Totengericht und Totenreich: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Totengericht''' ist eine Vorstellung in der [[Ägyptische Mythologie|ägyptischen Mythologie]]. Es besteht aus einem [[Wikipedia:Tribunal|Tribunal]] von [[42 (Zahl)|42]] '''Totenrichtern'''. [[Osiris]] fungiert dabei als oberster Richter.  
Das '''Totenreich''', das in den überlieferten [[Wikipedia:Mythologie|mythologischen]] [[Jenseits]]vorstellungen vieler [[Volk|Völker]] beschrieben wird, ist jener Weltbereich, in den die [[Seele]] des [[Mensch]]en nach dem [[Tod]] einkehrt. Das Totenreich wird dabei entweder als [[paradies]]isches Reich des [[Licht]]es geschildert, in dem die Seele von allen [[Leid]]en befreit in unmittelbarer Anschauung der [[Gott|göttlichen]] Welt leben darf, oder als unterirdisches [[Schatten]]reich, in dem die Seele unsägliche Qualen erleidet. Während in alten Zeiten das Jenseits noch vorwiegend lichtvoll empfunden wurde, treten seit Beginn des [[Kali Yuga]]s die Schilderungen der finsteren [[Unterwelt]] immer mehr in den Vordergrund. Schon die [[Wikipedia:Ägyptisch-Chaldäische Kultur|Ägypter]] kannten die finstere Unterwelt; die [[Griechisch-Lateinische Kultur|Griechen und Römer]] nannten sie [[Hades]] bzw. [[Orkus]]. Im [[Wikipedia:Hebräische Sprache|hebräischen]] [[Wikipedia:Tanach|Tanach]] wird das finstere Totenreich als [[Scheol]] ([[Wikipedia:Hebräische Sprache|hebr.]] שאול) bezeichnet. Der bei uns gebräuchliche Begriff der [[Hölle]] ([[Wikipedia:Althochdeutsch|ahd]]. ''hella'', [[Wikipedia:Mittelhochdeutsch|mhd.]] ''helle'') leitet sich vom [[Wikipedia:Germanische Mythologie|germanischen]] Totenreich und seiner Beherrscherin ''[[Wikipedia:Hel (Mythologie)|Hel]]'' ab.


== Die Unterwelt ==
Ob die menschliche Seele nach dem Tod in das [[Paradies]] auffahren darf oder in die Unterwelt stürzt, wird in vielen Überlieferung vom Ausgang des [[Totengericht]]s abhängig gemacht, bei dem die Seele gemäß ihrer Taten im abgelaufenen Erdenleben gewogen wird. Die Verbannung in die Unterwelt muss keine dauerhafte sein. Oft dient sie nur der notwendigen [[Läuterung]], ehe die Seele in den Lichtbereich aufsteigen darf. Sie wird dazu für eine bestimmte Zeit durch das [[Kamaloka]] oder [[Fegefeuer]] geführt, ehe sie in die [[geistige Welt]] aufsteigen darf.


Nach dem Tod kehrte nach den Vorstellungen der Ägypter der [[Ka]] im [[Duat]] (= [[Totenreich]]) ein. Die Vorstellung vom [[Jenseits]] war beeinflusst von der Welt, die die Ägypter sahen: ein Fluss mit sandigem Ufer (gewiss eine Anspielung auf den [[Wikipedia:Nil|Nil]]), der durch eine von Bergen umgebene Ebene floss. Für die neu angekommene [[Seele]] gab es dort Furcht einflößende Hindernisse wie etwa gefährliche Seen, Inseln und Wüsten, ein Feuersee und ein Hügel, auf dem ein Kopf erschien, wenn sich die Seele ihm näherte. Außerdem gab es [[Dämon]]en mit Namen wie beispielsweise: "Der Rückwärtsblickende, der aus dem Abgrund kommt". Die Dämonen versuchten, die Seele mit Stöcken, Speeren, Vogelfallen und Netzen zu fangen. Die Seele konnte sich nur retten, wenn sie die geheimen Namen der Dämonen kannte, die im [[Ägyptisches Totenbuch|ägyptischen Totenbuch]] nachzulesen waren.
[[Kategorie:Tod]] [[Kategorie:Jenseits]]
 
Ägyptische [[Sargtexte]] konnten daher Karten der Unterwelt und [[Zauberspruch|Zaubersprüche]] enthalten, um den Toten im [[Totenreich]] bei der Bewältigung der Gefahren zu helfen. In einem solchen Sargtext wurde auch das Schicksal von entlarvten Feinden des Sonnengottes [[Re (Ägyptische Mythologie)|Re]] beschrieben: sie wurden geköpft, zerstückelt, verbrannt oder lebend in einen Kessel kochenden Wassers geworfen. Nachdem die Seele sechs Stunden lang überlebt hat, wurde sie vor das Tribunal der 42 Richter geführt.
 
[[Rudolf Steiner]] beschreibt, welche Bedeutung diese geistigen Erfahrungen bei der [[Initiation]] des [[Pharao]]s hatten:
 
{{GZ|Es bekam der einzelne Pharao vor der Initiation
einen Unterricht, damit er das nicht nur mit dem Verstände begriff,
sondern damit für ihn das eine Wahrheit, eine Realität wurde.
Er mußte soweit gebracht werden, daß er sich sagen konnte: Will ich
regieren das Volk, so muß ich hinopfern von meiner Geistigkeit einen
Teil, muß einen Teil meines Astralleibes, einen Teil meines Ätherleibes
auslöschen. In mir müssen wirken das Osiris- und das Isisprinzip. Ich
persönlich darf nichts wollen: wenn ich etwas spreche, muß Osiris
sprechen; wenn ich etwas tue, muß Osiris es tun; wenn ich die Hand
bewege, muß Isis und Osiris wirken. Darstellen muß ich den Sohn
der Isis und des Osiris, den Horus.
 
Initiation ist keine Gelehrsamkeit. Aber so etwas zu können, sich
so hinopfern zu können wie der Pharao, das hängt mit der Initiation
zusammen. Denn, was er hinopferte von sich, das konnte ausgefüllt
werden mit Teilen der Volksseele. Der Teil, dessen sich der Pharao
begab, den er hinopferte, dieser Teil gab ihm gerade Macht. Denn die
berechtigte Macht entsteht nicht dadurch, daß man die Persönlichkeit
als eigene Persönlichkeit erhöht, sondern die berechtigte Macht entsteht
dadurch, daß man in sich aufnimmt, was überragt die Grenzen
der Persönlichkeit: eine höhere geistige Macht. Der Pharao hatte in
sich aufgenommen eine solche Macht, und die wurde repräsentiert
nach außen durch die [[Uräusschlange]].
 
So haben wir wiederum in ein Mysterium hineingeschaut. Wir haben
etwas viel Höheres gesehen, als gegeben wird heute als Erklärungen,
wenn man heute von den Pharaogestalten spricht.
 
Wenn nun der Ägypter solche Gefühle hegte, woran mußte ihm da
im besonderen liegen? Es mußte ihm daran liegen, daß die Volksseele
so stark wie möglich wurde, daß sie möglichst reich an guten Kräften
wurde, daß sie nicht vermindert wurde. Mit dem, was die Menschen
durch die Blutsverwandtschaft hatten, mit dem konnten die ägyptischen
Eingeweihten nicht rechnen. Aber dasjenige, was als geistige
Güter die Vorväter gesammelt hatten, das sollte Gut werden der einzelnen
Seele. Das wird uns angedeutet im Totengericht da, wo der
Mensch den zweiundvierzig Totenrichtern gegenübergestellt wird. Da
werden abgewogen die Taten der einzelnen. Wer sind die zweiundvierzig
Totenrichter? Es sind die Ahnen. Man hatte den Glauben, daß
das Leben des Menschen sich verwoben habe mit dem von zweiundvierzig
Ahnen. Drüben sollte er sich vor ihnen verantworten, ob er
wirklich aufgenommen hatte, was sie ihm geistig geboten hatten. So
war das, was die ägyptischen Mysterienlehren enthielten, etwas, was
praktisch werden sollte für das Leben, was aber auch verwertet werden
sollte für die Zeit jenseits des Todes, für das Leben zwischen
Tod und einer neuen Geburt. In der ägyptischen Epoche hatte sich
der Mensch schon verstrickt mit der physischen Welt. Zugleich aber
mußte er aufschauen zu seinen Ahnen in der anderen Welt und mußte
das von ihnen Ererbte in der physischen Welt kultivieren. Durch dies
Interesse wurde er an den physischen Plan gefesselt, indem er mitwirken
mußte an dem, was die Väter gewirkt hatten.|106|168f}}
 
== Das Totengericht ==
 
Osiris saß vor den Göttinnen [[Isis]] und [[Nephthys (Ägyptische Mythologie)|Nephthys]], die um die Toten trauerten. Vor ihm wurde das Herz des Verstorbenen gegen die Feder der [[Maat (Ägyptische Mythologie)|Maat]] aufgewogen. [[Anubis (Ägyptische Mythologie)|Anubis]] überprüfte das Lot und fungierte damit als Wiegemeister. [[Thot (Ägyptische Mythologie)|Thot]] notierte das Ergebnis und berichtete es dann Osiris. Gleichzeitig musste der Verstorbene beim Ritual mit dem Namen "Negative Bekenntnis" erklären, dass er sich bestimmter Vergehen, z.B. Verrat, Prahlerei, Täuschung, Veruntreuung, Raub und Diebstahl nicht schuldig gemacht habe.
 
War das Herz leichter als oder genauso schwer wie die Feder, war der Verstorbene berechtigt, ins Jenseits zu gehen. War aber das Herz schwerer, so war die Seele von Schuld beladen und konnte nicht mehr gerettet werden. Dann wurde sie von [[Wikipedia:Ammit (Ägyptische Mythologie)|Ammit]] gefressen, und es folgte der zweite Tod. Dieser war für den Ägypter die schwerste Strafe. Allerdings konnte man sich mit einem Zauberspruch davor schützen, dass einen das Herz verrät.
 
== Siehe auch ==
 
* [[Psychostasie]]
 
== Literatur ==
* Jan Assmann: ''Tod und Jenseits im Alten Ägypten'', Beck, München 2001, ISBN 3-406-49707-1
* Hans Bonnet: Artikel ''Jenseitsgericht'', in: Hans Bonnet: ''Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte'', Berlin 1952, S. 334-341
* Klaus Koch: ''Geschichte der ägyptischen Religion'', Kohlhammer, Stuttgart 1993, ISBN 3-17-009808-X
* [[Wikipedia:Siegfried Morenz|Siegfried Morenz]]: ''Rechts und links im Totengericht'', in: Siegfried Morenz: ''Religion und Geschichte des alten Ägypten. Gesammelte Aufsätze'', Köln 1975, S. 281-294
* [[Rudolf Steiner]]: ''Ägyptische Mythen und Mysterien'', [[GA 106]] (1992), ISBN 3-7274-1060-4 {{Vorträge|106}}
 
{{GA}}
 
[[Kategorie:Ägyptische Mythologie]] [[Kategorie:Leben zwischen Tod und neuer Geburt]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 14. Juni 2008, 01:11 Uhr

Das Totenreich, das in den überlieferten mythologischen Jenseitsvorstellungen vieler Völker beschrieben wird, ist jener Weltbereich, in den die Seele des Menschen nach dem Tod einkehrt. Das Totenreich wird dabei entweder als paradiesisches Reich des Lichtes geschildert, in dem die Seele von allen Leiden befreit in unmittelbarer Anschauung der göttlichen Welt leben darf, oder als unterirdisches Schattenreich, in dem die Seele unsägliche Qualen erleidet. Während in alten Zeiten das Jenseits noch vorwiegend lichtvoll empfunden wurde, treten seit Beginn des Kali Yugas die Schilderungen der finsteren Unterwelt immer mehr in den Vordergrund. Schon die Ägypter kannten die finstere Unterwelt; die Griechen und Römer nannten sie Hades bzw. Orkus. Im hebräischen Tanach wird das finstere Totenreich als Scheol (hebr. שאול) bezeichnet. Der bei uns gebräuchliche Begriff der Hölle (ahd. hella, mhd. helle) leitet sich vom germanischen Totenreich und seiner Beherrscherin Hel ab.

Ob die menschliche Seele nach dem Tod in das Paradies auffahren darf oder in die Unterwelt stürzt, wird in vielen Überlieferung vom Ausgang des Totengerichts abhängig gemacht, bei dem die Seele gemäß ihrer Taten im abgelaufenen Erdenleben gewogen wird. Die Verbannung in die Unterwelt muss keine dauerhafte sein. Oft dient sie nur der notwendigen Läuterung, ehe die Seele in den Lichtbereich aufsteigen darf. Sie wird dazu für eine bestimmte Zeit durch das Kamaloka oder Fegefeuer geführt, ehe sie in die geistige Welt aufsteigen darf.