Anthroposophie-Kritik

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Seit ihrem Bestehen hat die Anthroposophie als "Wissenschaft vom Übersinnlichen" nicht nur eine große Anhängerschaft, sondern auch eine ebenso aktive Gegnerschaft. Dabei sind der Streitpunkt meist die nach dem heutigen Naturwissenschaftsbegriff nicht belegbaren Lehren Steiners. Gedanklich nachvollziehen könne die Anthroposophie jeder Mensch, der sie vorurteilsfrei prüft, behauptet Steiner. Um eigene übersinnliche Erkenntnisse zu erlangen, muss, folgt man Steiner, allerdings das persönliche spirituelle Erkenntnisvermögen entwickelt werden. Der Aufforderung, sich auf die Anthroposophie denkend einzulassen oder gar das persönliche Erkenntnisvermögen durch Meditation weiterzuentwickeln, um sie zu verstehen, wird derjenige nicht folgen, der Übersinnliches ohne Belege im naturwissenschaftlichen Sinn von vornherein nicht gelten lassen will. In der heutigen Zeit ist eine solche Forderung für viele wissenschaftlich vorgeschulte und skeptisch beziehungsweise materialistisch eingestellte Menschen allerdings eine Zumutung und sie kommen ihr in der Regel nicht nach.

Anthroposophie-Kritik wird erfahrungsgemäss auf folgenden Gebieten vollzogen:

Siehe zu diesem Thema auch FAQ-Vorwürfe


Anthroposophie als Geheim-Wissenschaft

Die Anthroposophie fußt auf Rudolf Steiners Werk. Er wird als ihr Begründer und bis heute maßgeblicher Esoteriker verstanden. Der Begriff Geheimwissenschaft ist eine von Steiner verwendete Bezeichnung für seine eigene Lehre der Dinge, deren Erkenntnis über das bloße Verstandesdenken hinausgeht, also die "Wissenschaft vom Übersinnlichen". Geheim weil die Dinge für das normale Auge versteckt seien. An H. Blavatskys Secret Doctrine Geheimlehre anknüpfend, stelle diese Geheimwissenschaft einen Kern seiner Werke aus der frühen theosophischen Phase (1902-10) dar. Anthroposophen gehen davon aus, dass positivistisch und materialistisch geprägte Betrachter diese Komplexität nur bedingt wahrnehmen können. Ebenfalls erschwert auch die kritische Binnenbetrachtung von Steiners Lehren und seiner Werke durch Anthroposophen eine durchgängige Auslegung seiner Lehre. Kritikern wird oft entgegnet, Steiners Werke seien von der Kritik selbst nicht hinreichend verstanden oder der Beurteiler verfüge nicht über die erforderlichen Urteilsgrundlagen.

Ein Ziel seiner Geheim- oder Geisteswissenschaft ist nach Steiner die Ausbildung und Förderung der moralischen und geistigen Entwicklung und die Zusammenarbeit von Menschen, die an ihr interessiert sind. Die anthroposophische Schulung wird als moderner und Jedermann zugänglicher Weg zur Entwicklung höherer geistiger Fähigkeiten beschrieben. Ab einer bestimmten Stufe wird seine Lehre von Anthroposophen als Ausdruck eines übersinnlichen Wahrnehmungsvermögens verstanden. Eine sog. „Richtigkeit“ seiner übersinnlichen Wahrnehmungen könne ein Schüler Rudolf Steiners demnach mit einem sog. „Evidenzerlebnis“ feststellen, welches im Zusammenhang mit der Wahrnehmung auftrete. Durch Vergleich mit Aussagen vorgeblich vertrauenswürdiger Quellen übersinnlicher Wahrnehmung sei eine Überprüfung ebenfalls möglich. Hierzu nennt Steiner unter anderem die von ihm selbst dokumentierten Schilderungen, insbesondere Beschreibungen der Weltentstehung und -entwicklung bis in früheste Zeiten, Schilderungen von Reinkarnation, Karma und vorgeburtlicher sowie nachtodlicher Vorgänge. Die Beschreibung "höherer Wesensglieder" des Menschen und ihr Zusammenwirken sowie umfangreiche Ausführungen zur Christologie seien ebenso zu berücksichtigen wie seine Beschreibungen über geistige Wesenheiten der Hierarchienlehre und Engellehre oder Naturgeister. Steiners Geisteswissenschaft wird von einigen Philosophen des 19. Jahrhunderts als ein Produkt der Phantasie, welches einen nicht überprüfbaren Anspruch auf Gültigkeit erhebe, gewertet. (siehe auch Universalienstreit).


Steiner nennt den von ihm beschriebenen Schulungsweg selbst wissenschaftlich, da dieser, richtig ausgeführt, jederzeit mit wachem Bewusstsein begleitet werde. Vertreter des seit der Renaissance gültigen Wissenschaftsbegriffes halten Steiners Behauptung, die Weiterentwickelbarkeit des Erkenntnisvermögens fuße auf der „wissenschaftlichen Erforschung des Geistigen“, für unhaltbar. Sie sprechen Rudolf Steiner eine erkenntnistheoretisch fundierte Wissenschaftlichkeit ab. Kritiker vermeiden dabei nach Ansicht von Anthroposophen seine Auseinandersetzung mit seinem eigenen erkenntniswissenschaftlichen Ansatz, den er als notwendige Voraussetzung seiner Geisteswissenschaft bezeichnete. Rudolf Steiner selbst war es hierdurch nicht gelungen, viele der Geistes- und Naturwissenschaftler seiner Zeit von der Existenz der von ihm beschriebenen Phänomene zu überzeugen.

Anthroposophie und Christentum

Christus ist für die Anthroposophie eine der höchsten Gottheiten (siehe Hierarchien). Er nimmt in der Trinität den Platz des Sohnes ein. Sein Opfer für die Erde sei es gewesen, sich mit den Menschen und ihrem Planeten zu verbinden um ihnen weitere geistige Entwicklung zu ermöglichen. So habe er sich für drei Jahre im Menschen Jesus inkorporiert und in ihm den irdischen Tod erlitten. Durch das Opfer dieses hohen Sonnenwesens, sei die geistige Entwicklung des Menschen und der Erde in eine dem "Weltenplan" entsprechende Richtung ermöglicht worden. Die Auferstehung bezeichnet Steiner als das "Mysterium von Golgatha", welches aber nicht als Auferstehung des Fleisches gewertet, sondern als vollkommene Gestalt des gekreuzigten Wesens (Wiederherstellung des Phantomleibs) gesehen wird. Christus wurde nach der Anthroposophie zum Ich der neu werdenden Erde. Ihre Aura verändere sich ständig und betrete dadurch einen Weg der Vergeistigung, bei dem ihr der zukünftige Mensch helfen soll. Die Wiederkunft Christi geschehe stufenweise, als ätherischer, astraler und kosmischer Christus. Steiner sah in Jesus von Nazareth einen hochstehenden jüdischen "Eingeweihten", der während der Jordan-Taufe den Christus-Geist in sich aufgenommen habe. Siehe auch: Christengemeinschaft

Die Amtskirchen, deren Glauben auf dem Auferstehungsgedanken und der Erlösung durch Sündenvergebung beruht, distanzieren sich von Steiners Reinkarnationslehre. In der Anthroposophie steht die Erlösung nicht am Ende eines einzigen, sondern am Ende einer Reihe vieler Leben. Erlösung stelle sich ein, wenn sich der Mensch durch viele Verkörperungen hindurch zu dem wahren Menschen, einem Wesen, dass einen eigenen Platz in den himmlischen Hierarchien einnimmt, entwickelt habe.

Wiederholt wurde sowohl von Anthroposophen als auch von anthroposophisch orientierten Theologen das Gespräch mit der evangelischen und katholischen Kirche gesucht.

Anthroposophie und Rassismus

Der Rassismus-Streit bei der Bewertung der Rudolf-Steiner-Bewegung wird durch eine Anzahl von Zitaten ausgelöst, in denen Rudolf Steiner Menschen-Rassegedanken mit seiner Menscheitsentwicklungslehre verbindet. Viele Anthroposophen halten diese Zitate für aus dem Kontext gerissen und überbewertet, zumal diese vornehmlich aus einer Zeit stammen, in der Rassenbezeichnungen wie z.B. "Neger" im deutschsprachigem Raum durchaus gesellschaftsfähig waren. Kritiker monieren ihrer Meinung nach wertende und selektive Äußerungen aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus, die von der derzeitigen Anthroposophie nicht hinreichend revidiert würden.

Rudolf Steiner formulierte bereits im Jahre 1900 als Funktionär der Theosophischen Gesellschaft Rassentheorien, die er unter anderem in seinem Buch Aus der Akasha-Chronik veröffentlichte. Diese entsprechen weitgehend der Hierarchisierung von Rassen, wie sie auch in der Schriften der Helena Blavatsky niedergelegt sind. Steiner gliedert die Menschheitsentwicklung in unterschiedliche Zeitepochen, die von je einer "Wurzelrasse" dominiert waren: der "polarischen Wurzelrasse", der "hyperboräischen Wurzelrasse", "Lemuriern", "Atlantiern", der "arischen-" (nicht zu verwechseln mit dem nationalsozialistischen Begriff "Arier") oder "nachatlantischen Wurzelrasse", welche die gegenwärtige Entwicklungsphase (seit etwa 7000 v. Chr.) repräsentiert. Wobei der Begriff "Rasse" hier laut Anthroposophen nur im übertragenen Sinne aufgefaßt werden darf, da nur drei der fünf von ihm benannten Wurzelrassen auf der Erde verkörpert gewesen seien. Statt von Wurzelrassen solle man daher von großen menschheitlichen und erdgeschichtlichen "Entwicklungsepochen" sprechen. Tatsächlich hat Rudolf Steiner diese noch aus der Theosophischen Gesellschaft stammende Terminologie später kaum mehr benutzt. Seine Anhänger begründen das mit seiner Ablehnung des damals aufkommenden Nationalsozialismus. Die hierarchische Gliederung der verschiedenen Rassen habe ergeben, dass in der vergangenen Menschheitsentwicklung die weniger entwickelten, die "minderwertigen Rassen" ausstarben um Platz für die höher entwickelten "Wurzelrassen", wie z.B. die "nachatlantische-Wurzelrasse" zu machen. Die Entstehung verschiedener Rassen sei für die Erdenentwicklung nötig gewesen, damit sich Menschenseelen mit bestimmten Aufgaben und Fähigkeiten in bestimmten Kulturen inkarnieren könnten um dort wichtige Impulse zu ermöglichen oder aufzunehmen.

Zitat: "Der Mensch ist Mensch dadurch, daß (...) dieses Ich sich im Laufe der aufeinanderfolgenden Inkarnationen weiter entwickelt durch verschiedene Menschengemeinschaften, durch Völker und Zeiträume hindurch, bis die Erde am Ziel ihrer Entwickelung angelangt sein wird" (Rudolf Steiner, Das Geheimnis des Todes, Dornach 1999, S. 203)

Der Rassenbegriff Steiners ist nach Ansicht seiner Vertreter gegenüber dem des faschistischen Rassismus grundlegend anders motiviert. Während der Rassenbegriff des Nationalsozialismus aus der materialistischen Evolutionstheorie Darwins abgeleitet ist, verstehe Steiner die "Wurzelrassen" nicht als ethnische Zuordnung, sondern als in große Zeitepochen von mehreren tausend Jahren einzuordnende menschliche Entwicklungsstadien. So sei z.B. die nachatlantische Wurzelrasse zu den Anfängen der nachatlantischen Kulturepochen noch prägend. Steiner sieht für die gegenwärtige fünfte nachatlantische Kulturepoche die leiblichen Rassenunterschiede und insbesondere Höher- und Minderwertigkeiten einzelner Rassen als überwunden an. Er sieht die Bedeutung der Rassen seit Tausenden von Jahren schwinden, da die typischen Eigenschaften bestimmter Rassen immer mehr abnähmen und die zukünftige Menschenmission rassenübergreifend sein würde.

Zitat:"Es ist von einer ganz besonderen Wichtigkeit, daß gerade in unserer Zeit in unbefangner Weise auch gesprochen wird über dasjenige, was wir die Mission der einzelnen Volksseelen der Menschheit nennen, weil die nächsten Schicksale der Menschheit in einem viel höheren Grade als das bisher der Fall war, die Menschen zu einer gemeinsamen Menschheitsmission zusammenführen werden." (Steiner in Kristiania 7. Juni 1910, GA 121, S.13)

Sehr nachdrücklich habe Rudolf Steiner immer wieder betont, dass die konstatierbaren Rassemerkmale nichts über das Wesen des individuellen Menschen aussagen:

Zitat:"...ich bitte das nicht mißzuverstehen, was eben gesagt wird; es bezieht sich nur auf den Menschen, insofern er von den physisch-organisatorischen Kräften abhängig ist, von den Kräften, die nicht sein Wesen als Mensch ausmachen, sondern in denen er lebt..." (GA 121, 4.Vortrag)

Das Rassedenken müsse genauso wie die Rassen überwunden werden:

Zitat:"Die Menschheit mischt sich, um sich von geistigen Gesichtspunkten aus zu gruppieren. Es war eine Ungezogenheit, in der Theosophie von den Rassen so zu sprechen, als ob sie immer bleiben würden. (...) Wie alles entsteht, so sind auch die Rassen entstanden, und wie alles wieder vergeht, werden auch die Rassen wieder vergehen, und jene, die immer nur von Rassen gesprochen haben, die werden sich daran gewöhnen müssen, ihre Begriffe flüssig zu machen." (GA 99, München, 5. Juni 1907)

Die menschliche Zugehörigkeit bezieht sich bei Steiner nicht nur auf die physische Rasse, sondern auf die Volksseele. Zitat: "...es vererbten sich Rassenmerkmale in der atlantischen Zeit und bis herein in unsere nachatlantische Epoche. Wir werden sehen, wie in unsere Zeit die Volksmerkmale das sind, was die Rassencharaktere wieder auseinander bringt, was sie wieder auszulöschen beginnt. (...) Die Rassen sind entstanden und werden einmal vergehen, werden einmal nicht mehr da sein." (Vortrag Kristiania 10. Juni 1910; GA 121, S.75/76)

Dennoch legte Steiner wert darauf, dass die Rassen, die ja erst in ferner Zukunft aufhören würden zu existieren, um in ihrer Kultur wirken zu können, an ihrem angestammten Platz blieben.:"Die Negerrasse gehört nicht zu Europa, und es ist natürlich nur ein Unfug, daß sie jetzt in Europa eine so große Rolle spielt." (Steiner-Gesamtausgabe Bd. 349, S. 53)
Im Hinblick auf solche Zitate hat die anthroposophische Bewegung heute noch viel Aufklärungsbedarf. Ein erster Schritt in dieser Richtung wurde 1991 vom Waldorflehrer und Verleger Arfst Wagner in seinem Buch "Anthroposophen und der Nationalsozialismus" (siehe Literatur) unternommen. Inzwischen sind zwar andere gefolgt, dennoch gibt es von Seiten der Anthroposophen bis heute keine einhellige Erklärung dazu.

In der Diskussion um den Rassenbegriff Rudolf Steiners soll nach Meinung der anthroposophischen Gesellschaft auch berücksichtigt werden, dass Steiner bereits Ende des 19. Jahrhunders als scharfer Kritiker des Antisemitismus sowie seiner völkischen und alldeutschen Vertreter auftrat. Dies trug ihm die erklärte Feindschaft dieser Gruppen ein (Siehe hierzu bei Ravagli). Sein Denken stimme mit den heutigen Forderungen nach ethnischem Pluralismus überein:
Zitat:"So wie die Abgründe zwischen den einzelnen Nationen immer mehr und mehr verschwinden, so wie sich die einzelnen Teile der verschiedenen Nationen immer mehr und mehr verstehen, so werden sich auch andere Gruppenseelenhaftigkeiten abstreifen, und immer mehr wird das Individuelle des einzelnen Menschen in den Vordergrund treten. - So können wir sagen, innerhalb der Entwickelung der Menschheit verliert immer mehr und mehr der Begriff, worin sich die Gruppenseelenhaftigkeit am meisten ausdrückt, an Bedeutung, nämlich der Rassenbegriff. Deshalb ist es notwendig, dass diejenige Bewegung, welche die anthroposophische genannt wird, in ihrem Grundcharakter dieses Abstreifen des Rassencharakters aufnimmt, dass sie nämlich zu vereinigen sucht Menschen aus allen Rassen, aus allen Nationen und auf diese Weise überbrückt diese Differenzierung, diese Unterschiede, diese Abgründe, die zwischen den einzelnen Menschengruppen vorhanden sind."

Rudolf Steiner 1916 in: "Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit - Goethe und die Krisis des 19. Jahrhunderts" (GA 117), S. 151 f

Anthroposophie und Antisemitismus

Die Kritik Steiners an dem vom U.S.-Präsidenten Woodrow Wilson initiierten Selbstbestimmungsrecht der Völker begründet sich auf der Ausgrenzung von Minderheiten innerhalb von ethnisch einheitlichen Nationalstaaten. Diese Kritik war durch Steiners Auseinandersetzung mit der Neuordnung Europas und seines Heimatsstaates Österreich geprägt, in dem er - aus einer niederösterreichischen Familie stammend - in der Kranj (heutiges Kroatien) aufwuchs. So richtet sich Steiner gegen eine Ausgrenzung der Juden als Minderheit innerhalb eines ethnisch einheitlichen Nationalstaates. So wie er ethnische Schranken und nationale Grenzen generell als anachronistisch betrachtete, betrachtete er die Idee des Judentums als ethnische Sondergruppe insbesondere in seiner zionistischen Spielart als rückschrittlich.

Das Judentum begreift Rudolf Steiner nicht als Rasse, sondern als eine auf religiöser und nationaler Einheit basierende Gemeinschaft, die sich selbst ausgrenzt. Diese habe dadurch eine isolierte Kultur begründet. Zitat: "Das Judentum als solches hat sich aber längst ausgelebt, hat keine Berechtigung innerhalb des modernen Völkerlebens, und daß es sich dennoch erhalten hat, ist ein Fehler der Weltgeschichte, dessen Folgen nicht ausbleiben konnten." (Steiner-Gesamtausgabe Bd. 32, S. 152)

Damit war dennoch Steiners deutliche Ablehnung des Antisemitismus verbunden. Zitat: "Mit Schaudern erkennt man, was der Antisemitismus in den Gemütern edler Juden angerichtet hat. Der Antisemitismus ist nicht alleine für die Juden eine Gefahr, er ist es auch für die Nichtjuden. Jede unbestimmte Haltung ist von Übel." ( Steiner 1901; GA 31,S.409).

Nationalsozialismus

Bereits 1933 begann durch Pressekampagnen, Vortragsreihen und einem in Darmstadt und Berlin inszenierten Theaterstück die öffentliche Hetze gegen den "Theosophen, Juden, Freimaurer und Kommunisten Rudolf Steiner". Dieser habe durch seine Suggestionen unmittelbar bewirkt, daß der Generalfeldmarschall von Moltke die Marneschlacht und als Folge davon den Weltkrieg verlor; selbstverständlich alles im Dienste der Entente-Freimaurerei und des Weltjudentums. Steiner belegte bereits im Jahre 1922 einen der ersten 10 Plätze auf der durch die NSDAP geführten Liste der "zu erschiessenden prominenten Persönlichkeiten" und überlebte mehrere Tötungsversuche.

Obwohl manche Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft versuchten, eine ideelle Nähe zum Nationalsozialismus vorzutäuschen, scheiterten alle Anbiederungs- und Gleichschaltungsversuche und die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland wurde am 1. November 1935 "wegen internationaler Einstellung und enger Beziehungen zu ausländischen Freimaurern, Juden und Pazifisten verboten". Schon vorher hatten unter der Verbotsangst alle jüdischen Amtsinhaber ihre Ämter in der Landesgesellschaft abgegeben und ein Großteil der jüdischen Mitglieder war aus ihr ausgetreten. Nach dem Verbot bemühten sich einige Anthroposophen um eine Wiederzulassung, die Versuche scheiterten 1939 endgültig, als Rudolf Heß die "Gleichbehandlung mit ehemaligen Freimaurern" anordnete. Im gleichen Jahr entschied Adolf Hitler, nach Bericht von Martin Bormann: "Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft sind wie Logen-Angehörige zu behandeln; sie sind nach Meinung des Führers oft noch gefährlicher als Logen-Angehörige, weil sie mit ihren Ideen viel mehr Leute anstecken."

Sechs der acht Waldorfschulen mussten bis 1940 wegen erdrückender Auflagen schliessen, die anderen beiden wurden (1938 Stuttgart und 1941 Dresden) verboten.

Von den acht anthroposophischen heilpädagogischen Heimen, in denen das "lebensunwerte Leben" stattfand, wurden nur drei massiv bedroht, davon zwei geschlossen. Dennoch konnten alle Schutzbefohlenen vor der Deportation gerettet werden. Obwohl die Auswanderländer keine behinderten Kinder einreisen liessen, bot das anthroposophische Heim in der Schweiz "Sonnenhof" vielen jüdischen Behinderten Asyl.

Der Biologisch-dynamische Landbau wurde 1933 in Thüringen verboten. Das reichsweite Verbot konnte durch das Gewinnen des Gartenarchitekten Alwin Seifert, der für die Frau von Rudolf Heß tätig war, für die Biologisch-dynamische Idee verhindert werden. Durch Heß wurden dann mehrere Verbotsversuche vereitelt. Auch Heinrich Himmler, der Diplom-Landwirt und eigentlich größter Verfolger der Anthroposophie im Nationalsozialismus interessierte sich für den Biologisch-dynamischen Landbau und hielt ihn, sofern er "von der Anthroposophie gereinigt werden könne" für nützlich. Die SS-eigene Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung wurde angewiesen, im organisatorischen Zusammenhang mit dem KZ Dachau gärtnerische Versuchsreihen durchzuführen. Nach dem Englandflug von Rudolf Heß 1941 zerschlug Himmler den Reichsverband für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise und sorgte dafür, dass der Vorsitzende Erhard Bartsch ins KZ kam. Dennoch erfolgte kein Verbot für die biologisch-dynamische Technik, da er sie selbst ohne ihre anthroposophischen Elemente weiterführen wollte.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg mussten sich Anthroposophen vielfach mit Vereinnahmungsversuchen auseinandersetzen. So wurde der Priester und ehemalige SS-Angehörige Werner Georg Haverbeck in den 1950er Jahren aus der Christengemeinschaft ausgeschlossen. Er veröffentlichte später das als revisionistisch-chauvinistisch umstrittene Buch Rudolf Steiner als Anwalt für Deutschland. Der jüngste Fall eines solchen Vereinnahmungsversuches spiegelt sich in einem Rundbrief des NPD-Aktivisten Horst Mahler wieder. Mehr dazu im Artikel Waldorfschule.

Ausgrenzung als Sekte

Die Lehre der Anthroposophie, besonders von Reinkarnation und Karma, wird von vielen christlichen Kirchen nicht anerkannt - nur die Christengemeinschaft (deren Priester bei der Gründung Steiner um Rat ersuchten) erkennt die Anthroposophie an. Andere neue religiöse Bewegungen sowie der Buddhismus, der Hinduismus, das sikhistische Yoga und der Radhasoami-Weg arbeiten ebenfalls mit dem Konzept der Wiederverkörperung und sind weltweit durchaus vertreten.

Eine Zuordnung der Anthroposophie als Sekte im Sinne der Schaffung von Sonderwirklichkeiten und sozialer Isolierung ihrer Mitglieder ist nicht festzustellen; das gleiche gilt für manipulierende Mitgliederwerbung oder jugendgefährdende Aktivitäten bzw. finanzielle Ausbeutung der Mitglieder oder das Schaffen persönlicher Abhängigkeiten. Eine gewisse elitäre Grundhaltung, nach der ein Weg der einzig gangbare sei, haftet beinahe allen spirituellen Denkschulen, insbesondere auch der katholischen Amtskirche an. Sektenvorwüfe an die Adresse der anthroposophischen Bewegung stammen zumeist aus den Reihen stark konfessionell oder agnostisch geprägter Beobachter, denen i.d.R. das Grundwissen über Anthroposophie völlig fehlt. Werke Rudolf Steiners finden sich aber auch in einigen Bibliotheken der Amtskirchen. Der katholische Priester Pietro Archiati nutzte die Schriften Rudolf Steiners gar zur Priesterausbildung an einem kath. Priesterseminar in Südafrika. So schreibt denn auch der Sektenexperte Helmut Langel: "wer Rudolf Steiner nicht gelesen hat, sollte über Anthroposophie lieber schweigen."[1]

Die anthroposophische Bewegung findet denn auch keine Erwähnung in den Sektenberichten der Kirchen bzw. der kommunalen Trägerschaften im Zusammenhang mit gesellschaftlich geächteten Vorgehensweisen. Es gibt keine Berichte über manipulative Mitgliederwerbung oder ähnliches Sektenverhalten (siehe „Abschlussbericht der Enquete-Kommission Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ (http://www.bundestag.de/ftp/exe_arch/13_10950.exe) oder Sektenbericht der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport 2002).

Einzelnachweise

  1. Helmut Langel: Destruktive Kulte und Sekten, Vlg. Bonn aktuell, München 1994, ISBN 3-87959-503-8, S. 22

Kritische Weblinks

Kritische Cyber-Anthroposophen und anthroposophische Blogs

Literatur

Anthroposophische Schriften

  • Ravagli, Lorenzo: Unter Hammer und Hakenkreuz. Der völkisch-nationalsozialistische Kampf gegen die Anthroposophie. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004, ISBN 3-7725-1915-6
  • Bader, Hans-Jürgen, Ravagli, Lorenzo: Rassenideale sind der Niedergang der Menschheit. Anthroposophie und der Rassismusvorwurf, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2003
  • Bader, Hans-Jürgen, Leist, Manfred, Ravagli, Lorenzo: Rassenideale sind der Niedergang der Menschheit. Anthroposophie und der Antisemitismusvorwurf, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2002
  • Archiati, Pietro: Die Überwindung des Rassismus durch die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners, Verlag am Gotheanum, Dornach 1997
  • Kugler, Walter: Feindbild Steiner, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2001
  • Swassjan, Karen: Aufgearbeitete ANTHROPOSOPHIE. Bilanz einer Geisterfahrt, Verlag am Goetheanum, Dornach 2007
  • Rahel Uhlenhoff (Hg.): Anthroposophie in Geschichte und Gegenwart, Berliner Wissenschafts-Vlg., Berlin 2011

Befürwortende oder neutrale Standpunkte

  • Kriele, Martin: Anthroposophie und Kirche. Erfahrungen eines Grenzgängers. Herder Verlag 1996, ISBN 3451239671
  • Gerhard Wehr: Esoterisches Christentum. Aspekte - Impulse - Konsequenzen, Klett Vlg., Stuttgart 1975, ISBN 3-12-908600-5

Aus kritischer Sicht

  • Erzbistum Köln (Hg.): Anthroposophie und Waldorfpädagogik. Eine Orientierungshilfe für Katholiken, Faltblatt, Köln 2009
  • Baumann-Bay, Lydie und Andreas: Achtung, Anthroposophie! Ein kritischer Insider-Bericht. Zürich : Kreuz Verlag, 2000, ISBN 3268002552.
  • Klaus Bannach: Anthroposophie: Geheimwissenschaft?. In: Klaus Bannach/Kurt Rommel (Hg.): Religiöse Strömungen unserer Zeit. Eine Einführung und Orientierung, Quell Vlg., Stuttgart 1991, S. 133 - 138
  • Bierl, Peter: Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister : die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik. Hamburg : Konkret Literatur Verlag, 1999, ISBN 3-89458-171-9
  • Guido und Michael Grandt: Waldorf Connection. Rudolf Steiner und die Anthroposophen, Alibri Vlg., Aschaffenburg 2001, ISBN 3-932710-40-1
  • Heisterkamp, Jens: Was ist Anthroposophie? Eine Einladung zur Entdeckung des Menschen. Verlag am Goetheanum, Dornach 2000
  • Hellmich, Achim und Teigeler, Peter (Hrsg.): Montessoripädagogik, Freinetpädagogik, Waldorfpädagogik - Konzeption und aktuelle Praxis. Beltz Verlag, 1999. ISBN 3407252188
  • Irene Wagner: Rudolf Steiners langer Schatten. Die okkulten Hintergründe von Waldorf & Co, Alibri Vlg., Aschaffenburg 2013, ISBN 978-3-86569-069-2
  • Wegener, Franz: Heinrich Himmler. Deutscher Spiritismus, französischer Okkultismus und der Reichsführer SS. Gladbeck 2004, ISBN 3931300153 [zu Steiners Finanzierung einer antisemitischen Schrift Heises]
  • Georg Otto Schmid, Anthroposophie, Evangelische Informationsstelle relinfo.ch, 1999.
  • Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005
  • Binder, Andreas: Wie christlich ist die Anthroposophie? Standortbestimmungen aus der Sicht eines evangelischen Theologen, Stuttgart : Urachhaus, 1989, ISBN 3878386117
  • Kniebe, Georg: Anthroposophie und christliche Kirchen - Ein Gespräch?. Stuttgart : Urachhaus, 1992, ISBN 3878389477
  • Zander, Helmut: Anthroposophie in Deutschland. Theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945. 2 Bände. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-55452-4. (Habilitationschrift).
  • Gut, Taja: Wie hast du's mit der Anthroposophie. Eine Selbstbefragung, Pforte Vlg., Dornach 2010, ISBN 978-3-85636-218-8


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