Kelsang Wangmo

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Geboren wurde Kelsang Wangmo – so ihr tibetischer Name – 1971 als Kerstin Brummenbaum in Lohmar (Rheinland). Nach dem Abitur wusste sie nicht, was sie studieren sollte und beschloss, ein Jahr lang auf Reisen zu gehen. Nach Stationen in verschiedenen Ländern kam sie nach Indien und schließlich nach Dharamsala, dem Ort, wo der Dalai Lama und tausende Exil-Tibeter leben.

Ihr Interesse für den Buddhismus entdeckte sie erst nach und nach. Doch je mehr sie darüber lernte, desto mehr faszinierte sie die Lehre.

„Buddhismus ist nicht wie andere Religionen. Der Dalai Lama beschreibt es oft als Wissenschaft des Geistes. Es ist eigentlich eine Art der Psychologie, wo es um Dinge geht wie Achtsamkeit, Meditation natürlich, Liebe und Geduld. Es geht immer um das Bewusstsein, um die eigene Psyche, dass man selber beobachtet, wie man sich verhält. Weil, es basiert auf der Theorie, dass unsere Probleme vom Bewusstsein und dem eigenen Geist herkommen und auch das Glück, die Zufriedenheit vom Bewusstsein herkommen. Es ist, dass man mit dem eigenen Bewusstsein arbeitet, dadurch kann man Probleme abschaffen und innere Ruhe finden.“ (Kelsang Wangmo)

Es reifte in ihr der Wunsch, buddhistische Nonne zu werden und buddhistische Philosophie zu studieren. In Dharamsala, im Institut für buddhistische Dialektik, bekam sie die Gelegenheit dazu – als eine der ersten Frauen überhaupt.

Doch die Anfänge waren nicht leicht für Kerstin Brummenbaum, die Frau aus dem Westen:

„Weil meine Klassenkameraden alles Männer waren, und untereinander viel Kontakt hatten, sich gut verstanden haben, aber ich war immer so ein bisschen der Außenseiter. Und dann auch, dass es manchmal schwierig war mit dem Debattieren, dass die Mönche auch ein bisschen schüchtern waren, mit mir zu debattieren, das war am Anfang zumindest schwierig. Das andere ist mir gar nicht so schwer gefallen, man gewöhnt sich dran und so schlimm ist es ja gar nicht.“ (Kelsang Wangmo)

Das andere, damit meint sie die Unterordnung der Frau unter den Mann in der tibetischen Gesellschaft und insbesondere im tibetischen Buddhismus. Bei buddhistischen Unterweisungen oder Zeremonien müssen sie beispielsweise hinter den Männern sitzen. Weibliche Lehrer gibt es quasi nicht. Die Hierarchie ist klar von Männern dominiert. Frauen gelangen nur in absoluten Ausnahmefällen in den Rang bedeutender Lamas. Und selbst dann haben sie keine Stimme, wenn es um entscheidende religiöse Fragen geht.

Zwar gibt es schon seit Jahrzehnten Reformbemühungen in Richtung Gleichberechtigung von Frauen im tibetischen Buddhismus. Insbesondere Buddhistinnen aus westlichen Ländern engagieren sich – bislang mit geringem Erfolg. Eine volle Ordination für buddhistische Nonnen tibetischer Tradition gibt es nach wie vor nicht.

Zwar setzt sich der Dalai Lama für dieses Anliegen ein, doch er allein hat es nicht in der Hand, sagt Kelsang Wangmo:

„Der Dalai Lama hat natürlich sehr großen Einfluss auf die Tibeter, und er hat das seit Jahren gesagt, immer wieder: Frauen haben die gleichen Rechte, Frauen können das gleiche. Für mich ist der Dalai Lama einer der größten Feministen. Aber er ist auch eingeschränkt in dem, was er machen kann, obwohl die Tibeter ihn sehr respektieren. Aber sie haben ihre eigene Art, die Dinge zu tun, und sind sehr an die Tradition geknüpft.“ (Kelsang Wangmo)

Zwar gab es in der mehr als 2500-jährigen Geschichte des Buddhismus immer wieder wichtige Frauenfiguren. In der Dharmagupta-Tradition, die in China, Korea, Japan und Taiwan vorherrscht, gibt es durchaus vollordinierte Nonnen. Doch im tibetischen Buddhismus ist diese Tradition vor Jahrhunderten abgebrochen. Wie lässt sie sich wiederbeleben? Dafür braucht es die Zustimmung mehrerer religiöser Oberhäupter. Doch viele sperren sich.

Dass mit Kelsang Wangmo eine Frau erstmals den Titel einer Geshe (Doktortitel in buddhistischer Philosophie) trägt, und nach ihr inzwischen weitere, auch tibetische Frauen, ist ein wichtiger Meilenstein in diesem Kampf um Gleichstellung. Auch wenn sie selbst sich in der Gleichstellungsfrage nicht an vorderster Front sieht.

„Die Ordination ist weniger mein Gebiet, sondern eher möchte ich das, was ich gelernt habe, für andere auch erhältlich machen. Allerdings ist die Frauensache schon, das ist für mich auch wichtig, in dem Sinne, dass ich zeigen kann, dass das eine Frau genauso machen kann wie ein Mann, dass ich immer wieder betone, dass es da keinen Unterschied gibt. Buddha selber war da auch ganz klar: Frauen und Männer sind gleichwertig. Es ist dann nur die Kultur, die diese Unterschiede hervorbringt.“ (Kelsang Wangmo)

Wer mehr wissen will über diesen Kampf für mehr Gleichstellung, kann nun auf das Buch über Kelsang Wangmo zurückgreifen. Die Journalistin Anne Siegel liefert interessante Einblicke. Sie gibt vor allem die Geschichten westlicher Buddhistinnen wieder, die sich bei diesen Reformbemühungen hervortun.

Literatur

  • Anne Siegel: „Die Ehrwürdige“, Benevento Publishing, Wals bei Salzburg 2017