Kruzifix

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"Damit war ein Bruch gekommen in die ganze Anschauung der christlichen Welt; denn dieses Bild, welches fortan durch die Jahrhunderte gegangen ist - der am Kreuz hängende, schmerzdurchtränkte Christus -, das ist der Christus, welcher nicht mehr in seiner geistigen Wesenheit aufgefaßt werden kann, sondern allein in seiner leiblich-körperhaften Wesenheit. Und je mehr die Schmerzensmerkmale dem menschlichen Leibe aufgeprägt wurden, je mehr es die Kunst in ihrer großen kommenheit zu verschiedenen Epochen zustande gebracht hat, dem am Kreuze hängenden Erlöser die Schmerzensmerkmale aufzudrücken, um so mehr wurden die Keime materialistisch-christlichen Empfindens gelegt. Der Kruzifixus ist der Ausdruck für den Übergang zum christlichen Materialismus. Dem widerspricht nicht, daß in einer großen, gewaltigen Weise gerade das, was als Schmerz des Erlösers durch die Kunst verkörpert worden ist, in seiner vollen Tiefe und Bedeutung anerkannt werde. Trotzdem bleibt es wahr, daß mit diesem Bilde des Erlösers, der am Kreuze unter Schmerzen vergeht, von einer eigentlich geistigen Auffassung des Christentums der Abschied genommen worden ist." (Lit.: GA 203, S. 280f).

"Geistige Erkenntnis muß an dem Auferstehungsgedanken den ersten großen Halt finden, muß auch im Menschen anerkennen das Unberührtsein des Geistig-Ewigen von dem, was leiblich-physisch ist, muß sehen in dem paulinischen Wort: «Und ist der Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube tot» eine Bekräftigung - die in der neueren Zeit nur auf andere, bewußtere Weise errungen werden muß -, eine Bekräftigung dessen, was im Grunde genommen die eigentliche Wesenheit des Christus ausmacht. In dieser Art müssen wir uns heute wiederum an den Ostergedanken erinnern. In dieser Art muß uns die Zeit, in der wir uns an den Ostergedanken erinnern können, wiederum ein innerliches Fest werden, ein Fest, an dem wir für uns selber den Sieg des Geistes über die Leiblichkeit feiern. Uns muß, weil wir ja nicht unhistorisch sein dürfen, vor Augen stehen der schmerzgeplagte Jesus am Kreuze, der Schmerzensmann; uns muß aber über dem Kreuze erscheinen der Triumphator, der unberührt bleibt sowohl von der Geburt wie vom Tode, und der allein unseren Blick hinaufwenden kann zu den ewigen Gefilden des geistigen Lebens. Erst dadurch werden wir uns der wahren Wesenheit des Christus wiederum nähern." (Lit.: GA 203, S. 284).

"Wir aber brauchen den Christus, den wir in unserem Inneren suchen können, weil er, wenn wir ihn suchen, alsbald erscheint. Wir brauchen den Christus, welcher in unseren Willen einzieht, der unseren Willen durchwärmt und durchfeuert, damit dieser Wille kraftvoll werde zu denjenigen Taten, die für die Menschheitsentwickelung von uns verlangt werden. Wir brauchen denjenigen Christus, den wir nicht als den leidenden anschauen, sondern der da schwebt oberhalb des Kreuzes und herüberschaut auf das, was wesenlos am Kreuze endet. Wir brauchen das starke Bewußtsein von der Ewigkeit des Geistes. Wir gewinnen das starke Bewußtsein von der Ewigkeit des Geistes nicht, wenn wir uns verlieren in dem Bilde des bloßen Kruzifixus. Und wenn wir sehen, wie das Bild des Kruzifixus nach und nach immer mehr umgestellt worden ist zum Leidenden und Schmerzfühlenden, so werden wir sehen, welche Kraft gerade diese Richtung menschlichen Empfindens gewonnen hat. Es ist die Abwendung des Blickes der Menschheit von dem eigentlich Geistigen und die Hinwendung zu dem bloß Irdisch-Physischen." (Lit.: GA 203, S. 285).