Sinneswahrnehmung und Valentin Weigel: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Sinneswahrnehmung''' ist ein spezieller Fall der [[Wahrnehmung]] überhaupt. In seiner [[Sinneslehre]] hat [[Rudolf Steiner]] zwölf [[physisch]]e [[Sinne]] unterschieden, durch die wir die [[sinnliche Welt]] wahrnehmen. Am Zustandekommen der Sinneswahrnehmung sind aber nicht nur Vorgänge der sinnlichen Welt, sondern auch solche höherer Welten wesentlich mitbeteiligt. Und entsprechend ist beim [[Mensch]]en nicht nur der [[Physischer Leib|physische Leib]] tätig, sondern auch die höheren [[Wesensglieder]] wirken mit, wie es Rudolf Steiner am [[Farbwahrnehmungsprozeß]] exemplarisch gezeigt hat.
'''Valentin Weigel''' (auch ''Weichel''; * [[7. August]] [[1533]] in [[w:Großenhain|Naundorf]]; † [[10. Juni]] [[1588]] in [[w:Zschopau|Zschopau]]) war ein deutscher [[Mystik|mystisch]]-[[Theosophie|theosophischer]] Schriftsteller.


== Sinneswahrnehmung und Ideenwelt ==
== Leben ==


Bei der Sinneswahrnehmung strömt in die Sinne zunächst [[Äther]]isches von außen ein, das durch die von innen aufsteigende abstrakte [[Ideen]]welt abgetötet wird und dadurch nur abgeschattet als [[physische Welt]] erscheint. Diese von innen aufsteigende Ideenwelt ist, wie schon [[Platon]] richtig bemerkt hatte, der Schattenwurf unserer vorgeburtlichen [[Existenz]]:
Auf Vermittlung des Rates [[w:Georg von Komerstadt|Georg von Komerstadt]] besuchte Weigel 1549 bis 1554 die [[w:Fürstenschule St. Afra|Fürstenschule St. Afra]] in [[w:Meißen|Meißen]] und studierte danach Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften, später Theologie in [[w:Universität Leipzig|Leipzig]]. 1558 wurde er Baccalaureus und  Magister. Seit 1564 studierte und lehrte er in [[w:Leucorea|Wittenberg]] und wurde am 16. November 1567 durch den Wittenberger Generalsuperintendenten [[w:Paul Eber|Paul Eber]] als ''Pastor [[w:Oberpfarrer| Primarius]]'' in [[w:Zschopau|Zschopau]] ordiniert.


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Weigel verbarg zeitlebens seine [[Sebastian Franck]] und [[Jakob Böhme]] nahestehenden mystischen Auffassungen. So wurde zu seinen Lebzeiten nur eine Leichenpredigt von ihm gedruckt. Erst zwanzig Jahre nach seinem Tode gelangten viele seiner Schriften, befördert von seinem Amtsnachfolger Benedikt Biedermann und seinen Söhnen Joachim und Nathanael, zum Druck. 1626 wurden seine Bücher öffentlich verbrannt.
[[Bild:Abtoetung_des_Aetherischen.gif|thumb|243px|Abtötung des von außen einströmenden Ätherischen durch die von innen aufsteigende abstrakte Ideenwelt]]
"Machen wir uns klar: Wir lassen im wachenden Zustande niemals diese Welt nur in uns einströmen. Wenn wir auch ein nur wenig aktives Denken in Ideen entwickeln, so bringen wir doch gewissermaßen aus dem Inneren heraus diesen auf uns einstürmenden Tönen, Farben, Gerüchen, Geschmäcken, überhaupt allen Sinnesqualitäten, den aus unserem Inneren aufsteigenden Gegenstoß der Ideenwelt entgegen. Und wer nun wiederum nicht nach der abstrakten Wortpsychologie der Gegenwart denkt, sondern wer wirklich beobachten gelernt hat, der kann sich fragen: Wie begegnen sich in unseren Sinnesorganen die von außen einstürmenden Wahrnehmungsinhalte und der Gegenstoß von innen, die Ideenwelt? - Sehen Sie, wenn wir bloß hingegeben wären an die Welt der Wahrnehmungen, dann lebten wir eigentlich als Menschen in unserem ätherischen Leibe und mit dem ätherischen Leibe in einer ätherischen Welt. Sie brauchen sich nur vorzustellen, wie Sie, hingegeben durch die Augen an die Farbenwelt, in einer wogenden, ätherisch wogenden Farbenwelt leben würden, wie Sie, hingegeben durch Ihre Ohren an die tönende Welt, in einem wogenden Tonmeer leben würden, das allerdings nicht ätherisch zunächst ist, aber es würde ätherisch sein, wenn Sie nicht den Gegenstoß durch die Ideen liefern würden. Nämlich so, wie die Töne zunächst für uns Menschen sind, so sind sie das Ätherische. Wir schwimmen im Luftmeere und dadurch im verdichteten Ätherischen. Es ist also Ätherisches, das nur bis zur Luft materiell verdichtet ist; die Töne sind nur der luftförmig-materielle Ausdruck wiederum vom Ätherischen. Und so ist es mit den Wärmequalitäten, mit den Geschmacks-, mit den Geruchsqualitäten, mit allen Sinnesqualitäten. Denken Sie sich also weg den Gegenstoß der Ideenwelt von innen, denken Sie sich, Sie lebten in einem ätherischen Meere als ätherische Wesenheit, Sie würden niemals zu jener menschlichen Konsistenz kommen, mit der Sie eigentlich zwischen Geburt und Tod in der Welt dastehen. Wodurch nur können Sie zu dieser Konsistenz kommen? Dadurch, daß Sie darauf hinorganisiert sind, dieses Ätherische abzutöten, abzulähmen. Und wodurch lähmen wir es ab? Wodurch töten wir es ab? Durch den Gegenstoß der Ideen! Es ist wirklich so: Es käme gewissermaßen von außen her - wenn ich schematisch zeichnen soll - die Welt des Wahrnehmungsinhaltes in lebendiger Ätherität (rot), und wir würden als ätherische Wesen schwimmen in lebendiger Ätherität, wenn wir nicht hineinsenden würden von innen den Gegenstoß der Ideenwelt (blau), die so, wie sie zwischen Geburt und Tod Ideenwelt ist, das Ätherische ertötet und uns die Welt als physische Welt erscheinen läßt. Wir hätten eine ätherische Welt um uns, wenn wir nicht durch die Ideenwelt ertöteten dieses Ätherische, es herunterbrächten zur physischen Gestaltlichkeit. Die Ideenwelt, so wie wir sie als Mensch haben, sie verbindet sich in unseren Gesamtorganen mit den Sinnesqualitäten, lähmt diese Sinnesqualitäten ab und bringt sie herunter bis zu dem, was wir eben als physische Welt erleben...


Also wir haben auf der einen Seite diesen Tatbestand, daß wir durch die Ideenwelt herabdämpfen das ätherische Gewoge der Sinnesqualitäten. Womit hängt das nun im weiteren zusammen? Es hängt im weiteren damit zusammen, daß unsere Ideenwelt, die wir als Mensch zwischen Geburt und Tod erleben als von innen aufsteigend, nicht in ihrer wahren Gestalt erscheint. Das können die Menschen nicht durchschauen, daß sie an den Ideen so, wie man sie erlebt als Mensch im physischen Leibe, nicht die wahre Gestalt dieser Ideen haben. Die Menschen sind noch so grob organisiert in der gegenwärtigen Zivilisation, daß sie gar nicht darauf kommen, sich zum Beispiel einmal zu sagen: Du fährst aus dem Schlafe auf, du hast einen ganzen Traum erlebt, der dir symbolisch ausgedrückt hat, was draußen auf der Straße «Feurio!» schreit. - Man erlebt symbolisch etwas, was draußen ganz anders ist. Was wir in den Ideen haben, ist eben sehr verschieden von dieser Ausbildung eines äußeren Ereignisses in der Traumphantasie; aber in der Ideenwelt haben wir dennoch auch etwas, was nichts anderes ist als das Hereinscheinen einer ganz anderen Welt. Und welche Welt ist es? Davon haben wir oftmals gesprochen. Es ist die Welt, die der Mensch durchgemacht hat vor der Geburt, oder sagen wir vor der Empfängnis. Das ist dasjenige, was hier im Leben abgeschattet ist bis zur abstrakten Ideenwelt, konkret erlebt. Zwischen dem Tod und einer neuen Geburt leben wir in der Realität dessen, was hier in der Ideenwelt nur in diesen Schattenbildern der Begriffe, der Vorstellungen, der Ideen vorhanden ist. So wie die äußere Welt in den Traum hereinscheint, so scheint die vorgeburtliche Welt herein in unsere Welt zwischen Geburt und Tod, indem sie nachwirkt in der Bildung von Ideen. Aber während alles lebt in dem, was die Ideen sind zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, während da das, was in der Ideenwelt real ist, unsere eigene Wesenheit berührt, während wir da, indem wir uns selber berühren, unser ideelles Substantielles berühren, so wie wir jetzt unseren physischen Leib berühren, schattet sich herein in dieses irdische Leben von dieser Substantialität der Ideenwelt nur dasjenige, wovon wir nicht einmal wissen, daß wir aus ihm im Irdischen die Realität des eigenen Ich schöpfen. Aber wir verwenden diesen Schatten unserer geistigen Existenz dazu, um uns gerade die Existenz auf Erden möglich zu machen. Was geben uns denn die Götter mit, indem sie durch die Geburt uns hereinsenden in diese Welt? Sie geben uns mit das Schattenbild jener Existenz, die wir haben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Dieses Schattenbild sind die Ideen, und diese Ideen dienen uns hier, um überhaupt physisch Mensch zu werden, sonst würden wir als ätherische Wesen im ätherischen Meer schwimmen. Wir töten ab das ätherische Leben mit den Schattenbildern unseres Lebens zwischen dem Tod und einer neuen Geburt." {{Lit|{{G|198|217ff}}}}
Weigel bekämpfte volksfeindliche Potentaten, Fürsten und Prediger. Er berief sich vor allem auf [[Meister Eckart]] und [[Johannes Tauler]]. [[Thomas Müntzer]], [[Andreas Bodenstein]], [[Kaspar Schwenckfeld]] und das [[Täuferreich von Münster]] galten ihm als Gleichgesinnte. Seine an den [[Neuplatonismus]] und die [[deutsche Mystik]] anknüpfenden Ideen wurden Bestandteil der deutschen [[Ketzer]]bewegung und hatten Auswirkungen auf Dichter wie [[Angelus Silesius]] und [[w:Daniel Czepko|Daniel Czepko]].
</div>


== Phantome der Sinnesempfindungen ==
Seine Anhänger wurden als ''Weigelianer'' bezeichnet.<ref>''Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon'', Band 4. Leipzig 1841., S. 680, [http://www.zeno.org/nid/20000876003 online].</ref>


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{{GZ|Weigel verwaltete still und bescheiden sein Pfarramt
"Etwas höchst Eigentümliches
in Zschopau. Erst aus seinen hinterlassenen, im siebzehnten
zeigt sich, wenn man den Wahrnehmungsvorgang hellseherisch
Jahrhundert gedruckten Schriften erfuhr man etwas
beobachtet. Sagen wir, irgend etwas wirke auf unser Auge, wir
von den bedeutsamen Ideen, die ihm über die Natur des
nehmen Licht oder Farbe wahr, wir haben also in unserem Bewußtsein
Menschen aufgegangen waren. (Von seinen Schriften seien
die Empfindung des Lichtes oder der Farbe: das Merkwürdige,
genannt: « Der güldene Griff, das ist: All Ding ohne Irrthumb
was man nun entdeckt durch die Geistesforschung, ist, daß im Menschenwesen
zu erkennen, vielen Hochgelährten unbekannt, und
nicht nur dieses Licht und diese Farbe auftreten, sondern
doch allen Menschen nothwendig zu wissen.» — «Erkenne
daß da wie im Gefolge von Licht und Farbe gleichzeitig mit unserer
dich selber.» - «Vom Ort der Welt.») Es drängt Weigel, sich
Empfindung von Licht- und Farbenbildern, man möchte sagen, eine
über sein Verhältnis zur Lehre der Kirche klar zu werden.
Art von Licht- oder Farbenleichnam in uns auftritt. Unser Auge veranlaßt
Das fuhrt ihn dazu, die Grundfesten aller Erkenntnis zu
uns, daß wir die Licht- und Farbenempfindung haben. Man
untersuchen. Ob der Mensch etwas durch ein Glaubensbekenntnis
könnte also sagen: das Licht strömt zu und bereitet uns die Lichtempfindung,
erkennen könne, darüber kann er sich nur
aber tiefer in unser Wesen hineinschauend, entdecken
Rechenschaft geben, wenn er weiß, wie er erkennt. Von
wir, daß, während in unserem Bewußtsein das Licht sitzt, unser Menschenwesen
der untersten Art des Erkennens geht Weigel aus. Er fragt
durchzogen wird von etwas, was in diesem Menschenwesen
sich: wie erkenne ich ein sinnliches Ding, wenn es mir
sterben muß, damit wir die Lichtempfindung haben können.
entgegentritt? Von da hofft er aufsteigen zu können bis zu
Keine Wahrnehmung, keine Empfindung von außen können wir
dem Gesichtspunkte, wo er sich über die höchste Erkenntnis
haben, ohne daß sich gleichsam durchdrückt durch diese Empfindung
Rechenschaft geben kann. - Bei der sinnlichen Erkenntnis
eine Art Leichenbildung, die wie im Gefolge dieser Empfindung auftritt.
stehen sich das Werkzeug (Sinnesorgan) und das Ding,
Geistesforschung muß eben sagen: Da schaue ich mir den Menschen
der «Gegenwurf» gegenüber. «Dieweil in der natürlichen
an, ich weiß, jetzt empfindet er rot. Ich sehe aber, daß dieses
Erkenntnis sein müssen zwei Dinge, als das Objekt oder
Rot, das in seinem Bewußtsein lebt, von sich gleichsam etwas ausgießt,
Gegenwurf, der soll erkannt und gesehen werden vom
sein ganzes Wesen, insofern es in seine Haut und in die Grenzen
Auge; und das Auge, oder der Erkenner, der das Objekt
seines Ätherleibes eingeflossen ist, durchdringt mit etwas, was wie
sieht, und erkennt, so halte gegeneinander: ob die Erkenntnis
der Leichnam der Farbe ist, was etwas ertötet in dem Menschen. Denken
herkomme vom Objekt in das Auge; oder ob das Urteil,
Sie nur einmal, daß wir eigentlich immer, indem wir der physischen
und die Erkenntnis fließe vom Auge in das Objekt.»
Welt gegenüberstehen und unsere Sinnesorgane offen haben, die
(« Der güldene Griff», 9. Kap.) Nun sagt sich Weigel: Würde
Leichname aller unserer Wahrnehmungen wie Phantome, aber wirksame
die Erkenntnis aus dem Gegenwurf (Ding) in das Auge
Phantome, in uns aufnehmen. Immer stirbt etwas in uns, indem
fließen, so müßte notwendig von einem und demselben
wir die Außenwelt wahrnehmen. Es ist das ein höchst eigentümliches
Ding eine gleiche und vollkommene Erkenntnis in alle
Phänomen. Und der Geistesforscher muß sich fragen: Ja, was geschieht
Augen kommen. Dies ist abei nicht der Fall, sondern jeder
denn da? Was ist denn die Ursache von diesem höchst eigenartigen
sieht nach Maßgabe seiner Augen. Nur die Augen, nicht
Phänomen?
der Gegenwurf, können schuld daran sein, daß von einem
und demselben Ding vielerlei verschiedene Vorstellungen
möglich sind. Weigel vergleicht, zur Klärung der Sache,
das Sehen mit dem Lesen. Wäre das Buch nicht, so könnte
ich es natürlich nicht lesen; aber es könnte immerhin da
sein, und dennoch könnte ich nichts darin lesen, wenn ich
nicht die Kunst, zu lesen, verstände. Das Buch muß also
da sein; aber es kann mir, von sich aus, nicht das geringste
geben; ich muß alles, was ich lese, aus mir herausholen.
Das ist auch das Wesen der natürlichen (sinnlichen) Erkenntnis.
Die Farbe ist als «Gegenwurf» da; aber sie kann,
von sich aus, nichts dem Auge geben. Das Auge muß von
sich aus erkennen, was die Farbe ist. So wenig wie der
Inhalt des Buches in dem Leser ist, so wenig ist die Farbe
im Auge. Wäre der Inhalt des Buches in dem Leser: er
brauchte es nicht zu lesen. Dennoch fließt im Lesen dieser
Inhalt nicht aus dem Buche, sondern aus dem Leser. So
ist es auch mit dem sinnlichen Ding. Was dieses sinnliche
Ding draußen ist, das fließet nicht von außen herein in den
Menschen, sondern von innen heraus. — Man könnte, von
diesen Gedanken ausgehend, sagen: Wenn alle Erkenntnis
aus dem Menschen in den Gegenstand fließt, so erkennt
man nicht, was im Gegenstande ist, sondern nur, was im
Menschen selbst ist. Die ausführliche Durchbildung dieses
Gedankenganges hat die Anschauung ''[[Immanuel Kant]]s''
(1724-1804) gebracht. (Das Irrige dieses Gedankenganges
findet man in meinem Buch «[[GA 4|Philosophie der Freiheit]]»
dargestellt. Hier muß ich mich darauf beschränken, zu
erwähnen, daß Valentin Weigel mit seiner einfachen,
urwüchsigen Vorstellungsart viel höher steht als Kant.) -
Weigel sagt sich: Wenn auch die Erkenntnis aus dem Menschen
fließt, so ist es doch nur das Wesen des Gegenwurfes,
das von diesem auf dem Umwege durch den Menschen
zum Vorschein kommt. Wie ich den Inhalt des Buches
durch das Lesen erfahre, und nicht meinen eigenen, so erfahre
ich die Farbe des Gegenwurfes durch das Auge; nicht
die im Auge, oder in mir befindliche Farbe. Auf einem
eigenen Wege kommt also Weigel zu einem Ergebnis, das
uns bereits bei Nicolaus von Kues entgegengetreten ist.
So hat sich Weigel über das Wesen der sinnlichen Erkenntnis
aufgeklärt. Er ist zu der Überzeugung gekommen, daß
alles, was uns die äußeren Dinge zu sagen haben, nur aus
unserem eigenen Innern selbst herausfließen kann. Der
Mensch kann sich nicht leidend verhalten, wenn er die
sinnlichen Dinge erkennen will, und diese bloß auf sich
wirken lassen wollen; sondern er muß sich tätig verhalten,
und die Erkenntnis aus ''sich'' herausholen. Der Gegenwurf
erweckt nur in dem Geiste die Erkenntnis. Zur höheren
Erkenntnis steigt der Mensch auf, wenn der Geist sein
eigener Gegenwurf wird. An der sinnlichen Erkenntnis
ersieht man, daß keine Erkenntnis von außen in den Menschen
einfließen kann. Also kann auch die höhere Erkenntnis
nicht von außen kommen, sondern nur im Innern erweckt
werden. Es kann daher keine äußere Offenbarung,
sondern nur eine innere Erweckung geben. So wie nun der
äußere Gegenwurf wartet, bis der Mensch ihm entgegentritt,
in dem er sein Wesen aussprechen kann, so muß der
Mensch, wenn er sich selbst Gegenwurf sein will, warten,
bis in ihm die Erkenntnis seines Wesens erweckt wird. Muß
in der sinnlichen Erkenntnis sich der Mensch tätig verhalten,
damit er dem Gegenwurf dessen Wesen entgegenbringen
kann, so muß in der höheren Erkenntnis sich der
Mensch leidend verhalten, weil ''er'' jetzt Gegenwurf ist. Er
muß sein Wesen in sich empfangen. Deshalb erscheint ihm
die Erkenntnis des Geistes als Erleuchtung von oben. Im
Gegensatz zur sinnlichen Erkenntnis nennt daher Weigel
die höhere Erkenntnis das «Licht der Gnaden». Dieses
«Licht der Gnaden» ist in Wirklichkeit nichts anderes als
die Selbsterkenntnis des Geistes im Menschen, oder die
Wiedergeburt des Wissens auf der höheren Stufe des Schauens.
- Wie nun Nicolaus von Kues beim Verfolgen seines
Weges vom Wissen zum Schauen nicht wirklich das von
ihm gewonnene Wissen auf höherer Stufe wiedergeboren
werden läßt, sondern wie sich ihm das kirchliche Bekennt-
nis, in dem er erzogen ist, als solche Wiedergeburt vortäuscht,
so ist das auch bei Weigel der Fall. Er fuhrt sich
auf den rechten Weg und verliert diesen in dem Augenblick
wieder, in dem er ihn betritt. Wer den Weg gehen
will, den Weigel weist, der kann diesen selbst nur bis zum
Ausgangspunkte als Führer betrachten.|7|119ff}}


Da muß man betrachten, wie es sich eigentlich mit dem verhält,
== Werke ==
was da wie Licht an uns heranstürmt. Dieses Licht hat eben vieles
*''Unterrichts-Predigt: Wie man christlich trauern und täglich solle im Herrn sterben'', 1576
hinter sich. Es ist gleichsam das, was das Licht offenbart, nur der
*''Libellus de vita beata'', 1609
Vorposten desjenigen, was an uns heranstürmt. Hinter dem Licht
*''Ein schön Gebetsbüchlein, welches die Einfältigen unterrichtet'', 1612
steht allerdings nicht jene Wellenbewegung, von der die äußere Physik
*''Der güldene Griff, alle Ding ohne Irrtum zu erkennen.'' Krusicke, Halle 1613 ({{DTAW|weigel_gueldenergriff_1613}})
phantasiert, sondern hinter dem Licht, hinter allen Wahrnehmungen,
*''Ein nützliches Traktätlein vom Ort der Welt'', 1613
hinter allen Eindrücken steht zunächst das, was wir nur erfassen,
*''Dialogus de Christianismo'', 1614
wenn wir geisteswissenschaftlich die Welt anschauen durch Imaginationen,
*''Erkenne dich selbst.'' 3 Bde. Knuber, Neustadt 1615 ({{DTAW|weigel_gnothi02_1618}} Bd. 2)
durch schöpferische Bilder. In dem Augenblick, wo wir alles
*''Informatorium oder Kurzer Unterricht'', 1616 (erweitert: ''Soli deo gloria'', 1618)
sehen würden, alles wahrnehmen würden, was in dem Licht oder in
*''Kirchen- oder Hauspostill"'', 1618
dem Tone oder in der Wärme lebt, würden wir hinter dem, was uns
*''Libellus disputatorus'', 1618
zum Bewußtsein kommt, die schöpferische Imagination wahrnehmen
*''De bono et malo in homine'', 1618
und in dieser sich wieder offenbarend die Inspiration, und in dieser
*''Zwei schöne Büchlein'', 1618
die Intuition. Es ist dasjenige, was uns zum Bewußtsein kommt als
*''Studium universale'', 1618
Licht- und Tonempfindung, gleichsam die oberste Schicht, gleichsam
*''Tractatus de opere mirabili'', 1619
nur der Schaum dessen, was an uns heranschwingt, aber es lebt darin,
was, wenn es uns zum Bewußtsein käme, zur Imagination, Inspiration,
Intuition in uns werden könnte.


Also eigentlich haben wir nur ein Viertel von dem, was an uns
== Ausgaben ==
heranstürmt, wirklich in der Wahrnehmung gegeben, die anderen
drei Viertel dringen in uns ein, ohne daß es uns zum Bewußtsein
kommt. Während wir also dastehen und eine Farbenempfindung
haben, dringen, gleichsam durch die Fläche der Farbenempfindung,
die schöpferische Imagination, die Inspiration, die Intuition in uns
ein, versenken sich in uns. Wenn wir sie näher untersuchen, diese drei
letzteren Eindringlinge, so finden wir, daß, wenn diese Imagination,
Inspiration, Intuition so, wie sie sich durch die Sinnesempfindung
in unseren Organismus hereindrängen wollen, wirklich in diesen hereinkämen,
sie so wirken würden, daß sie auch noch während der Zeit
unseres physischen Erdendaseins zwischen Geburt und Tod eine
solche Vergeistigung in uns hervorrufen würden, wie ich sie gestern
angedeutet habe als ein mögliches Ergebnis der Verführung Luzifers.
Es würden diese Imagination, Inspiration, Intuition so auf uns wirken,
daß wir den Drang bekämen, alles, alles liegen zu lassen, was
noch an Anlagen für unser Streben nach fernen Zukünften, zum
Menschenideal, in uns vorhanden ist, und wir würden uns vergeistigen
wollen mit all dem, wie wir sind. Wir würden geistige Wesenheiten
werden wollen auf dem Vollkommenheitsgrade, den wir bis
dahin erlangt haben durch unser Vorleben. Wir würden uns gewissermaßen
sagen: Mensch zu werden, das ist uns eine zu große Anstrengung,
da müßten wir noch einen schwierigen Weg in die Zukunft
gehen. Wir lassen das, was noch an Möglichkeiten zum Menschen
hin in uns liegt. Wir werden lieber ein Engel mit all den Unvollkommenheiten,
die wir an uns tragen, denn da kommen wir in die
geistige Welt unmittelbar hinauf, da vergeistigen wir unser Wesen.
Wir werden dann allerdings unvollkommener, als wir nach unseren
Anlagen werden könnten im Kosmos, aber wir werden eben geistige,
engelartige Wesen.


Da ersehen Sie wiederum an einem Beispiel, wie wichtig das ist,
* Valentin Weigel: ''Sämtliche Schriften. Neue Edition, 14 Bde.'' Im Auftrag der [[w:Akademie der Wissenschaften und der Literatur|Akademie der Wissenschaften und der Literatur]], Mainz, hrsg. von Horst Pfefferl. Begründet von [[w:Will-Erich Peuckert|Will-Erich Peuckert]] und Winfried Zeller. Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt, ISBN 978-3-7728-1839-4
was man nennt: die Schwelle der geistigen Welt, und wie wichtig die
Wesenheit ist, die man den Hüter der Schwelle nennt. Denn da steht
er schon an dem Punkt, von dem ich eben jetzt gesprochen habe. Er
läßt in unser Bewußtsein nur die Empfindung selber herein und läßt
nicht dasjenige hereinkommen, was als Imagination, als Inspiration,
als Intuition, wenn es in unser Bewußtsein eintreten würde, einen
unmittelbaren Drang nach Vergeistigung, so wie wir sind, mit Verzicht
auf alles folgende Menschheitsleben in uns erzeugen würde. Das
muß uns verhüllt werden, davor wird die Türe unseres Bewußtseins
zugeschlossen, aber in unsere Wesenheit dringt es ein. Und indem es
in unsere Wesenheit eindringt, ohne daß wir es mit dem Lichte unseres
Bewußtseins durchleuchten können, indem wir es hinuntersteigen lassen
müssen in die finsteren Untergründe unseres Unterbewußtseins,
kommen die geistigen Wesenheiten, deren Gegner Luzifer ist, von der
anderen Seite in unser Wesen herein, und es entsteht jetzt in uns der
Kampf zwischen Luzifer, der seine Imagination, Inspiration, Intuition
hereinsendet, und denjenigen geistigen Wesenheiten, deren Gegner
Luzifer ist. Diesen Kampf würden wir immer schauen bei jeder Empfindung,
bei jeder Wahrnehmung, wenn nicht für das äußere Wahrnehmen
die Schwelle der geistigen Welt gesetzt wäre, der gegenüber
sich nur der hellseherische Blick nicht verschließt.


Daraus ersehen Sie, was sich eigentlich alles abspielt in dem Inneren
* Valentin Weigel: ''Das Buch vom Gebet'', hrsg. und sanft modernisiert von M. P. Steiner, Edition Oriflamme, Basel, ISBN 3-9520787-5-1
der Menschennatur. Das Ergebnis dieses Kampfes, der sich da abspielt,
ist das, was ich als eine Art von Leichnam, von partiellem
Leichnam in uns charakterisiert habe. Dieser Leichnam ist der Ausdruck
für das, was in uns ganz materiell werden muß, wie ein mineralischer
Einschluß, damit wir nicht in die Lage kommen, es zu vergeistigen.
Würde sich dieser Leichnam durch den Kampf von Luzifer
und seinen Gegnern nicht ausbilden, so würden wir statt dieses
Leichnams das Ergebnis der Imagination, Inspiration und Intuition
in uns haben, und wir würden unmittelbar in die geistige Welt aufsteigen.
Dieser Leichnam bildet das Schwergewicht, durch das uns
die guten geistigen Wesenheiten, deren Gegner Luzifer ist, in der physischen
Welt zunächst erhalten, so erhalten, daß wir darin gleichsam
verhüllt haben, was als Drang in uns entstehen müßte nach Vergeistigung,
damit wir anstreben nach dieser Verhüllung das wirkliche Ideal
der menschlichen Natur, all die Entfaltung der Anlagen, die in uns
sein können. Dadurch, daß also dieser Einschluß, gleichsam dieses
Leichnamphantom sich in uns bildet, daß wir, indem wir wahrnehmen,
uns immer sozusagen durchdringen mit etwas, was zu gleicher Zeit
Leichnam ist, dadurch ertöten wir in uns während des Wahrnehmens
dieses immer aufsteigende Drängen nach Vergeistigung. Und während
sich dieser Einschluß bildet, entsteht das, was ich öfter angedeutet
habe und was wichtig ist, daß man es einsieht in seiner ganzen Bedeutung.
Sehen Sie, wenn Sie in einen Spiegel hineinschauen, so haben Sie
eine Glasscheibe vor sich, aber durch diese Scheibe würden Sie
hindurchschauen, wenn sie nicht mit einem Spiegelbelage belegt wäre.
Dadurch, daß die Glasscheibe einen Spiegelbelag hat, spiegelt sich,
was vor dem Spiegel ist. Wenn Sie vor Ihrem physischen Körper so
stehen würden, daß Sie erleben würden, wie außer den Wahrnehmungen
auch die Imaginationen, Inspirationen, Intuitionen hineingehen,
dann würden Sie durch den physischen Leib hindurchschauen, und
Sie würden ein solches Gefühl erleben, daß Sie sich etwa sagen würden:
Ich will mit diesem physischen Leibe nichts zu tun haben, ich
beachte ihn gar nicht, sondern ich erhebe mich, so wie ich bin, in die
geistige Welt. Wirklich, es stünde der physische Leib vor Ihnen wie
der Glasspiegel, der keinen Belag hat. Aber nun ist der physische
Leib durchdrungen mit diesem Leichnam. Das ist wie der Belag des
Spiegels. Und jetzt spiegelt sich alles das, was darauf fällt, aber eben
nur so, wie wir es in den Sinneswahrnehmungen haben. Dadurch
entstehen die Sinneswahrnehmungen." {{Lit|{{G|153|107ff}}}}
</div>


== Sinneswahrnehmung und Nerventätigkeit ==
* Valentin Weigel: ''Ausgewählte Werke'', hrsg. und eingeleitet von [[w:Siegfried Wollgast|Siegfried Wollgast]]. Union Verlag, Berlin 1977; darin: Erkenne dich selbst, Das andere Büchlein von der Erkenntnis seiner selbst, Ein nützliches Traktätlein vom Ort der Welt, Der güldene Griff, Predigt vom armen Lazarus, Dialog über das Christentum


Damit die Sinneswahrnehmung zum bewussten seelischen Erleben werden kann, wird ein Teil der in die [[Sinnesorgane]] einströmenden [[Astralwelt|elementarischen (astralen) Welt]] von den Sinnesorganen aufgehalten und in unser [[Bewusstsein]] heraufgespiegelt. Die Welt offenbart sich uns dadurch in Form der für jedes Sinnesorgan spezifischen [[Sinnesqualitäten]].
== Literatur ==
 
* {{ADB|41|472|476|Weigel, Valentin|Georg Müller|ADB:Weigel, Valentin}}
Der andere Teil der astralen Welt, der ungehindert durch die Sinnesorgane hindurchströmt, baut die Sinnesorgane auf. Erst dort, wo die Sinnesorgane in die Sinnesnerven übergehen, werden die astralen Kräfte vollkommen aufgehalten. Von hier an strömen nur mehr die Kräfte der noch höheren [[Geistige Welt|geistigen Welten]] durch.
* Georg Baring: ''Valentin Weigel und die „Deutsche Theologie“.'' In: [[w:Archiv für Reformationsgeschichte|Archiv für Reformationsgeschichte]] (ARG) Jahrgang 55, 1964
 
* [[w:Walther Killy|Walther Killy]]: „Literaturlexikon: Autoren und Werke deutscher Sprache“. (15 Bände) Gütersloh; München: Bertelsmann-Lexikon-Verl. 1988-1991 (CD-ROM Berlin 1998 ISBN 3-932544-13-7)
Die Kräfte der [[Unteres Devachan|unteren geistigen Welt]] bauen den [[Nerven|Nerv]] bzw. überhaupt das ganze [[Nervensystem]], das nach kosmischen Gesetzmäßigkeiten ausgestaltet wird, auf. Die 12 Paar [[Gehirnnerven]] entsprechen dem Jahreslauf der [[Sonne]] durch den Tierkreis. Und hierin ist auch die Zwölfzahl der physischen Sinnesorgane begründet. Die 31 Paar [[Rückenmarksnerven]] spiegeln, mit einer gewissen Abweichung, den Mondumlauf wider. Diese Abweichung (die siderische Umlaufzeit des Mondes beträgt etwa 27,3 Tage, die synodische Umlaufzeit von Neumond zu Neumond ungefähr 29,5 Tage) ist für den Menschen höchst bedeutsam, denn er kann sich dadurch bis zu einem gewissen Grad von den kosmischen Verhältnissen emanzipieren.
* Rudolf Steiner: ''Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung'', [[GA 7]] (1990), ISBN 3-7274-0070-6; '''Tb 623''', ISBN 978-3-7274-6230-6 {{Schriften|007}}
 
Ein Teil der Strömungen der unteren geistigen Welt werden dort, wo der Nerv in das [[Gehirn]] übergeht, in das Bewusstsein gespiegelt, wodurch wir befähigt werden, die der Wahrnehmungswelt zugrunde liegenden [[Naturgesetz]]e zu erkennen.
 
Weiter gehen noch die Kräfte der [[Oberes Devachan|höheren geistigen Welt]], der [[Vernunftwelt]]. Sie gehen großteils in das Gehirn hinein und bauen es auf. Was von diesen Kräften ins Bewusstsein reflektiert wird, gibt uns unser inneres geistiges Leben, unsere [[Vernunft]].
 
Die Kräfte noch höherer übersinnlicher Welten durchströmen den Menschen, aber sie können von ihm normalerweise nicht aufgehalten werden. Sie wirken daher weder organbildend, noch findet sich in unserem wachen Bewusstsein der Schatten ihrer Tätigkeit. Nur durch [[Schulungsweg|geistige Schulung]] können die Kräfte der [[Urbilderwelt]] ([[Buddhiplan]]) aufgehalten werden und unsere geistigen Wahrnehmungsorgane ausbilden. Was von diesen Kräften der Urbilderwelt ins Bewusstseingespiegelt wird, gibt uns die Möglichkeit von der Sinneswahrnehmung zur ersten Stufe der geistigen Wahrnehmung, der [[Imagination]], überzugehen. Durch die Imagination lernen wir die astrale Welt in ihrer wahren Gestalt kennen, die sich in der Sinneswahrnehmung nur in der sinnlichen Abschattung offenbart.
 
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"Wir wollen uns die Frage vorlegen: Wodurch kommt es zustande, daß wir im Aufwachen plötzlich um uns herum die Sinneswahrnehmungen haben, Farben, Töne, Lichteindrücke und andere Sinneswahrnehmungen? - Wir wollen das einmal in bezug auf eine bestimmte Farbe ins Auge fassen. Nehmen wir an, wir sehen am Morgen, wenn wir aufwachen, auf eine blaue Fläche. Wir haben also als ersten Sinneseindruck die Farbe Blau. Wie kommt das zustande? Über die Art, wie das geschieht, ist nämlich das gewöhnliche, normale Bewußtsein des Menschen ganz im unklaren; es stellt sich die Sache ganz verkehrt vor. Dieser Sinneseindruck kommt dadurch zustande, daß, indem das Ich hereingeht aus dem Makrokosmos in den Mikrokosmos, zunächst etwas wie ein Hindernis da ist für das Hereinströmen all der Kräfte, die da draußen in der geistigen Welt sind, ein Hindernis da ist zunächst für alles dasjenige, was wir nennen die elementarische Welt. Also dasjenige, was wir gestern und vorgestern als die elementarische Welt charakterisiert haben, das ist etwas, was zunächst aufgehalten wird. Nicht ganz wird es aufgehalten, aber so wird es aufgehalten, daß nur ein Teil der elementarischen Welt eigentlich einströmt. Wenn wir eine Fläche mit blauer Farbe vor uns haben, dann ist das so, daß durch diese Fläche hindurch, die wir als blaues Farbenbild vor uns haben, hindurchströmen alle die Kräfte aus den höheren Welten, die wir beschrieben haben, mit Ausnahme eines Teiles der elementarischen Welt. Dasjenige, was da zurückgehalten wird von der elementarischen Welt, das ist so, daß es dem Menschen zum Bewußtsein kommt wie ein Spiegelbild, wie eine Rückstrahlung, und diese Rückstrahlung ist eben die blaue Farbe. Alles, was wir gestern beschrieben haben von den Elementen des Feuers, der Luft, des Wassers und der Erde als der elementarischen Welt angehörig, das strömt hindurch. Es strömt durch das Auge alles das ein, was es an Elementen in der Welt gibt, mit Ausnahme dessen, was wir gerade sehen. Dadurch kommt also die Sinneswahrnehmung zustande, daß unser Auge zurückhält aus der elementarischen Welt das Licht, daß unser Ohr zurückhält aus der elementarischen Welt den Ton, daß unsere übrige Organisation zurückhält zum Beispiel einen Teil der Wärme und so weiter. Was nicht zurückgehalten wird, das strömt ein.
 
Nun können Sie das ergänzen, was wir in den vorhergehenden Vorträgen gesagt haben. Wir haben gesagt: Das Auge wird am Licht für das Licht gebildet. Wenn das Auge das Licht wahrnimmt, so wird es natürlich nicht von dem gebildet, was gesehen wird, sondern von demjenigen, was es hineinläßt, und das ist ein Teil der elementarischen Welt. So daß wir also sagen können (es wird gezeichnet): Wenn hier all die Kräfte aus den übersinnlichen Welten einströmen, werden hier gewisse Kräfte im Auge zurückgehalten, und analog ist es bei den anderen Sinnen. Was nicht hineinströmt in uns selber, was zurückgehalten wird, das ist die Summe unserer Sinneswahrnehmungen. Wir sehen, hören und so weiter also das, was wir nicht in uns selber hineinlassen. Dasjenige aber, was wir in uns hineinlassen, das ist das, was die physische Organisation, zum Beispiel des Auges, gebildet hat. Also gewisse Kräfte halten wir zurück, gewisse Kräfte lassen wir durch. Diejenigen Kräfte, die wir durchlassen, sind Kräfte der elementarischen Welt, die bilden unser Auge; so daß wir, wenn wir unseren Augapfel ansehen, sagen können: In der elementarischen Welt, die wir gerade nicht sehen, weil sie durchgelassen wird, haben wir zugleich dasjenige, was unseren Sinn des Auges bildet; auch unsere anderen Sinne werden auf dieselbe Weise aus der elementarischen Welt heraus gebildet. So sind wir als Sinneswesen aus der elementarischen Welt heraus gebildet. Die elementarische Welt, die wir sehen, wenn wir uns dazu fähig machen, in sie hineinzuschauen, die bildet uns unsere Sinne.
 
Da aber, wo der Sinn nach innen begrenzt ist, an der Hinterwand des Auges, da befindet sich gleichsam ein zweiter Spiegel, da fließen in uns hinein alle anderen Kräfte aus einer weiteren Welt, außer denen, die widergespiegelt werden. Ich sage «gleichsam», aber es ist das eine völlige Erklärung. An der Hinterwand des Auges werden zurückgehalten und widergespiegelt die elementarischen Kräfte selber; dadurch hören sie auf zu wirken, und es strömen dahinter nur noch die Kräfte der geistigen Welt durch, und das sind diejenigen Kräfte, die uns zum Beispiel unseren Sehnerv bilden. Ebenso wie das Auge den Sehnerv hat durch das Einströmen der geistigen Welt, ebenso hat das Ohr den Hörnerv durch das Einströmen der geistigen Welt und so weiter. Unser gesamtes Nervensystem wird somit aus der geistigen Welt heraus gebildet. Aus ihr heraus strömen uns diejenigen Kräfte und Wesenheiten zu, die die Bildner unseres Nervensystems sind. Und unsere Nerven sind so angeordnet wie die Gesetze der Planetenwelt draußen; denn die Planetenwelt haben wir gleichsam wie den äußeren Ausdruck einer Art Uhr auffassen können für das, was da als geistige Tatsachen und geistige Wesenheiten wirkt.
 
Nun wäre es naheliegend, daß wir uns fragten: Wenn das der Fall sein sollte, wenn da wirklich an unseren Nerven diese Welt wirken würde, welche sich ausdrückt in äußeren Zeichen in unserem Planetensystem, dann müßte unserem Nervensystem etwas zugrunde liegen an Regelmäßigkeit, was entsprechen würde dem äußeren Sonnensystem. Wir müßten gleichsam in unserem Nervensystem eine Art inneren Sonnensystems haben. Denn es sind, wenn wir durch die elementarische Welt hindurchgegangen sind, die Kräfte der geistigen Welt, die sich ausdrücken im Planeten-Sonnensystem. Die Kräfte aus der Himmelswelt strömen herein und organisieren unser Nervensystem. Versuchen wir einmal, uns zu fragen, ob denn nun wirklich unser Nervensystem sich ausnimmt wie eine Art Spiegelbild dessen, was draußen im Makrokosmos sich ausdrückt in den Planeten und Tierkreisbildern.


Nun, Sie wissen alle, daß unsere Zeit geregelt wird durch die Stellung der Erde zur Sonne und durch den Durchgang der Sonne im Jahreslauf durch die zwölf Tierkreisbilder. Scheinbar wandert die Sonne während eines Jahres durch die zwölf Tierkreisbilder. Das ist eine Haupteinteilung des Jahres, die Einteilung in zwölf Monate, bewirkt durch die Gesetzmäßigkeit, welche im Sonnensystem zwischen Planeten und Tierkreisbildern herrscht. Die Zahl Zwölf ist eine solche Zahl, welche die Gesetzmäßigkeit dieser Stellungen und Bewegungen ausdrückt. Wir haben zwölf Monate im Jahr, und wir haben für die Monate, welche die längsten sind, die Zahl Einunddreißig, einunddreißig Tage. Das ist wiederum etwas, was herausgeholt ist aus der Stellung unserer Himmelskörper zueinander, wiederum etwas, was zusammenhängt mit unserem Zeitsystem. Die längsten Monate haben einunddreißig Tage, die anderen dreißig Tage und der Monat Februar achtundzwanzig oder neunundzwanzig Tage. Hier herrscht eine gewisse Unregelmäßigkeit, aber diese Unregelmäßigkeit hat ihre guten Gründe. Wir können uns nur hier nicht besonders darauf einlassen.
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Versuchen wir einmal, diese merkwürdige Zeiteinteilung da draußen in der großen Weltenuhr uns vor die Seele zu führen und uns zu sagen: Wenn nun wirklich dasjenige, was dieser großen Welt des Kosmos zugrunde liegt, auch die Bildungskräfte für unser Nervensystem liefert, dann müßten sich die Zahlen im Nervensystem spiegeln. - Nun, wir haben zwölf Paar Gehirnnerven und einunddreißig Paar Rückenmarksnerven, das heißt, es spiegeln sich tatsächlich die kosmischen Gesetzmäßigkeiten, die beherrscht werden durch die Zahl Zwölf und die Zahl Einunddreißig, in unserem Nervensystem.
==Weblinks==
* {{DNB-Portal|118630105}}
* {{DDB|Person|118630105}}
{{VD17|004292952}}
*[http://www.akademienunion.de/_files/akademiejournal/2001-1/AKJ_2001-1-S-38-42_pfefferl.pdf Horst Pfefferl: Die Valentin Weigel-Ausgabe bei der Mainzer Akademie (PDF)] (242 kB)


Und daß eine gewisse Unregelmäßigkeit herrscht, ist deshalb, weil der Mensch ein selbständiges Wesen werden soll durch sein Nervensystem und weil er unabhängig werden soll von dem, was äußerlich im Räume sich abspielt. Der Mensch hat seine einunddreißig Rückenmarksnervenpaare. Ebenso wie sich die Zwölfzahl der Monate nach dem Durchgang der Sonne durch den Tierkreis regelt, so müßte sich die Zahl der Tage im Monat eigentlich nach dem Mond richten; das würde nur Achtundzwanzig Tage ergeben. Und wenn wir nicht drei Nervenpaare sozusagen im Überfluß hätten, wodurch wir uns als freie Menschen unabhängig machen können, so würden wir auch tatsächlich der Zahl Achtundzwanzig unterworfen sein. Damit sehen Sie in ein tiefes Geheimnis hinein, in einen wunderbaren Zusammenhang zwischen dem, was da draußen in den großen Symbolen des Raumes sich ausdrückt, die eine Abspiegelung sind von Wesenheiten und Wirksamkeiten in der geistigen Welt, und dem, was wir in unserem Nervensystem haben.
== Einzelnachweise ==
<references />


Nun kommen wir zu dem dritten Teil der Spiegelung. Unser Nervensystem wird also aufgebaut von der geistigen Welt. Da, wo jeder Nerv einmündet in das Gehirn oder in das Rückenmark, bei dieser Einmündungsstelle findet wieder eine Spiegelung statt. Da wird zurückgehalten die geistige Welt, und hindurch dringt jetzt das, was wir in der Vernunftwelt kennengelernt haben: die Kräfte der Hierarchien; und es baut uns die Vernunftwelt dasjenige auf, was hinter den Nerven liegt, unser Gehirn und Rückenmark; so daß wir in Gehirn und Rückenmark das Resultat all der Tätigkeit haben, die zuletzt herrührt aus der Vernunftwelt. Derjenige, der hellseherisch überschaut die geistige Welt, findet auch in den kleinsten Widerspiegelungen im Gehirn und in dem Nervensystem genaue Abbilder der großen Weltenvorgänge.
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Ganz durch uns durch aber geht, ohne daß wir sie aufhalten können, dasjenige, was wir die Urbilderwelt nennen, die Welt der geistigen Urbilder der Dinge. Wodurch können wir denn im gewöhnlichen Leben ein Bewußtsein von irgend etwas haben? Dadurch, daß wir es aufhalten können. Wir bekommen ein Bewußtsein von einem Teil der elementarischen Welt, indem wir einen Teil der elementarischen Welt aufhalten. Wir sind selber ein Produkt dieser elementarischen Welt in unseren Sinnesorganen. Wir werden uns unserer Sinne bewußt, indem wir einen Teil der elementarischen Welt aufhalten. Wir sind ein Produkt der geistigen Welt in unseren Nerven. Wenn wir uns unserer Nerven bewußt werden, werden wir uns in gewisser Weise der geistigen Welt bewußt, natürlich nur in Abbildern, indem wir einen Teil der geistigen Welt aufhalten. Was kennt denn der Mensch von der elementarischen Welt? Er kennt von der elementarischen Welt dasjenige, was ihm durch die Sinne widergespiegelt wird. Und was kennt der Mensch von der geistigen Welt? Er kennt das, was ihm seine Nerven widerspiegeln, das ist das, was man gewöhnlich die Naturgesetze nennt. Die Naturgesetze sind nichts anderes als ein Schattenbild, ein abgeschwächtes Spiegelbild der geistigen Welt. Und das, was der Mensch als sein inneres geistiges Leben, als seine Vernunft kennt, das ist ein abgeschwächtes Spiegelbild der äußeren Vernunftwelt. Was man in unserer Sprache Intellekt, Verstand nennt, das ist ein Abbild der Vernunftwelt, aber ein schwaches, schattenhaftes Abbild.
{{SORTIERUNG:Weigel, Valentin}}
 
[[Kategorie:Autor]]
Was müßten wir also können, müssen wir uns jetzt fragen, wenn wir in die Lage kommen wollten, mehr zu sehen als das, was wir eben angeführt haben? Wenn wir mehr sehen wollten, so müßten wir in der Lage sein, mehr aufzuhalten. Wollten wir einen Einfluß erleiden von der Urbilderwelt, dann müßten wir die Urbilderwelt in irgendeiner Weise aufhalten können. Wir können nur dadurch physische Sinnesorgane haben, daß wir die elementarische Welt in uns einlassen und sie dann aufhalten. Dadurch bildet sich zum Beispiel unser Auge. Wir können ein Nervensystem nur dadurch haben, daß wir die geistige Welt einlassen in uns und dann aufhalten. Wir können nur dadurch eine Denkkraft haben, daß wir die Vernunftwelt einlassen und dann aufhalten. Dadurch bildet sich unser Gehirn. Sollen sich noch höhere Organe bilden, dann müssen wir die Möglichkeit haben, eine weitere, eine noch höhere Welt aufzuhalten. Wir müssen ihr etwas entgegenschicken können, wie wir in unserem Gehirn der Vernunftwelt dasjenige entgegenschicken, was sie aufhält, damit sie sich spiegelt. Der Mensch muß also etwas tun, wenn er sich höherentwickeln will. Der Mensch muß etwas tun, um eine höhere Welt aufhalten zu können, um aus ihr Kräfte zu bekommen, die sonst einfach durch ihn durchgehen. Denn die Kräfte der Urbilderwelt gehen einfach durch ihn durch. Er muß nun selber einen Spiegelungsapparat schaffen. In dem Sinn, wie das der heutige Mensch kann und soll, schafft einen solchen Spiegelungsapparat die geisteswissenschaftliche Methode, welche in der Bearbeitung der Seele behufs der Erkenntnis der höheren Welten ausgeht von der sogenannten imaginativen Erkenntnis. Was der Mensch gewöhnlich erkennt, das ist die äußere physische Welt.
[[Kategorie:Evangelischer Theologe]]
 
[[Kategorie:Mystiker]]
Wenn der Mensch zu höherer Erkenntnis gelangen will, dann muß er also etwas tun, um sich zunächst höhere Organe zu schaffen. Er muß eine höhere Welt, als die Vernunftwelt ist, in sich zum Stillstand bringen, und das geschieht dadurch, daß der Mensch eine neue Tätigkeit ausführt. Sie können leicht begreifen, daß es unmöglich ist, mit demjenigen, was der Mensch im normalen Bewußtsein ausführt, zu höherer Erkenntnis zu kommen, denn was der Mensch im normalen Bewußtsein ausführt, erschöpft sich in dem, was wir angeführt haben. Der Mensch muß also etwas tun, um in sich eine neue Tätigkeit auszubilden, die nun sich der Urbilderwelt entgegenstellen und sie aufhalten kann. Das geschieht auf die Weise, daß der Mensch zum Beispiel lernt, solche inneren Erlebnisse durchzumachen, die nicht zu den gewöhnlichen Bewußtseinserlebnissen gehören. Und ein solches inneres Erlebnis, das ja eine Art typischen Erlebnisses ist, finden Sie beschrieben in meiner «Geheimwissenschaft» in dem Aufbau der Vorstellung des Rosenkreuzes." {{Lit|{{G|119|196ff}}}}
[[Kategorie:Deutscher]]
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[[Kategorie:Geboren 1533]]
 
[[Kategorie:Gestorben 1588]]
== Literatur ==
[[Kategorie:Mann]]
#Rudolf Steiner: ''Makrokosmos und Mikrokosmos'', [[GA 119]] (1988), Achter Vortrag, Wien, 28. März 1910
#Rudolf Steiner: ''Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt'', [[GA 153]] (1997), ISBN 3-7274-1530-4 {{Vorträge|153}}
#Rudolf Steiner: ''Heilfaktoren für den sozialen Organismus'', [[GA 198]] (1984), Dreizehnter Vortrag, Dornach, 10. Juli 1920


[[Kategorie:Grundbegriffe]]
{{Wikipedia}}

Version vom 2. Mai 2019, 08:55 Uhr

Valentin Weigel (auch Weichel; * 7. August 1533 in Naundorf; † 10. Juni 1588 in Zschopau) war ein deutscher mystisch-theosophischer Schriftsteller.

Leben

Auf Vermittlung des Rates Georg von Komerstadt besuchte Weigel 1549 bis 1554 die Fürstenschule St. Afra in Meißen und studierte danach Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften, später Theologie in Leipzig. 1558 wurde er Baccalaureus und Magister. Seit 1564 studierte und lehrte er in Wittenberg und wurde am 16. November 1567 durch den Wittenberger Generalsuperintendenten Paul Eber als Pastor Primarius in Zschopau ordiniert.

Weigel verbarg zeitlebens seine Sebastian Franck und Jakob Böhme nahestehenden mystischen Auffassungen. So wurde zu seinen Lebzeiten nur eine Leichenpredigt von ihm gedruckt. Erst zwanzig Jahre nach seinem Tode gelangten viele seiner Schriften, befördert von seinem Amtsnachfolger Benedikt Biedermann und seinen Söhnen Joachim und Nathanael, zum Druck. 1626 wurden seine Bücher öffentlich verbrannt.

Weigel bekämpfte volksfeindliche Potentaten, Fürsten und Prediger. Er berief sich vor allem auf Meister Eckart und Johannes Tauler. Thomas Müntzer, Andreas Bodenstein, Kaspar Schwenckfeld und das Täuferreich von Münster galten ihm als Gleichgesinnte. Seine an den Neuplatonismus und die deutsche Mystik anknüpfenden Ideen wurden Bestandteil der deutschen Ketzerbewegung und hatten Auswirkungen auf Dichter wie Angelus Silesius und Daniel Czepko.

Seine Anhänger wurden als Weigelianer bezeichnet.[1]

„Weigel verwaltete still und bescheiden sein Pfarramt in Zschopau. Erst aus seinen hinterlassenen, im siebzehnten Jahrhundert gedruckten Schriften erfuhr man etwas von den bedeutsamen Ideen, die ihm über die Natur des Menschen aufgegangen waren. (Von seinen Schriften seien genannt: « Der güldene Griff, das ist: All Ding ohne Irrthumb zu erkennen, vielen Hochgelährten unbekannt, und doch allen Menschen nothwendig zu wissen.» — «Erkenne dich selber.» - «Vom Ort der Welt.») Es drängt Weigel, sich über sein Verhältnis zur Lehre der Kirche klar zu werden. Das fuhrt ihn dazu, die Grundfesten aller Erkenntnis zu untersuchen. Ob der Mensch etwas durch ein Glaubensbekenntnis erkennen könne, darüber kann er sich nur Rechenschaft geben, wenn er weiß, wie er erkennt. Von der untersten Art des Erkennens geht Weigel aus. Er fragt sich: wie erkenne ich ein sinnliches Ding, wenn es mir entgegentritt? Von da hofft er aufsteigen zu können bis zu dem Gesichtspunkte, wo er sich über die höchste Erkenntnis Rechenschaft geben kann. - Bei der sinnlichen Erkenntnis stehen sich das Werkzeug (Sinnesorgan) und das Ding, der «Gegenwurf» gegenüber. «Dieweil in der natürlichen Erkenntnis sein müssen zwei Dinge, als das Objekt oder Gegenwurf, der soll erkannt und gesehen werden vom Auge; und das Auge, oder der Erkenner, der das Objekt sieht, und erkennt, so halte gegeneinander: ob die Erkenntnis herkomme vom Objekt in das Auge; oder ob das Urteil, und die Erkenntnis fließe vom Auge in das Objekt.» (« Der güldene Griff», 9. Kap.) Nun sagt sich Weigel: Würde die Erkenntnis aus dem Gegenwurf (Ding) in das Auge fließen, so müßte notwendig von einem und demselben Ding eine gleiche und vollkommene Erkenntnis in alle Augen kommen. Dies ist abei nicht der Fall, sondern jeder sieht nach Maßgabe seiner Augen. Nur die Augen, nicht der Gegenwurf, können schuld daran sein, daß von einem und demselben Ding vielerlei verschiedene Vorstellungen möglich sind. Weigel vergleicht, zur Klärung der Sache, das Sehen mit dem Lesen. Wäre das Buch nicht, so könnte ich es natürlich nicht lesen; aber es könnte immerhin da sein, und dennoch könnte ich nichts darin lesen, wenn ich nicht die Kunst, zu lesen, verstände. Das Buch muß also da sein; aber es kann mir, von sich aus, nicht das geringste geben; ich muß alles, was ich lese, aus mir herausholen. Das ist auch das Wesen der natürlichen (sinnlichen) Erkenntnis. Die Farbe ist als «Gegenwurf» da; aber sie kann, von sich aus, nichts dem Auge geben. Das Auge muß von sich aus erkennen, was die Farbe ist. So wenig wie der Inhalt des Buches in dem Leser ist, so wenig ist die Farbe im Auge. Wäre der Inhalt des Buches in dem Leser: er brauchte es nicht zu lesen. Dennoch fließt im Lesen dieser Inhalt nicht aus dem Buche, sondern aus dem Leser. So ist es auch mit dem sinnlichen Ding. Was dieses sinnliche Ding draußen ist, das fließet nicht von außen herein in den Menschen, sondern von innen heraus. — Man könnte, von diesen Gedanken ausgehend, sagen: Wenn alle Erkenntnis aus dem Menschen in den Gegenstand fließt, so erkennt man nicht, was im Gegenstande ist, sondern nur, was im Menschen selbst ist. Die ausführliche Durchbildung dieses Gedankenganges hat die Anschauung Immanuel Kants (1724-1804) gebracht. (Das Irrige dieses Gedankenganges findet man in meinem Buch «Philosophie der Freiheit» dargestellt. Hier muß ich mich darauf beschränken, zu erwähnen, daß Valentin Weigel mit seiner einfachen, urwüchsigen Vorstellungsart viel höher steht als Kant.) - Weigel sagt sich: Wenn auch die Erkenntnis aus dem Menschen fließt, so ist es doch nur das Wesen des Gegenwurfes, das von diesem auf dem Umwege durch den Menschen zum Vorschein kommt. Wie ich den Inhalt des Buches durch das Lesen erfahre, und nicht meinen eigenen, so erfahre ich die Farbe des Gegenwurfes durch das Auge; nicht die im Auge, oder in mir befindliche Farbe. Auf einem eigenen Wege kommt also Weigel zu einem Ergebnis, das uns bereits bei Nicolaus von Kues entgegengetreten ist. So hat sich Weigel über das Wesen der sinnlichen Erkenntnis aufgeklärt. Er ist zu der Überzeugung gekommen, daß alles, was uns die äußeren Dinge zu sagen haben, nur aus unserem eigenen Innern selbst herausfließen kann. Der Mensch kann sich nicht leidend verhalten, wenn er die sinnlichen Dinge erkennen will, und diese bloß auf sich wirken lassen wollen; sondern er muß sich tätig verhalten, und die Erkenntnis aus sich herausholen. Der Gegenwurf erweckt nur in dem Geiste die Erkenntnis. Zur höheren Erkenntnis steigt der Mensch auf, wenn der Geist sein eigener Gegenwurf wird. An der sinnlichen Erkenntnis ersieht man, daß keine Erkenntnis von außen in den Menschen einfließen kann. Also kann auch die höhere Erkenntnis nicht von außen kommen, sondern nur im Innern erweckt werden. Es kann daher keine äußere Offenbarung, sondern nur eine innere Erweckung geben. So wie nun der äußere Gegenwurf wartet, bis der Mensch ihm entgegentritt, in dem er sein Wesen aussprechen kann, so muß der Mensch, wenn er sich selbst Gegenwurf sein will, warten, bis in ihm die Erkenntnis seines Wesens erweckt wird. Muß in der sinnlichen Erkenntnis sich der Mensch tätig verhalten, damit er dem Gegenwurf dessen Wesen entgegenbringen kann, so muß in der höheren Erkenntnis sich der Mensch leidend verhalten, weil er jetzt Gegenwurf ist. Er muß sein Wesen in sich empfangen. Deshalb erscheint ihm die Erkenntnis des Geistes als Erleuchtung von oben. Im Gegensatz zur sinnlichen Erkenntnis nennt daher Weigel die höhere Erkenntnis das «Licht der Gnaden». Dieses «Licht der Gnaden» ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Selbsterkenntnis des Geistes im Menschen, oder die Wiedergeburt des Wissens auf der höheren Stufe des Schauens. - Wie nun Nicolaus von Kues beim Verfolgen seines Weges vom Wissen zum Schauen nicht wirklich das von ihm gewonnene Wissen auf höherer Stufe wiedergeboren werden läßt, sondern wie sich ihm das kirchliche Bekennt- nis, in dem er erzogen ist, als solche Wiedergeburt vortäuscht, so ist das auch bei Weigel der Fall. Er fuhrt sich auf den rechten Weg und verliert diesen in dem Augenblick wieder, in dem er ihn betritt. Wer den Weg gehen will, den Weigel weist, der kann diesen selbst nur bis zum Ausgangspunkte als Führer betrachten.“ (Lit.:GA 7, S. 119ff)

Werke

  • Unterrichts-Predigt: Wie man christlich trauern und täglich solle im Herrn sterben, 1576
  • Libellus de vita beata, 1609
  • Ein schön Gebetsbüchlein, welches die Einfältigen unterrichtet, 1612
  • Der güldene Griff, alle Ding ohne Irrtum zu erkennen. Krusicke, Halle 1613 (Digitalisat und Volltext)
  • Ein nützliches Traktätlein vom Ort der Welt, 1613
  • Dialogus de Christianismo, 1614
  • Erkenne dich selbst. 3 Bde. Knuber, Neustadt 1615 (Digitalisat und Volltext Bd. 2)
  • Informatorium oder Kurzer Unterricht, 1616 (erweitert: Soli deo gloria, 1618)
  • Kirchen- oder Hauspostill", 1618
  • Libellus disputatorus, 1618
  • De bono et malo in homine, 1618
  • Zwei schöne Büchlein, 1618
  • Studium universale, 1618
  • Tractatus de opere mirabili, 1619

Ausgaben

  • Valentin Weigel: Das Buch vom Gebet, hrsg. und sanft modernisiert von M. P. Steiner, Edition Oriflamme, Basel, ISBN 3-9520787-5-1
  • Valentin Weigel: Ausgewählte Werke, hrsg. und eingeleitet von Siegfried Wollgast. Union Verlag, Berlin 1977; darin: Erkenne dich selbst, Das andere Büchlein von der Erkenntnis seiner selbst, Ein nützliches Traktätlein vom Ort der Welt, Der güldene Griff, Predigt vom armen Lazarus, Dialog über das Christentum

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 680, online.


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