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Karl Ernst von Baer, Sohn des estländischen Rittergutsbesitzers und Landrats [[Wikipedia:Johann Magnus von Baer|Johann Magnus von Baer]] (1765–1825) und von ''Julie Marie von Baer'' (1764–1820),<ref name="GH">''Genealogisches Handbuch der baltischen Ritterschaften'', Görlitz 1930, Seiten [http://personen.digitale-sammlungen.de/baltlex/Blatt_bsb00000601,00021.html 12], [http://personen.digitale-sammlungen.de/baltlex/Blatt_bsb00000601,00022.html '''13 einschließlich FN 6'''], [http://personen.digitale-sammlungen.de/baltlex/Blatt_bsb00000601,00023.html 14.]</ref> Tochter eines russischen Offiziers, besuchte von 1808 bis 1810 die deutschsprachige [[Wikipedia:Ritter- und Domschule zu Reval|Domschule]] in [[Wikipedia:Tallinn|Reval]], dem heutigen Tallinn. Anschließend studierte er bis 1814 Medizin an der damals ebenfalls deutschsprachigen, 1802 gegründeten [[Wikipedia:Universität Dorpat|Universität Dorpat]]. Nach dem Doktorat setzte Baer seine medizinischen Studien in [[Wikipedia:Wien|Wien]] und später in [[Wikipedia:Würzburg|Würzburg]] fort. Er wurde schließlich an der [[Wikipedia:Albertus-Universität Königsberg|Universität Königsberg]] [[Wikipedia:Habilitation|habilitiert]] und arbeitete von 1817 bis 1834 in [[Wikipedia:Königsberg (Preußen)|Königsberg]].  
Karl Ernst von Baer, Sohn des estländischen Rittergutsbesitzers und Landrats [[Wikipedia:Johann Magnus von Baer|Johann Magnus von Baer]] (1765–1825) und von ''Julie Marie von Baer'' (1764–1820),<ref name="GH">''Genealogisches Handbuch der baltischen Ritterschaften'', Görlitz 1930, Seiten [http://personen.digitale-sammlungen.de/baltlex/Blatt_bsb00000601,00021.html 12], [http://personen.digitale-sammlungen.de/baltlex/Blatt_bsb00000601,00022.html '''13 einschließlich FN 6'''], [http://personen.digitale-sammlungen.de/baltlex/Blatt_bsb00000601,00023.html 14.]</ref> Tochter eines russischen Offiziers, besuchte von 1808 bis 1810 die deutschsprachige [[Wikipedia:Ritter- und Domschule zu Reval|Domschule]] in [[Wikipedia:Tallinn|Reval]], dem heutigen Tallinn. Anschließend studierte er bis 1814 Medizin an der damals ebenfalls deutschsprachigen, 1802 gegründeten [[Wikipedia:Universität Dorpat|Universität Dorpat]]. Nach dem Doktorat setzte Baer seine medizinischen Studien in [[Wikipedia:Wien|Wien]] und später in [[Wikipedia:Würzburg|Würzburg]] fort. Er wurde schließlich an der [[Wikipedia:Albertus-Universität Königsberg|Universität Königsberg]] [[Wikipedia:Habilitation|habilitiert]] und arbeitete von 1817 bis 1834 in [[Wikipedia:Königsberg (Preußen)|Königsberg]].  


1827 entdeckte Baer die menschlichen [[Eizelle]]. 1828 formulierte er die [[Baer-Regel]] der ''Embryonenähnlichkeit'' sowie das nach ihm benannte Gesetz der unterschiedlichen [[Wikipedia:Erosion (Geologie)|Erosion]] von Flussufern durch die [[Wikipedia:Corioliskraft|Corioliskraft]]. Er gilt als einer der bedeutendsten [[Naturwissenschaftler]] des 19. Jahrhunderts und wird wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen auf zahlreichen Gebieten manchmal auch als der „[[Alexander von Humboldt]] des Nordens“ bezeichnet.
1827 entdeckte Baer die menschlichen [[Eizelle]]. 1828 formulierte er die [[Baer-Regel]] der ''Embryonenähnlichkeit'', auf die [[Ernst Haeckel]]s [[Biogentisches Grundgesetz|biogenetische Grundregel]] aufbaute, sowie das nach ihm benannte Gesetz der unterschiedlichen [[Wikipedia:Erosion (Geologie)|Erosion]] von Flussufern durch die [[Wikipedia:Corioliskraft|Corioliskraft]]. Er gilt als einer der bedeutendsten [[Naturwissenschaftler]] des 19. Jahrhunderts und wird wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen auf zahlreichen Gebieten manchmal auch als der „[[Alexander von Humboldt]] des Nordens“ bezeichnet.
 
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Im Zentrum von Baers Denken stand der [[Teleologie]]begriff: Naturprozesse sind durch Zweck- und Zielstrebigkeiten gekennzeichnet, modellhaftes Vorbild dabei ist die Embryonalentwicklung. Vor Darwin und angeregt durch [[Wikipedia:Christian Heinrich Pander|Christian Heinrich Pander]], der bereits in den 1820er Jahren eine unbeschränkte Umbildung der Arten für möglich gehalten hatte, stellte Baer Überlegungen zur [[Evolution]] an. In seinem Aufsatz ''Über Papuas und Alfuren'' (1859) sprach er sich gegen die Artkonstanz und für eine Umbildung der Arten in einem gewissen Rahmen aus. Einer Entstehung von neuen Typen durch Evolution stand er ablehnend gegenüber, letztlich sah er die Frage nach dem Ursprung des Menschen als wahrscheinlich nie lösbares Problem an. Hauptkritikpunkt am Darwinismus ist dessen Nicht-Anerkennen einer nur telelogisch erklärbaren Natur. Seine ambivalente Haltung gegenüber der Evolutionstheorie fasste Baer 1876 selbst so zusammen:
Im Zentrum von Baers Denken stand der [[Teleologie]]begriff: Naturprozesse sind durch Zweck- und Zielstrebigkeiten gekennzeichnet, modellhaftes Vorbild dabei ist die Embryonalentwicklung. Vor Darwin und angeregt durch [[Wikipedia:Christian Heinrich Pander|Christian Heinrich Pander]], der bereits in den 1820er Jahren eine unbeschränkte Umbildung der Arten für möglich gehalten hatte, stellte Baer Überlegungen zur [[Evolution]] an. In seinem Aufsatz ''Über Papuas und Alfuren'' (1859) sprach er sich gegen die Artkonstanz und für eine Umbildung der Arten in einem gewissen Rahmen aus. Einer Entstehung von neuen Typen durch Evolution stand er ablehnend gegenüber, letztlich sah er die Frage nach dem Ursprung des Menschen als wahrscheinlich nie lösbares Problem an. Hauptkritikpunkt am Darwinismus ist dessen Nicht-Anerkennen einer nur telelogisch erklärbaren Natur. Seine ambivalente Haltung gegenüber der Evolutionstheorie fasste Baer 1876 selbst so zusammen:

Version vom 26. Oktober 2017, 22:41 Uhr

Karl Ernst von Baer 1840
Karl Ernst von Baer, 1865

Karl Ernst von Baer (* 17. Februarjul. / 28. Februar 1792greg.[1] auf Gut Piep (estnisch: Piibe), heute Gemeinde Rakke, in Estland; † 16. Novemberjul. / 28. November 1876greg. in Dorpat, Estland) war ein deutsch-baltischer Mediziner und Naturforscher, insbesondere Zoologe, Embryologe, Anthropologe, Geograph und Forschungsreisender.

Leben und Werk

Karl Ernst von Baer, Sohn des estländischen Rittergutsbesitzers und Landrats Johann Magnus von Baer (1765–1825) und von Julie Marie von Baer (1764–1820),[2] Tochter eines russischen Offiziers, besuchte von 1808 bis 1810 die deutschsprachige Domschule in Reval, dem heutigen Tallinn. Anschließend studierte er bis 1814 Medizin an der damals ebenfalls deutschsprachigen, 1802 gegründeten Universität Dorpat. Nach dem Doktorat setzte Baer seine medizinischen Studien in Wien und später in Würzburg fort. Er wurde schließlich an der Universität Königsberg habilitiert und arbeitete von 1817 bis 1834 in Königsberg.

1827 entdeckte Baer die menschlichen Eizelle. 1828 formulierte er die Baer-Regel der Embryonenähnlichkeit, auf die Ernst Haeckels biogenetische Grundregel aufbaute, sowie das nach ihm benannte Gesetz der unterschiedlichen Erosion von Flussufern durch die Corioliskraft. Er gilt als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts und wird wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen auf zahlreichen Gebieten manchmal auch als der „Alexander von Humboldt des Nordens“ bezeichnet.

„Ich möchte manchem, der heute, nachdem er so ein bißchen hineingerochen hat in Haeckels, in Darwins Bücher, raten, bevor er daran geht, eine Filiale für einen Monistenverein zu gründen, mancherlei anderes vorher zu tun: so zum Beispiel wenn Haeckel Ernst von Baer anführt, selber einmal Karl Ernst von Baer in die Hand zu nehmen und zu lesen. Ich will Ihnen nur eine Stelle aus Karl Ernst von Baer vorlesen, wo er sich darüber ausspricht, wie es mit der geistigen Welt im Verhältnis zur Erdenwelt bestellt ist. Da sagt Baer: «Der Erdkörper ist nur das Samenbeet, auf welchem das geistige Erbteil des Menschen wuchert, und die Geschichte der Natur ist nur die Geschichte fortschreitender Siege des Geistigen über den Stoff. Das ist der Grundgedanke der Schöpfung, dem zu Gefallen, nein, zu dessen Erreichung sie Individuen und Zeugungs-Reihen schwinden läßt und die Gegenwart auf dem Gerüste einer unermeßlichen Vergangenheit erhebt.» Was sagt also dieser Baer? Der Erdenkörper, die Erde ist das Samenbeet, und da hinein werden versenkt die geistigen Keime, damit sie sich umhüllen. - Die reine Wahrheit hat dieser Baer gesagt im Beginne des 19. Jahrhunderts!“ (Lit.:GA 174b, S. 178)

Im Zentrum von Baers Denken stand der Teleologiebegriff: Naturprozesse sind durch Zweck- und Zielstrebigkeiten gekennzeichnet, modellhaftes Vorbild dabei ist die Embryonalentwicklung. Vor Darwin und angeregt durch Christian Heinrich Pander, der bereits in den 1820er Jahren eine unbeschränkte Umbildung der Arten für möglich gehalten hatte, stellte Baer Überlegungen zur Evolution an. In seinem Aufsatz Über Papuas und Alfuren (1859) sprach er sich gegen die Artkonstanz und für eine Umbildung der Arten in einem gewissen Rahmen aus. Einer Entstehung von neuen Typen durch Evolution stand er ablehnend gegenüber, letztlich sah er die Frage nach dem Ursprung des Menschen als wahrscheinlich nie lösbares Problem an. Hauptkritikpunkt am Darwinismus ist dessen Nicht-Anerkennen einer nur telelogisch erklärbaren Natur. Seine ambivalente Haltung gegenüber der Evolutionstheorie fasste Baer 1876 selbst so zusammen: „Zuvörderst habe ich das ungewöhnliche Glück, dass ich sowohl als Förderer der Darwinschen Lehre, wie auch als Gegner derselben angeführt werde. In der Tat glaube ich für die Begründung derselben einigen Stoff geliefert zu haben, wenn auch die Zeit und Darwin selbst auf das Fundament ein Gebäude aufgeführt haben, dem ich mich fremd fühle.[3]

Baer beschrieb 1828 als erster die Chorda dorsalis, von ihm Rückensaite (später Wirbel- oder Spinalsaite) genannt, als gemeinsames Merkmal der Wirbeltiere (bzw. der später so genannten Chordatiere): „Diese Saite ist nicht nur die Axe, um welche sich die ersten Theile des Embryo bilden, sondern auch der wahre Maaßstab für den ganzen Leib und alle Hauptsysteme.“ (so Baer 1828). Diese Begriffsbildung bedeutete auch die Ausdehnung des Verwandtschaftsverhältnisses des Menschen bis hin zu den Neunaugen.

1837 sammelte Baer Tiere und Pflanzen auf Nowaja Semlja, einer Inselgruppe im arktischen Eismeer, wo er auch übersommerte. Auf weiteren Expeditionen erforschte er Spuren der Eiszeit an der Südküste Finnlands (1838/1839). An den Nordmeerküsten, am Kaspischen Meer und im Kaukasus untersuchte er 1851 bis 1856 die Fischerei und die Fischbestände. Diese Untersuchungen führten 1856 zum ersten Gesetz zum Schutz der Fischbestände in Russland. Mit seinen Eismeer-Untersuchungen wurde Baer einer der Begründer der wissenschaftlichen Arktisforschung.

Von 1867 bis zu seinem Tod 1876 lebte Baer in Dorpat, der Stadt, in der er einst studiert hatte. Hier beschäftigte er sich mit dem Darwinismus und verfasste zahlreiche Aufsätze (z. T. in Buchlänge) zu biologischen, anthropologischen, wissenschafts- und kulturgeschichtlichen Themen.

Baer starb, erblindet, aber bis zuletzt wissenschaftlich arbeitend, im Spätherbst 1876 und wurde auf dem Alten Johannisfriedhof Dorpat (Raadi-Friedhof Tartu) beigesetzt.

Werke

  • Über Entwickelungsgeschichte der Thiere. Beobachtung und Reflexion. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1828, 1. Teil Google, Google; 2. Teil, 1837 Google
  • Schädel- und Kopfmangel an Embryonen von Schweinen aus der frühesten Zeit der Entwickelung beobachtet. [1829] Google
  • Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der Fische nebst einem Anhange über die Schwimmblase. F. C. W. Vogel, Leipzig 1835 Google, Google
  • Anatomische und zoologische Untersuchungen über das Wallross (Trichechus rosmarus) und Vergleichung dieses Thiers mit andern See-Säugethieren. St. Petersburg 1836 Google, Google
  • Makrokephalen im Boden der Krim und Österreichs, verglichen mit der Bildungs-Abweichung, welche Blumenbach Macrocephalus genannt hat. Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, St. Petersburg 1860 Google
  • Bericht über die Zusammenkunft einiger Anthropologen im September 1861 in Göttingen zum Zwecke gemeinsamer Besprechungen. Eratattet von Karl Ernst von Baer und Rudolph Wagner. Leopold Voss, Leipzig 1861 Google, Google
  • Über ein neues Project, Auster-Bänke an der russischen Ostee-Küste anzulegen, und über den Salz-Gehalt der Ostsee in verschiedenen Gegenden. Buchdruckerei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, St. Petersburg 1861 Google
  • Welche Auffassung der lebenden Natur ist die richtige? Und Wie ist diese Auffassung auf die Entomologie anzuwenden? A. Hirschwald, 1862. Zur Eröffnung der Russischen entomologischen Gesellschaft im Mai 1860 gesprochen. August Hirschwald, Berlin 1862 Google
  • Nachrichten über Leben und Schriften des Herrn Geheimraths Dr. Karl Ernst von Baer, mitgetheilt von ihm selbst. Veröffentlicht bei Gelegenheit seines fünfzigjährigen Doctor-Jubiläums am 29. August 1864 von der Ritterschaft Ehstlands.
    • Buchdruckerei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, St. Petersburg 1865 Google, Google
    • H. Schmitzdorff, St. Petersburg 1866 Google, Google, Google
  • Das neuentdeckte Wrangells-Land. W. Gläser, Dorpat 1868 Google

Siehe auch

Weblinks

Commons: Karl Ernst von Baer - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikisource: Karl Ernst von Baer – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Datum nach seiner Selbstbiografie Nachrichten über Leben und Schriften des Herrn Geheimraths Dr. Karl Ernst von Baer, Sankt Petersburg 1865.
  2. Genealogisches Handbuch der baltischen Ritterschaften, Görlitz 1930, Seiten 12, 13 einschließlich FN 6, 14.
  3. Ueber Darwin's Lehre. In: Reden und kleinere Aufsätze, Bd. 2. St. Petersburg 1876, S. 239


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Karl Ernst von Baer aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.