Pazifismus

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Bekanntes Friedenszeichen, ursprünglich Logo der britischen Kampagne zur nuklearen Abrüstung (Campaign for Nuclear Disarmament), entworfen 1958 von Gerald Holtom[1]

Der Begriff Pazifismus (von lat. pax, deutsch ‚Frieden‘, und facere ‚machen, tun, handeln‘) wurde Anfang des 20. Jahrhunderts als politisches Schlagwort der Friedensbewegung etabliert.[2] Er bezeichnet eine weltanschauliche Strömung, die jeglichen Krieg als Mittel der Auseinandersetzung ablehnt und den Verzicht auf Rüstung und militärische Ausbildung fordert.[3] Diese Bewegung setzt auf Soziale Verteidigung und Zivilen Ungehorsam als geeignete Mittel gegen bewaffnete Besetzungen.[4] Pazifisten stehen für eine ethische Grundhaltung, die danach strebt, bewaffnete Konflikte zu vermeiden, zu verhindern und die Bedingungen für dauerhaften Frieden zu schaffen. Strenge Auslegungen lehnen jede Form der Gewaltanwendung kategorisch ab und treten für vollkommene Gewaltlosigkeit ein.[5] Die gegensätzliche Haltung zum Pazifismus wird als Bellizismus, als Kriegsverherrlichung bezeichnet. Der Antimilitarismus lehnt darüber hinaus nicht nur den Krieg, sondern bereits den Militarismus ab.

Geschichte

Bertha von Suttner (1905)
Mohandas Karamchand Gandhi (Porträtfotografie von 1931)
Martin Luther King Jr. (1964)
Albert Schweitzer, 1955 (Bundesarchiv Deutschland)
Jane Addams (1914)
Ellen Key (1910)

Die Geschichte des Pazifismus reicht bis in die Antike zurück, als Philosophen wie Sokrates, Platon und Aristoteles die Idee der Gewaltfreiheit als moralische Tugend diskutierten. Der Begriff „Pazifismus“ wurde jedoch erst im späten 19. Jahrhundert geprägt.

Während des Mittelalters und der Renaissance gab es immer wieder friedliche Bewegungen und Initiativen, die sich gegen Kriege und Gewalt wandten. Eine wichtige Figur war beispielsweise der italienische Gelehrte und Friedensaktivist Erasmus von Rotterdam im 16. Jahrhundert.

Im 19. Jahrhundert wurde der Pazifismus in Europa und Nordamerika zu einer organisierten Bewegung. Die Gründung der Friedensgesellschaften in Großbritannien, den USA und anderen Ländern trug zur Entwicklung des modernen Pazifismus bei. Diese Gesellschaften setzten sich für die friedliche Beilegung von Konflikten ein und lehnten Krieg als Mittel der Politik und Diplomatie ab.

Als erster bekannter Schöpfer des Wortes Pazifismus gilt der Franzose Jean-Baptiste Richard de Radonvilliers,[6] der den Begriff 1846 in der Bedeutung etablieren wollte: „Système de pacification, de paix; tout de qui tend à établir, à maintenir la paix.“ („System der Befriedung, des Friedens; alles, was den Frieden zu stiften und zu bewahren bestrebt ist.“)[7] Die Neuschöpfung wurde jedoch nicht allgemein aufgegriffen. Vorerst herrschten weiter Bezeichnungen wie Friedensfreunde, amis de la paix oder Friedensbewegung vor. Auch Föderalisten oder Internationalisten waren als Bezeichnung üblich. Erst ab 1901 wurde Pazifismus erfolgreich etabliert. In einem Artikel vom 15. August 1901 in der belgischen Zeitung L’Indépendance Belge forderte der französische Notar und Präsident der „Ligue internationale de la Paix et de la Liberté“, Émile Arnaud, die Verwendung dieses Begriffs mit der Begründung:

„Nous ne sommes pas seulement des ‚pacifiques‘, nous ne sommes pas seulement des ‚pacifiants‘, nous ne sommes pas seulement des ‚pacificateurs‘. Nous sommes le tout à la fois, et autre choses encore: nous sommes, en un mot, des Pacifistes.“

„Wir sind nicht nur friedlich, wir sind nicht nur friedfertig, wir sind nicht nur friedensstiftend. Wir sind alles zusammen und noch mehr: Wir sind, in einem Wort, Pazifisten.“

Émile Arnaud: Le Pacifisme. In: L’Indépendance Belge. 15. August 1901

Während des Ersten Weltkrieges gab es viele pazifistische Bewegungen, insbesondere in Großbritannien und den USA. Der Krieg löste jedoch auch einen nationalen Patriotismus aus, der die pazifistische Bewegung schwächte. In den 1920er und 1930er Jahren erlangte der Pazifismus jedoch wieder an Bedeutung, als die Folgen des Ersten Weltkriegs und die Bedrohung durch den aufkommenden Faschismus immer offensichtlicher wurden.

Die Nationalsozialisten lehnten den Pazifismus grundsätzlich ab, da sie die kriegerische Auseinandersetzung als notwendig ansahen, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Der Einsatz von Gewalt, insbesondere gegenüber politischen Gegnern und Minderheiten, war ein zentraler Bestandteil ihrer Ideologie.

Adolf Hitler selbst war ein entschiedener Gegner des Pazifismus und betrachtete die Idee der Gewaltfreiheit als eine Schwäche. In seinem Buch „Mein Kampf“ bezeichnete er den Pazifismus als eine "Krankheit" und „Geisteskrankheit“, die Deutschland geschwächt habe und zur Niederlage im Ersten Weltkrieg geführt habe. Hitler glaubte, dass der Einsatz von Gewalt und Krieg notwendig sei, um die Interessen Deutschlands zu verteidigen und seine Ziele zu erreichen.

Während der Herrschaft der Nationalsozialisten wurden Pazifisten und Kriegsgegner verfolgt und oft brutal unterdrückt. Viele wurden in Konzentrationslagern inhaftiert oder hingerichtet. Die nationalsozialistische Propaganda propagierte eine militaristische und aggressive Haltung, die auf der Idee der Überlegenheit des „arischen“ Volkes basierte und zur Rechtfertigung des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts diente.

Während des Zweiten Weltkrieges waren Pazifisten in den Ländern der Alliierten in der Minderheit. Nach dem Krieg entstanden jedoch viele Organisationen, die sich für Abrüstung und internationale Zusammenarbeit einsetzten. Der Kalte Krieg und die Bedrohung durch Atomwaffen verliehen der Friedensbewegung in den 1950er und 1960er Jahren neuen Auftrieb. Viele Bürgerrechtler und Friedensaktivisten kämpften für eine Welt ohne Atomwaffen und für eine friedliche Koexistenz zwischen Ost und West.

Heute gibt es viele pazifistische Organisationen auf der ganzen Welt, die sich für die Gewaltfreiheit und die friedliche Beilegung von Konflikten einsetzen. Der Pazifismus hat auch in anderen sozialen Bewegungen wie der Frauenrechts- und der Umweltbewegung eine wichtige Rolle gespielt. Der Pazifismus bleibt eine wichtige Stimme für den Frieden und die Gewaltfreiheit in der Welt und fordert eine Abkehr von militärischen Konflikten und Gewalt als Mittel der Politik und Diplomatie.

Persönlichkeiten

Es gibt viele wichtige Persönlichkeiten, die sich im Laufe der Geschichte für den Pazifismus engagiert haben. Einige der bedeutendsten sind:

  • Bertha von Suttner: Die österreichische Schriftstellerin und Friedensaktivistin war eine der ersten Frauen, die den Friedensnobelpreis erhielten. Sie war Mitbegründerin der Österreichischen Gesellschaft der Friedensfreunde und eine führende Persönlichkeit in der europäischen Friedensbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts.
  • Mahatma Gandhi: Der indische Unabhängigkeitsführer setzte sich für die Gewaltfreiheit und den zivilen Ungehorsam ein. Sein Konzept des gewaltfreien Widerstands hatte einen großen Einfluss auf den Pazifismus weltweit.
  • Martin Luther King Jr.: Der US-amerikanische Bürgerrechtler und Baptistenpastor kämpfte für die Gleichberechtigung und gegen Rassismus. Er setzte sich für gewaltfreie Proteste ein und folgte Gandhis Ideologie des zivilen Ungehorsams.
  • Albert Schweitzer: Der deutsche Arzt, Philosoph und Theologe setzte sich für die Abschaffung von Atomwaffen ein und kämpfte gegen den Einsatz von Gewalt in der internationalen Politik. Er erhielt den Friedensnobelpreis im Jahr 1952.
  • Jane Addams: Die US-amerikanische Sozialreformerin und Pazifistin gründete das berühmte Hull-House in Chicago, wo sie sich für soziale Gerechtigkeit und Frieden einsetzte. Sie war eine der führenden Persönlichkeiten in der amerikanischen Friedensbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts und erhielt den Friedensnobelpreis im Jahr 1931.
  • Ellen Key: Die schwedische Schriftstellerin und Pädagogin setzte sich für die Friedenserziehung ein und war eine wichtige Stimme in der skandinavischen Friedensbewegung. Sie gründete die Schwedische Friedens- und Schlichtungsgesellschaft und setzte sich für die Schaffung internationaler Institutionen zur friedlichen Beilegung von Konflikten ein.

Diese Liste ist nur exemplarisch und bei weitem nicht vollständig. Es gibt zahlreiche weitere wichtige Persönlichkeiten, die sich für den Pazifismus und den Frieden eingesetzt haben.

Mittel und Wege

Um das Ziel einer friedlicheren und gewaltfreieren Welt zu erreichen, gibt es verschiedene Mittel, die vom Pazifismus unterstützt werden:

  • Gewaltfreier Widerstand: Eine der wichtigsten Methoden des Pazifismus ist der gewaltfreie Widerstand bzw. die gewaltfreie Aktion (eng. nonviolent action). Hierbei geht es darum, politische Veränderungen durch friedliche und gewaltfreie Protestaktionen zu erreichen. Beispiele dafür sind Demonstrationen, Sitzstreiks, Boykotte oder ziviler Ungehorsam.
  • Diplomatie und Verhandlung: Der Pazifismus setzt auch auf Diplomatie und Verhandlung, um Konflikte zu lösen. Hierbei geht es darum, Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen und durch Dialog eine friedliche Lösung zu finden.
  • Internationale Zusammenarbeit: Der Pazifismus betont die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit und setzt sich für die Schaffung von internationalen Organisationen ein, die Konflikte friedlich lösen sollen. Beispiele dafür sind die Vereinten Nationen, die Internationale Atomenergie-Organisation oder der Internationale Gerichtshof.
  • Bildung und Aufklärung: Der Pazifismus betont auch die Bedeutung von Bildung und Aufklärung. Hierbei geht es darum, Menschen zu einem friedlichen und gewaltfreien Verhalten zu erziehen und sie für die Bedeutung von Frieden und Gewaltfreiheit zu sensibilisieren.
  • Humanitäre Hilfe: Der Pazifismus setzt sich für humanitäre Hilfe ein und unterstützt Opfer von Krieg und Gewalt. Hierbei geht es darum, Menschen in Not zu helfen und humanitäre Katastrophen zu verhindern oder zu mildern.

Diese Mittel werden oft in Kombination eingesetzt, um eine friedlichere und gewaltfreiere Welt zu erreichen.

Kritik

Pazifismus als Haltung und Philosophie ist eine gewaltfreie und friedliche Alternative zu militärischen Konflikten und Kriegen. Es setzt sich für eine konstruktive Lösung von Konflikten ein und lehnt Gewalt als Mittel der Konfliktlösung ab. Allerdings ist es auch wichtig, die Komplexität von Konflikten und Kriegen anzuerkennen. Es gab in der Geschichte immer wieder Momente, in denen der Pazifismus angesichts von Bedrohungen und Aggressionen keine Lösung für Konflikte anbieten konnte. In solchen Situationen kann es schwierig sein, eine friedliche Lösung zu finden, und es kann notwendig sein, in extremen Fällen Gewalt anzuwenden, um eine noch größere Katastrophe zu vermeiden. Kritik an einer friedfertigen, nicht auf militärische Rüstung und Konfrontation ausgerichteten Haltung ist schon seit der Antike dokumentiert. Überliefert ist die lateinische Devise „Si vis pacem, para bellum“ („Wenn du Frieden willst, bereite Dich zum Krieg“). Aber auch bei Personen, die den Krieg als solchen nicht befürworten, wird vor allem der gewaltlose Pazifismus kritisch gesehen. Der Grundgedanke wurde bereits von Platon formuliert:

„Die vornehmste Grundlage eines glückseligen Lebens aber ist dies, dass man weder Unrecht tut noch von anderen Unrecht erleidet. Hiervon ist nun das Erstere nicht so gar schwer zu erreichen, wohl aber so viel Macht zu erwerben, dass man sich gegen jedes Unrecht zu sichern vermag, und es ist unmöglich auf eine andere Weise vollkommen zu derselben zu gelangen als dadurch, dass man selber vollkommen tüchtig dasteht. Und ebenso ergeht es auch einem Staate, ist er tüchtig, so wird ihm ein friedliches Leben zuteil, ist er es nicht, so bedrängt ihn Fehde von innen und außen.
[…]
Steht es aber so damit, so muss sich jeder nicht erst im Kriege, sondern schon in Friedenszeiten auf den Krieg einüben, und darum muss eine verständige Bürgerschaft in jedem Monat nicht weniger als einen Tag Kriegsdienste tun, wohl aber noch mehrere, wenn es den Behörden nötig erscheint, und dabei weder Frost noch Hitze scheuen.“

Platon: Nomoi VIII, 829 St.2 A[8]

Einige der wichtigsten Kritikpunkte am Pazifismus sind:

  • Realitätsferne: Kritiker argumentieren, dass Pazifismus in einer unperfekten Welt, in der es gewalttätige Konflikte gibt, nicht realistisch ist. Sie behaupten, dass es notwendig sein kann, Gewalt anzuwenden, um aggressives Verhalten von Staaten oder individuellen Akteuren abzuwehren und somit langfristig den Frieden zu erhalten.
  • Passivität: Ein weiterer Kritikpunkt am Pazifismus ist, dass er oft als zu passiv und unentschlossen angesehen wird. Kritiker argumentieren, dass es notwendig sein kann, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Bedrohungen für den Frieden und die Sicherheit zu bekämpfen.
  • Selbstverteidigung: Einige Kritiker argumentieren, dass der Pazifismus keine effektive Strategie für die Selbstverteidigung darstellt und dass es notwendig sein kann, sich zu verteidigen, um sich und andere zu schützen.
  • Ignoranz von Menschenrechtsverletzungen: Einige Kritiker argumentieren, dass der Pazifismus in Konfliktsituationen, in denen Menschenrechtsverletzungen begangen werden, zu passiv und zurückhaltend ist. Sie behaupten, dass es notwendig sein kann, militärische Interventionen durchzuführen, um Menschen vor Gewalt und Unterdrückung zu schützen.
  • Missbrauch durch gegnerische Mächte: Der Pazifismus wurde nicht selten missbraucht, um gegnerische Mächte zu schwächen oder um politische Ziele zu erreichen.

Tatsächlich war gerade das 20. Jahrhundert, in dem der Begriff des Pazifismus geprägt wurde, von einigen der blutigsten Kriege in der Geschichte der Menschheit geprägt, wie dem Ersten Weltkrieg, dem Zweiten Weltkrieg und dem Vietnamkrieg, um nur einige zu nennen.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Fälle, in denen der Pazifismus missbraucht wurde, um gegnerische Mächte zu schwächen oder um politische Ziele zu erreichen. Ein Beispiel dafür ist die „Friedensbewegung“ während des Kalten Krieges, die von der Sowjetunion unterstützt wurde und sich gegen die Aufrüstung des Westens und insbesondere gegen den NATO-Doppelbeschluss wandte. In diesem Zusammenhang wurde der Pazifismus als politisches Instrument genutzt, um die westlichen Länder zu schwächen und deren Verteidigungsbereitschaft zu untergraben. Der Vorwurf war, dass die Friedensbewegung nicht wirklich an Frieden interessiert war, sondern daran, die NATO und die USA zu schwächen und die Sowjetunion zu stärken.

Ein weiteres Beispiel ist die Verwendung des Pazifismus im Kontext von Terrorismus und Guerillakriegen. Terroristische Gruppen oder Guerillaorganisationen können den Pazifismus nutzen, um ihre eigenen Gewaltaktionen zu rechtfertigen und gleichzeitig den Gegner zu demonisieren, der sich verteidigt. Sie können behaupten, dass sie nur Gewalt anwenden, weil sie keinen anderen Ausweg sehen und dass der Gegner aggressiv und gewalttätig sei.

Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass der Missbrauch des Pazifismus nicht bedeutet, dass Pazifismus an sich falsch oder böswillig ist. Der Pazifismus als Haltung und Philosophie hat seine eigenen Grundsätze und Ziele, die unabhängig von der politischen oder militärischen Situation sind. Es ist wichtig, zwischen der echten pazifistischen Überzeugung und der politischen Instrumentalisierung des Pazifismus zu unterscheiden.

In der aktuellen Debatte wird häufig die Kritik von Jan Narveson zitiert, wonach ein solcher Pazifismus inkohärent und selbstwidersprüchlich ist:

„The pacifist is against violence. But he won’t take the further step of using it if it should be necessary to prevent or to defend against initial violence.“

„Der Pazifist ist gegen Gewalt. Aber er wird in einem weiteren Schritt nicht davon Gebrauch machen, falls diese notwendig sein sollte, ursprüngliche Gewalt zu verhindern oder sich zu verteidigen.“

Jan Narveson[9]

Im Laufe des Zweiten Weltkriegs trat George Orwell als ein prominenter Gegner des Pazifismus auf und kritisierte in diesem Zusammenhang pazifistische Haltungen gegenüber Hitler. Er wies dabei darauf hin, dass Faschisten in demokratischen Ländern Propaganda betrieben, die beispielsweise nicht unterscheidbar war vom pazifistischen Aktivismus der Peace Pledge Union. In seinem Essay „No, not one“ im Jahr 1941 kommt Orwell zu folgendem Schluss:[10]

„Da Pazifisten mehr Handlungsfreiheit in Ländern haben, in denen Ansätze der Demokratie bestehen, können Pazifisten effektiver gegen die Demokratie wirken als für sie. Objektiv betrachtet ist der Pazifist pro-nazistisch.“

George Orwell

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg behielt Orwell eine kritische Haltung gegenüber dem Pazifismus bei. So schrieb er in einem Essay über Gandhi, dass dieser mit der britischen Labour Partei einen Gegner hatte, der aufgrund seiner liberalen Ideale gewaltfrei besiegt werden konnte. Gewaltfreier Widerstand oder Pazifismus setze daher einen Gegner voraus, der es moralisch nicht verantworten kann wehrlose Menschen zu töten.[11]

Rudolf Steiner hat eine teils sehr harsche Kritik am Pazifismus geübt. Nicht etwa, weil der Friede kein wünschenswertes Ziel wäre, aber weil die Gedanken, wie er zu erreichen wäre, viel zu abstrakt und abgezogen von der Wirklichkeit seien, um eine heilsame Wirkung entfalten zu können.

„Es kommt heute gar nicht darauf an, daß ein Mensch inhaltlich etwas Schönes sagt, etwas, was man zugeben kann, sondern es kommt darauf an, was aus dem, was man sagt oder tut, wirklich wird. Ich muß immer wieder und wiederum erzählen, wie von mir immer von neuem der Versuch gemacht worden ist – Sie wissen, ich sage das nicht aus irgendeiner albernen Eitelkeit heraus –, darauf aufmerksam zu machen, wie es nicht darauf ankommt, daß man diesen oder jenen Gedankeninhalt hat, sondern daß man darauf sieht, wie dieser oder jener Gedankeninhalt wirkt. Sie können einen Gedanken haben, der wunderschön ist. Wenn Sie aber keine Ahnung haben, wie der Gedankeninhalt in der Wirklichkeit wirkt, so kann er das Entgegengesetzte bewirken. Ich versuchte an verschiedenen Beispielen solche Dinge klarzumachen, schon seit Jahren. So zum Beispiel im Anfänge des Jahrhunderts, des 20. Jahrhunderts, hielt ich einmal einen Vortrag, in dem ich sagte – ich fasse jetzt vieles, was damals auseinandergesetzt worden ist, in wenige Worte zusammen, weil ich nur illustrieren will – : Es gibt heute Leute, mehr als es je gegeben hat, die sind programmäßig Pazifisten, reden sehr schön über die Führung der Menschheit von ihrem pazifistischen Standpunkte. Noch niemals eigentlich hat der Pazifismus solchen Umfang angenommen wie in dieser Zeit – also ich redete im Anfang des Jahrhunderts. Und das ist, sagte ich, das deutliche Zeichen, daß wir vor dem größten Kriege der Menschheit stehen. – Denn so unreal zu denken über menschliche Zusammenhänge, wie man innerhalb dieser Kreise gedacht hat, so sehr nur auf den Inhalt der Gedanken zu gehen, so wenig ein Bewußtsein davon zu haben, wie die reale Wirksamkeit desjenigen ist, was in der Seele lebt, das man nur erkennen kann durch die ganze Weltperspektive, so war man früher nicht.“ (Lit.:GA 184, S. 76)

„Pazifismus, das ist diese Anschauung, welche seit einiger Zeit unter der Ägide verschiedener Leute, der Bertha von Suttner, aber auch jenes Wesens, das in Petersburg als Cäsar und Papst zugleich gilt, gepflegt wird. Vor vielen Jahren habe ich in Berliner Vorträgen schon gesagt, charakteristisch für die Friedensbestrebungen sei, daß, seit wir sie haben, die größten und blutigsten Kriege in der Weltgeschichte geführt werden. Aber diese Bewegung ist gerade eine von denjenigen, die davon leben, möglichst unklare Phrasen unter die Menschheit zu bringen, die sich aber einschmieren in das menschliche Gefühlsleben, weil man sie nur zu verbreiten braucht, und man verbreitet ja lauter Liebe und lauter Güte [...] Sehen Sie, wir leben jetzt in dem furchtbarsten der Kriege, den die Weltgeschichte bisher erlebt hat, wir haben es erlebt, daß im Juni oder Juli 1915 innerhalb eines einzigen Tages mehr Munition verschossen worden ist wie im ganzen Deutsch-Französischen Krieg! Wir haben bereits den Punkt erreicht, daß jetzt in diesem Kriege so viel Munition verschossen ist wie in allen Kriegen, die bisher mit dieser Munition überhaupt in der Welt, in der Menschheitsentwickelung, geführt worden sind.“ (Lit.:GA 174b, S. 173f)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

 Wiktionary: Pazifismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikiquote: Pazifismus – Zitate

Einzelnachweise

  1. World’s best-known protest symbol turns 50 von Kathryn Westcott auf BBC-Magazine, abgerufen am 13. August 2010.
  2. Thomas Kater: Gegen den Krieg – Für welchen Frieden? Philosophie und Pazifismus im 20. Jahrhundert.] In: Barbara Bleisch, Jean-Daniel Strub (Hrsg.): Pazifismus. Ideengeschichte, Theorie und Praxis. Bern 2006, S. 90.
  3.  Das Fremdwörterbuch. In: Duden. 7. Auflage. 5, Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus, Mannheim 2001, ISBN 978-3-411-04057-5, S. 742 (Eintrag „Pazifismus“).
  4.  Annette Zwahr: pant–Pret. Lexikon. In: Meyers großes Taschenlexikon in 25 Bänden. 8. Auflage. 17, B. I. Taschenbuchverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 2001, ISBN 3-411-11178-X, Pazifismus, S. 71 f..
  5. Barbara Bleisch, Jean-Daniel Strub (Hrsg.): Pazifismus. Ideengeschichte, Theorie und Praxis. Bern 2006, S. 15.
  6. siehe: K. Röttgers: Pazifismus. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 7. Darmstadt 1989, S. 218–229, hier S. 218.
  7. J. B. Richard de Radonvilliers: Enrichissement de la langue française; dictionnaire des mots nouveaux. 2. Auflage. Paris 1845, S. 446.
  8. Übersetzung: Franz Susemihl. in: Platons Werke, vierte Gruppe, neuntes bis fünfzehntes Bändchen, Stuttgart 1863, PDF-Dokument
  9. Jan Narveson: Is Pacifism Self-Refuting? In: Barbara Bleisch, Jean-Daniel Strub (Hrsg.): Pazifismus. Ideengeschichte, Theorie und Praxis. Bern 2006, S. 127.
  10.  George Orwell: Pacifism and the War. In: The Collected Essays, Journalism, and Letters of George Orwell: My country right or left, 1940-1943. Harcourt, Brace & World, 1968, S. 167–169.
  11.  George Orwell: The Orwell Reader Fiction, Essays, and Reportage. Harcourt, Brace, 1956, ISBN 9780156704502, S. 334.
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