieht in der äußeren Natur, welche die Sinne betrachten, das Unwahre, Täuschende; in der [[Einheit]], dem Unvergänglichen, das der Gedanke ergreift, allein das Wahre." {{Lit|{{G|018|57}}}}
 
Lernen wir durch freien Blick sozusagen die ganze Tonfärbung unserer eigenen Zeit kennen; versuchen wir einmal, uns klarzumachen, wie in der mannigfachsten Weise uns zur Verfügung steht das Eigenartige unseres Zeitalters, unseres Ortes, in dem wir leben. Höchst eigenartig ist diese Selbsterkenntnis, die uns hinweist von unserem Selbst auf unsere Umgebung. Lernen wir diese unsere Außenwelt kennen, versuchen wir in ihren Geist einzudringen, das zu erforschen, was uns herauskristallisiert hat, dann werden wir wie ein Spiegelbild unser Ich erkennen. Das ist ein objektiver Weg. Das Hineinschauen in sich selbst ist eine Gefahr. Man soll die Ursachen erkennen, warum man so und so ist. Die kann man in der Umgebung kennenlernen; dadurch werden wir von uns abgelenkt. Da haben wir also zunächst das, was uns die Fähigkeit gibt, uns zu erkennen, soweit wir ein Ich sind, das sich des physischen Organs bedient, um mit seiner Mitwelt zu leben." {{Lit|{{G|108|34}}}}
</div>
</div>


== Die zweite Stufe der Selbsterkenntnis ==
{{Zitat|Denken und des Gedankens Ziel ist ein und dasselbe; denn nicht ohne das Seiende, in dem es sich ausgesprochen findet, kannst Du das Denken antreffen. Es gibt ja nichts und wird nichts anderes geben außerhalb des Seienden, da es ja das Schicksal an das unzerstückelte und unbewegliche Wesen gebunden hat. Darum muß alles leerer Schall sein, was die Sterblichen [in ihrer Sprache] festgelegt haben, überzeugt, es sei wahr: Werden sowohl als Vergehen, Sein sowohl als Nichtsein, Veränderung des Ortes und Wechsel der leuchtenden Farbe.|Parmenides|Über die Natur, Fragment 8<ref>Diels, S 157</ref>}}
schaut hin auf das Wirken des Selbstes im [[Ätherleib]]. Im Ätherleib liegen alle Fähigkeiten und Talente, die wir uns in das Erdenleben mitbringen. Wieder wäre es ein Irrweg, wenn wir darauf unseren ummittelbaren Blick richten wollten; zu einer objektiven Erkenntnis kommen wir nur, wenn wir ergründen, was wir unserer Zugehörigkeit zu [[Familie]], [[Rasse]] und [[Volk]] zu verdanken haben:


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Das Selbst nun, wenn es morgens untertaucht in den physischen und in den Ätherleib, wirkt im heutigen Menschheitszyklus in beiden Leibern, also auch im Atherleib. Da kommt dabei nicht dasjenige in Betracht, was Ort und Zeit, das Wann und Wo aus uns machen, sondern da kommt mehr in Betracht. Am Ätherleibe hängt noch etwas ganz anderes, was in gewisser Beziehung noch tiefer mit unserem Selbst verknüpft ist, was schon hinausgeht über Geburt und Tod. Da kommen wir dann zu dem, was in einer gewissen Beziehung dieses Selbst mit sich bringt, was von früher herstammt und in die Zukunft hineinreicht, was dieses Selbst schon hat, wenn es in einem physischen Leibe verkörpert wird. Äußerlich angesehen, indem man einfach den Menschen oberflächlich betrachtet, stellt sich besonders am Ätherleibe dasjenige dar, was wir als Talente, Anlagen, besondere Fähigkeiten des Selbst zu bezeichnen haben, und hier sind wir schon in einer gewissen Beziehung auf einem schwierigeren Gebiete der Selbsterkenntnis. [...]
Man wird die Bedeutung dieser Weltanschauung,
 
die man die eleatische nennt (Parmenides und [[Zenon]] sind
Es lauern da der Selbsterkenntnis die schlimmsten Feinde auf, wenn der Mensch beginnt, sich klarwerden zu wollen über seine Talente und Fähigkeiten durch Selbstbebrütung. Gerade da muß er seine Betrachtungen von sich heraus auf die Umgebung, vom Persönlichen auf das Unpersönliche hinüberziehen. Da haben wir die Betrachtung nunmehr zu lenken, wo es auf das Gebiet des Ätherleibes geht, auf unsere Zusammengehörigkeit mit dieser oder jener Rasse. Da haben wir uns zu fragen, zu welchem Gliede der Menschheit gehörst du eigentlich? Und wir sollen uns bemühen, die Eigenart dieser Menschheitsgruppe, zu der wir gehören durch Familie, Rasse, Volk, im Vergleich mit den universellen Eigenschaften des ganzen Menschengeschlechts zu erforschen. Lernen wir also kennen dasjenige, was sich in der Vererbungslinie hindurchzieht, was vom Urgroßvater auf den Großvater und so weiter sich fortentwickelt, und was das Selbst innerhalb dieser Vererbungslinie eigentümlich färbt, was also nicht zusammenhängt direkt mit Wann und Wo, sondern zusammenhängt mit tieferen Grundgesetzen des Menschendaseins, lernen wir diese Eigentümlichkeiten kennen, dann werden wir wiederum den richtigen Hintergrund finden, um dann erst zu sehen, wie sich unser eigenes Selbst von diesem Hintergrunde abhebt. Aber jedes Selbstbebrüten des Selbst vor Betrachtung dieses Hintergrundes ist vom Übel." {{Lit|{{G|108|36}}}}
aus Elea), erkennen, wenn man den Blick darauf lenkt,
daß ihre Träger mit der Ausbildung des Gedanken-Erlebens
so weit fortgeschritten sind, daß sie dieses Erleben zu
einer besonderen Kunst, zur sogenannten [[Dialektik]] gestaltet
haben. In dieser «Gedanken-Kunst» lernt sich die
Seele in ihrer Selbständigkeit und inneren Geschlossenheit
erfühlen. Damit wird die Realität der Seele als das empfunden,
was sie durch ihr eigenes Wesen ist, und als was
sie sich dadurch fühlt, daß sie nicht mehr, wie in der Vorzeit,
das allgemeine Welt-Erleben mitlebt, sondern in sich
ein Leben - das Gedanken-Erleben - entfaltet, das in ihr
wurzelt, und durch das sie sieb eingepflanzt fühlen kann
in einen rein geistigen Weltengrund. Zunächst kommt
diese Empfindung noch nicht in einem deutlich ausgesprochenen
Gedanken zum Ausdruck; man kann sie aber als
Empfindung lebendig in diesem Zeitalter fühlen an der
Schätzung, welche ihr zuteil wird. Nach einem «Gespräche»
Piatos wurde von Parmenides dem jungen Sokrates gesagt:
er solle von Zenon die Gedankenkunst lernen, sonst müßte
ihm die Wahrheit ferne bleiben. Man empfand diese «Gedankenkunst» als eine Notwendigkeit für die Menschenseele,
die an die geistigen Urgründe des Daseins herantreten
will." {{Lit|{{G|018|57}}}}
</div>
</div>


Durch konsequentes Sich-Erziehen zur Umbildung von Talenten und Fähigkeiten wird die [[Individualität]] allmählich unabhängig von der [[Vererbung]]slinie. Wahre Selbsterkenntnis gründet sich auf konsequente ''[[Selbsterziehung]]''. Das zeigt sich in deutlichen Veränderungen der [[Aura]]; sie weitet sich, wird innerlich reicher gestaltet und beweglicher. 
Zuletzt vergleicht Parmenides die Vollkommenheit des Seins mit der vollkommenen Gestalt einer Kugel:


<div style="margin-left:20px">
{{Zitat|Aber da eine letzte Grenze vorhanden, so ist [das Seiende] abgeschlossen nach allen Seiten hin, vergleichbar der Masse einer wohlgerundeten Kugel, von der Mitte nach allen Seiten hin gleich stark. Es darf ja nicht da und dort etwa größer oder schwächer sein. Denn da gibt es weder ein Nichts, das eine Vereinigung aufhöbe, noch kann ein Seiendes irgendwie hier mehr, dort weniger vorhanden sein als das Seiende, da es ganz unverletzlich ist. Denn [der Mittelpunkt,] wohin es von allen Seiten gleichweit ist, zielt gleichmäßig auf die Grenzen.|Parmenides|Über die Natur, Fragment 8<ref>Diels, S 157-158</ref>}}
"In bezug auf seine Talente und Fähigkeiten wird in der Regel nicht viel getan sein, wenn sich der Mensch nur eine Vorstellung über Abstammung und Vererbungslinie bildet, da wird er nicht zu einem Herausgehen kommen. Hier kann nur die geisteswissenschaftliche Erfahrung sprechen. Es handelt sich darum, daß aus der geisteswissenschaftlichen Erfahrung gegeben werde das, was den Menschen unabängig macht von Talenten und Fähigkeiten. Dieses Heilmittel sieht dem, was es erreichen soll, gar nicht ähnlich, doch ist es das Heilmittel: Wenn der Mensch versucht, ein warmes, inniges Gefühl sich anzueignen für das, was ihn zunächst wenig interessiert, für das, was ihm Mühe macht, sich dafür zu interessieren, und namentlich, wenn er sein Interesse vielseitig macht, dann wird er seine Individualität aus den ererbten Fähigkeiten herausarbeiten.


Der erste Schritt, die Erkenntnis der Umgebung, wird verhältnismäßig bald vollzogen sein; der zweite - dieses Sich-Erziehen - bildet nur langsam die Talente um. Ja, es muß sogar darauf aufmerksam gemacht werden, daß zuweilen für diese Inkarnation verzichtet werden muß darauf, daß ein Umschaffen der Talente vollzogen werde, aber der Weg wird eingeleitet, und es ist außerordentlich wichtig, daß wir das wirklich versuchen. Dann wird sich dem hellseherischen Bewußtsein sehr bald zeigen, wie die Aura in sich beweglich wird, wie sie vibrierend wird. Wir werden wenigstens in den ersten Anfängen eine Umwandlung unserer eigenen Natur sehen. In dieser nach und nach erfolgenden Selbsterziehung ergibt sich dann ganz von selbst dasjenige, was wir eine unpersönliche Selbsterkenntnis nennen können." {{Lit|{{G|108|38f}}}}
== Anmerkungen ==
</div>


== Die dritte Stufe der Selbsterkenntnis ==
<references/>
führt dazu, die Wirkungen des [[Karma]] zu erleben, die sich im [[Astralleib]] ausleben. Wenn wir etwas über unser wahres Selbst erfahren wollen, dann müssen darauf sehen, was wir seit unserer Geburt all den Menschen zu verdanken haben, mit denen wir im Leben zusammengekommen sind: Eltern, Lehrer, Erzieher, Schulkameraden, Berufskollegen, Freunde - und Feinde. Durch ihren fördernden oder hemmenden Einfluss sind wir erst das geworden, was wir heute sind. Den ''Feinden'', die uns die größten Hindernisse in den Weg stellten, haben wir oft am aller meisten zu verdanken. Von außen durch unsere Mitmenschen, mögen sie uns gut oder schlecht gesinnt sein, kommt uns im karmischen Geschehen unser wirkliches Ich zu. Dafür müssen wir dankbar sein. Die bis zur Feindesliebe gesteigerte Nächstenliebe zeigt sich hier von einer ganz speziellen Seite. So wie wir unser Ich durch unsere Mitmenschen empfangen, so tragen wir ihnen umgekehrt die Kräfte ihres Ichs zu – das ist ein beständiger Austausch. Nächstenliebe war schon eine Forderung in vorchristlicher Zeit, doch beschränkte sie sich im wesentlichen auf jene Menschen, mit denen man durch das [[Blut]] verbunden war – die Familie, der Stamm, das Volk. Dadurch öffnet sich aber nur das Tor für das Gruppen-Ich. Erst die allgemeine Menschenliebe, die Blutsverwandte und nicht Verwandte, Freunde und Feinde gleichermaßen, und letztlich die ganze Menschheit umfasst, bereitet den Weg, auf dem uns unser individuelles Ich auf den Schwingen des Schicksals zuströmt. Und indem wir so unser wahres Ich im Schicksalsgeschehen ergreifen, d.h. wenn wir die Samenkörner, die uns durch das Karma eingepflanzt werden, auch zur Reife bringen, dann strömt der Menschheit insgesamt eine stärkende Kraft zu.


Diese Stufe der Selbsterkenntnis kann also nur errungen werden, wenn sich der Mensch in richtiger Weise zu seinem Schicksal stellt, und das ist letztlich nur dadurch möglich, dass man zu einer soliden geistigen Erkenntnis Zugang findet. Man muss das Erdenleben mit seinen oft bitteren Schicksalsschlägen von einer höheren, geistigeren Warte überschauen lernen.
==Literatur==
#Rudolf Steiner: ''Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt'', [[GA 18]] (1985), ISBN 3-7274-0180-X {{Schriften|018}}


<div style="margin-left:20px">
{{GA}}
"Das ist dasjenige, was dem Menschen möglich macht, im Sinne seines Karma dann von selbst zu leben. Es handelt sich also nunmehr darum, daß der Mensch dazu kommt, die anthroposophische Lehre in die Tatsachen umzusetzen. Es ist notwendig, soll Karma nicht eine abstrakte Idee bleiben, soll sie wirksam werden, daß man daran geht, diese Karmaidee probeweise in das Leben einzuführen, probeweise wenigstens, weil man schon der Mannigfaltigkeit und der Unruhe unseres alltäglichen Lebens wegen nicht ständig in Selbstbeobachtung bleiben kann. Es ist notwendig, daß man sich die Frage vorlegt, was heißt das: karmisch denken?
 
Nehmen wir einen radikalen Fall als Beispiel an: Jemand hat einem anderen - mir zum Beispiel - eine Ohrfeige versetzt. Was heißt in einem solchen Falle «karmisch denken»? Ich war in einem früheren Leben da, der andere auch. Ich habe vielleicht damals, in dem früheren Leben, ihm zu seiner jetzigen Handlungsweise die Ursache gegeben, ihn dazu gedrängt, ihn erst gleichsam abgerichtet dazu. Ich will nicht theoretisieren, ich will eine Hypothese aufstellen, die eine Lebenshypothese werden soll. Gibt er mir nun den Schlag, wenn ich so denke? Nein, er gibt ihn mir gar nicht. Ich selbst gebe ihn mir, denn ich habe ihn selbst dahin gestellt auf den Platz, ich habe die Hand, die er gegen mich aufhob, selbst erhoben.
 
Nunmehr kann das Weitere nur die Erfahrung geben, und die gibt folgendes: Wenn der Mensch versucht, ernsthaft so die Karma-idee ins Auge zu fassen, ab und zu solch eine Frage zu stellen, in vollem Ernste und in voller Würde, wird er tatsächlich sehen, daß er einen Erfolg davon hat. Das kann Ihnen kein Mensch beweisen. Sie müssen es sich selbst beweisen, indem Sie es tun. Da werden Sie sehen, daß tatsächlich Ihr inneres Leben ein ganz anderes wird, Sie bekommen ganz andere Gefühle, Willensimpulse über das Leben, und ein ganz anderes inneres Leben zeigt seine Konsequenzen; es wird sich zeigen an einer ganz anderen Stelle. Wo Sie großen Schmerz, Enttäuschungen erfahren hätten, nehmen Sie den Schmerz ruhig hin; Sie sind äquilibriert deswegen, weil Sie das so getan und gedacht haben. Es tritt die Folge ein, daß über das ganze Seelenleben eine merkwürdige Ruhe kommt, eine Art gesetzmäßigen Erfassens der Geschehnisse, keineswegs eines fatalistischen.
 
Das ist auch der Weg, den man einschlagen muß, wenn man nach und nach die Karmaidee, das Wahrhalten dieser Idee zur Gewißheit ausbilden will. Gegen die Karmaidee läßt sich streiten. Wer Gründe vorbringen will, der kann es. Man kann auch theoretisch so etwas nicht beweisen, sondern nur durch die Probe, und da gibt Ihnen die Erfahrung dasjenige, was dabei herauskommt. Die Erfahrung gibt, wenn sie intensiv wird, die Mittel, Karma zunächst zu begreifen. Dann merkt man aus der Gruppierung der Dinge, daß es wirklich etwas ist, was in den Dingen liegt, so wie man merkt, ob man ein Phantasiebild hat, oder ob man die Wirklichkeit des Bügelstahls hat, wenn man ihn angreift. So muß die Erfahrung selbst jene Zusammenfassung der Tatsachen des Lebens geben, wodurch wir nach und nach unsere Willkür, unsere inneren Willensimpulse eingliedern in unser Karma. Diese Arbeit unseres Lebens, die kompliziert ist, ist etwas, was zu den besten Mitteln zur Erreichung einer dritten Stufe der wahren Selbsterkenntnis gehört. Dadurch lernen Sie nach und nach fühlen, was der Niederschlag im gegenwärtigen aus dem früheren Leben ist." {{Lit|{{G|108|42ff}}}}
</div>
 
Konkret bedeutet das: wir müssen die Anstöße, die uns das Schicksal durch andere Menschen vermittelt, bewusst erkennen und aktiv in Taten umsetzen. In alten Zeiten geschah der karmische Ausgleich gleichsam wie von selbst; heute müssen wir ihn immer mehr aktiv und bewusst vorantreiben. Wir leben in einer Zeit, in der der karmische Ausgleich in der alten Form längst in Unordnung geraten ist, es ist [[Unordnung im Karma]] entstanden. Wenn wir das Schicksal aktiv ergreifen, d.h. wenn wir unsere Schicksalsaufgabe erkennen und bewusst zu verwirklichen beginnen, dann waltet darin auch der [[Christus]]-Impuls, der uns die stärkende Kraft gibt, um diese Aufgabe zu bewältigen. In diesem Sinn ist der Christus der Herr des Karma geworden, und er kann es in dem Maß sein, in dem wir es ''wollen''.
 
== Die vierte und höchste Stufe der Selbsterkenntnis ==
 
führt uns zur Erkenntnis des Zusammenhanges unserer [[Erde (Planet)|Erde]] mit dem ganzen [[Kosmos]]:


<div style="margin-left:20px">
== Weblinks ==
"Wenn Sie sich dasjenige genau vor die Seele führen, was in den Aufsätzen «Aus der Akasha-Chronik» über die Entwickelung der Erde geschildert wird, was scheinbar ganz fremd für die Seele ist, wie es zuletzt mit Notwendigkeit zur heutigen Konfiguration hinführt, dann haben Sie Selbsterkenntnis durch Welterkenntnis! So führt uns die Selbsterkenntnis immer weiter und weiter aus uns heraus, immer zum Unpersönlichen. Wie durch Anwendung des Karma im Leben die Aura heller und lichter wird, so wird durch die eigentliche Erkenntnis der kosmischen Zusammenhänge die Aura kraftvoller und fähig, aus sich heraus ursprünglich freie Impulse zu schaffen. Hier kommen Sie zur Lösung der Frage nach Freiheit und Unfreiheit. Denn Freiheit ist ein Entwickelungsprodukt, und man gelangt zu ihr immer mehr, je mehr man zur Selbsterkenntnis gelangt." {{Lit|{{G|108|47f}}}}
</div>


Wahre Selbsterkenntnis, durch alle vier Stufen hindurch, ist also für den heutigen Menschen nur durch umfassende Welterkenntnis möglich - und wahre Selbsterkenntnis führt den Menschen zur [[Freiheit]].
* {{Zeno-Werk|Philosophie/M/Parmenides+aus+Elea/Fragmente/Aus%3A+Über+die+Natur|Über die Natur}}


<div align="center">Mensch, erkenne dich selbst! Werde frei!</div>
Indem der Mensch in der Selbsterkenntnis bis zu diesem Punkt voran schreitet, wird er im Erkenntnisakt die engen Schranken seiner irdischen [[Persönlichkeit]], die ihm durch seine Hüllenwesensglieder gesetzt sind, überwinden und im Ich die tätige Schaffenskraft des [[Weltgeist]]es erleben:
<div style="margin-left:20px">
"Dem Menschen leuchtet in seinem Ich das höchste Licht. Aber dieses Licht gibt seiner Vorstellungswelt nur den rechten Widerschein, wenn er gewahr wird, daß es nicht sein Selbstlicht ist, sondern das allgemeine Weltlicht. Es gibt daher keine wichtigere Erkenntnis als die Selbsterkenntnis; und es gibt zugleich keine, die so vollkommen über sich selbst hinausführt. Wenn das «Ich» sich recht erkennt, so ist es schon kein «Ich» mehr." {{Lit|{{G|007|71}}}}
</div>
Der Mensch überwindet sein niederes Ich, um sein Selbst auf höherer Stufe wiederzugewinnen. Die Individualität des Menschen wird also keineswegs ausgelöscht, sondern ''erhöht''. Das Ich des Menschen wird zum weit geöffneten Tor in die geistige Welt und durch dieses Tor wird der [[Heiliger Geist|Heilige Geist]] auf den Menschen ausgegossen. In dem neuen, höheren Selbst, das der Mensch dadurch erringt, ist der [[Geist]], der Heilige Geist, tätig. Der Mensch erwirbt sich dadurch ein höheres, geistiges [[Wesensglied]], das Rudolf Steiner zutreffend als [[Geistselbst]] bezeichnet hat. Selbsterkenntnis in diesem Sinn ist nicht bloß beschauliche Betrachtung des eigenen Seins, sondern ein tätiges Hinstreben zum Weltgeist selbst.
Für einzelne hat diese Entwicklung an jenem [[Pfingstfest]] begonnen, nachdem sich der [[Christus]] durch die [[Himmelfahrt]] dem unmittelbaren Bewusstsein der Jünger entzogen hatte - für immer mehr Menschen kann es sich jetzt und in der nächsten Zukunft verwirklichen. Dies zu erkennen, ist das wichtigste Ziel der Selbsterkenntnis für den heutigen Menschen.
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung'', [[GA 7]] (1990)
#Rudolf Steiner: ''Die Beantwortung von Welt- und Lebensfragen durch Anthroposophie'', [[GA 108]] (1986), ISBN 3-7274-1081-7
{{GA}}


[[Kategorie:Grundbegriffe]][[Kategorie:Schulungsweg]][[Kategorie:Seelenleben]]
[[Kategorie:Philosoph]] [[Kategorie:Biographie]] [[Kategorie:Mann]]

Version vom 22. April 2013, 01:19 Uhr

Porträtbüste des Parmenides, angefertigt vermutlich im 3. Jh. v. Chr. nach Metrodoros von Lampsakos (Epikureer)
Parmenides in Raphaels Fresko Die Schule von Athen (1510-1511)

Parmenides aus Elea (griech. Παρμενίδης; * um 520/515 v. Chr.; † um 460/455 v. Chr.) war einer der bedeutendsten griechischen Philosophen aus der Zeit der Vorsokratiker und lebte in der von Griechen begründeten süditalienischen Stadt Elea. Sein Freund und Schüler war Zenon von Elea. Im Zentrum von Parmenides Lehre und auch aller anderen Eleaten stand die Unveränderlichkeit des Seins; alle Veränderung, alles Werden und Vergehen, ist ihm nur Schein, entspringend dem Wahn der Sterblichen.

In seinem Gedicht Über die Natur schildert Parmenides, wie er mit einem Rossegespann, geleitet von Mädchen, bis vor das von Dike, der Göttin der Gerechtigkeit, bewachte Tor geführt wird, wo sich die Pfade des Tages und der Nacht scheiden. Er wird eingelassen und soll hier durch der Göttin "verläßliches Reden und Denken" alles erfahren, "der wohlgerundeten Wahrheit unerschütterliches Herz und der Sterblichen Wahngedanken, denen verläßliche Wahrheit nicht innewohnt."[1]

„Dies ist nötig zu sagen und zu denken, daß [nur] das Seiende existiert. Denn seine Existenz ist möglich, die des Nichtseienden dagegen nicht; das heiß' ich Dich wohl zu beherzigen.“

Parmenides: Über die Natur, Fragment 6[2]

Rudolf Steiner bemerkt zum Denken des Parmenides:

"Parmenides sieht in der äußeren Natur, welche die Sinne betrachten, das Unwahre, Täuschende; in der Einheit, dem Unvergänglichen, das der Gedanke ergreift, allein das Wahre." (Lit.: GA 018, S. 57)

„Denken und des Gedankens Ziel ist ein und dasselbe; denn nicht ohne das Seiende, in dem es sich ausgesprochen findet, kannst Du das Denken antreffen. Es gibt ja nichts und wird nichts anderes geben außerhalb des Seienden, da es ja das Schicksal an das unzerstückelte und unbewegliche Wesen gebunden hat. Darum muß alles leerer Schall sein, was die Sterblichen [in ihrer Sprache] festgelegt haben, überzeugt, es sei wahr: Werden sowohl als Vergehen, Sein sowohl als Nichtsein, Veränderung des Ortes und Wechsel der leuchtenden Farbe.“

Parmenides: Über die Natur, Fragment 8[3]

Man wird die Bedeutung dieser Weltanschauung, die man die eleatische nennt (Parmenides und Zenon sind aus Elea), erkennen, wenn man den Blick darauf lenkt, daß ihre Träger mit der Ausbildung des Gedanken-Erlebens so weit fortgeschritten sind, daß sie dieses Erleben zu einer besonderen Kunst, zur sogenannten Dialektik gestaltet haben. In dieser «Gedanken-Kunst» lernt sich die Seele in ihrer Selbständigkeit und inneren Geschlossenheit erfühlen. Damit wird die Realität der Seele als das empfunden, was sie durch ihr eigenes Wesen ist, und als was sie sich dadurch fühlt, daß sie nicht mehr, wie in der Vorzeit, das allgemeine Welt-Erleben mitlebt, sondern in sich ein Leben - das Gedanken-Erleben - entfaltet, das in ihr wurzelt, und durch das sie sieb eingepflanzt fühlen kann in einen rein geistigen Weltengrund. Zunächst kommt diese Empfindung noch nicht in einem deutlich ausgesprochenen Gedanken zum Ausdruck; man kann sie aber als Empfindung lebendig in diesem Zeitalter fühlen an der Schätzung, welche ihr zuteil wird. Nach einem «Gespräche» Piatos wurde von Parmenides dem jungen Sokrates gesagt: er solle von Zenon die Gedankenkunst lernen, sonst müßte ihm die Wahrheit ferne bleiben. Man empfand diese «Gedankenkunst» als eine Notwendigkeit für die Menschenseele, die an die geistigen Urgründe des Daseins herantreten will." (Lit.: GA 018, S. 57)

Zuletzt vergleicht Parmenides die Vollkommenheit des Seins mit der vollkommenen Gestalt einer Kugel:

„Aber da eine letzte Grenze vorhanden, so ist [das Seiende] abgeschlossen nach allen Seiten hin, vergleichbar der Masse einer wohlgerundeten Kugel, von der Mitte nach allen Seiten hin gleich stark. Es darf ja nicht da und dort etwa größer oder schwächer sein. Denn da gibt es weder ein Nichts, das eine Vereinigung aufhöbe, noch kann ein Seiendes irgendwie hier mehr, dort weniger vorhanden sein als das Seiende, da es ganz unverletzlich ist. Denn [der Mittelpunkt,] wohin es von allen Seiten gleichweit ist, zielt gleichmäßig auf die Grenzen.“

Parmenides: Über die Natur, Fragment 8[4]

Anmerkungen

  1. Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch von Hermann Diels. 1. Band, Berlin 1922, S 150
  2. Diels, S 153
  3. Diels, S 157
  4. Diels, S 157-158

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt, GA 18 (1985), ISBN 3-7274-0180-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks