Hans Primas und Kategorie:Spektroskopie: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Hans Primas''' (* [[Wikipedia:18. Juni|18. Juni]] [[Wikipedia:1928|1928]] in [[Wikipedia:Zürich|Zürich]]; † [[Wikipedia:6. Oktober|6. Oktober]] [[Wikipedia:2014|2014]]) war ein [[Schweiz]]er [[Chemiker]].
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[[Kategorie:Astrophysik]] [[Kategorie:Chemie]] [[Kategorie:Physik nach Fachgebiet]] [[Kategorie:Physikalisches Fachgebiet]] [[Kategorie:Astronomie]] [[Kategorie:Spektroskopie]]
Primas studierte von 1948 bis 1951 [[Chemie]] am [[Wikipedia:Technikum Winterthur|Technikum Winterthur]]. Nach der Habilitation 1960 wurde er 1961 ausserordentlicher Professor und 1966 ordentlicher Professor ad personam für physikalische und theoretische Chemie an der [[Wikipedia:ETH Zürich|ETH Zürich]]. 1967/68 und von 1976 bis 1978 war er  Vorstand der Abteilung für Chemie an der ETH Zürich.
 
== Umdenken in den Naturwissenschaften ==
 
Primas forderte ein radikales „Umdenken in den Naturwissenschaften“. Die [[Descartes|cartesianische]] Trennung in [[Subjekt]] und [[Objekt]] könne angesichts der Erkenntnisse der neueren Naturforschung nicht in einem absoluten Sinne aufrechterhalten werden. Eine neue [[ganzheit]]liche Naturforschung müsse entwickelt werden, die nicht allein auf das [[Francis Bacon|Baconsche]] Ideal von der „Beherrschung der Natur“ abziele, sondern in einen „vernünftigen Dialog mit der Natur“ trete, der der irreduziblen Vielfalt ihrer [[Phänomen]]e gerecht werde.
 
{{Zitat|In den modernen Naturwissenschaften ist von der Natur kaum die Rede. Die Ausklammerung
der Frage nach dem Wesen der Natur war in der Tat die Vorbedingung für die Entwicklung und
den Erfolg der neuzeitlichen experimentellen Naturwissenschaften. Erste Voraussetzung der
traditionellen Naturwissenschaften ist die cartesische Unterscheidung von «res cogitans» und
«res extensa». Die Idee einer vom Bewusstsein losgelösten «res extensa» war die Ausgangsbasis
für eine mathematische Physik. Damit war aber auch ein tiefer Bruch zwischen Natur und
menschlichem Bewusstsein entstanden. Das zweite ausschlaggebende Moment in der Entwicklung
der experimentellen Naturwissenschaften ist die Verbannung finaler Fragestellungen aus
den Naturwissenschaften durch Francis Bacon. Dieses Postulat öffnete den Weg zur Naturbeherrschung
und einer wissenschaftlich untermauerten Technik, schloss aber zugleich die Möglichkeit
eines «vernünftigen Dialogs mit der Natur» aus. Es ist überraschend und bedenkenswert, dass
der Gang der neueren NaturwissenschafI gezeigt hat: die cartesische Trennung von Subjekt und
Objekt kann in einem absoluten Sinne nicht aufrechterhalten werden. Somit sind die Grundvoraussetzungen
der traditionellen Naturforschung ernsthaft in Frage gestellt, und es ist selbst aus
der engen Sicht der Naturwissenschaften notwendig, über die Natur und die Naturwissenschaft
nachzudenken.|Hans Primas|''Umdenken in der Naturwissenschaft''|ref=<ref>Hans Primas in: ''Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich'' (1992) 137/l, S. 41-62 (genehmigter Nachdruck aus «GAIA; Ecological Perspectives in Science, Humanities and Economics» (1992) 1, l, 5-15 [http://www.ngzh.ch/archiv/1992_137/137_1/137_5.pdf pdf]</ref>}}
 
Primas zeigte auch die Problematik des einseitigen [[Reduktionismus]] auf, der das gegenwärtige naturwissenschaftliche Denken dominiert.
 
{{Zitat|Die partikulären Erfolge der heutigen Naturwissenschaften bekunden,
dass die reduktionistisch-mechanistische Vorgehensweise heuristisch
wertvoll ist und auch in einer zukünftigen Naturforschung eine wichtige Rolle
spielen wird. Aber eine reduktionistische Denkweise darf nicht mit der «rechten
Weise zu denken» identifiziert werden. So zeigen uns die besten heute verfügbaren
fundamentalen Theorien der Materie, dass die materielle Welt eine
Einheit ist, ''welche nicht aus Teilen besteht'', sondern lediglich in einem sehr
speziellen Kontext durch komplex wechselwirkende fiktive Teilsysteme beschrieben
werden kann. Das heisst, die traditionelle, reduktionistisch verengte
Denkweise in Physik, Chemie und Molekularbiologie ist zu überwinden. ''Wie das geschehen soll, ist eine Aufgabe, mit der sich die Denker unserer Zeit
ernsthaft auseinandersetzen müssen''.
 
Zweierlei scheint unausweichlich: Erstens wird eine zukünftige Naturforschung
die Atomisierung globaler Zusammenhänge vermeiden, die «Barbarei
des Spezialistentums»<ref>vgl. J. Ortega y Gasset: ''La «Filosofia de la historia» de Hegel y la historiologia''
(1926); deutsche Übersetzung «Hegels Philosophie der Geschichte und die Historiologie», in José Ortega y Gasset, Gesammelte Werke, Band HI, Manesse, Zürich (1956).</ref> überwinden und sich wieder mit der Natur als Ganzem
beschäftigen müssen. Zweitens werden die grundlegenden physikalischen,
chemischen und biologischen Resultate der heutigen reduktionistischen Naturwissenschaften
ihre Richtigkeit behalten, aber auch in einen allgemeineren
Zusammenhang gestellt sein, der ihre beschränkte Verbindlichkeit klarstellt.
 
''Gegenstand einer ganzheitlichen Naturforschung ist die ungeteilte Natur. Diese Forschung ist primär weder reduktionistisch noch mechanistisch, aber die Resultate der heutigen Naturwissenschaften sind darin in einer neuen Einbettung aufgehoben.''|Hans Primas|''Umdenken in der Naturwissenschaft''|ref=<ref>H. Primas: ''Umdenken ...'', S. 45</ref>}}
 
So ging er etwa der Frage nach, ob [[Chemie]] auf [[Physik]] reduziert werden könne. [https://homepages.uni-tuebingen.de//wolfhard.koch/ Wolfhard Koch] fasst die Aussagen von Primas wie folgt kurz zusammen:
 
{{Zitat|Hierarchisch höhere Theorien können ''im schwachen Sinne'' auf die ersten Prinzipien der Quantenmechanik
reduziert werden. Dazu ist allerdings eine
Brechung der ganzheitlichen Symmetrie der fundamentalen
Theorie notwendig. Dieser ''schöpferische Vorgang'' kann nicht aus der Fundamentaltheorie
abgeleitet werden. Er ist aber mit deren ''first principles''
verträglich.
 
Im ''starken Sinne gelingt'' eine Reduktion der
Chemie auf Physik <u>nicht</u>. Jede Beschreibungsebene
erfordert vielmehr ihre eigene Theorie. Ein ''Theorienpluralismus''
ist also ebenso unausweichlich wie
erwünscht.|Wolfhard Koch|''Kann Chemie auf Physik reduziert werden?'', S. 24|ref=<ref>[http://homepages.uni-tuebingen.de/wolfhard.koch/reduktionismus.pdf Wolfhard Koch: ''Kann Chemie auf Physik reduziert werden?''] - Vortragsmanuskript [[Wikipedia:Eberhard Karls Universität Tübingen|Universität Tübingen]] (1999)</ref>}}
 
Verschiedene komplementäre, hierarchisch geordnete Beschreibungsebenen bezüglich der Naturphänomene sind nicht nur zulässig, sondern auch gleichberechtigt und notwendig.
 
{{Zitat|Höhere Theorien besitzen eine gewisse Autonomie und können nicht von allgemeingültigen Grundprinzipien abgeleitet werden, ohne die für die Beobachtung höherer Phänomene notwendigen Mustererkennungseinrichtungen zu berücksichtigen. Jede mathematisch formulierte Reduktion einer höheren Beschreibungsebene auf eine fundamentale Theorie ist nur denkbar, wenn in der grundlegenden Theorie eine neue kontextuelle Topologie eingeführt wird. Diese neue Topologie ist niemals [[a priori]] gegeben, sondern hängt entscheidend von den Abstraktionen ab, die durch den kognitiven Apparat oder die verwendeten Mustererkennungsvorrichtungen vom Experimentator hergestellt werden. Dieses Programm kann durch die moderne algebraische Quantenmechanik realisiert werden. In diesem Rahmen ist es möglich, das Verhalten der Materie auf vielen, mathematisch genau charakterisierten, sich gegenseitig ausschließenden komplementären Wege zu beschreiben. Jede Hierarchieebene erfordert eine autonome, nicht reduzierbare Sprache, die nicht zugunsten einer leeren <universellen Sprache> eliminiert werden sollte. Einander gegenseitig ergänzende Naturbeschreibungen sind nicht nur zulässig, sondern sie sind auch gleichberechtigt und notwendig. Das heißt, ''Wissenschaft ist notwendigerweise [[pluralistisch]]''.|Hans Primas|''Reductionism: Palaver without Precedent''|ref=<ref>Im englischen Original:<br />„Higher-level theories do possess a certain autonomy and cannot be deduced from universally valid first principles without taking into consideration the pattern recognition devices necessary for the observation of higher phenomena. Any mathematically formulated reduction of a higher-level description to a fundamental theory is conceivable only if in the basic theory a new contextual topology is introduced. This new topology is never given a priori but depends in a crucial way on the abstractions made by the cognitive apparatus or the pattern recognition devices used by the experimentalist. This program can be rea lized in terms of modern algebraic quantum mechanics. In this framework it is possible to describe the behavior of matter in many, mathematically precisely characterized, mutually exclusive complementary ways. Each hierarchical level requires an autonomous, non-reducible language which should not be eliminated in favor of an empty <universal language>. Mutually exclusive complementary descriptions of nature are not only admissible, but they are equally entitled and necessary. That is, ''science is necessarily pluralistic.''“<br />Hans Primas: ''Reductionism: Palaver without Precedent'' in: Evandro Agazzi (Hrsg.): ''The Problem of Reductionism in Science'', Springer 1991, ISBN 978-0792314066, S. 161-172</ref>}}
 
Hans Primas wies auch auf den fundamental [[Holismus|holistischen]] Charakter der [[Quantentheorie]] hin, die aber erst ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung sei. Eine zukunftsorientierte Naturwissenschaft brauche Forscher, die einen [[individuell]]en Zugang zur Natur suchen und ''in lebendiger Beziehung zu ihrer Innenwelt'' leben:
 
{{Zitat|Die Ganzheitsvorstellung der Quantenmechanik ist vielleicht ein erster
kleiner Schritt auf dem rechten Weg. Ein genuin ganzheitliches Denken muss
sich aber von weiteren Zwangsjacken befreien. Es kann beispielsweise nicht
mehr postulieren, dass das einzig Wirkliche die Aussenwelt sei, sondern muss
anerkennen, dass wir selbst Teil der Natur sind. Ein Denker, der seine Seele
verloren hat<ref>Im heutigen Jargon würde man eher von einem psychopathologischen Zustand sprechen, der
vor allem durch den Abbruch der Beziehungen des Bewusstseins zum Unbewussten gekennzeichnet
ist; vergleiche dazu C. G. Jung, Gesammelte Werke, elfter Band: Zur Psychologie westlicher
und östlicher Religionen, Rascher, Zürich, 1963, Ziff. 688.</ref>, kann wahrscheinlich bald durch ein computergestütztes Expertensystem
ersetzt werden. Was eine zukunftsorientierte Naturforschung
braucht, sind neben den unvermeidlichen Expertensystemen vor allem Denker,
die in lebendiger Beziehung zu ihrer Innenwelt leben. Erst dann kann die
wachsende Naturentfremdung mit ihrer selbstzerstörerischen Tendenz vermieden
werden.|Hans Primas|''Umdenken in der Naturwissenschaft''|ref=<ref>H. Primas: ''Umdenken ...'', S. 61</ref>}}
 
== Werke ==
* H. Primas: ''Chemistry, Quantum Mechanics and Reductionism''. Berlin: Springer, 1981, 2. Auflage 1983.
* H. Primas, U. Müller-Herold: ''Elementare Quantenchemie''. Stuttgart: Teubner, 1984, 2. Auflage 1990.
* H. Atmanspacher, H. Primas und E. Wertenschlag-Birkhäuser (Hrsg.): ''Der Pauli-[[Carl Gustav Jung|Jung]]-Dialog und seine Bedeutung für die moderne Wissenschaft''. Berlin: Springer, 1995. ISBN 3-540-58518-4.
* Harald Atmanspacher, Hans Primas (Hrsg.): ''Recasting Reality : [[Wikipedia:Wolfgang Pauli|Wolfgang Pauli]]'s Philosophical Ideas and Contemporary Science''. Berlin: Springer, 2009. ISBN 3-540-85197-6.
 
;Artikel
 
* ''Kann Chemie auf Physik reduziert werden? Erster Teil: Das Molekulare Programm'' in: [[Wikipedia:Chemie in unserer Zeit|Chemie in unserer Zeit]] 19/4 (August 1985) {{doi|10.1002/ciuz.19850190402}}
* ''Kann Chemie auf Physik reduziert werden?? Zweiter Teil: Die Chemie der Makrowelt'' in: [[Wikipedia:Chemie in unserer Zeit|Chemie in unserer Zeit]] 19/5 (Oktober 1985) {{doi|10.1002/ciuz.19850190504}}
* ''Umdenken in der Naturwissenschaft'' in: ''Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich'' (1992) 137/l, S. 41-62 (genehmigter Nachdruck aus «GAIA; Ecological Perspectives in Science, Humanities and Economics» (1992) 1, l, 5-15 [http://www.ngzh.ch/archiv/1992_137/137_1/137_5.pdf pdf]
* ''Reductionism: Palaver without Precedent'' in: Evandro Agazzi (Hrsg.): ''The Problem of Reductionism in Science'', Springer 1991, ISBN 978-0792314066, S. 161-172
 
== Literatur ==
* Atmanspacher, Harald, Amann, Anton, Müller-Herold, U. (Eds.): ''On Quanta, Mind and Matter : Hans Primas in Context''. (Series: Fundamental Theories of Physics, Vol. 102). Springer 1999. ISBN 0792356969.
 
== Weblinks ==
* {{HLS|45060|Autor=Evelyn Boesch Trüeb}}
* [http://www.genealogy-theochem.de/view.php?id=276 Hans Primas] im [[Wikipedia:Theoretical Chemistry Genealogy Project|Theoretical Chemistry Genealogy Project]]
* [http://www.kunst-als-wissenschaft.de/personen/person.asp?PersonID=10 kunst-als-wissenschaft]
* [http://www.informationphilosopher.com/solutions/scientists/primas/ informationphilosopher]
* [http://trauer.nzz.ch/Traueranzeige/Hans-Primas trauer.nzz.ch/Traueranzeige]
* [http://www.facultyaffairs.ethz.ch/services/Nachruf_Primas ETH Zürich: Nachruf]
 
== Einzelnachweise ==
 
<references />
 
{{Normdaten|TYP=p|GND=14192294X|LCCN=n/81/51775|VIAF=112923603}}
 
{{SORTIERUNG:Primas, Hans}}
[[Kategorie:Chemiker]]
[[Kategorie:Schweizer]]
[[Kategorie:Geboren 1928]]
[[Kategorie:Gestorben 2014]]
[[Kategorie:Mann]]
 
{{Personendaten
|NAME=Primas, Hans
|ALTERNATIVNAMEN=
|KURZBESCHREIBUNG=Schweizer Chemiker
|GEBURTSDATUM=18. Juni 1928
|GEBURTSORT=[[Zürich]]
|STERBEDATUM=6. Oktober 2014
|STERBEORT=
}}
 
{{Wikipedia}}

Version vom 25. März 2018, 11:06 Uhr