Tempel

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Göbekli Tepe nahe südostanatolischen Stadt Şanlıurfa in der heutigen w:Türkei war vermutlich ein Bergheiligtum, desen älteste Schicht auf etwa 9600 v. Chr. datiert wird. Sie umfasst sieben Steinringe, die aus T-förmigen, teils mit Reliefen versehenen Pfeilern bestehen.[1]
Modell des Salomonischen Tempels mit dem ehernen Meer (links) und dem zentralen Altar (rechts) im Vorhof.
Modell des Artemistempels von Ephesos im Miniatürk Park Istanbul

Der Tempel (griech. τέμενος témenos; lat. templum „abgegrenzt, abgeschlossen“) war ursprünglichen ein an heiligen Orten wie Hügeln oder Hainen errichteter, abgegrenzter sakraler Bereich in dem kultische Handlungen durchgeführt wurden, die an die Gottheit oder die Gottheiten gerichtet waren, die hier ihren Wohnsitz genommen hatten. Später wurden an diesen Orten Tempelbauten errichtet, von einfachen aufgeschütetten Erdhügeln bis hin zu umfangreichen Tempelbezirken. Das gemeinsame Urbild aller Tempelformen ist der Leib des Menschen, der in seiner Seele den herabsteigenden Geist empfängt. Ein vollkommenes Beispiel des Tempelbaus war der salomonische Tempel.

„Was ist letzten Endes ein vorderasiatischer Tempel? Wo tritt uns in der Welt ein Vorbild dafür entgegen?

Das Vorbild, das uns sogleich Licht wirft auf das, was hier geschehen ist, das ist in Folgendem gegeben: Sie denken sich einen Menschen am Erdboden liegend und sich mit seinem Vorderleibe und seinem Antlitze aufrichtend. Und Sie haben in dem Menschen, der am Erdboden liegend sich aufrichtet, um seinen Körper einfangen zu lassen von den herabströmenden höheren geistigen Kräften, um sich mit diesen in Verbindung zu setzen, dasjenige gegeben, was die anregende Inspiration geben kann für einen vorderasiatischen Tempel. Alle die Säulen, die Kapitelle, alle die merkwürdigen Gestalten dieses Tempels sind Symbole für das, was man empfinden kann, wenn man sich gegenüberstellt einem so sich aufrichtenden Menschen, mit alledem, was sich in seinen Handbewegungen, in seinen Gesten und in seinem Antlitze verrät. Würde man nun mit dem geistigen Blick dieses Antlitz durchbrechen, würde man eindringen in das Innere des Menschen, in den Mikrokosmos, der ein Abdruck ist des Makrokosmos, so würde man finden - insofern das menschliche Antlitz ein voller Ausdruck ist für das, was im Innern des Menschen, des Mikrokosmos ist - dasselbe Verhältnis zwischen dem menschlichen Antlitz und dem Innern, wie zwischen der Fassade des vorderasiatischen Tempels und dem, was in seinem Innern war. Ein sich aufrichtender Mensch ist ein vorderasiatischer Tempel; allerdings nicht kopiert, sondern als Motiv betrachtet mit alle dem, was er in der Seele anregt. Insofern wir physische Menschen sind und die menschliche Leiblichkeit durch Anthroposophie geistig geschildert werden kann, insofern ist der vorderasiatische Tempel der Ausdruck des menschlichen Mikrokosmos. So ist aus der Erfassung des menschlichen Mikrokosmos mit dem Streben nach aufwärts jener Teil der menschlichen Baukunst erschlossen. Dieser physische Mensch hat seinen getreuen spirituellen Abdruck in jenen merkwürdigen Tempeln, von denen nicht viel anderes mehr als Trümmer erhalten sind. In allen Einzelheiten, bis zum geflügelten Rade und den Urformen dieser Dinge würde man nachweisen können, daß dies so ist. In lauten Tönen sprechen zu uns herüber die Zeiten: Der Tempel ist der Mensch!

Und der ägyptische und der griechische Tempel?

Wir können den Menschen nicht bloß vom anthroposophischen, sondern auch vom psychosophischen Standpunkte aus schildern, vom Standpunkte der Betrachtung der Seele. Nähern wir uns dem Menschen, insofern er uns auf der Erde in hauptsächlichster Art als Seelenwesen entgegentritt, dann ist uns dasjenige, was wir, wenn wir dem Menschen gegenübertreten, betrachten in seinem Auge, in seinem Antlitz, in seiner Geste, wahrhaftig zunächst ein Rätsel. Und wie mancher Mensch ist in dieser Beziehung ein großes Rätsel! Wahrhaftig, wenn wir in dieser Beziehung dem Menschen entgegentreten, so ist das nicht anders, als wenn wir dem ägyptischen Tempel entgegentreten, der uns das Rätsel darbietet. Und wenn wir in sein Inneres hineintreten, so finden wir dort des menschlichen Seelischen Allerheiligstes. Aber wir finden es nur zugänglich denjenigen, die über das Äußere hinübergehen und in das Innere eintreten können. Eine Menschenseele ist verschlossen in der innersten Cella, wie des Gottes Heiligtum, wie die Mysteriengeheimnisse selber im ägyptischen Tempel, in der ägyptischen Pyramide. Aber nicht so verschlossen ist die Seele in dem Menschen, daß sie nicht in der Geste, in alle dem, was am Menschen uns entgegentreten kann, sich ausdrücken könnte. Der Leib kann, wenn die Seele ihn in ihrer Eigentümlichkeit durchdringt, zum äußeren Ausdruck der Seele werden. Dann erscheint uns dieser Menschenleib als etwas im höchsten Maße künstlerisch in sich Vollendetes, als ein Durchseeltes, als ein in sich vollendetes Unendliches. Und suchen Sie sich etwas in der ganzen sichtbaren Schöpfung, das in sich ein so Vollendetes darstellen würde, wie der menschliche Leib es ist, insofern dieser durchseelt ist: Sie werden innerhalb der sichtbaren Schöpfung nichts finden - nicht in bezug auf Dynamik - außer den griechischen Tempel, ihn, der den Gott in sich so einschließt, aber auch als Wohnung ihm zum Ausdruck dient in einem in sich vollendeten Unendlichen, wie der menschliche Leib der menschlichen Seele. Und insofern der Mensch als Mikrokosmos Seele in einem Leibe ist, ist der ägyptische, ist der griechische Tempel - der Mensch.“ (Lit.:GA 286, S. 22f)

„Wir hören von dem salomonischen Tempel bei mancherlei Gelegenheiten als von jenem Tempel, von dem wir wissen, daß in ihm zum Ausdruck kommen sollte der ganze Geist der Menschheitsentwickelung. Wir hören davon; an die Menschen der physischen Erde stellt man aber - und das ist das Rätselhafte an der Sache - die ganz vergebliche Frage: wer hat jenen salomonischen Tempel, von dem wir als einer grandiosen Wahrheit sprechen - wenn wir überhaupt im Ernst davon sprechen -, wer hat ihn mit physischen Augen gesehen? Ja, es ist ein Rätsel, was ich da sage! Herodot hat wenige Jahrhunderte, nachdem der salomonische Tempel aufgebaut gewesen sein mußte, Ägypten bereist, hat Vorderasien bereist. Aus seinen Reiseschilderungen, die sich wahrhaftig über viel Geringeres hermachen als über das, was der salomonische Tempel gewesen sein muß, wissen wir, daß er nur wenige Meilen vorbeigegangen sein mußte am salomonischen Tempel - aber er hat ihn nicht gesehen. Den salomonischen Tempel hatten die Leute noch nicht gesehen!

Das Rätselvolle ist nun, daß ich über etwas sprechen muß, was doch da war und was die Leute nicht gesehen haben. Aber es ist so. Nun, es gibt auch in der Natur etwas, was da sein kann und was die Leute doch nicht sehen. Der Vergleich ist aber nicht vollständig, und wer ihn ausnützen wollte, würde ganz danebenschießen. Es sind die Pflanzen, die in ihrem Samen enthalten sind; aber die Menschen sehen die Pflanzen in ihrem Samen nicht. Es sollte aber nun niemand weitergehen in diesem Vergleich, denn wer jetzt darnach den salomonischen Tempel interpretieren würde, der würde gleich etwas Falsches sagen. Soweit ich es selbst gesagt habe, ist der Vergleich durchaus richtig, der Vergleich des Pflanzensamens mit dem salomonischen Tempel.

Was will der salomonische Tempel? Er will dasselbe, was der Tempel der Zukunft wollen soll und allein wollen kann.

Man kann den physischen Menschen darstellen in der Anthroposophie. Man kann den Menschen, insofern er der Tempel der Seele selber ist und von der Seele durchseelt ist, darstellen in der Psychosophie. Und man kann den Menschen darstellen durch Pneumatosophie, insofern der Mensch Geist ist. Der geistige Mensch, dürfen wir ihn denn nicht so vor uns hinstellen, daß wir sagen: Zuerst erblicken wir den Menschen, der, am Boden liegend, sich aufrichtet; dann den Menschen, der in sich selbst geschlossen wie ein in sich gegründetes Unendliches vor uns steht mit dem gerade vor sich hingerichteten Blick; und dann erblicken wir den Menschen, der nach oben schaut, seelisch in sich gegründet, aber die Seele zum Geiste erhebend und den Geist empfangend. «Der Geist ist spirituell», das ist eine Tautologie, aber sie kann uns doch klarmachen, was wir zu sagen haben: Der Geist ist das Übersinnliche, die Kunst kann nur im Sinnlichen formen und im Sinnlichen überhaupt zum Ausdruck kommen. Mit anderen Worten: Was die Seele als Geist empfängt, muß in die Form sich ergießen können. So wie der sich aufrichtende Mensch, der in sich gefestigte Mensch zum Tempel geworden ist, so muß die Seele zum Tempel werden können, die den Geist empfängt. Dazu ist unser Zeitalter da, daß es den Anfang macht mit einer Tempelkunst, die laut zu den Menschen der Zukunft sprechen kann:

Der Tempel, das ist der Mensch, der Mensch, der in seiner Seele den Geist empfängt!“ (S. 23f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Klaus Schmidt: Sie bauten die ersten Tempel. Das rätselhafte Heiligtum der Steinzeitjäger. Die archäologische Entdeckung am Göbekli Tepe. 3., erweiterte und aktualisierte Auflage 2007. C. H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-53500-3.