Brunetto Latini und Tempelschlaf: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Brunetto Latini''' (* um [[Wikipedia:1220|1220]] [[Wikipedia:Florenz|Florenz]]; † [[Wikipedia:1294|1294]]) war ein [[Wikipedia:italien|italien]]ischer Staatsmann, Schriftsteller, Gelehrter und Lehrer des [[Dante Alighieri]].
Der '''Tempelschlaf''' wurde, wie [[Wikipedia:Keilschrift|Keilschrift]]texte belegen, schon im 4. Jahrtausend v. Chr. von den [[Sumerer]]n für therapeutische Zwecke eingesetzt und war insbesondere von großer Bedeutung für die [[Ägyptisch-Chaldäische Kultur|ägyptische]] [[Heilkunst]]. Der mehr als 3000 Jahre alte Papyrus Ebers beschreibt u.a. die Methoden, wie man den heilenden hypnotischen Tiefschlaf einsetzen und herbeiführen konnte. Der Kranke wurde dazu in einen somnambulen Schlaf versetzt, in dem seine [[Hellsehen|Hellsichtigkeit]] erwachte. Er blickte dann zurück in jene Zeiten, wo es noch keine [[Krankheit]]en in der [[Menschheit]] gab. Er schaute die alten [[Atlantis|atlantischen]] Götter, und schon das wirkte gesundend, mehr aber noch die Anschaung jener Göttin, die in der ersten [[Lemuria|lemurischen Zeit]] die Befruchtung noch ohne geschlechtliche Fortpflanzung aus geistigen Sphären lenkte. Die Ägypter gaben dieser Göttin den Namen [[Isis]]. Die heilkräftige [[Imagination]] der Isis mit dem [[Horusknabe]]n lebt in abgeschwächter und verwandelter Form heute fort in der heilsamen Wirkung von Bildern der [[Madonna]] mit dem [[Jesus]]kind.


== Leben ==
<div style="margin-left:20px;">
"Der Tempelschlaf liegt ja der anderen eigentümlichen Tatsache zugrunde, daß bei den ägyptischen Priesterweisen, und überhaupt in der alten Kultur der Menschheit, die Weisheit in innigem Zusammenhange mit der Heilkunst, mit der Gesundheit gedacht wurde. Von den innigen Beziehungen zwischen Weisheit und Gesundheit, zwischen Wissenschaft und Heilkunst macht sich der heutige Mensch gegenüber jenen alten Vorstellungen doch nur einen sehr schwachen Begriff; und es wird die Aufgabe der Geisteswissenschaft sein, die Menschheit wiederum hinzuweisen auf jenen Begriff des Geistigen, durch den Weisheit und Heilkunst und Gesundheit wieder in einen näheren Zusammenhang gebracht werden. Wir erinnern uns dabei auch an etwas, das an allerlei Ausführungen anklingt, die wir gestern gemacht haben. Wir erinnern uns dabei jener alten Gestalt, an die wir denken mußten, als wir uns das Bild der Madonna mit ihrem Kinde, so wie Raffael es in der Sixtinischen Madonna gemalt hat, vor die Seele stellten, wir erinnern uns der Isis mit dem Horuskinde. Es ist die Göttin, deren Tempel die Aufschrift trug: «Ich bin, die da war, die da ist, die da sein wird - meinen Schleier kann kein Sterblicher lüften.» Diese Göttin wurde in einen geheimnisvollen Zusammenhang mit aller Heilkunst gebracht, sie wurde geradezu als die Lehrerin der ägyptischen Priester in bezug auf die Heilkunst betrachtet. Und eine merkwürdige Rede führte man noch in den letzten Zeiten des Altertums von jener Isis; in dieser Rede werden wir darauf aufmerksam gemacht, daß Isis sich noch in der Zeit, in der sie unter die Unsterblichen versetzt wurde, für die Heilkunst, für die Gesundheit der Menschen besonders interessiert hat. Das alles deutet auf sehr geheimnisvolle Zusammenhänge hin.


Brunetto war als Gesandter in Spanien bei König [[Wikipedia:Alfons X. (Kastilien)|Alfons von Kastilien]] gewesen und war gerade auf dem Rückweg in seine Heimatstadt Florenz, als er die Nachricht erhielt, dass die Partei der [[Wikipedia:Guelfen|Guelfen]], der er selbst angehörte, gestürzt worden sei ([[Wikipedia:1260|1260]]) und dass die [[Wikipedia:Ghibellinen|Ghibellinen]] mit brutaler Gewalt gegen sie vorgingen. Diese Nachricht traf ihn wie ein Schock, dazu kam noch ein leichter Sonnenstich, der seinen [[Ätherleib]] lockerte und ihm den geistigen Blick öffnete. Brunetto konnte in seinem [[Initiation]]s-Erlebnis einen Nachklang der [[Schule von Chartres]] auffangen. Äußerlich war die Schule von Chartres verklungen, aber die Äthersphäre war durchdrungen von ihrem Geist. Es war gerade die kurze Zeit der völligen geistigen Finsternis, die sich um [[1250]] über die Menschheit für wenige Jahre gebreitet hatte, abgelaufen.
Nun müssen wir mit einigen Strichen uns einmal das Wesen des Tempelschlafs, der zu den Heilmitteln der ägyptischen Priester gehörte, vor die Seele stellen. Derjenige, der in irgendeiner Weise an seiner Gesundheit Schaden gelitten hatte, wurde in der Regel nicht mit äußeren Heilmitteln behandelt in jenen Zeiten; es gab deren überhaupt nur wenig, und nur in seltenen Fällen wurden sie angewendet. Dagegen wurde der Betreffende in den meisten Fällen in den Tempel gebracht und dort in eine Art Schlaf versetzt. Es war das aber kein gewöhnlicher Schlaf, sondern eine Art von somnambulem Schlaf, der so gesteigert war, daß der Betreffende fähig wurde, nicht nur chaotische Träume zu haben, sondern regelrechte Gesichte zu sehen. Er nahm während dieses Tempelschlafes ätherische Gestalten in der geistigen Welt wahr, und die Priesterweisen verstanden die Kunst, auf diese ätherischen Bilder des Menschen einzuwirken; sie konnten sie lenken und leiten. Nehmen wir an, ein solcher Kranker wurde in den Tempelschlaf versetzt. Der heilkundige Priester war an seiner Seite. Wenn der somnambule Schlaf eingetreten war, so daß der Kranke also in einer Welt von ätherischen Gestalten lebte, dann lenkte der Priester durch die Macht, die ihm durch seine Einweihung innewohnte und die nur in jenen alten Zeiten möglich war, wo noch Daseinsbedingungen herrschten, die heute gar nicht mehr oder doch nur ganz selten vorhanden sind, da lenkte er durch diese Macht, durch diese Kräfte den ganzen Schlafzustand. Und er formte und gestaltete die ätherischen Gesichte und Wesenheiten so, daß tatsächlich wie durch einen Zauber vor dem Schlafenden die Gestalten auftauchten, die einst der alte Atlantier als seine Götter gesehen hatte. Solche Göttergestalten, an die die verschiedenen Völker nur noch eine Erinnerung bewahrt haben, zum Beispiel in der germanischen, der nordischen und auch in der griechischen Mythologie, besonders aber bestimmte Gestalten, die mit dem heilenden Prinzip verbunden waren, wurden nun vor die Seele dessen gestellt, der sich im Tempelschlaf befand. Wäre der Mensch bewußt geblieben wie in seinem Tagesbewußtsein, so wäre niemals die Möglichkeit vorhanden gewesen, solche Kräfte auf ihn wirken zu lassen; das war nur in einem solchen somnambulen Schlaf möglich. Die Priesterweisen lenkten das Traumleben also, daß starke Kräfte in diesem ätherischen Anschauen entfesselt wurden, und diese Kräfte wirkten ordnend und harmonisierend auf die in Unordnung und Disharmonie gebrachten Leibeskräfte. Bei diesem herabgestimmten Ich-Bewußtsein war das möglich. Der Tempelschlaf hatte also eine sehr reale Bedeutung. Aber wir sehen nun auch, warum eigentlich diese heilende Wirkung der Priesterweisen in solchen Zusammenhang mit der Weisheit gebracht wurde, die den Menschen nur durch ihre Einweihung zuteil werden konnte. Dieser Zusammenhang liegt klar vor uns. Die Priesterweisen waren es ja, die durch Wiederbelebung des alten Hineinschauens in die höheren Welten gerade in ihrer Weisheit die höheren Kräfte hatten, die aus dem Geistigen strömten, wo Geistiges auf Geistiges wirken konnte. So bekamen sie die Fähigkeit, Geistiges auf Geistiges wirken zu lassen, und dadurch kam die Weisheit überhaupt in jenen innigen Zusammenhang mit dem Gesundheitsleben.


Nach dem Sieg der Ghibellinen wurde Brunetto Latini verbannt und ging ins Exil nach [[Wikipedia:Paris|Paris]]. Hier schrieb er in [[Wikipedia:Französische Sprache|französischer Sprache]] sein ''[[Wikipedia:Trésor (Enzyklopädie)|Livre du Trésor]]'' (''"Buch vom Schatz"''), eine das [[Wissen]] seiner Zeit umspannende [[Wikipedia:Enzyklopädie|Enzyklopädie]], und fast gleichzeitig auf [[Wikipedia:Italienischer Sprache|Italienisch]] den ''Tesoretto''. Er trug damit wesentlich zur Entwicklung der italienischen Volkssprache bei. Der italienische Geschichtsschreiber [[Wikipedia:Giovanni Villani|Giovanni Villani]] (1276-1348) bezeichnete ihn deshalb als den ''"Beginner und Meister in der Entwicklung der toskanischen Sprache"''.
In diesem Sich-Hinaufheben zum Geistigen war in alten Zeiten ein gesundendes Element, und es wäre gut, wenn die Menschen so etwas wieder verstehen lernten, denn dann würden sie auch die große Mission der anthroposophischen Bewegung verstehen lernen. Was ist sie denn anderes, diese Mission, als den Menschen hinaufzuführen in die geistigen Welten, daß er wieder hineinschauen kann in die Welten, aus denen er heruntergestiegen ist! Zwar wird in zukünftigen Zeiten kein somnambuler Schlaf über die Menschen verhängt werden, das Selbstbewußtsein wird voll aufrechterhalten bleiben, aber dennoch wird die starke spirituelle Kraft wirksam werden in der Menschennatur, und dann wird der Besitz von Weisheit und Einsicht in die höheren Welten wiederum etwas sein, was ordnend und gesundend auf die Menschennatur einwirken kann. Heute liegt dieser Zusammenhang des Geistigen mit dem Heilenden so verborgen, daß die Menschen, die nicht in irgendeiner Weise in die tiefere Mysterienweisheit eingeweiht sind, nicht viel davon wissen; sie können eben die feinen Tatsachen, die vorliegen, gar nicht beobachten. Wer aber tiefer hineinschauen kann, der weiß, von welchen tief innerlichen Bedingungen eine Heilung abhängen kann. Nehmen wir zum Beispiel an, ein Mensch wird von einer gewissen Krankheit befallen, von einer Krankheit, die innere Ursachen hat, nicht also etwa Schenkelbruch oder verdorbener Magen, denn dabei handelt es sich auch um äußere Ursachen. Jeder, der tiefer in diese Dinge eindringen will, wird sehr bald einsehen, daß bei einem Menschen, der sich viel und gern mit mathematischen Vorstellungen beschäftigt, ganz andere Bedingungen der Heilung vorhanden sind als bei einem anderen, der sich nicht damit beschäftigen mag. Das ist eine Tatsache, die Sie darauf hinweist, welch ein merkwürdiger Zusammenhang besteht zwischen dem geistigen Leben eines Menschen und dem, was die Bedingungen seiner äußeren Gesundheit sind. Natürlich ist das nicht so, als ob das mathematische Denken den Menschen heilte. Wir müssen das genauer erfassen: andere Bedingungen der Heilung sind notwendig bei einem Menschen, der mathematische Vorstellungen aufnehmen kann, als bei einem, der es nicht tut. Setzen wir den Fall, zwei Menschen seien von der ganz gleichen Krankheit befallen. In Wirklichkeit kommt das ja nicht vor, aber als Hypothese können wir es ja hinstellen. Der eine will nichts wissen von mathematischen Vorstellungen, der andere beschäftigt sich intensiv damit. Es könnte dann der Fall eintreten, daß es ganz unmöglich wäre, den Nichtmathematiker gesund zu machen, während Sie den anderen mit den entsprechenden Mitteln heilen können. Das ist ein ganz realer Fall.


Nach der Wiedereinsetzung der Guelfen, die [[Wikipedia:1266|1266]] in der [[Wikipedia:Schlacht bei Benevent|Schlacht bei Benevent]] die Ghibellinen bezwangen, konnte Brunetto [[Wikipedia:1267|1267]] nach Florenz zurückkehren, bekleidete hier fortan wichtige Ämter und wurde [[Wikipedia:1287|1287]] zum Sekretär der Republik ernannt. In diese Zeit fällt auch die Erziehung des jungen Dante, der ihm durch Familienbeziehungen nahestand.
Ein anderes Beispiel: Es liegen wieder ganz andere Gesundheitsbedingungen vor bei zwei Menschen, von denen der eine ein Atheist im schlimmsten Sinne und der andere ein tief religiös veranlagter Mensch ist. Wieder kann es geschehen, daß, wenn beide von derselben Krankheit befallen werden, Sie mit denselben Heilmitteln den religiösen gesund machen und den anderen nicht. Das sind Zusammenhänge, die dem heutigen Denken - wenigstens bei dem größten Teil der Menschheit - geradezu absurd erscheinen. Und dennoch verhält es sich so.


== Il Tesoretto ==
Woher kommt das? Das beruht darauf, daß ein ganz anderer Einfluß auf die menschliche Natur ausgeübt wird von den sogenannten sinnlichkeitsfreien als von den sinnlichkeitserfüllten Vorstellungen. Denken Sie sich einmal den Unterschied zwischen einem Menschen, der die Mathematik haßt, und einem, der sie liebt. Der eine sagt: Das alles soll ich mir denken? Ich will aber nur das haben, was ich äußerlich mit meinen Sinnen anschauen kann! - Es ist jedoch für das innerste Wesen des Menschen von großem Nutzen, in Vorstellungen zu leben, die man nicht anschauen kann; und ebenso ist es nützlich, in religiösen Vorstellungen zu leben, denn auch diese beziehen sich auf Dinge, die man eben nicht mit den Händen greifen kann, die sich nicht auf Äußeres, Materielles beziehen, die mit einem Wort sinnlichkeitsfrei sind. Das sind Dinge, die einst, wenn man wieder mehr auf das Spirituelle sehen wird, einen großen Einfluß auf pädagogische Prinzipien haben werden. Nehmen wir zum Beispiel die einfache Vorstellung: drei mal drei ist neun. Am besten bilden sich die Kinder eine solche Vorstellung, wenn es sinnlichkeitsfrei geschieht. Es ist nicht gut, wenn sie zu lange drei mal drei Bohnen nebeneinander legen, denn dann kommen sie gar nicht über die sinnliche Vorstellung hinaus. Wenn Sie aber die Kinder daran gewöhnen, vielleicht zuerst, aber nicht zu lange, an den Fingern abzuzählen, dann es aber mit dem reinen Denken mathematisch zu verfolgen, dann wirkt diese Vorstellung gesundend und ordnend auf die Kinder. Wie wenig die jetzige Zeit von solchen Dingen versteht, das sehen wir daran, daß gerade in der Pädagogik das Gegenteil geschieht. Ist nicht in unsere Schulen die Rechenmaschine eingezogen, wo an allerlei Kugeln die Addition, Subtraktion und so weiter für das sinnliche Auge klargemacht werden soll? Das, was bloß im Geiste erfaßt werden sollte, will man, wie man sagt, auf diese Weise sinnlich veranschaulichen. Das mag bequem sein, aber wer das für pädagogisch hält, weiß nichts von jener tieferen Heilpädagogik, die in der Kraft des Geistigen wurzelt. Einen Menschen, den Sie von Kindheit auf daran gewöhnt haben, in sinnlichen Vorstellungen zu leben, werden Sie, weil sein Nervensystem unter krankhaften Bedingungen lebt, nicht so leicht heilen können wie denjenigen, der von seiner Jugend auf an sinnlichkeitsfreie Vorstellungen gewöhnt ist. Je mehr Sie den Menschen daran gewöhnen, abgesehen von den Dingen zu denken, desto leichter wird es sein, ihn zu heilen. Daher war es unter den alten Traditionen immer üblich, allerlei symbolische Figuren, Dreiecke, Zahlenkombinationen zu geben; das hatte den Zweck, neben dem übrigen Wert, den diese Dinge hatten, den Menschen zu erheben von dem bloßen Anschauen dessen, was aufgezeichnet ist. Wenn ich ein Dreieck vor mich hinstelle und es bloß anschaue, so hat das keinen besonderen Wert. Wenn ich dagegen in ihm die Symbolisierung der höheren Dreiheit des Menschen erfasse, so ist das eine für den Geist gesundende Vorstellung. Und nun denken Sie sich, daß die Geisteswissenschaft den Menschen zur Anschauung des Geistigen führen wird. Wir werden hingelenkt von dem, was sich auf der Erde abspielt, zu dem, was sich auf der alten Sonne, dem Monde, dem Saturn abgespielt hat. Mit physisch-sinnlichen Augen können Sie heute die Ereignisse von damals nicht sehen, nicht mit Sinneshänden hinaufgreifen zum alten Mond, zur alten Sonne. Aber wenn Sie ohne Zuhilfenahme der äußeren sinnlichen Krücken sich hinaufheben zu den Dingen, die da einst waren, dann eignen Sie sich Vorstellungen an, die ausgleichend und harmonisierend auf Ihr ganzes Leben einwirken, auch auf das leibliche. Daher wird die Geisteswissenschaft wieder ein großes, umfassendes Heilmittel sein, wie sie es einst war in der Handhabung der alten ägyptischen Priester, die allerdings eine Herabstimmung des Ich dazu benötigten, wie sie im Tempelschlaf ausgeübt wurde.
Brumetto Latini hat seine Schau in der Dichtung ''Il Tesoretto'' (''"der kleine Schatz"'') festgehalten: Von Schmerzen gebeugt ob der erhaltenen Schreckensbotschaft verliert er wie in Trance den Weg und findet sich endlich in einem abgelegnen, wilden Wald wieder. Als er sich endlich wieder besinnen kann, sieht er sich vor einen Berg gestellt und beobachtet große Scharen seltsamer Tiere, Menschen, Gräser, Blumen, Bäume, Steine und Perlen. Alles ist in ständiger Verwandlung, entsteht und vergeht wieder – und zwar so, wie es ein daneben stehendes weibliches Wesen gebietet, das Brunetto einmal wie verkörpert in wunderschöner Gestalt erscheint, dann wieder riesenhaft und gestaltlos - [[Natura]]. Jetzt lacht ihr Gesicht, dann ist es von Schmerzen verzerrt.


Brunetto Latini erneuert so das, was der Ägypter mit der [[Isis]] verband und der Grieche schilderte im [[Proserpina-Persephone-Mythos]], die ihrer Mutter [[Demeter]] das Gewand webt. Der Unterschied besteht darin, dass man in alten Zeiten das Augenmerk vor allem auf das Ruhende, auf das in allem Wechsel Bleibende legte, während Brunetto gerade auf das sich Wandelnde schaut. Es sind aber immer die Seelenkräfte gemeint, die als Begleiter des Nus, des Weltengeistes, schaffend die Welt durchweben. Natura ist eine Schwester der Urania, des Sternenhimmels. So wie Urania die kosmische Beraterin des Nus ist, so wird Nus in den irdischen Bereichen von Natura beraten.
Die spirituelle Weltanschauung ist eine gesundende Weltanschauung. Freilich wird da mancher einwenden: Sind denn die Anthroposophen lauter gesunde Menschen, sind unter ihnen nicht auch Kranke? Wir müssen uns darüber klarwerden, daß der einzelne Mensch im Grunde genommen sehr wenig für seine Gesundheit und Krankheit kann. Ein großer Teil der Krankheitsursachen liegt außerhalb der einzelnen Persönlichkeit. Sie können heute die gesündesten Begriffe haben, die, wenn Sie unter ganz gesunden Bedingungen leben würden, Sie niemals von innen heraus krank werden ließen; aber es gibt andere Ursachen, die nicht in der Macht des individuellen Menschen von heute liegen, zum Beispiel die geheimen Ursachen von Vererbung, des Einflusses von Mensch zu Mensch, des Einflusses einer unnatürlichen Umgebung und so weiter. Das alles sind Dinge, die in geheimnisvoller Art äußere Krankheitsursachen sind; sie alle können nur durch eine gesunde anthroposophische Denkweise im Laufe der Zeiten beseitigt werden. Aber wenn man auch sieht, daß heute selbst die innerlich gesündesten Menschen krank, sogar schwer krank werden können, so darf man dennoch darin nicht ein Zeugnis dafür erblicken, daß die Geisteswissenschaft nicht im Laufe der Jahrhunderte - und ich sage Jahrhunderte, nicht Jahrtausende - gesundend auf die Menschheit wirken werde. O, es steht vor dem Blicke des Geist-Erkennenden eine Zukunft, wo es innere Krankheitsursachen nicht geben wird für diejenigen, die die inneren und äußeren Bedingungen spiritueller Weisheit herbeiführen. Äußere Ursachen wird es immer geben, die können nur dadurch beseitigt werden, daß eine im geisteswissenschaftlichen Sinne gehaltene Heilkunst immer mehr und mehr Platz greift. Wir sehen: wenn wir die Wirkung des Geistigen richtig verstehen, dann ist der Tempelschlaf nichts Rätselhaftes für uns.


==Der Initiationsweg des Brunetto Latini==
Was also wurde in den ätherischen Gesichten als eine gesundheitlich wirkende Macht vor den Tempelschläfer gezaubert? Die Bilder der atlantischen Götter, die wir selbst als ätherische Gestalten kannten, unter denen die Menschen einst lebten, wenn sie außerhalb ihrer physischen Leiber waren und sich im ätherischen Hellsehen befanden.
Es sollen nun die einzelnen Stufen des Initiationsweges des Brunetto Latini genauer beschrieben werden.  


Indem Natura ihre Kräfte über Brunetto ausgießt, durchlebt er die einzelnen Stufen seiner Initiation. Er steigt erlebend in sein Inneres hinein und lernt zunächst seine Seelenkräfte zu schauen als [[Imagination]] wilder [[Tier]]e. Brunetto schaut also den [[Astralleib]] bzw. zuerst die in den Astralleib eingebetteten Seelenglieder: [[Empfindungsseele]], [[Verstandesseele]] und [[Bewusstseinsseele]], die durch die noch unbewusste Arbeit des [[Ich]] an den Leibeshüllen gebildet werden. Indem das Ich den Astralleib umwandelt, entsteht zunächst die Empfindungsseele, durch Umwandlung des Ätherleibes bildet sich die Verstandesseele und die Bewusstseinsseele kommt dadurch zustande, das das Ich bis in den [[Physischer Leib|physischen Körper]] hinein arbeitet. Namentlich arbeitet der [[Intellekt]] beständig in das physische [[Gehirn]] hinein und bildet dort geordnete Strukturen. Früh erworbene starre Denkmuster sind sehr tief eingegraben und es bedarf hoher Willensanstrengung, um sie wieder aufzulösen. Das Denken muss beweglich werden, Denkmuster müssen kristallklar ausgebildet, aber auch immer wieder überwunden werden. Durch diese intensive Arbeitet am physischen Gehirn wird das Bewusstsein gesteigert. Zur Wahrnehmung der geistigen Außenwelt in Gedankenform (platonische [[Ideenschau]]) kommt es aber erst, wenn das Denken rein im Ätherischen abläuft und der Ätherleib gleichsam mit seinen ätherischen Fangarmen die äußere Ätherwelt abtastet. Trotzdem müssen diese Erlebnisse hereingeholt und anschließend mit dem physischen Verstand gefasst werden. Nur dadurch, eben durch diese Arbeit am physischen Leib, wird die Bewusstseinsseele immer stärker ausgebildet und zwar jetzt so, dass wir auch Gedanken bewusst erfassen können, die sich auf rein Geistiges beziehen.
Und wenn wir nun noch weiter in der Menschheitsentwickelung zurückgehen, weit hinter die atlantische Zeit zurück, dann gelangen wir in eine Zeit, wo der Mensch erst das wurde, was er heute ist, wo der Mensch erst eintrat in die individuelle Persönlichkeit, die er heute hat. Wir nennen diese Zeit die lemurische Zeit. Der atlantische Kontinent, von dem aus sich die Völker nach Afrika, Europa, nach Asien hin verbreiteten, ging zugrunde durch gewaltige Wasserkatastrophen. Die Lemuria, jener Erdteil, auf dem die Menschheit vor der atlantischen Zeit wohnte, ging zugrunde durch Feuergewalten, durch vulkanische Katastrophen. In der lemurischen Zeit aber war es, wo der Mensch zum ersten Male überhaupt sein Ich-Bewußtsein erworben hat. Ein gewaltiger Einschnitt in der Menschheitsentwickelung war das. Wodurch erlangt der Mensch sein Ich-Bewußtsein? Es ist im allgemeinen für das heutige materialistische Denken schwer, sich diesen alten Zustand der Menschheit vorzustellen. Wenn Sie sich den damaligen Menschen so vorstellen würden, wie er heute ist, das heißt mit Fleisch und Blut, Knochen und Muskeln, dann würden Sie eine ganz falsche Vorstellung haben. Der Mensch von damals hatte eine weit flüchtigere, weichere Gestalt; fast flüssig war alles. Das, was später zu Muskeln und Knochen geworden ist, hat sich erst im Laufe der Zeiten verhärtet. Wir kommen da in eine Zeit zurück, wo noch eine ganz andere Art der Menschheitsfortpflanzung war. Der Mensch lebte damals mehr in der Umgebung der Erde, die aber nicht wie heute reine Luft war, sondern die mit allerlei Dämpfen angefüllt war. Als eine wahre Luftgestalt lebte der Mensch da, und es zogen die äußeren Strömungen ein und aus. Es war tatsächlich beinahe so, als ob wir heute eine Wolke ansehen, die fortwährend ihre Gestalt ändert, nur etwas fester und bestimmter war die Gestalt des einstigen Menschen. Damals trat auch zuerst das ein, was wir heute als die Geschlechter bezeichnen; es wurde in jenen Zeiten innerhalb des Menschengeschlechtes eine alte ungeschlechtliche Fortpflanzungsart ersetzt durch eine geschlechtliche. Das liegt allerdings Millionen und Millionen von Jahren zurück vor der gegenwärtigen Zeit.


Brunetto steigt also erlebend in sein Inneres hinein und lernt zuerst seine Seelenkräfte zu schauen (Astralleib, Tier-Imaginationen) und dann die 4 [[Temperamente]] (Ätherleib), um anschließend durch die Tore der 5 Sinne (physischer Leib) in die geistige Außenwelt vorzustoßen. Zunächst in die Welt der 4 Elemente, dann durch die 7 [[Planetensphären]], um schließlich den Ozean, den Okeanos, zu durchschreiten, d.h. jene übersinnliche Sphäre, die überhaupt kein sinnlich-äußeres Korrelat mehr hat, die jenseits der [[Fixsternsphäre]] liegt, dorthin, wo man sonst nur unbewusst im tiefen Schlaf ist (vgl. Faust II: finstere Galerie). Es ist das Reich der gestaltlosen Urbilder, der höchsten [[Platonische Ideen|platonischen Ideen]] – das obere [[Devachan]] in anthroposophischer Ausdrucksweise. Dieses Hinausgehen in den [[Okeanos]] hat man früher bezeichnet als das Durchschreiten durch die "[[Wikipedia:Säulen des Herakles|Säulen des Herakles]]" (im [[Hebräisch]]en als [[Jakim]]- und [[Boas]]-Säule beschrieben):
Mit der geschlechtlichen Fortpflanzung trat erst die Einverleibung des Ich im ersten Keime in die Menschheit ein. Früher wurde der Mensch noch durch ganz andere Einflüsse dazu angeregt, seinesgleichen aus sich hervorgehen zu lassen; durch äußere Einflüsse wurde er dazu veranlaßt, durch Einflüsse, die in der Sphäre um ihn herum lagen. Das war die Fortpflanzung jener Zeit, wo der Mensch noch nicht sein Ich hatte, wo er noch mit einem dumpfen, hellseherischen Bewußtsein ausgestattet war, wo er sozusagen noch ganz im Schöße der Gottheit ruhte. Er konnte nicht sagen: «Ich bin». Was er empfand, war etwa folgendes: Er sah, daß, wenn er irgend etwas tat, es einen Eindruck auf seine Umgebung machte, und er fühlte sein Dasein in seiner Umgebung. Er konnte nicht sagen: Ich bin da -, sondern er sagte: Meine Umgebung läßt mich da sein. - Er lag im Schoße der lebendigen Erde, und die lebendigen Erdenkräfte strömten aus und ein. Damals gab es noch keine ungesunden Kräfte, da gab es noch nicht Krankheit, nicht einmal Tod in unserer heutigen Auffassung. Erst als dem Menschen mit der geschlechtlichen Fortpflanzung sein Ich ausgeliefert wurde, da erst zogen Krankheit und Tod in die Menschheit ein. Wenn wir das alles uns richtig vorstellen, dann müssen wir sagen: Damals wurde das Menschenwesen nicht von seinesgleichen befruchtet, sondern so, wie es heute atmet, so nahm es damals die Stoffe aus seiner Umgebung in sich auf; und in dieser Umgebung waren die Kräfte der Befruchtung enthalten. Was da eindrang, das befruchtete ihn, das veranlaßte ihn, seinesgleichen hervorzubringen. Und das waren gesunde Kräfte im Menschen selber und in dem, was er als seinesgleichen hervorbrachte. Die alten ägyptischen Priester aber wußten das, und sie sagten sich: Je weiter man das Anschauen der Menschen zurücklenkt in frühere Zustände, desto mehr bringt man ihn in die Bedingungen, wo es keine Krankheiten gibt. — Schon das Anschauen der alten atlantischen Göttergestalten konnte gesundend wirken, mehr aber noch war das der Fall, wenn die Priester die Gesichte so lenkten, daß der Tempelschläfer jene uralten Menschengestalten vor sich hatte, die noch nicht von ihresgleichen befruchtet wurden, die aus der Umgebung heraus ihre Befruchtung erhielten. Da stand vor dem im Tempelschlaf liegenden Kranken die Gestalt der Gebärerin ihresgleichen ohne die Befruchtung durch ihresgleichen. Da stand vor ihm die hervorbringende Frau, die Frau mit dem Kinde, die da jungfräulich ist, die Göttin, die in jener lemurischen Zeit eine Genossin der Menschen war, und die mittlerweile dem Blick der Menschheit entschwunden ist. Die nannte man die heilige Isis im alten Ägypten. Die Menschheit konnte diese Isis normalerweise nur damals sehen, als der Tod noch nicht eingezogen war; da waren die Menschen in normalem Bewußtseinszustande Genossen solcher Gestalten, die sie umschwebten und die ihresgleichen auf jungfräuliche Art hervorbrachten. Und als die Isis nicht mehr die sichtbare Genossin der Menschheit war, als sie in den Kreis der Götter entrückt wurde, da interessierte sie sich immer noch aus der geistigen Welt heraus für die Gesundheit der Menschen, so sagten die Priester. Und wenn man den Menschen in abnormer Weise, wie im Tempelschlaf, zu einer Anschauung jener alten Gestalten, jenes heiligen Isisbildes brachte, dann wirkte die Göttin immer noch gesundend, denn sie ist das Prinzip im Menschen, das da war, bevor die sterbliche Hülle den Menschen umgab. Ihren Schleier hat kein Sterblicher gehoben, denn sie ist die Gestalt, die da war, als der Tod überhaupt noch nicht in die Welt gekommen war. Sie ist das im Ewigen Wurzelnde, sie ist die große heilende Wesenheit, die die Menschheit wieder erringen wird, wenn sie sich aufs neue vertiefen wird in die spirituelle Weisheit.


:::::*Seelenkräfte
So sehen wir, was geblieben ist in jenem wunderbaren Symbolum der jungfräulichen Mutter mit dem Kinde, die sich im Madonnenbilde, wir können es auf geisteswissenschaftlichem Boden mit aller Kraft sagen: in dem gesundend wirkenden Madonnenbilde erhalten hat. Denn das Madonnenbild ist - in jenen Grenzen, die erörtert worden sind - ein Heilmittel. Wenn es so behandelt wird, daß die menschliche Seele noch eine Nachwirkung hat, wenn sie im Schlafe liegt und etwa träumen kann von diesem Madonnenbilde, dann hat dieses auch heute noch eine heilende Kraft." {{lit|GA 105, 2.Vortrag}}
:::::*vier Temperamente
</div>
:::::*fünf Sinne
:::::*vier Elemente
:::::*sieben Planeten
:::::*Okeanos


Alle diese Initiations-Schritte unternimmt Brunetto auf Geheiß der Frau, die ihm in der Imagination erscheint. Und dann, und das ist besonders wichtig und typisch, nachdem er den geistigen Ozean durchschwommen hat, erwacht er wieder in der physischen Welt! Er findet sich wieder in seinem Wald. Doch gleich steht Natura wieder neben ihm und ermahnt in, nach rechts weiterzureiten. Dann werde er die großen Lehre in ganz neuem Licht schauen: die Philosophie, die 4 (platonischen) Tugenden (also Weisheit, Mut, Mäßigkeit und Gerechtigkeit) und endlich den Gott der Liebe. Entscheidend ist also, dass Brunetto jetzt seine geistige Erkenntnis in das wache Tagesbewusstsein mitnehmen kann.
==Literatur==
#Reinhold Scholl: ''Der Papyrus Ebers. Die größte Buchrolle zur Heilkunde Altägyptens'' (Schriften aus der Universitätsbibliothek 7), Leipzig 2002; ISBN 3-910108-93-8.
#Rudolf Steiner: ''Welt, Erde und Mensch'', [[GA 105]] (1983), Zweiter Vortrag, Stuttgart, 5. August 1908


Brunetto erlebt das nun so: er kommt zunächst in eine Wüste. Hier sind keine Menschen, keine Tiere, keine Pflanzen, kein Fluß und kein Bach. Schließlich schaut er Kaiser, Könige, Gelehrte, über allen aber die Kaiserin, Tugend genannt, mit ihren vier Königstöchtern. Bald erscheint sie ihm als ein einziges Wesen, dann wieder als vier Wesen. Brunetto kommt dann weiter in das Reich des Glücks und der Liebe. Von einem Pfeil des Liebesgottes getroffen, wünscht Brunetto zu entfliehen und wird von Ovid (Metamorphosen!) von diesem Ort befreit.
{{Vorlage:GA}}


Der Tesoretto nimmt dann noch einen weiteren Fortgang, wo Brunetto schildert, wie er im Kloster zu Montpellier, wo auch [[Alanus ab Insulis]] gewirkt hatte, den Mönchen seine Sünden beichtet. Endlich schildert Brunetto, wie er eine weitere Reise unternimmt, um die 7 freien Künste zu schauen. An einem Festtag reitet er wieder in den Wald, erschaut dort den Berg Olymp, die vier Elemente und schließlich begegnet er [[Wikipedia:Ptolemäus|Ptolemäus]], redet ihn an ... und damit bricht unvollendet das Werk ab.
==Weblinks==
 
# [http://www.aubert.de/html/entspannung_ii.html Entpannung] - Tempelschlaf und Hypnose im historischen Kontext.
Bedeutsam ist Brunettos Werk als allerletztes Beispiel dafür, wie man im Mittelalter noch aus dem inneren Erleben zu einem geistigen Schauen der Natur durchbrechen konnte. Dann kam das Zeitalter der äußeren Naturwissenschaft. Und das hat auch Konsequenzen für den Initiations-Weg. Um heute einen ähnlichen Weg wie Brunetto gehen zu können, bedarf es einer weiteren Vorbereitung. Würden wir so wie er durch die Tore der Sinne in die geistige Außenwelt hinaustreten, würde sich eine ziemliche geistige Finsternis ausbreiten. Damit das nicht geschieht, bedarf es folgender Einschiebung auf dem Initiationsweg: man muss sich darin üben, Geistig-Ideelles als äußere Wirklichkeit in der Metamorphose der Gestaltungen der Welt zu schauen – also das, was [[Goethe]] mit seiner [[Metamorphosenlehre]] angestrebt hat.
# [http://www.hieroglyphen.net/andere/Ebers/ebers.htm Der Papyrus Ebers] - Das größte Buch zur Heilkunst im Alten Ägypten - ein Auszug.  
 
# [http://www.mein-altaegypten.de/internet/Alt_Aegypten_2/heilkundeframe.html Heilkunde im alten Ägypten]
Eine weitere Einschiebung auf dem [[Schulungsweg]] ist heute notwendig, bevor man die «Säulen des Herakles» durchschreitet. Man muss einen festen inneren Schwerpunkt, eine ungeheure Vertiefung seines eigenen Wesens erfahren, etwas was einem dann die Orientierung geben, die Richtung weisen kann in dem ungeheuren geistigen Ozean. Und es muss dabei die ganz starke Empfindung entstehen, das es äußere Dinge geben kann, die einem subjektiv gar nichts angehen, die man aber doch so intensiv und begeistert miterlebt, als würden sie einem selbst zutieftst betreffen. So erwirbt man sich ein Werkzeug der Orientierung, einen Kompass für die geistige Welt. Es geht also um die Stärkung der Ich-Kraft und der damit verbundenen Liebes-Kraft. Dann kann sich das Wort von Goethes Faust erfüllen: "In deinem Nichts hoff’ ich das All zu finden!" Damit stellt sich der moderne Initiationsweg insgesamt so dar:
 
:::::*Seelenkräfte
:::::*vier Temperamente
::::::*'''Metamorphosen des Lebens'''
:::::*fünf Sinne
:::::*vier Elemente
:::::*sieben Planeten
::::::*'''Werkzeug der Orientierung (Kompass)''' [[Ich]]
:::::*Okeanos
 
Berühmt wurde Brunetto allerdings nicht des ''Tesorettos'' wegen, sondern wegen des "großen Schatzes", des ''«Trésor»'', einem enzyklopädischen Werk, das die gesamte damalige Welterkenntnis zu umfassen strebte, und das Brunetto später in Frankreich in französischer Sprache verfasst hat. In späteren Jahren bekleidete Brunetto wieder öffentliche Ämter in Florenz und wurde hier der Freund und Lehrer des Dante. Der Einfluß auf Dantes "[[Göttliche Komödie]]" ist unübersehbar.
 
== Werke (Auswahl) ==
 
* ''Il Tesoretto e il Favolello'', hersg. von B. von Wiese, in: Zeitschrift für romanische Philologie 7, S. 236 ss.
* ''Li livres dou Trésor'', herausgegeben von [[Wikipedia:Polycarpe Chabaille|Polycarpe Chabaille]], Paris 1863.
 
==Literatur==
#Rudolf Steiner: ''Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung'', [[GA 161]] (1980), Dornach, 30. Januar 1915
#Rudolf Steiner: ''Wie kann die Menschheit den Christus wiederfinden? Das dreifache Schattendasein unserer Zeit und das neue Christus-Licht'', [[GA 187]], Dornach, 29. Dezember 1918


[[Kategorie:Eingeweihte]]
[[Kategorie:Heilkunst]] [[Kategorie:Medizin]] [[Kategorie:Ägyptisch-chaldäische Kultur]]

Version vom 27. März 2013, 13:50 Uhr

Der Tempelschlaf wurde, wie Keilschrifttexte belegen, schon im 4. Jahrtausend v. Chr. von den Sumerern für therapeutische Zwecke eingesetzt und war insbesondere von großer Bedeutung für die ägyptische Heilkunst. Der mehr als 3000 Jahre alte Papyrus Ebers beschreibt u.a. die Methoden, wie man den heilenden hypnotischen Tiefschlaf einsetzen und herbeiführen konnte. Der Kranke wurde dazu in einen somnambulen Schlaf versetzt, in dem seine Hellsichtigkeit erwachte. Er blickte dann zurück in jene Zeiten, wo es noch keine Krankheiten in der Menschheit gab. Er schaute die alten atlantischen Götter, und schon das wirkte gesundend, mehr aber noch die Anschaung jener Göttin, die in der ersten lemurischen Zeit die Befruchtung noch ohne geschlechtliche Fortpflanzung aus geistigen Sphären lenkte. Die Ägypter gaben dieser Göttin den Namen Isis. Die heilkräftige Imagination der Isis mit dem Horusknaben lebt in abgeschwächter und verwandelter Form heute fort in der heilsamen Wirkung von Bildern der Madonna mit dem Jesuskind.

"Der Tempelschlaf liegt ja der anderen eigentümlichen Tatsache zugrunde, daß bei den ägyptischen Priesterweisen, und überhaupt in der alten Kultur der Menschheit, die Weisheit in innigem Zusammenhange mit der Heilkunst, mit der Gesundheit gedacht wurde. Von den innigen Beziehungen zwischen Weisheit und Gesundheit, zwischen Wissenschaft und Heilkunst macht sich der heutige Mensch gegenüber jenen alten Vorstellungen doch nur einen sehr schwachen Begriff; und es wird die Aufgabe der Geisteswissenschaft sein, die Menschheit wiederum hinzuweisen auf jenen Begriff des Geistigen, durch den Weisheit und Heilkunst und Gesundheit wieder in einen näheren Zusammenhang gebracht werden. Wir erinnern uns dabei auch an etwas, das an allerlei Ausführungen anklingt, die wir gestern gemacht haben. Wir erinnern uns dabei jener alten Gestalt, an die wir denken mußten, als wir uns das Bild der Madonna mit ihrem Kinde, so wie Raffael es in der Sixtinischen Madonna gemalt hat, vor die Seele stellten, wir erinnern uns der Isis mit dem Horuskinde. Es ist die Göttin, deren Tempel die Aufschrift trug: «Ich bin, die da war, die da ist, die da sein wird - meinen Schleier kann kein Sterblicher lüften.» Diese Göttin wurde in einen geheimnisvollen Zusammenhang mit aller Heilkunst gebracht, sie wurde geradezu als die Lehrerin der ägyptischen Priester in bezug auf die Heilkunst betrachtet. Und eine merkwürdige Rede führte man noch in den letzten Zeiten des Altertums von jener Isis; in dieser Rede werden wir darauf aufmerksam gemacht, daß Isis sich noch in der Zeit, in der sie unter die Unsterblichen versetzt wurde, für die Heilkunst, für die Gesundheit der Menschen besonders interessiert hat. Das alles deutet auf sehr geheimnisvolle Zusammenhänge hin.

Nun müssen wir mit einigen Strichen uns einmal das Wesen des Tempelschlafs, der zu den Heilmitteln der ägyptischen Priester gehörte, vor die Seele stellen. Derjenige, der in irgendeiner Weise an seiner Gesundheit Schaden gelitten hatte, wurde in der Regel nicht mit äußeren Heilmitteln behandelt in jenen Zeiten; es gab deren überhaupt nur wenig, und nur in seltenen Fällen wurden sie angewendet. Dagegen wurde der Betreffende in den meisten Fällen in den Tempel gebracht und dort in eine Art Schlaf versetzt. Es war das aber kein gewöhnlicher Schlaf, sondern eine Art von somnambulem Schlaf, der so gesteigert war, daß der Betreffende fähig wurde, nicht nur chaotische Träume zu haben, sondern regelrechte Gesichte zu sehen. Er nahm während dieses Tempelschlafes ätherische Gestalten in der geistigen Welt wahr, und die Priesterweisen verstanden die Kunst, auf diese ätherischen Bilder des Menschen einzuwirken; sie konnten sie lenken und leiten. Nehmen wir an, ein solcher Kranker wurde in den Tempelschlaf versetzt. Der heilkundige Priester war an seiner Seite. Wenn der somnambule Schlaf eingetreten war, so daß der Kranke also in einer Welt von ätherischen Gestalten lebte, dann lenkte der Priester durch die Macht, die ihm durch seine Einweihung innewohnte und die nur in jenen alten Zeiten möglich war, wo noch Daseinsbedingungen herrschten, die heute gar nicht mehr oder doch nur ganz selten vorhanden sind, da lenkte er durch diese Macht, durch diese Kräfte den ganzen Schlafzustand. Und er formte und gestaltete die ätherischen Gesichte und Wesenheiten so, daß tatsächlich wie durch einen Zauber vor dem Schlafenden die Gestalten auftauchten, die einst der alte Atlantier als seine Götter gesehen hatte. Solche Göttergestalten, an die die verschiedenen Völker nur noch eine Erinnerung bewahrt haben, zum Beispiel in der germanischen, der nordischen und auch in der griechischen Mythologie, besonders aber bestimmte Gestalten, die mit dem heilenden Prinzip verbunden waren, wurden nun vor die Seele dessen gestellt, der sich im Tempelschlaf befand. Wäre der Mensch bewußt geblieben wie in seinem Tagesbewußtsein, so wäre niemals die Möglichkeit vorhanden gewesen, solche Kräfte auf ihn wirken zu lassen; das war nur in einem solchen somnambulen Schlaf möglich. Die Priesterweisen lenkten das Traumleben also, daß starke Kräfte in diesem ätherischen Anschauen entfesselt wurden, und diese Kräfte wirkten ordnend und harmonisierend auf die in Unordnung und Disharmonie gebrachten Leibeskräfte. Bei diesem herabgestimmten Ich-Bewußtsein war das möglich. Der Tempelschlaf hatte also eine sehr reale Bedeutung. Aber wir sehen nun auch, warum eigentlich diese heilende Wirkung der Priesterweisen in solchen Zusammenhang mit der Weisheit gebracht wurde, die den Menschen nur durch ihre Einweihung zuteil werden konnte. Dieser Zusammenhang liegt klar vor uns. Die Priesterweisen waren es ja, die durch Wiederbelebung des alten Hineinschauens in die höheren Welten gerade in ihrer Weisheit die höheren Kräfte hatten, die aus dem Geistigen strömten, wo Geistiges auf Geistiges wirken konnte. So bekamen sie die Fähigkeit, Geistiges auf Geistiges wirken zu lassen, und dadurch kam die Weisheit überhaupt in jenen innigen Zusammenhang mit dem Gesundheitsleben.

In diesem Sich-Hinaufheben zum Geistigen war in alten Zeiten ein gesundendes Element, und es wäre gut, wenn die Menschen so etwas wieder verstehen lernten, denn dann würden sie auch die große Mission der anthroposophischen Bewegung verstehen lernen. Was ist sie denn anderes, diese Mission, als den Menschen hinaufzuführen in die geistigen Welten, daß er wieder hineinschauen kann in die Welten, aus denen er heruntergestiegen ist! Zwar wird in zukünftigen Zeiten kein somnambuler Schlaf über die Menschen verhängt werden, das Selbstbewußtsein wird voll aufrechterhalten bleiben, aber dennoch wird die starke spirituelle Kraft wirksam werden in der Menschennatur, und dann wird der Besitz von Weisheit und Einsicht in die höheren Welten wiederum etwas sein, was ordnend und gesundend auf die Menschennatur einwirken kann. Heute liegt dieser Zusammenhang des Geistigen mit dem Heilenden so verborgen, daß die Menschen, die nicht in irgendeiner Weise in die tiefere Mysterienweisheit eingeweiht sind, nicht viel davon wissen; sie können eben die feinen Tatsachen, die vorliegen, gar nicht beobachten. Wer aber tiefer hineinschauen kann, der weiß, von welchen tief innerlichen Bedingungen eine Heilung abhängen kann. Nehmen wir zum Beispiel an, ein Mensch wird von einer gewissen Krankheit befallen, von einer Krankheit, die innere Ursachen hat, nicht also etwa Schenkelbruch oder verdorbener Magen, denn dabei handelt es sich auch um äußere Ursachen. Jeder, der tiefer in diese Dinge eindringen will, wird sehr bald einsehen, daß bei einem Menschen, der sich viel und gern mit mathematischen Vorstellungen beschäftigt, ganz andere Bedingungen der Heilung vorhanden sind als bei einem anderen, der sich nicht damit beschäftigen mag. Das ist eine Tatsache, die Sie darauf hinweist, welch ein merkwürdiger Zusammenhang besteht zwischen dem geistigen Leben eines Menschen und dem, was die Bedingungen seiner äußeren Gesundheit sind. Natürlich ist das nicht so, als ob das mathematische Denken den Menschen heilte. Wir müssen das genauer erfassen: andere Bedingungen der Heilung sind notwendig bei einem Menschen, der mathematische Vorstellungen aufnehmen kann, als bei einem, der es nicht tut. Setzen wir den Fall, zwei Menschen seien von der ganz gleichen Krankheit befallen. In Wirklichkeit kommt das ja nicht vor, aber als Hypothese können wir es ja hinstellen. Der eine will nichts wissen von mathematischen Vorstellungen, der andere beschäftigt sich intensiv damit. Es könnte dann der Fall eintreten, daß es ganz unmöglich wäre, den Nichtmathematiker gesund zu machen, während Sie den anderen mit den entsprechenden Mitteln heilen können. Das ist ein ganz realer Fall.

Ein anderes Beispiel: Es liegen wieder ganz andere Gesundheitsbedingungen vor bei zwei Menschen, von denen der eine ein Atheist im schlimmsten Sinne und der andere ein tief religiös veranlagter Mensch ist. Wieder kann es geschehen, daß, wenn beide von derselben Krankheit befallen werden, Sie mit denselben Heilmitteln den religiösen gesund machen und den anderen nicht. Das sind Zusammenhänge, die dem heutigen Denken - wenigstens bei dem größten Teil der Menschheit - geradezu absurd erscheinen. Und dennoch verhält es sich so.

Woher kommt das? Das beruht darauf, daß ein ganz anderer Einfluß auf die menschliche Natur ausgeübt wird von den sogenannten sinnlichkeitsfreien als von den sinnlichkeitserfüllten Vorstellungen. Denken Sie sich einmal den Unterschied zwischen einem Menschen, der die Mathematik haßt, und einem, der sie liebt. Der eine sagt: Das alles soll ich mir denken? Ich will aber nur das haben, was ich äußerlich mit meinen Sinnen anschauen kann! - Es ist jedoch für das innerste Wesen des Menschen von großem Nutzen, in Vorstellungen zu leben, die man nicht anschauen kann; und ebenso ist es nützlich, in religiösen Vorstellungen zu leben, denn auch diese beziehen sich auf Dinge, die man eben nicht mit den Händen greifen kann, die sich nicht auf Äußeres, Materielles beziehen, die mit einem Wort sinnlichkeitsfrei sind. Das sind Dinge, die einst, wenn man wieder mehr auf das Spirituelle sehen wird, einen großen Einfluß auf pädagogische Prinzipien haben werden. Nehmen wir zum Beispiel die einfache Vorstellung: drei mal drei ist neun. Am besten bilden sich die Kinder eine solche Vorstellung, wenn es sinnlichkeitsfrei geschieht. Es ist nicht gut, wenn sie zu lange drei mal drei Bohnen nebeneinander legen, denn dann kommen sie gar nicht über die sinnliche Vorstellung hinaus. Wenn Sie aber die Kinder daran gewöhnen, vielleicht zuerst, aber nicht zu lange, an den Fingern abzuzählen, dann es aber mit dem reinen Denken mathematisch zu verfolgen, dann wirkt diese Vorstellung gesundend und ordnend auf die Kinder. Wie wenig die jetzige Zeit von solchen Dingen versteht, das sehen wir daran, daß gerade in der Pädagogik das Gegenteil geschieht. Ist nicht in unsere Schulen die Rechenmaschine eingezogen, wo an allerlei Kugeln die Addition, Subtraktion und so weiter für das sinnliche Auge klargemacht werden soll? Das, was bloß im Geiste erfaßt werden sollte, will man, wie man sagt, auf diese Weise sinnlich veranschaulichen. Das mag bequem sein, aber wer das für pädagogisch hält, weiß nichts von jener tieferen Heilpädagogik, die in der Kraft des Geistigen wurzelt. Einen Menschen, den Sie von Kindheit auf daran gewöhnt haben, in sinnlichen Vorstellungen zu leben, werden Sie, weil sein Nervensystem unter krankhaften Bedingungen lebt, nicht so leicht heilen können wie denjenigen, der von seiner Jugend auf an sinnlichkeitsfreie Vorstellungen gewöhnt ist. Je mehr Sie den Menschen daran gewöhnen, abgesehen von den Dingen zu denken, desto leichter wird es sein, ihn zu heilen. Daher war es unter den alten Traditionen immer üblich, allerlei symbolische Figuren, Dreiecke, Zahlenkombinationen zu geben; das hatte den Zweck, neben dem übrigen Wert, den diese Dinge hatten, den Menschen zu erheben von dem bloßen Anschauen dessen, was aufgezeichnet ist. Wenn ich ein Dreieck vor mich hinstelle und es bloß anschaue, so hat das keinen besonderen Wert. Wenn ich dagegen in ihm die Symbolisierung der höheren Dreiheit des Menschen erfasse, so ist das eine für den Geist gesundende Vorstellung. Und nun denken Sie sich, daß die Geisteswissenschaft den Menschen zur Anschauung des Geistigen führen wird. Wir werden hingelenkt von dem, was sich auf der Erde abspielt, zu dem, was sich auf der alten Sonne, dem Monde, dem Saturn abgespielt hat. Mit physisch-sinnlichen Augen können Sie heute die Ereignisse von damals nicht sehen, nicht mit Sinneshänden hinaufgreifen zum alten Mond, zur alten Sonne. Aber wenn Sie ohne Zuhilfenahme der äußeren sinnlichen Krücken sich hinaufheben zu den Dingen, die da einst waren, dann eignen Sie sich Vorstellungen an, die ausgleichend und harmonisierend auf Ihr ganzes Leben einwirken, auch auf das leibliche. Daher wird die Geisteswissenschaft wieder ein großes, umfassendes Heilmittel sein, wie sie es einst war in der Handhabung der alten ägyptischen Priester, die allerdings eine Herabstimmung des Ich dazu benötigten, wie sie im Tempelschlaf ausgeübt wurde.

Die spirituelle Weltanschauung ist eine gesundende Weltanschauung. Freilich wird da mancher einwenden: Sind denn die Anthroposophen lauter gesunde Menschen, sind unter ihnen nicht auch Kranke? Wir müssen uns darüber klarwerden, daß der einzelne Mensch im Grunde genommen sehr wenig für seine Gesundheit und Krankheit kann. Ein großer Teil der Krankheitsursachen liegt außerhalb der einzelnen Persönlichkeit. Sie können heute die gesündesten Begriffe haben, die, wenn Sie unter ganz gesunden Bedingungen leben würden, Sie niemals von innen heraus krank werden ließen; aber es gibt andere Ursachen, die nicht in der Macht des individuellen Menschen von heute liegen, zum Beispiel die geheimen Ursachen von Vererbung, des Einflusses von Mensch zu Mensch, des Einflusses einer unnatürlichen Umgebung und so weiter. Das alles sind Dinge, die in geheimnisvoller Art äußere Krankheitsursachen sind; sie alle können nur durch eine gesunde anthroposophische Denkweise im Laufe der Zeiten beseitigt werden. Aber wenn man auch sieht, daß heute selbst die innerlich gesündesten Menschen krank, sogar schwer krank werden können, so darf man dennoch darin nicht ein Zeugnis dafür erblicken, daß die Geisteswissenschaft nicht im Laufe der Jahrhunderte - und ich sage Jahrhunderte, nicht Jahrtausende - gesundend auf die Menschheit wirken werde. O, es steht vor dem Blicke des Geist-Erkennenden eine Zukunft, wo es innere Krankheitsursachen nicht geben wird für diejenigen, die die inneren und äußeren Bedingungen spiritueller Weisheit herbeiführen. Äußere Ursachen wird es immer geben, die können nur dadurch beseitigt werden, daß eine im geisteswissenschaftlichen Sinne gehaltene Heilkunst immer mehr und mehr Platz greift. Wir sehen: wenn wir die Wirkung des Geistigen richtig verstehen, dann ist der Tempelschlaf nichts Rätselhaftes für uns.

Was also wurde in den ätherischen Gesichten als eine gesundheitlich wirkende Macht vor den Tempelschläfer gezaubert? Die Bilder der atlantischen Götter, die wir selbst als ätherische Gestalten kannten, unter denen die Menschen einst lebten, wenn sie außerhalb ihrer physischen Leiber waren und sich im ätherischen Hellsehen befanden.

Und wenn wir nun noch weiter in der Menschheitsentwickelung zurückgehen, weit hinter die atlantische Zeit zurück, dann gelangen wir in eine Zeit, wo der Mensch erst das wurde, was er heute ist, wo der Mensch erst eintrat in die individuelle Persönlichkeit, die er heute hat. Wir nennen diese Zeit die lemurische Zeit. Der atlantische Kontinent, von dem aus sich die Völker nach Afrika, Europa, nach Asien hin verbreiteten, ging zugrunde durch gewaltige Wasserkatastrophen. Die Lemuria, jener Erdteil, auf dem die Menschheit vor der atlantischen Zeit wohnte, ging zugrunde durch Feuergewalten, durch vulkanische Katastrophen. In der lemurischen Zeit aber war es, wo der Mensch zum ersten Male überhaupt sein Ich-Bewußtsein erworben hat. Ein gewaltiger Einschnitt in der Menschheitsentwickelung war das. Wodurch erlangt der Mensch sein Ich-Bewußtsein? Es ist im allgemeinen für das heutige materialistische Denken schwer, sich diesen alten Zustand der Menschheit vorzustellen. Wenn Sie sich den damaligen Menschen so vorstellen würden, wie er heute ist, das heißt mit Fleisch und Blut, Knochen und Muskeln, dann würden Sie eine ganz falsche Vorstellung haben. Der Mensch von damals hatte eine weit flüchtigere, weichere Gestalt; fast flüssig war alles. Das, was später zu Muskeln und Knochen geworden ist, hat sich erst im Laufe der Zeiten verhärtet. Wir kommen da in eine Zeit zurück, wo noch eine ganz andere Art der Menschheitsfortpflanzung war. Der Mensch lebte damals mehr in der Umgebung der Erde, die aber nicht wie heute reine Luft war, sondern die mit allerlei Dämpfen angefüllt war. Als eine wahre Luftgestalt lebte der Mensch da, und es zogen die äußeren Strömungen ein und aus. Es war tatsächlich beinahe so, als ob wir heute eine Wolke ansehen, die fortwährend ihre Gestalt ändert, nur etwas fester und bestimmter war die Gestalt des einstigen Menschen. Damals trat auch zuerst das ein, was wir heute als die Geschlechter bezeichnen; es wurde in jenen Zeiten innerhalb des Menschengeschlechtes eine alte ungeschlechtliche Fortpflanzungsart ersetzt durch eine geschlechtliche. Das liegt allerdings Millionen und Millionen von Jahren zurück vor der gegenwärtigen Zeit.

Mit der geschlechtlichen Fortpflanzung trat erst die Einverleibung des Ich im ersten Keime in die Menschheit ein. Früher wurde der Mensch noch durch ganz andere Einflüsse dazu angeregt, seinesgleichen aus sich hervorgehen zu lassen; durch äußere Einflüsse wurde er dazu veranlaßt, durch Einflüsse, die in der Sphäre um ihn herum lagen. Das war die Fortpflanzung jener Zeit, wo der Mensch noch nicht sein Ich hatte, wo er noch mit einem dumpfen, hellseherischen Bewußtsein ausgestattet war, wo er sozusagen noch ganz im Schöße der Gottheit ruhte. Er konnte nicht sagen: «Ich bin». Was er empfand, war etwa folgendes: Er sah, daß, wenn er irgend etwas tat, es einen Eindruck auf seine Umgebung machte, und er fühlte sein Dasein in seiner Umgebung. Er konnte nicht sagen: Ich bin da -, sondern er sagte: Meine Umgebung läßt mich da sein. - Er lag im Schoße der lebendigen Erde, und die lebendigen Erdenkräfte strömten aus und ein. Damals gab es noch keine ungesunden Kräfte, da gab es noch nicht Krankheit, nicht einmal Tod in unserer heutigen Auffassung. Erst als dem Menschen mit der geschlechtlichen Fortpflanzung sein Ich ausgeliefert wurde, da erst zogen Krankheit und Tod in die Menschheit ein. Wenn wir das alles uns richtig vorstellen, dann müssen wir sagen: Damals wurde das Menschenwesen nicht von seinesgleichen befruchtet, sondern so, wie es heute atmet, so nahm es damals die Stoffe aus seiner Umgebung in sich auf; und in dieser Umgebung waren die Kräfte der Befruchtung enthalten. Was da eindrang, das befruchtete ihn, das veranlaßte ihn, seinesgleichen hervorzubringen. Und das waren gesunde Kräfte im Menschen selber und in dem, was er als seinesgleichen hervorbrachte. Die alten ägyptischen Priester aber wußten das, und sie sagten sich: Je weiter man das Anschauen der Menschen zurücklenkt in frühere Zustände, desto mehr bringt man ihn in die Bedingungen, wo es keine Krankheiten gibt. — Schon das Anschauen der alten atlantischen Göttergestalten konnte gesundend wirken, mehr aber noch war das der Fall, wenn die Priester die Gesichte so lenkten, daß der Tempelschläfer jene uralten Menschengestalten vor sich hatte, die noch nicht von ihresgleichen befruchtet wurden, die aus der Umgebung heraus ihre Befruchtung erhielten. Da stand vor dem im Tempelschlaf liegenden Kranken die Gestalt der Gebärerin ihresgleichen ohne die Befruchtung durch ihresgleichen. Da stand vor ihm die hervorbringende Frau, die Frau mit dem Kinde, die da jungfräulich ist, die Göttin, die in jener lemurischen Zeit eine Genossin der Menschen war, und die mittlerweile dem Blick der Menschheit entschwunden ist. Die nannte man die heilige Isis im alten Ägypten. Die Menschheit konnte diese Isis normalerweise nur damals sehen, als der Tod noch nicht eingezogen war; da waren die Menschen in normalem Bewußtseinszustande Genossen solcher Gestalten, die sie umschwebten und die ihresgleichen auf jungfräuliche Art hervorbrachten. Und als die Isis nicht mehr die sichtbare Genossin der Menschheit war, als sie in den Kreis der Götter entrückt wurde, da interessierte sie sich immer noch aus der geistigen Welt heraus für die Gesundheit der Menschen, so sagten die Priester. Und wenn man den Menschen in abnormer Weise, wie im Tempelschlaf, zu einer Anschauung jener alten Gestalten, jenes heiligen Isisbildes brachte, dann wirkte die Göttin immer noch gesundend, denn sie ist das Prinzip im Menschen, das da war, bevor die sterbliche Hülle den Menschen umgab. Ihren Schleier hat kein Sterblicher gehoben, denn sie ist die Gestalt, die da war, als der Tod überhaupt noch nicht in die Welt gekommen war. Sie ist das im Ewigen Wurzelnde, sie ist die große heilende Wesenheit, die die Menschheit wieder erringen wird, wenn sie sich aufs neue vertiefen wird in die spirituelle Weisheit.

So sehen wir, was geblieben ist in jenem wunderbaren Symbolum der jungfräulichen Mutter mit dem Kinde, die sich im Madonnenbilde, wir können es auf geisteswissenschaftlichem Boden mit aller Kraft sagen: in dem gesundend wirkenden Madonnenbilde erhalten hat. Denn das Madonnenbild ist - in jenen Grenzen, die erörtert worden sind - ein Heilmittel. Wenn es so behandelt wird, daß die menschliche Seele noch eine Nachwirkung hat, wenn sie im Schlafe liegt und etwa träumen kann von diesem Madonnenbilde, dann hat dieses auch heute noch eine heilende Kraft." (Lit.: GA 105, 2.Vortrag)

Literatur

  1. Reinhold Scholl: Der Papyrus Ebers. Die größte Buchrolle zur Heilkunde Altägyptens (Schriften aus der Universitätsbibliothek 7), Leipzig 2002; ISBN 3-910108-93-8.
  2. Rudolf Steiner: Welt, Erde und Mensch, GA 105 (1983), Zweiter Vortrag, Stuttgart, 5. August 1908
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
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Weblinks

  1. Entpannung - Tempelschlaf und Hypnose im historischen Kontext.
  2. Der Papyrus Ebers - Das größte Buch zur Heilkunst im Alten Ägypten - ein Auszug.
  3. Heilkunde im alten Ägypten