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'''Staat''' ist ein mehrdeutiger Begriff verschiedener [[wikipedia:Sozialwissenschaft|Sozial-]] und [[wikipedia:Staatswissenschaften|Staatswissenschaften]]. Im weitesten Sinn bezeichnet er eine [[wikipedia:politische Ordnung|politische Ordnung]], in der einer bestimmten Gruppe, [[wikipedia:Organisation|Organisation]] oder [[wikipedia:Institution|Institution]] eine privilegierte Stellung (nach Ansicht einiger bei der Ausübung von [[wikipedia:Politische Macht|Macht]], nach Ansicht anderer für die Entfaltung des Einzelnen und der [[wikipedia:Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]]) zukommt.
#WEITERLEITUNG [[Erlösung]]
 
[[Datei:Aufbau des Staates.png|miniatur|Aufbau eines demokratischen Staates aus der Perspektive der Politikwissenschaft]]
 
== Mehrdeutigkeit des Staatsbegriffs ==
Diese sehr allgemeine Definition ist dem Umstand geschuldet, dass der Begriff ''Staat'' in wissenschaftlicher, aber auch ideologischer Hinsicht mit unterschiedlichen Inhalten besetzt ist. Es lassen sich im Wesentlichen vier Staatsbegriffe unterscheiden:
# Der juristisch-[[wikipedia:völkerrecht|völkerrecht]]liche Staatsbegriff bezeichnet als Staat „die mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgerüstete Körperschaft eines sesshaften Volkes“ ([[wikipedia:Georg Jellinek|Jellinek]]). Häufig wird diese klassische „[[wikipedia:Drei-Elemente-Lehre|Drei-Elemente-Lehre]]“, nach der ein Staat ein gemeinsames, durch in der Regel ausgeübte [[wikipedia:Gebietshoheit|Gebietshoheit]] abgegrenztes [[wikipedia:Staatsgebiet|Staatsgebiet]],<ref>Siehe hierzu im Einzelnen Martin Kment, ''Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln'' (=&nbsp;Jus Publicum, Bd. 194), Mohr Siebeck, Tübingen 2010, § 3 B.III, [http://books.google.de/books?id=VsQXf9kpVwcC&pg=PA77 S. 77 ff.]; vgl. auch [[wikipedia:Theodor Schweisfurth|Theodor Schweisfurth]], ''Völkerrecht'', Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-8252-8339-9 (UTB), Kap. 9 § 1, S. 278–295 ([http://books.google.de/books?id=SbnGHvVLzE4C&lpg=PA278&dq=staatsgebiet%20gebietshoheit&pg=PA278#v=onepage&q=staatsgebiet%20gebietshoheit&f=false 278 f.]) und § 3.II [http://books.google.de/books?id=SbnGHvVLzE4C&pg=PA305 Rn 111–113].</ref> ein dazugehöriges [[wikipedia:Staatsvolk|Staatsvolk]] und die [[wikipedia:Staatsgewalt|Machtausübung]] über dieses umfasst, um die Notwendigkeit einer rechtlichen Verfasstheit jener Gemeinschaft ergänzt.
# Nach der soziologischen Definition [[Max Weber]]s ist der Staat die [[Gemeinschaft]], die „innerhalb eines bestimmten Gebietes […] das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht“, also ein auf [[wikipedia:Legitimität|Legitimität]] gestütztes „Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen“.<ref>Max Weber: ''Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie.'' Studienausgabe, 5. Aufl., Tübingen 1980, S. 822 ([http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Grundri%C3%9F+der+Soziologie/Wirtschaft+und+Gesellschaft/Zweiter+Teil.+Die+Wirtschaft+und+die+gesellschaftlichen+Ordnungen+und+M%C3%A4chte/Kapitel+IX.+Soziologie+der+Herrschaft/8.+Abschnitt.+Die+rationale+Staatsanstalt+und+die+modernen+politischen+Parteien+und+Parlamente+(Staatssoziologie)/%C2%A7+2.+Der+rationale+Staat+als+anstaltsm%C3%A4%C3%9Figer+Herrschaftsverband+mit+dem+Monopol+legitimer+Gewaltsamkeit online]).</ref> Diese Bestimmung des Staats als Herrschaftsinstrument wird unterschiedlich interpretiert:
## aus [[wikipedia:Liberalismus|liberaler Sicht]] als notwendiges, wenn auch begrenztes Instrument, um die Freiheit des Einzelnen sicherzustellen;
## aus [[Marxismus|marxistischer Sicht]] (auch) als Instrument, das (im bürgerlichen Staat) als [[wikipedia:Basis und Überbau|Überbau]] den Interessen der herrschenden Klasse dient (und nach der Revolution den Weg zum [[Sozialismus]] ebnen soll);
## aus [[wikipedia:Anarchismus|anarchistischer Sicht]] als Instrument zur Unterdrückung des Einzelnen.
# Nach einer gängigen [[wikipedia:politikwissenschaft|politikwissenschaft]]lichen Definition ist der Staat das System der öffentlichen Institutionen zur Regelung der Angelegenheiten eines Gemeinwesens. Zur traditionellen Bestimmung des Staates werden auch in der Politikwissenschaft die Elemente Staatsgebiet, Staatsvolk, [[wikipedia:Staatsbürgerschaft|Staatsbürgerschaft]] und Staatsgewalt (bzw. [[wikipedia:politische Macht|politische Macht]] oder [[Herrschaft]]) herangezogen. Allerdings gibt es auch von traditionellen und etablierten politologischen Definitionen abweichende Bestimmungen des Staates.
# Nach der sittlichen Auffassung vom Staat ([[Aristoteles]], [[wikipedia:Rousseau|Rousseau]], [[Hegel]]) ist dieser die Verwirklichung der moralischen Ziele des Einzelnen und der Gesellschaft: Es sei „der Gang Gottes in der Welt, daß der Staat ist, sein Grund ist die Gewalt der sich als Wille verwirklichenden Vernunft“ und für die Einzelnen die „höchste Pflicht […], Mitglieder des Staats zu sein“ ([[Hegel]]).<ref>[[Georg Wilhelm Friedrich Hegel]], ''Grundlagen der Philosophie des Rechts'', S. 403 und 399.</ref>
 
Wegen der deutlich voneinander abweichenden Begriffe hat sich eine allgemein gültige Definition nicht herausbilden können.<ref>Vgl. Alfred Katz, ''Staatsrecht: Grundkurs im öffentlichen Recht'', 18. Aufl., C.F. Müller/Hüthig Jehle Rehm, Heidelberg/München 2010, § 3 [http://books.google.de/books?id=8D7yMK4awLUC&lpg=PA12&dq=staat%20allgemeing%C3%BCltige%20definition&pg=PA12#v=onepage&q&f=false Rn 21, 22].</ref><ref>Vgl. ebenso Dirk Freudenberg, ''Theorie des Irregulären: Partisanen, Guerillas und Terroristen im modernen Kleinkrieg'', 1. Aufl., VS Verlag, Wiesbaden 2008, Kap. II.1, S. 33&nbsp;ff. ([http://books.google.de/books?id=gcLwE_bCIK8C&lpg=PA35&dq=staat%20allgemeing%C3%BCltige%20definition&pg=PA35#v=onepage&q&f=false 35]).</ref>
 
== Begriffsgeschichte ==
Das deutsche Wort „Staat“ ist dem [[latein]]ischen ''status'' („Stand, Zustand, Stellung“) entlehnt. Das daher stammende [[wikipedia:Italienische Sprache|italienische]] ''lo stato'' kam in der [[wikipedia:Renaissance|Renaissance]] auf und bezeichnete dort die mehr oder weniger stabile [[wikipedia:Verfassung|Verfassung]]sform einer [[wikipedia:Monarchie|Monarchie]] oder [[wikipedia:Republik|Republik]]. Der ''status regalis'' meinte Stellung, Macht und Einfluss des zur Herrschaft gelangten Königs oder Fürsten, später auch seines Anhangs, des ''Hofstaats''. Die französische Übersetzung ''état'' konnte dann auch auf den ökonomischen [[wikipedia:Haushaltsplan|Haushalt]] der Zentralmacht, später auch auf die rechtliche und politische Einheit aller Staatsbürger (von der [[wikipedia:Ständeordnung|Ständeordnung]] hin zur [[wikipedia:Bürgerlichkeit|bürgerlichen Gesellschaft]]) eines Staatsgebiets bezogen werden.
 
Erst an der Wende zum 19. Jahrhundert erhält der Staat seine moderne Bedeutung. Die persönliche Herrschaft des Monarchen, seine absolute [[wikipedia:Souveränität|Souveränität]], wurde durch die Schriften [[wikipedia:John Locke|Lockes]] und [[wikipedia:Montesquieu |Montesquieu]]s zu einem funktionalen „Baustein des politischen Systems“.<ref>[[wikipedia:Wolfgang Reinhard|Wolfgang Reinhard]]: ''Geschichte der Staatsgewalt'', 3. Aufl., München 2002, S. 122.</ref> Erst mit dieser Ablösung der Herrschaft von der Person des Monarchen konnte der Staat als abstrakte Institution, als „Handlungssubjekt mit eigenem Willen“<ref>[[wikipedia:Reinhart Koselleck|Reinhart Koselleck]], zitiert nach [[wikipedia:Manfred G. Schmidt (Politikwissenschaftler)|Manfred G. Schmidt]]: ''Wörterbuch zur Politik.'' Stuttgart 1995, Eintrag „Staat“.</ref> gedacht werden.
 
Seine heutige Bedeutung hat der Staat als äußerlicher, immer mächtigerer Organisationszusammenhang der Gemeinschaft dann in neuerer Zeit erlangt; aus [[wikipedia:Staatsrecht (Deutschland)|staatsrechtlicher]] Sicht gibt es diese spezifische Form von Herrschaftsorganisation erst seit der europäischen Neuzeit.<ref>Dirk Freudenberg, ''Theorie des Irregulären: Partisanen, Guerillas und Terroristen im modernen Kleinkrieg'', 1. Aufl., VS Verlag, Wiesbaden 2008, Kap. II.1.1, [http://books.google.de/books?id=gcLwE_bCIK8C&lpg=PA36&dq=Neuzeit&pg=PA36#v=onepage&q&f=false S. 36 mwN.]; s. hierzu insb. [[wikipedia:Josef Isensee|Josef Isensee]], [[wikipedia:Paul Mikat|Paul Mikat]], Martin Honecker, Ernst Chr. Suttner, ''Staat'', in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), ''Staatslexikon. Recht – Wirtschaft – Gesellschaft'', Bd. 5, 7. Aufl., Freiburg i. Br., Basel, Wien 1995, Sp.&nbsp;133&nbsp;ff.</ref>
 
Die Wortgeschichte ist also Ausdruck des historischen Wandels politischer [[wikipedia:Gebietskörperschaft (Deutschland)|Gebietskörperschaften]], sodass umstritten ist, ob sich der neuzeitliche Staatsbegriff auf ältere [[wikipedia:Herrschaftsform|Herrschaftsform]]en anwenden lässt. Die wird zum Teil bejaht;<ref>Vgl. die Literatur zum Lemma „[[wikipedia:Staatsentstehung|Staatsentstehung]]“</ref> andere wollen den Begriff des Staates nur für politische Gemeinschaften der Neuzeit verwenden<ref>Wolfgang Reinhard: ''Geschichte der Staatsgewalt'', 3. Aufl., München 2002, S. 16.</ref> und ältere Gebilde nach ihren ursprünglichen Bezeichnungen (beispielsweise ''polis'' (Stadtstaat), ''civitas'' („Bürgerschaft“), ''res publica'' („öffentliche Angelegenheit“), ''regimen'' („Königsherrschaft“), ''regnum'' („Königreich“) oder ''imperium'') bezeichnen.
 
== Grundlagen ==
Für [[wikipedia:Niccolò Machiavelli|Niccolò Machiavelli]] (1469–1527) waren alle menschlichen Gewalten, die [[wikipedia:Macht|Macht]] über Menschen haben, ''Staat''. [[wikipedia:Jacob Burckhardt|Jacob Burckhardt]] (1818–1897) sah im Staat eine der wesentlichen Kräfte neben [[Religion]] und [[Kultur]], die die menschliche [[Geschichte]] bestimmen.
 
Entscheidende Bestandteile der heute gesetzmäßigen Begriffsdeutung sind
* eine irgendwie geartete politische Vereinigung einer größeren Menschengruppe, die
* in einem mehr oder weniger geschlossenen Gebiet
* unter einer mehr oder weniger einheitlichen Form der – etablierten, durchgesetzten oder beschlossenen – Machtausübung leben.
 
Diese drei Hauptkriterien haben sich im modernen [[wikipedia:Völkerrecht |Völkerrecht]] seit [[wikipedia:Georg Jellinek|Georg Jellinek]] (1851–1911) herauskristallisiert.
 
Zum Staat gehört eine politische Instanz, die zur Schaffung und Wahrung von [[Recht]] und [[wikipedia:Öffentliche Ordnung|öffentlicher Ordnung]] in der Gesellschaft zuständig ist und diese mittels einer Verwaltung, dem [[wikipedia:Staatsapparat|Staatsapparat]], auch durchsetzen kann (→&nbsp;[[wikipedia:Primat der Politik|Primat der Politik]]).
 
== Entstehung, Entstehungstheorien ==
{{Hauptartikel|Staatsentstehung}}
 
Die ersten Staaten bildeten sich im vierten Jahrtausend vor Christus. Über diese [[wikipedia:Urgeschichte|vorgeschichtliche]] Entstehung der ersten einheitlich verfassten politischen Gemeinwesen gibt es verschiedene historische Theorien, die oft mit der Legitimation einer aktuellen [[wikipedia:Staatsform|Staatsform]] verbunden sind.
 
[[Datei:Entstehung von Staaten.png|miniatur]]
Heutzutage, in der nahezu vollständig verstaatlichten Welt, können neue Staaten vor allem auf drei Arten entstehen:
* Aus einem Staat kann durch [[wikipedia:Sezession|Sezession]] eines Teils von ihm ein neuer Staat entstehen.
* Bei einer [[wikipedia:Dismembration|Dismembration]] zerfällt ein Staat und geht unter, es bilden sich Neustaaten.
* Umgekehrt können sich durch ''Fusion'' (z.&nbsp;B. bei einer [[wikipedia:Neugliederung des Bundesgebietes|Neugliederung des Bundesgebietes]]) zwei oder mehrere Staaten zu einem neuen vereinigen; häufiger kommt es allerdings zu einer Eingliederung:<ref>Zu den zwei Alternativen bei der Vereinigung zweier Staaten siehe [[wikipedia:Andreas Zimmermann (Rechtswissenschaftler)|Andreas Zimmermann]], ''Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation'' (= Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht; Bd. 141), Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2000, Kap. 3.IV.1, [http://books.google.de/books?id=oPkRR6sykxwC&lpg=PP1&pg=PA114#v=onepage&q&f=false S. 114 f.]; zur Dismembration s. S. 67 sowie Kap. 1.C.I, [http://books.google.de/books?id=oPkRR6sykxwC&lpg=PP1&pg=PA303#v=onepage&q&f=false 303 ff.]</ref> Auch die [[wikipedia:deutsche Wiedervereinigung|deutsche Wiedervereinigung]] führte zu keiner [[wikipedia:Staatsgründung|Staatsneugründung]], sondern das [[wikipedia:Beitrittsgebiet|Beitrittsgebiet]] wurde in die weiterbestehende Bundesrepublik [[wikipedia:Inkorporation (Recht)|inkorporiert]].
 
''Zur Vereinigung im Sinne einer [[wikipedia:Inkorporation (Recht)|Inkorporation]] siehe auch: [[wikipedia:Annexion|Annexion]]''
 
== Staatsformen ==
{{Hauptartikel|Politisches System}}
 
In der modernen [[wikipedia:Politikwissenschaft|Politikwissenschaft]] wird unterschieden zwischen [[wikipedia:Staatsform|Staatsform]]en, [[wikipedia:Herrschaftsform|Herrschaftsform]]en und [[wikipedia:Regierungssystem|Regierungssystem]]en; eine Unterscheidung, die in der Antike noch unüblich war. In der Antike wurden Staatsformen und Herrschaftsformen synonym verwendet. Die bekannteste Einteilung stammt von [[Aristoteles]] und ordnet die sechs Herrschaftsformen in gute und schlechte Formen der Herrschaftsausübung: Die guten Formen sind [[wikipedia:Monarchie|Monarchie]], [[wikipedia:Aristokratie|Aristokratie]] und [[wikipedia:Politie|Politie]], die entarteten Formen sind [[wikipedia:Tyrannis|Tyrannis]], [[wikipedia:Oligarchie|Oligarchie]] und [[Demokratie]]. [[wikipedia:Marcus Tullius Cicero|Cicero]] ließ nur die drei positiven Herrschaftsformen (Monarchie, Aristokratie, Demokratie) als ''res publica'' gelten (Cicero zählt die Demokratie zu den guten Herrschaftsformen).
 
Seit dem 20. Jahrhundert werden in der Politikwissenschaft Herrschaftsformen und Staatsformen getrennt betrachtet und dürfen nicht miteinander verwechselt werden. Es sind zwei grundlegende Staatsformen zu unterscheiden: Monarchie und Republik. Die Staatsform gibt den verfassungsgemäßen Aufbau eines Staates an – also den [[wikipedia:de jure/de facto|De-jure]]-Zustand. Wie genau der Staat tatsächlich regiert wird, ist jedoch von der jeweiligen Herrschaftsform abhängig (De-facto-Zustand). So werden viele Monarchien demokratisch regiert, wohingegen in einer Republik die Herrschaft nicht zwingend vom Volke ausgehen muss. Um die politische Ordnung eines Staates charakterisieren zu können sind folglich beide Begriffe nötig.
 
Die in der [[wikipedia:Europäische Union|Europäischen Union]] und [[Nordamerika]] vorherrschende Herrschaftsform ist durch [[wikipedia:Parlamentarismus|Parlamentarismus]] und [[wikipedia:repräsentative Demokratie|repräsentative Demokratie]] geprägt (→&nbsp;[[wikipedia:Staatsmodell|Staatsmodell]]).
 
== Soziologie ==
[[Ferdinand Tönnies]] ordnet in ''[[Gemeinschaft und Gesellschaft]]'' den Staat in der politischen Sphäre der „Gesellschaft“ zu.<ref>1887, Buch 3, § 29; im Kontrast dazu ist bei Tönnies der politischen Sphäre der „''Gemeinschaft''“ etwa die [[Polis]] zuzuordnen.</ref> [[Max Weber]] folgt dem, indem er in seiner [[Herrschaftssoziologie]] „Staat“ als eine menschliche Gemeinschaft definiert, deren [[Verwaltungsstab]] innerhalb eines bestimmten [[Territorium]]s erfolgreich das [[Monopol]] [[Legitimität|legitimen]] physischen [[Zwangsmittel|Zwanges]] (also das [[Gewaltmonopol]]) für die Durchführung der Ordnungen beansprucht.<ref>Max Weber, ''[[Wirtschaft und Gesellschaft]]'', [http://www.textlog.de/7321.html Kap. 1, § 17]</ref> Für den modernen Staat sind nach Weber Territorialität, Gewaltmonopol, Fachbeamtentum und [[Bürokratie|bürokratische]] Herrschaft kennzeichnend. Dem Anspruch nach hat sich diese Form politischer Herrschaft spätestens seit der Epoche des [[Kolonialismus]] global verbreitet.<ref>Vgl. Schlichte 2005.</ref>
 
Der soziologischen Staatsidee [[Franz Oppenheimer]]s folgend ist der Staat seinem Wesen und Ursprung nach eine Einrichtung, „die von einer siegreichen Menschengruppe einer besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln und gegen innere Aufstände und äußere Angriffe zu sichern.“<ref>[http://www.franz-oppenheimer.de/staat0.htm Der Staat] von Franz Oppenheimer. Entsprechend bereits [[Ludwig Gumplovicz]], ''Die soziologische Staatsidee'', Graz 1892.</ref>
 
Als System verwendet [[Niklas Luhmann]] den Begriff „Staat“ nur in Anführungszeichen.<ref>[[Niklas Luhmann]]: ''Macht'', 1975, ISBN 978-3-8252-2377-9</ref> Luhmann definiert den Begriff als eine semantische Einrichtung: Der Staat sei kein [[politisches System]], sondern die Organisation eines politischen Systems zur [[Autopoiesis|Selbstbeschreibung]] dieses politischen Systems.<ref>Niklas Luhmann: ''Die Politik der Gesellschaft'', 2000, ISBN 978-3-518-58290-9</ref>
 
== Ökonomie ==
Als ''Staat'' bezeichnet man in der [[Volkswirtschaftslehre]] jedes [[Hoheitsakt|hoheitlich]] tätige [[Wirtschaftssubjekt]], beispielsweise eine [[Regierung]], eine [[Verwaltung]] sowie teilweise eine Institution [[sui generis]]. Der Staat wird als Summe aller [[Zwangsverband|Zwangsverbände]] betrachtet. Staatliches Handeln im volkswirtschaftlichen Sinn umfasst demnach die Tätigkeit aller [[Politische Ebene|politischer Ebenen]] (d.&nbsp;h. kommunaler, regionaler und bundesstaatlicher Einrichtungen).
 
Der Staat wird als wirtschaftlich agierendes Subjekt unter dem Aspekt seiner Rolle und Bedeutung für eine [[Volkswirtschaft]] betrachtet. Die Volkswirtschaftslehre sieht den Staat als zentralen Träger der [[Wirtschaftspolitik]] an. Über [[Ordnungspolitik]], [[Strukturpolitik]] und [[Prozesspolitik]] soll er die Funktionsfähigkeit des [[Wirtschaftssystem]]s sicherstellen.
 
In der [[Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung|volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung]] ist der Staat ein Element des [[Wirtschaftskreislauf]]s. Er greift mittels [[Geld|monetärer]] Transaktionen in [[Markt (Ökonomie)|Marktabläufe]] ein:
* indem er [[Ware]]n und [[Dienstleistung]]en kauft und verkauft,
* indem er [[Steuer]]n erhebt und
* indem er [[Transferzahlung]]en leistet (z.&nbsp;B. [[Subvention]]en, [[Sozialleistung]]en).
 
Die [[Fiskalpolitik]] legt fest, wie viel Geld für welche Positionen eingenommen und ausgegeben wird; ihre Entscheidungen beeinflussen unter anderem den [[Haushaltsplan]], die [[Staatsverschuldung]] und das [[Wirtschaftswachstum]]. Die Betrachtung des Staates als Wirtschaftssubjekt bezieht sich nur auf von einer Regierung direkt oder indirekt kontrollierte Einrichtungen. Demnach gehören unabhängige [[Zentralbank]]en nicht dazu. Unklar ist die Abgrenzung zwischen Staats- und [[Unternehmen]]ssektor; allgemein werden beispielsweise [[Staatsunternehmen]], die einer [[Gewinnerzielungsabsicht]] unterliegen, dem Unternehmenssektor zugerechnet. Liegt keine Gewinnerzielungsabsicht vor, so wird eine betriebliche Tätigkeit zumeist dem Staatssektor zugerechnet.
 
''Zur Abgrenzung (bzw. Kongruenz) der Begriffe „Staat“ und „[[Gesellschaft (Staatsrecht)|Gesellschaft]]“ siehe: [[Staat und Gesellschaft]]''
 
== Anthroposophisches Staatsverständnis ==
<div style="margin-left:20px">
"Denn der Staat ist im Grunde genommen
bloß die Endsummierung dessen, was sich an einzelnen
Institutionen ergibt, in denen die Rechtskräfte leben.
Und so war eigentlich mit der Tatsache, daß man den
Sinn für Auffindung von Rechtsgrundlagen verloren hatte,
gegeben, daß man auch über die eigentliche Wesenheit
des Staates nicht mehr mit sich ins klare kommen konnte. Daher sehen wir, nicht etwa nur in den Theorien,
sondern auch im praktischen Leben, wie das Leben
des Staates im Verlaufe des 19. Jahrhunderts für unzählige
Menschen, auch der breitesten Masse, ein Problem
geworden ist, das gelöst werden sollte.
 
Das ging aber doch mehr, ich möchte sagen, in den
oberen, bewußten Partien der Menschheitszivilisation vor
sich. In den Untergründen bohrte das, was ich als das
Heraufkommen des demokratischen Sinnes charakterisiert
habe. Dieses Heraufkommen des demokratischen
Sinnes führt uns, wenn es richtig verstanden wird, dahin,
die Frage nach dem Wesen des Rechts viel gründlicher,
viel wirklichkeitsgemäßer aufzufassen, als sie vielfach
heute aufgefaßt wird. Es gibt heute viele Menschen, die
es als eine Selbstverständlichkeit betrachten, daß man irgendwie
aus dem einzelnen Menschen heraus auf das
kommen könne, was eigentlich auf diesem oder jenem
Gebiete das Recht ist. Allerdings, neuere Rechtsgelehrte
verlieren mit einem solchen Streben schon den Boden;
und sie finden dann, daß sie, wenn sie in dieser Weise
philosophieren oder auch glauben, praktisch nachzudenken
über das Leben, dann für das Recht den Inhalt verlieren,
daß das Recht ihnen etwas Formales wird. Und
dann sagen sie: Das, was bloß formal ist, muß einen Inhalt
bekommen, in das muß sich das Wirtschaftliche als
Inhalt hineinergießen.
 
So ist auf der einen Seite ein deutliches Gefühl vorhanden,
wie ohnmächtig man ist, wenn man aus sich
heraus zum Rechtsbegriff, zum Rechtsempfinden kommen
will; auf der anderen Seite sucht man dennoch immer
wieder und wiederum aus dem Menschen heraus das
Wesen des Rechts. Der demokratische Sinn aber bäumt
sich gerade gegen dieses Suchen auf. Denn, was sagt er? Er sagt: Es gibt überhaupt nicht eine allgemeine abstrakte
Festsetzung des Rechts, sondern es gibt nur die Möglichkeit,
daß sich Menschen, die in irgendeiner sozialen
Gemeinschaft stehen, miteinander verständigen, daß sie
sich gewissermaßen gegenseitig sagen: Das willst du von
mir, das will ich von dir - und daß sie dann übereinkommen
darüber, was sich dadurch für sie für Verhältnisse
ergeben. Dann ergibt sich das Recht rein aus der
Wirklichkeit dessen heraus, was Menschen gegenseitig
von sich wollen, so daß es eigentlich ein Vernunftrecht
gar nicht geben kann, daß auch alles, was als «historisches
Recht» zustande gekommen ist, noch immer zustande
kommen kann, wenn man nur den richtigen Boden dafür
sucht, und daß die Menschen auf diesem Boden
in ein solches Verhältnis kommen können, daß sie aus
gegenseitiger Verständigung wirklichkeitsgemäß das
Recht erst hervorbringen. «Ich will mitreden können,
wenn das Recht entsteht!», das ist das, was der demokratische
Sinn sagt. Und derjenige, der dann etwa theoretisch
über das Recht Bücher schreiben will, der kann sich
nicht aus den Fingern saugen, was das Recht ist, sondern
der hat einfach hinzuschauen auf das, was unter Menschen
als Recht entsteht, und hat es mehr oder weniger
zu registrieren. Wir sehen auch in der Naturwissenschaft
nicht so in die Tatsachenwelt hinein, daß wir aus unserem
Kopf heraus die Naturgesetze formen, sondern wir
lassen die Dinge zu uns reden und bilden danach die Naturgesetze.
Wir nehmen an: das, was wir in die Naturgesetze
hineinfassen wollen, sei bereits geschaffen; das aber,
was im Rechtsleben vorhanden ist, das werde unter den
Menschen geschaffen. Da ist das Leben auf einem anderen
Niveau. Da steht der Mensch im Gebiete des Schaffens,
und zwar als soziales Wesen, neben den anderen Menschen, damit ein Leben, das den Entwickelungssinn der
Menschheit in die soziale Ordnung hineingießen will, zustande
komme. Das ist eben der demokratische Sinn." {{G|83|289}}ff.
</div>
Die Gestaltung des rechtlich-politischen Lebens ergibt sich idealerweise, im Sinne der [[soziale Dreigliederung|Dreigliederungsidee]], aus der Entstehung eines freien [[Geistesleben]]s und aus der Bildung einer staatsunabhängigen, [[Assoziation (Wirtschaftsleben)|assoziativen]] Wirtschaft ''folgend'':
<div style="margin-left:20px">
"Das ist dasjenige, meine sehr verehrten
Anwesenden, was zunächst als erster Schritt im Wirtschaftleben
ins Auge gefaßt werden muß: daß man überhaupt zu Assoziationen
kommen muß - geradeso, wie auf dem geistigen Gebiet
es die Hauptsache ist, daß die Leute verstehen, was es überhaupt
heißt, selbständig zu werden innerhalb des geistigen Gebietes. Das
ist das, was zunächst über diese zwei Gebiete zu sagen ist. Und
wenn diese beiden Gebiete nun verstehen, sich auf den Boden zu
stellen, der durch ihre eigene Wesenheit als der ihrige anerkannt
werden muß, dann bleibt zuletzt das politisch-rechtliche Gebiet
übrig. Dann wird sich dieses schon finden, denn es handelt sich
zunächst darum, daß diese beiden Flügel ordentlich gebildet werden:
das Geistesleben und das Wirtschaftsleben. Das andere, das
bleibt übrig. Das wird sich erst dann finden, wenn man Ordnung
geschaffen hat auf diesen beiden Flügeln. Das ist dasjenige, was
über das politisch-rechtliche Leben aus dem Gedanken der
Dreigliederung gesagt werden muß." {{G|337b|169}}
</div>
 
== Einzelnachweise ==
<references/>
 
== Siehe auch ==
*[[Recht]]
*[[Demokratie]]
 
== Literatur ==
*Rudolf Steiner: ''Westliche und östliche Weltgegensätzlichkeit'', [[GA 83]] (1981), ISBN 3-7274-0830-8 {{Vorträge|083}}
*Rudolf Steiner: ''Soziale Ideen – Soziale Wirklichkeit – Soziale Praxis. Band II: Diskussionsabende des Schweizer Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus'', [[GA 337b]] (1999), ISBN 3-7274-3372-8 {{Vorträge|337b}}
{{GA}}
{{wikipedia}}
[[Kategorie:Soziales Leben]][[Kategorie:Recht]]

Aktuelle Version vom 20. April 2013, 17:53 Uhr

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