Nicanor Perlas

Aus AnthroWiki

Nicanor Perlas (* 1950) ist ein philippinischer Soziologe und Umweltaktivist.

Nicanor Perlas

Perlas studierte Agrarwissenschaften. Wegen seiner Antiatomarbeit musste er 1978 die Philippinen verlassen. Nach dem Ende des Regimes von Ferdinand Marcos kehrte Perlas zurück. Er gründete das Center for Development Alternatives (CADI), das sich für eine ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft (Permakultur, Biodiversität, ...) und eine nachhaltige Entwicklung einsetzt, bei der die unerwünschten Formen ungebremsten Wachstums überwunden werden.

Er gilt als führender Umweltaktivist der Philippinen und wurde dort zur Schlüsselfigur im Bemühen um eine partizipative Gestaltung der Globalisierung auf allen gesellschaftlichen Ebenen. In diesem Zusammenhang begründete er ein Bankensystem (Lifebank), das Kleinbauern das Überleben sichern soll.

In der global sich formierenden, aber noch zu einenden Zivilgesellschaft sieht Perlas eine ausgleichende Kraft in der Debatte um die Gestaltung der Globalisierung. Die vernachlässigten 'kulturell gestalterischen' Aspekte sollen dabei die 'ordnenden' auf der politischen und die 'versorgerischen' auf der ökonomischen Ebene ergänzen.

Perlas setzt sich auch dafür ein, Globalisierung als spirituelle Aufgabe zu betrachten. Er ist Mitglied des Club of Budapest und Berater für Nachhaltige Entwicklung bei der UN.

Nicanor Perlas nahm auch an Jugendkongressen zum Thema Globalisierung in Deutschland (2006 Ismaning, 2008 Stuttgart) teil.

Am 17. Juni 2009 gab Perlas bekannt, dass er für die bei den Präsidentschaftswahlen 2010 kandidieren werde, die er jedoch nicht für sich entscheiden konnte.

Zivilgesellschaft und Dreigliederung

„Nicanor Perlas ... setzt große Hoffnungen in die Kraft der Zivilgesellschaft, die sich seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts lokal und global vernetzt Gehör verschafft habe und den unmittelbar erfahrenden Formen von Missbrauch, Ausbeutung und Zerstörung der Erde und der Menschheit entgegentrete. 'In ihrer heutigen Form ist diese Zivilgesellschaft die wichtigste soziale Neuerung des 20. Jahrhunderts. Sie kommt an Bedeutung der Errichtung der Nationalstaaten zu Beginn des 17. Jahrhunderts oder dem Aufkommen moderner Marktwirtschaften im 18. Jahrhundert gleich.' [53] Perlas definiert Zivilgesellschaft als eine der Dimensionen der sozio-kulturellen Lebenswelt, die spezifische Rollen, Normen, Praktiken, Beziehungen und Kompetenzen repräsentiere. Diese Praktiken und Normen der Zivilgesellschaft - Assoziation, Selbstorganisation und organisierte Kommunikation - seien nicht auf einzelne gesellschaftliche Sphären beschränkt und wirkten im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich. [54] Die erstarkende Zivilgesellschaft sei, so Perlas, eine ausgleichende dritte Kraft. Er spricht von einer neuen Umverteilung der Macht zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Diese Umverteilung deutet er als Prozess hin zu einer gesellschaftlichen Dreigliederung (threefolding) von Politik, Kultur und Wirtschaft, welche unter dem Einfluss der Globalisierung neoliberaler Prägung einseitig und verformt sei, dem Markt die Vorherrschaft einräume und die anderen Bereiche versklave. [55]

Was Perlas unter Dreigliederung versteht, bedeutet kein sektorales Gegeneinander, sondern eine integrierende Verbindung von Politik, Wirtschaft und Kultur durch das kritische Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, die sich für die Belange der Gesellschaft und der Natur einsetzen. Sozial und ökologisch verantwortliches Wirtschaften sieht er als eine globale Kraft, die die soziale Dynamik der Dreigliederung verstärke. De facto sei die neue Dreigliederung durch den Aktivismus der Zivilgesellschaft weltweit wahrnehmbar, eine Reflexion und bewusste Darstellung dieses Prozessess stehe jedoch erst am Anfang. Durch eine bewusste Politik der gesellschaftlichen Dreigliederung kann sich, so Perlas, der politische Einfluss der Zivilgesellschaft entfalten. Die vermittelnde Rolle zwischen Zivilgesellschaft und Staat sei ebenso unentbehrlich wie die Verwurzelung der politischen in der Zivilgesellschaft. [56]

[53] Perlas, Nicanor (2000): Die Globalisierung gestalten, S. 19

[54] Mit dieser Definition bezieht er sich u.a. auf: Cohen, Jean / Arato, Andrew (1994): Civil Society and Political Theory, Massachusetts

[55] Perlas, Nicanor (2000), S. 130

[56] e.d, S. 140“ (Lit.: Susanne Elsen: Soziale Arbeit und Ökonomie. Überlegungen zu einer sozialpolitischen Entwicklungsaufgabe, S. 196f., in: Manuela Brandstetter (Hrsg.): Soziale Arbeit im Wissenschaftssystem, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, S. 177 - 204)


„1999 hatte sich in der 'Battle of Seattle', den Demonstrationen anlässlich der 3. Ministerkonferenz der 1995 errichteten Welthandelsorganisation WTO, die globale Zivilgesellschaf als dritte Kraft auf der Weltbühne zu Wort gemeldet. Die Bewegung für eine gerechtere Gestaltung der Globalisierung hat seither überall auf der Welt immer wieder ihre Stimme erhoben. Auch diese Bewegung hat, wie die Umbruckbewegung von 1989, einen latenten Dreigliederungsbezug, nur dass diesmal nicht die Unterjochung von Kultur und Ökonomie durch den vormundschaftlichen Staat als schweres Hindernis der Gestaltung der Verhältnisse durch mündige Menschen erlebt wird, sondern die nach Zerfall des Staatssozialismus maßlos weltweit ausgeweitete Macht multinationaler Konzerne, welche die Demokratie aushebelt, die Diversität der Kultur zerstört und die Wirtschaft selbst ihrer eigentlichen Versorgungsaufgabe für alle Menschen entfremdet.

Diesen Dreigliederungsbezug der globalen Zivilgesellschaft brachte Nicanor Perlas ... auf den Begriff, ... [er] erklärte, dass die tripolare Weltsituation nach Seattle, in der die Zivilgesellschhaft als dritte Kraft neben Geschäftswelt und Regierungen agierte, in gewissem Sinne die Herstellung einer faktischen Dreigliederung bedeute. Die Zivilgesellschaft müsse sich ihrer eigenständigen Rolle als einer sozialen Kulturkraft bewußt werden. In dem Maße, in dem dies geschehe, entstehe bewusste Dreigliederung, die zur fortgeschrittenen Dreigliederung werde, wenn die Zivilgesellschaft ihre gesamtgesellschaftlichen Alternativen entwickele und präsentiere. [94] Ein weiteres wichtige Element von Perlas Konzept war die Entwicklung der trisektoralen Partnerschaft, des runden Tischs von Zivilgesellschaft, Staat und Geschäftswelt. Diese war auch Bestandteil der philippinischen Agenda 21, die allerdings bald von den politischen Mächtigen in die Versenkung geschickt wurde. Einen Einstiegspunkt in eine fortgeschrittene Dreigliederungsentwicklung sah Perlas in den Weltsozialforen, die seit 2001 jährlich bis weit über Hunderttausend Menschen aus aller Welt zu einem großen Ratschlag über Alternativen vereinen.

Erste Kontakte zwischen europäischen Dreigliederern und Perlas wurden auf einer Konferenz in Manila, weitere bei Aufenthalten von Perlas in Europa geknüpft. Perlas Wirken brachte einen neuen Ton in die Dreigliederungsdebatte und die Dreigliederungsbewegung. In der Folge begannen eine Reihe von Dreigliederungsaktivisten sich aktiv in zivilgesellschaftliche Aktivitäten der globalisierungskritischen Bewegung einzubringen, zum Beispiel bei Attac, den Weltsozialforen und lokalen und regionalen Foren. Chico Whitakers Konzept des Weltsozialforums als eines offenen Raums für eine andere Welt - eines Raums gleichberechtigten Austauschs von Individuen, einer Brutstätte von Ideen - schien vielen von ihnen ein echtes Stück freies Geistesleben darzustellen. [95] In der Folge kam es auch zu gemeinsamen Veranstaltungen zwischen Dreigliederern und führenden RepräsentantInnen der globalen Zivilgesellschaft wie Maude Barlow, Vandana Shiva und anderen. [96] Perlas zur Seite stellte scih der Mitbegründer des Kibbuz Harduf, Yeshayahu Ben Aharon, der nun die Organisation Aktivisten für eine israelische Zivilgesellschaft ins Leben rief, die sich mit aller Kraft für einen Friedensprozess von unten engagierte.

Es wurde eine globale Konferenz nach Stuttgart einberufen, um diese Impulse zu stärken. Auf Initiative von Perlas und Ben Aharon gründete sich im Jahre 2002 in Stuttgart das Global Network for Social Threefolding mit kleinen Nodes, Gruppen des Netzwerks in einer Reihe von Ländern auf vier Kontinenten, die noch durch sogenannte factional nodes ergänzt wurden. [97]

[94] Vgl. Nicanor Perlas (2000)

[95] Vgl. Chico Whitaker: Das Weltsozialforum. Offener Raum für eine andere Welt, Hamburg 2007

[96] Dies geschah in einer Veranstaltungsreihe im Forum 3 in Stuttgart

[97] Genau betrachtet, handelte es sich bereits um eine Neugründung, da ein erster Ansatz zur Gründung bereits im Jahr 2000 gemacht wurde.“ (Lit.: Christoph Strawe, S. 678f., in: Anthroposophie in Geschichte und Gegenwart herausgegeben von Rahel Uhlenhoff)

Auszeichnungen

  • 1994: Global 500 Award
  • 1994: The Outstanding Filipino Award (TOFIL)
  • 2003: Right Livelihood Award, gemeinsam mit Walden Bello, für ihre vorzüglichen Beiträge zur Aufklärung der Zivilgesellschaft über die Auswirkungen der Globalisierung und dafür, wie Alternativen dazu verwirklicht werden können

Werke (Auswahl)

  • Die Globalisierung gestalten, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-924391-26-2
  • Geist oder Empire? Gesellschaftliche Revolutionen im 21. Jahrhundert, 2004, Rundbrief Dreigliederung Nr. 1/2004, S. 4 - 9 Volltext
  • Neues Denken, neues Fühlen, neues Wollen. Was die Weltlage heute von uns fordert, Nicanor Perlas Vortrag und Gespräch am 23. September 2010 im Forum 3 in Stuttgart. Zusammengefasst von Christoph Strawe Volltext
  • Interview mit Alexander Schwedeler: Die Erneuerungskraft der Zivilgesellschaft, Rundbrief Dreigliederung /Sozialimpulse Nr. 2/2016, Besprechung

Weblinks

Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Nicanor Perlas aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.