Buddhismus und Liber Mundi: Unterschied zwischen den Seiten

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Der '''Buddhismus''' ist eine [[Wikipedia:Religion|religiöse]] Lehre und ein [[geist]]iger [[Schulungsweg]], der auf den historischen [[Buddha]] [[Siddhartha Gautama]] zurückgeht. Den Kern seiner Lehre, den er in seiner ersten Lehrrede, der [[Predigt von Benares]], dargelegt hat, bilden die  [[Vier Edle Wahrheiten|Vier Edlen Wahrheiten]] ([[Wikipedia:Pali|Pali]]: cattāri ariyasāccani, [[Sanskrit]]: catvāri āryasatyāni):  
[[Bild:Christian_Rosencreutz.jpg|thumb|200px|[[Christian Rosencreutz]]]]
Das '''Liber Mundi''' ([[Latein|lat.]], "'''Buch der Welt'''"), kurz '''Liber M''' oder '''Buch M''', das Buch der Natur, des Naturwissens, des Wissens vom [[Wesen]] der [[Mineral]]ien, [[Pflanze]]n und [[Tier]]e, war ein stets gegenwärtiges Thema des [[Wikipedia:mittelalteralter|mittelalteralter]]lichen [[Denken]]s. Nach [[christlich]]er Anschauung wurde es durch den [[Weltgeist]], den [[Logos]], selbst geschrieben, so wie es am deutlichsten im Prolog des [[Johannes-Evangelium]]s ausgesprochen wird:


# '''[[Dukkha]]''' - ''Das Leben im Daseinskreislauf ist letztlich leidvoll.''
{{Zitat|vor=|nach=|<poem>1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
#: Geburt ist Leiden, Altern ist Leiden, Tod ist Leiden; Kummer, Lamentieren, Schmerz und Verzweiflung sind Leiden. Gesellschaft mit dem Ungeliebten ist Leiden, das Gewünschte nicht zu bekommen ist Leiden. Kurz, die [[Skandhas|fünf Ansammlungen]] (skt. ''skandha'', p.''khandhah'') sind Leiden.
2 Dasselbe war im Anfang bei Gott.
# '''[[Samudaya]]''' - ''Ursachen des Leidens sind Gier, Hass und Verblendung und das Nichtwissen (skt. ''avidyā'', p. ''avijjā'').''
3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
#:Das Verlangen/Durst ([[tanha|skt. ''trisnā'', p. ''tanhā'']]), das zur Wiedergeburt führt - begleitet von Leidenschaft bzw. Wonne, genossen eben hier und eben da - nämlich das Verlangen nach Sinneslust, das Verlangen nach Werden, das Verlangen nach Nicht-Werden.
4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
# '''[[Nirodha]]''' - ''Erlöschen die Ursachen, erlischt das Leiden.''
5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.
#:Das restlose Vergehen bzw. Enden, Abkehren, Abtreten, Aufgeben und Loslassen genau dieses Verlangens (''tanha''), womit auch die Illusion des [[Ich]] mit dem Gang ins [[Nirvana]] erlischt.
6 Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes.
# '''[[Magga]]''' - ''Zum Erlöschen des Leidens führt der [[Achtfacher Pfad|„Edle Achtfache Pfad“]].''
7 Der kam zum Zeugnis, um von dem Licht zu zeugen, damit sie alle durch ihn glaubten.
#:Die acht Stufen dieses Pfades sind: Rechte Sicht, rechte Entschlossenheit, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechter Lebensunterhalt/-erwerb, rechtes Bemühen, rechte Aufmerksamkeit/Achtsamkeit, rechte Konzentration. Man nennt Magga auch den '''mittleren Pfad''' (Majihima Patipada), denn er meidet zwei Extreme: erstens die Suche nach Glück im Sinnengenuss, die niedrig, gemein und nicht gewinnbringend ist und als Weg des gewöhnlichen Menschen gilt. Und zweitens die Suche nach Glück in der Selbstpeinigung durch verschiedene Formen der [[Askese]], die schmerzvoll, unwürdig und ebenfalls nicht gewinnbringend ist.
8 Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht.
9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht.
11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben,
13 die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.</poem>|Johannes-Evangelium|{{B|Joh|1|1-14|LUT}}}}
 
[[Naturwissenschaft]] im Sinne des mittelalterlichen Denkens bestand darin, im Buch der Natur [[lesen]] zu lernen.  


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"Das ist
"So lernt man schon allmählich, in der physischen Welt zu lesen...
das Charakteristische des Buddhismus, daß von einem durch die Inkarnationen
So lernt
durchgehenden realen Ich nicht gesprochen wurde. Aus
man allmählich entziffern, erdeuten, wesenhaft lesen und ergreifen
dem Grunde wurde nicht davon gesprochen, weil ein reales Ich bei
dasjenige, was die Welt wirklich ist, und von dem die physische
den Völkern des Ostens nicht voll zum Bewußtsein gekommen ist." {{Lit|{{G|148|198}}}}
Welt nicht mehr ist als ein beschriebenes Blatt, das vor uns liegt und
das wir nicht nur angaffen, sondern lesen müssen, sonst wissen wir
nicht, was darauf steht. Ebensowenig wissen wir von der Welt, wenn
wir sie nur anschauen mit dem, was die physische Wahrnehmung
gibt und nicht gewahr werden, daß wir sie entziffern und in sie eindringen
müssen, geradeso wie wir ja ein beschriebenes Blatt nicht
nur anstarren, sondern es lesen müssen, um den Sinn zu verstehen.
Wenn wir immer mehr und mehr so das Bewußtsein davon aufnehmen,
daß die Welt ein Buch ist, welches die Hierarchien für uns
geschrieben haben, damit wir darin lesen, dann werden wir im vollsten
Sinn des Wortes erst ganz Mensch werden." {{Lit|{{G|156|84}}}}
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Für die christlichen Denker eröffnete sich dadurch zugleich das Verständnis dafür, wie der schaffende Logos, der [[Christus]], zur [[Erdensphäre]] herabgestiegen ist, um sich in einem [[Mensch]]en als der [[Christus Jesus]] zu [[Inkarnation|inkarnieren]]. Wie dieses Lesen zu verstehen ist und welcher [[Gesinnung]] es dazu bedarf, deutet [[Paulus]] im [[Wikipedia:1. Brief des Paulus an die Korinther|1. Korintherbrief]] im [[Hohelied der Liebe]] an:
"Der Buddhismus ist die letzte Frucht einer hellsichtigen Urkultur,
 
während welcher die Menschen das frühere primitive
{{Zitat|vor=|nach=|<poem>1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
Hellsehen hatten, und für seine Zeit vertrat er den Gedanken,
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
daß es wiederholte Erdenleben gibt, aus dem Grunde,
3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
weil es die Menschen als unmittelbare Erfahrung ihres alten
4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,
Hellsehens hatten. Dagegen aber behauptet der Buddhismus
5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
durchaus, daß alles dasjenige, was aus einem früheren Leben
6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
herüberspielt und sich im gegenwärtigen zum Ich zusammenballt,
7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
eigentlich nichts wird als das Schein-Ich, das wir
8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.
im Bilde erblicken. Der Buddhismus kennt im Grunde genommen
9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.
nicht das wirkliche Ich, sondern nur das Schein-Ich,
10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
das Bild, von dem wir gesprochen haben. Er spricht daher
11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.
davon, daß das Ich vergeht wie unser Leib, wie unsere
12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
Hülle und unsere sonstigen Erlebnisse. Was der Buddhismus
13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.</poem>|Paulus von Tarsus|1. Korintherbrief {{Bibel|1 Kor|13|1-13|LUT}}}}
aus dem früheren ins gegenwärtige Erdenleben herüberspielen
läßt, das sind nur die Taten des früheren Lebens, das
Karma. Wie sich die Taten zusammengruppieren, das ruft
nach dem Buddhismus in einem jeden neuen Leben ein
Schein-Ich hervor, so daß in unser neues Leben kein Ich,
sondern nur die Taten, nur das Karma hinüberspielt. Daher
sagt der Buddhist: Was als Ich wirkt, ist Schein wie alles
andere, ist Maja wie alles andere, und ich muß das Bestreben
haben, über das Ich hinauszukommen. Die Taten meines
früheren Lebens sind so verlaufen, daß sie sich jetzt herumgruppieren
wie um einen Mittelpunkt. Jenes Ich ist aber
ein bloßer Schein-Mittelpunkt. Daher muß ich auslöschen,
was mit dem Karma in das Leben hereingestellt ist. - Umgekehrt
sagt die Geisteswissenschaft: Das Ich, welches da
auftritt, ist die konzentrierende Tat des Karma." {{Lit|{{G|061|473f}}}}
</div>


== Literatur ==
In umfassender Weise lernte [[Christian Rosenkreutz]] im ''Buch der Natur'' zu lesen, wie es die [[Fama Fraternitatis]] des [[Johann Valentin Andreae]] berichtet. 1378 am Ufer des Rheins als Sohn gleichwohl adeliger, aber verarmten Eltern geboren, wurde er im 5. Lebensjahr in ein Kloster gegeben, wo er [[Wikipedia:Griechische Sprache|Griechisch]] und [[Wikipedia:Latein|Latein]] lernte. Auf seine drängende Bitte hin durfte er seinen Mitbruder P.A.L. auf eine Reise zum Heiligen Grab begleiten, doch der andere Bruder starb in [[Wikipedia:Zypern|Zypern]]. Christian Rosenkreutz, damals erst 16 Jahre alt, setzte allein die Reise fort und kam so nach [[Wikipedia:Damaskus|Damaskus]], wo er, noch körperlich geschwächt, für einige Zeit blieb. Hier erlebte er, wie uns [[Rudolf Steiner]] berichtet, nochmals das Paulus-Ereignis und "wissende Männer" offenbarten ihm manche okkulten Geheimnisse und brachten ihn schließlich auf sein dringendes Ersuchen zu ihrem Ordens-Tempel nach ''Damkar'' (Dam-Car), das heißt auf [[Hebräische Sprache|Hebräisch]]: ''das Blut des Lammes'' (Dam = {{HeS|דָּם|Blut}}; Car = {{HeS|כר|Lamm}}; als CR zugleich die Initialen von Christian Rosenkreutz). Die dort versammelten Weisen empfingen ihn nicht wie einen Fremden, sondern wie einen, auf den sie lange gewartet hatten. Sie nannten ihn nicht nur beim rechten Namen, sondern zeigten ihm, zu seinem großen Erstaunen, auch sonst manche Geheimnisse aus seinem Kloster an. Nicht nur viele "Wunder" offenbarten ihm die Weisen, sie zeigten ihm vor allem auch, wie sich ihnen die Sprache der Natur enthüllte. Christian Rosenkreutz lernte nun [[Wikipedia:Arabische Sprache|Arabisch]], studierte [[Medizin]] und [[Mathematik]] und ein Jahr später übertrug er schließlich das ''Liber Mundi'' ins Lateinische, d.h., er hielt in [[mensch]]licher [[Sprache]] die der Natur eingeschriebene [[Weisheit]] fest.


* Hermann Beckh: ''Buddha und seine Lehre'', Urachhaus Vlg., Stuttgart 1998
==Literatur==
* Maurice Percheron: ''Buddha'', rororo-Monographie, Reinbek b. Hamburg 1979
* [[Johann Valentin Andreae]]: ''Die Bruderschaft der Rosenkreuzer. Esoterische Texte'' (Diederichs Gelbe Reihe; 53). Diederichs, München 1995, ISBN 3-424-00793-5 (hrsg. von Gerhard Wehr)
* Zoran Perowanowitsch: ''Mit einem erweiterten Christusverständnis ins 21. Jahrhundert. Eine Synthese von Christentum und Buddhismus, Kitesh Vlg., Sölden 1998
* [[Rudolf Steiner]]: ''Okkultes Lesen und okkultes Hören'', [[GA 156]] (2003), ISBN 3-7274-1561-4 {{Vorträge|156}}
* Rudolf Steiner: ''Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung'', [[GA 61]] (1983), ISBN 3-7274-0610-0 {{Vorträge|061}}
* Rudolf Steiner: ''Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium'', [[GA 148]] (1992), ISBN 3-7274-1480-4 {{Vorträge|148}}


{{GA}}
{{GA}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.palikanon.com/ Buddhas Lehrreden und andere Texte online]


[[Kategorie:Buddhismus]]
* [http://www.odysseetheater.com/jump.php?url=http://www.odysseetheater.com/ftp/bibliothek/Alchemie/Fama_Fraternitatis.pdf Fama Fraternitatis]
* [http://www.minerva.mic.ul.ie//vol3/liber.html Berkeley and Liber Mundi] - Essay by Costica Bradatan
* [http://fordham.universitypressscholarship.com/view/10.5422/fso/9780823226931.001.0001/upso-9780823226931 Costica Bradatan: ''The Other Bishop Berkeley: An Exercise in Reenchantment''] (2007)
 
[[Kategorie:Rosenkreuzerisches Werk|K]]

Aktuelle Version vom 23. Dezember 2020, 00:09 Uhr

Christian Rosencreutz

Das Liber Mundi (lat., "Buch der Welt"), kurz Liber M oder Buch M, das Buch der Natur, des Naturwissens, des Wissens vom Wesen der Mineralien, Pflanzen und Tiere, war ein stets gegenwärtiges Thema des mittelalteralterlichen Denkens. Nach christlicher Anschauung wurde es durch den Weltgeist, den Logos, selbst geschrieben, so wie es am deutlichsten im Prolog des Johannes-Evangeliums ausgesprochen wird:

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
2 Dasselbe war im Anfang bei Gott.
3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.
6 Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes.
7 Der kam zum Zeugnis, um von dem Licht zu zeugen, damit sie alle durch ihn glaubten.
8 Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht.
9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht.
11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben,
13 die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

Johannes-Evangelium: Joh 1,1-14 LUT

Naturwissenschaft im Sinne des mittelalterlichen Denkens bestand darin, im Buch der Natur lesen zu lernen.

"So lernt man schon allmählich, in der physischen Welt zu lesen... So lernt man allmählich entziffern, erdeuten, wesenhaft lesen und ergreifen dasjenige, was die Welt wirklich ist, und von dem die physische Welt nicht mehr ist als ein beschriebenes Blatt, das vor uns liegt und das wir nicht nur angaffen, sondern lesen müssen, sonst wissen wir nicht, was darauf steht. Ebensowenig wissen wir von der Welt, wenn wir sie nur anschauen mit dem, was die physische Wahrnehmung gibt und nicht gewahr werden, daß wir sie entziffern und in sie eindringen müssen, geradeso wie wir ja ein beschriebenes Blatt nicht nur anstarren, sondern es lesen müssen, um den Sinn zu verstehen. Wenn wir immer mehr und mehr so das Bewußtsein davon aufnehmen, daß die Welt ein Buch ist, welches die Hierarchien für uns geschrieben haben, damit wir darin lesen, dann werden wir im vollsten Sinn des Wortes erst ganz Mensch werden." (Lit.: GA 156, S. 84)

Für die christlichen Denker eröffnete sich dadurch zugleich das Verständnis dafür, wie der schaffende Logos, der Christus, zur Erdensphäre herabgestiegen ist, um sich in einem Menschen als der Christus Jesus zu inkarnieren. Wie dieses Lesen zu verstehen ist und welcher Gesinnung es dazu bedarf, deutet Paulus im 1. Korintherbrief im Hohelied der Liebe an:

1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,
5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.
9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.
10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.
12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Paulus von Tarsus: 1. Korintherbrief (1 Kor 13,1-13 LUT)

In umfassender Weise lernte Christian Rosenkreutz im Buch der Natur zu lesen, wie es die Fama Fraternitatis des Johann Valentin Andreae berichtet. 1378 am Ufer des Rheins als Sohn gleichwohl adeliger, aber verarmten Eltern geboren, wurde er im 5. Lebensjahr in ein Kloster gegeben, wo er Griechisch und Latein lernte. Auf seine drängende Bitte hin durfte er seinen Mitbruder P.A.L. auf eine Reise zum Heiligen Grab begleiten, doch der andere Bruder starb in Zypern. Christian Rosenkreutz, damals erst 16 Jahre alt, setzte allein die Reise fort und kam so nach Damaskus, wo er, noch körperlich geschwächt, für einige Zeit blieb. Hier erlebte er, wie uns Rudolf Steiner berichtet, nochmals das Paulus-Ereignis und "wissende Männer" offenbarten ihm manche okkulten Geheimnisse und brachten ihn schließlich auf sein dringendes Ersuchen zu ihrem Ordens-Tempel nach Damkar (Dam-Car), das heißt auf Hebräisch: das Blut des Lammes (Dam = hebr. דָּם Blut; Car = hebr. כר Lamm; als CR zugleich die Initialen von Christian Rosenkreutz). Die dort versammelten Weisen empfingen ihn nicht wie einen Fremden, sondern wie einen, auf den sie lange gewartet hatten. Sie nannten ihn nicht nur beim rechten Namen, sondern zeigten ihm, zu seinem großen Erstaunen, auch sonst manche Geheimnisse aus seinem Kloster an. Nicht nur viele "Wunder" offenbarten ihm die Weisen, sie zeigten ihm vor allem auch, wie sich ihnen die Sprache der Natur enthüllte. Christian Rosenkreutz lernte nun Arabisch, studierte Medizin und Mathematik und ein Jahr später übertrug er schließlich das Liber Mundi ins Lateinische, d.h., er hielt in menschlicher Sprache die der Natur eingeschriebene Weisheit fest.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks