Zelle (Biologie) und Alexander von Humboldt: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
imported>Joachim Stiller
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Bild:Biological cell.svg|thumb|'''Aufbau einer typischen eukaryotischen Tierzelle:'''<br />
[[Datei:AvHumboldt.jpg|mini|Alexander von Humboldt<br />Gemälde von Joseph Stieler, 1843]]
1. [[Wikipedia:Nucleolus|Nucleolus]] (Kernkörperchen)<br />
[[Datei:Alexander von Humboldt signature.svg|rechts|rahmenlos|Humboldts Unterschrift]]
2. [[Wikipedia:Zellkern|Zellkern]] (Nukleus)<br />
3. [[Wikipedia:Ribosom|Ribosom]]en<br />
4. [[Wikipedia:Vesikel (Biologie)|Vesikel]]<br />
5. [[Wikipedia:Endoplasmatisches Retikulum#Raues ER (granuläres ER)|Raues (Granuläres) ER]] (Ergastoplasma)<br />
6. [[Wikipedia:Golgi-Apparat|Golgi-Apparat]]<br />
7. [[Wikipedia:Mikrotubulus|Mikrotubuli]]<br />
8. [[Wikipedia:Endoplasmatisches Retikulum#Glattes ER (agranuläres ER)|Glattes (Agranuläres) ER]]<br />
9. [[Wikipedia:Mitochondrium|Mitochondrien]]<br />
10. [[Wikipedia:Lysosom|Lysosom]]<br />
11. [[Wikipedia:Cytoplasma|Cytoplasma]]<br />
12. [[Wikipedia:Peroxisom|Peroxisom]]en<br />
13. [[Wikipedia:Zentriol|Zentriol]]en]]
[[Datei:Plant cell structure svg-de.svg|miniatur|'''Pflanzenzelle''']]
[[Datei:Paramecium.jpg|miniatur|Das [[Wikipedia:Pantoffeltierchen|Pantoffeltierchen]] (''Paramecium aurelia'') als klassisches Beispiel für einen [[Wikipedia:Eukaryoten|eukaryotischen]] [[Wikipedia:Einzeller|Einzeller]].]]
[[Datei:Cholera bacteria SEM.jpg|mini|[[Wikipedia:Cholera|Cholera]]-Bakterien unter dem [[Wikipedia:Elektronenmikroskop|Elektronenmikroskop]] als Beispiel für einfache [[Wikipedia:Prokaryoten|prokaryotische]] Zellen.]]


Die '''Zelle''' (von [[lat.]] ''cellula''‚ „kleine Kammer, Zelle“; {{ELSalt|κύτος}} ''kytos'' „Zelle“) ist die kleinste [[Biologie|biologische]] Einheit der heute auf [[Erde (Planet)|Erden]] lebenden [[Organismus|Organismen]]. Der '''Zellkörper''' wird '''Soma''' oder '''Zytosoma''' (von {{ELSalt|κύτος}} ''kýtos'' ‚Höhlung‘ und {{polytonisch|σῶμα}} ''sṓma'' ‚[[Körper]]‘) genannt. Bei [[Nervenzelle]]n wird das den Kern umgebende Soma auch als [[Perikaryon]] (von {{ELSalt|περί}} ''peri'' ‚herum‘ und {{lang|grc|κάρυον|karyon}} ‚Nuss, Kern‘) bezeichnet.
'''Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt''' (* [[Wikipedia:14. September|14. September]] [[Wikipedia:1769|1769]] in [[Wikipedia:Berlin|Berlin]]; † [[Wikipedia:6. Mai|6. Mai]] [[Wikipedia:1859|1859]] ebenda) war ein [[Wikipedia:Deutschland|deutscher]] [[Wikipedia:Naturgeschichte|Naturforscher]] mit weit über [[Europa]] hinausreichendem Wirkungsfeld. In seinem sich über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahrzehnten entstandenen Gesamtwerk schuf er „einen neuen Wissens- und Reflexionsstand des Wissens von der Welt“<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'' 2009, S. 13.</ref> und wurde zum Mitbegründer der [[Geographie]] als [[Wikipedia:Empirie|empirischer Wissenschaft]]. Er war der jüngere Bruder von [[Wilhelm von Humboldt]].


Die fast nur als [[Einzeller]] auftretenden [[Prokaryoten]], zu denen die [[Bakterien]] und [[Archaeen]] gehören, haben keinen echten [[Zellkern]] und sind einfacher aufgebaut als die [[Eukaryoten]], die über einen Zellkern mit einer '''Kernhülle''' bzw. '''Kernmembran''' verfügen, der die in [[Chromosom]]en organisierte Erbinformation, die [[Wikipedia:Desoxyribonukleinsäure|DNA]], enthält. Das Soma der Eukaryoten ist auch reichlich in verschiedenartige '''Zellkompartimente''' gegliedert. Die Gesamtheit aller von '''Zellmembranen''' umschlossenen Zellbestandteile wird als '''Intrazelluarraum''' (IZR) bezeichnet und und ist erfüllt mit '''Zellflüssigkeit''', auch '''Cytosol''' oder '''Zytosol''' ({{ELSalt|κύτος}} ''kýtos'' ‚Zelle‘ und [[lat.]] ''solvere, solutum'' ‚lösen‘, ‚auflösen‘) und enthält verschiedene '''Organellen''' und andere Einschlüsse.
Seine mehrjährigen [[Wikipedia:Forschungsreise|Forschungsreise]]n führten ihn nach [[Wikipedia:Lateinamerika|Lateinamerika]], in die [[Wikipedia:Vereinigte Staaten|USA]] sowie nach [[Wikipedia:Zentralasien|Zentralasien]]. Wissenschaftliche [[Wikipedia:Feldstudie|Feldstudie]]n betrieb er unter anderem in den Bereichen [[Physik]], [[Chemie]], [[Geologie]], [[Mineral]]ogie, [[Wikipedia:Vulkanologie|Vulkanologie]], [[Wikipedia:Botanik|Botanik]], [[Wikipedia:Vegetationsgeographie|Vegetationsgeographie]], [[Wikipedia:Zoologie|Zoologie]], [[Wikipedia:Klimatologie|Klimatologie]], [[Wikipedia:Meereskunde|Ozeanographie]] und [[Astronomie]], aber auch zu Fragen der [[Wikipedia:Wirtschaftsgeographie|Wirtschaftsgeographie]], der [[Wikipedia:Ethnologie|Ethnologie]] und der [[Wikipedia:Demografie|Demographie]]. Zudem korrespondierte er bei seinem publizistischen Werk mit zahlreichen international bedeutenden Spezialisten der verschiedenen Fachrichtungen und schuf so ein wissenschaftliches Netzwerk eigener Prägung.


Bei der '''Zellteilung''' (auch '''Cytokinese''' bzw. '''Zytokinese''' genannt; von {{ELSalt|κύττος}} ''kytos'' „Zelle“ und {{polytonisch|κίνησις}} ''kinesis'' „Bewegung“) spaltet sich eine Zelle in zwei, manchmal auch mehr Tochterzellen, indem zwischen ihnen eine Zellmembran ausgebildet wird. Damit alle Tochterzellen über ein vollständiges [[Genom]] verfügen, muss dieses vollständig repliziert werden. Bei Zellen mit Zellkern ([[Eukaryoten]]) geht der Zellteilung daher unmittelbar eine Kernteilung ([[Wikipedia:Mitose|Mitose]] oder [[Wikipedia:Meiose|Meiose]]) voraus.
In Deutschland erlangte er vor allem mit den ''Ansichten der Natur'' und dem ''[[Wikipedia:Kosmos (Humboldt)|Kosmos]]'' außerordentliche Popularität. Sein bereits bei Lebzeiten hohes Ansehen spiegelt sich in Bezeichnungen wie „der zweite Kolumbus“, „wissenschaftlicher Wiederentdecker Amerikas“, „Wissenschaftsfürst“ und „der neue [[Aristoteles]]“ (Gedenkmünze der Pariser Akademie der Wissenschaften). Er wurde in zahlreiche Akademien aufgenommen, unter anderem in die [[Wikipedia:Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina|Leopoldinisch-Karolinische Akademie der Naturforscher]], in die [[Wikipedia:Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften|Preußische Akademie der Wissenschaften]], in die [[Wikipedia:Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerische Akademie der Wissenschaften]], in die [[Wikipedia:American Academy of Arts and Sciences|American Academy of Arts and Sciences]] und in die [[Wikipedia:Akademie gemeinnütziger Wissenschaften|Akademie gemeinnütziger Wissenschaften]].


'''Mehrzeller''' bzw. '''Vielzeller''' bilden verschiedenartig differenzierte Zellen, die sich nach ihrer [[Funktion]] und [[Morphologie]] in verschiedene '''Zelltypen''' einteilen lassen; im menschlichen Organismus gibt es mehr als 210 verschiedene Zelltypen ([[Wikipedia:Liste menschlicher Zelltypen|Liste menschlicher Zelltypen]]). Spezialisierte Zellen können sich bei Vielzellern auch zu funktionellen Einheiten in Form eines [[Gewebe (Biologie)|Gewebes]] zusammenschließen. Vielzellige [[Tiere]] mit Ausnahme der [[Wikipedia:Schwämme|Schwämme]] werden daher auch als '''Gewebetiere''' (''Eumetazoa'') bezeichnet. Die '''pluripotenten''' embryonalen '''Stammzellen''' können sich noch zu Zellen aller drei [[Keimblatt|Keimblätter]] differenzieren, während sich adulte Stammzellen nur mehr zu bestimmten Gewebetypen entwickeln.
== Leben ==
=== Anfänge (1769–1790) ===
[[Datei:Gedenktafel Jägerstr 22-23 (Mitte) Friedrich Wilhelm Alexander von Humboldt.JPG|mini|Berliner Gedenktafel für den Standort des nicht mehr vorhandenen Geburtshauses von Alexander von Humboldt in Berlin-Mitte]]


Neuere Untersuchungen des schwedischen Stammzellenbiologen Jonas Frisén haben bestätigt, dass sich die Zellen des menschlichen Organismus durchschnittlich alle 7 bis 10 Jahre (→ [[Siebenjahresperioden]]) erneuern, wobei allerdings die Erneuerungsrate bei verschiedenen Zelltypen sehr unterschiedlich ist. Die Bestimmung gelang mittels der in den Zellen eingelagerten C<sup>14</sup>-Isotope, die durch die 1963 endgültig eingestellten oberirdischen Atomwaffentests in den Biokreislauf gelangt waren. Das seitdem die C<sup>14</sup>-Konzentration in der Atmosphäre alle elf Jahre um rund die Hälfte abgenommen hatte, konnte er das Zellalter der verschiedenen Gewebetypen exakt berechnen.<ref>Kirsty L. Spalding, Ratan D. Bhardwaj, Bruce A. Buchholz, Henrik Druid, Jonas Frisén: ''Retrospective Birth Dating of Cells in Humans'', in: Cell Volume 122, Issue 1, 15 July 2005, pp.  133-143 {{doi|10.1016/j.cell.2005.04.028}} [https://www.cell.com/action/showPdf?pii=S0092-8674%2805%2900408-3 pdf]</ref><ref>Jonas Frisén et al.: ''Dynamics of Cell Generation and Turnover in the Human Heart'', in: Cell Volume 161, Issue 7, 18 June 2015, pp. 1566-1575 {{doi|10.1016/j.cell.2015.05.026}} [https://www.cell.com/cell/pdfExtended/S0092-8674(15)00576-0 pdf]</ref><ref>Samiha Shafy: ''Körperzellen sind sieben bis zehn Jahre alt'', Die Zeit, 24.08.2005 [https://www.welt.de/print-welt/article160647/Koerperzellen-sind-sieben-bis-zehn-Jahre-alt.html online]</ref><ref>Petra Apfel: ''Der Sieben-Jahres-Mythos: Sie sind viel jünger als Sie glauben'', Focus.de, 26.01.2016 [https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/verdauung/alle-paar-jahre-erneuert-sich-der-koerper-der-sieben-jahres-mythos-sie-sind-viel-juenger-als-sie-glauben_id_5238290.html online]</ref>
Alexander von Humboldts aus [[Provinz Pommern|Pommern]] stammender Vater [[Alexander Georg von Humboldt|Alexander Georg]] war [[Preußen|preußischer]] Offizier und wurde wegen seiner Verdienste im [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieg]] zum [[Kammerherr]]n der Kronprinzessin ernannt. Er heiratete 1766 die Witwe [[Marie-Elisabeth von Humboldt|Marie Elizabeth von Holwede, geb. Colomb]], Tochter einer wohlhabenden Familie teils [[Hugenotten|hugenottischer]] Herkunft. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor, [[Wilhelm von Humboldt|Wilhelm]] (*&nbsp;1767 in Potsdam) und Alexander, der am 14. September 1769 in Berlin geboren wurde.


Zellen bilden aus [[Anthroposophie|anthroposophischer]] Sicht nicht den Ursprung des irdischen Lebens, sondern sind erst in einer späteren Phase der [[Erdentwicklung]] entstanden. Ursprünglich, nach der Trennung von [[Sonne]] und Erde in der [[Hyperboräische Zeit|hyperboräischen Zeit]], war die Erde als Ganzes ein [[Lebewesen|lebendiges Wesen]], das sein [[Leben]] der [[Kosmos|kosmisch]]-[[ätherisch]]en Umgebung zu verdanken hat. Aus diesem Gesamtleben der Erde haben sich zunächst riesenhafte Einzellebewesen von noch sehr flüchtiger und wandelbarer [[Gestalt]] und zugleich auch die ersten toten, aber ebenfalls noch sehr weichen [[Stoff]]e abgesondert. Zu dieser Zeit bildeten [[Mond]] und Erde noch einen gemeinsamen Himmelskörper. Aus diesen Urlebewesen, die noch keine fossilen Spuren hinterlassen haben, sind erst allmählich die ersten [[Wikipedia:Einzeller|Einzeller]] und später auch [[Mehrzeller|mehrzellige]] [[Lebewesen]] entstanden.
==== Ausbildung bei Hauslehrern ====
Die Stellung des Vaters begründete ein spezifisches Verhältnis der Humboldt-Brüder zum preußischen Königshaus, zumal der [[Kronprinz]], der nachmalige [[Friedrich Wilhelm II. (Preußen)|Friedrich Wilhelm II.]], einer der Taufpaten Alexanders war. Die Ehe des Thronfolgers aber wurde 1769 geschieden, sodass der nun seiner bisherigen Aufgaben ledige Kammerherr von Humboldt sich ins Privatleben auf Gut und [[Schloss Tegel]] zurückziehen konnte. Sein Hauptaugenmerk galt nun der bestmöglichen Erziehung und Ausbildung der Söhne, für die er sich um [[Hauslehrer]] bemühte, die [[Aufklärung|aufklärerischem]] Denken nahestanden. So übte in zwei Phasen von 1769 bis 1773 und im Jahr 1775 in Tegel der von [[Jean Jacques Rousseau|Rousseau]] pädagogisch inspirierte [[Joachim Heinrich Campe]] als Hauslehrer und Erzieher wesentlichen Einfluss auf die Brüder aus, ab 1777 dann [[Gottlob Johann Christian Kunth]], der bald zum engsten Vertrauten des Hausherrn und nach dessen plötzlichem Tod 1779 auch seiner Witwe wurde.


<div style="margin-left:20px">
Alexander erschien seinen Erziehern lange Zeit als eher wenig befähigter, lernunwilliger Kopf. Dennoch mutete man ihm zu, denselben in zeittypischer Weise großteils abstrakt aufbereiteten Lernstoff zu verarbeiten, den sein zwei Jahre älterer Bruder Wilhelm vergleichsweise mühelos erfasste. Früh schon zeigte Alexander jedoch besonderes Interesse an Naturgegenständen, und da er gern Insekten, Steine und Pflanzen sammelte, galt er bald als „der kleine Apotheker“ (Scurla).
"Mit dem Heraustreten der feinsten Materien war eine Verdichtung
[[Datei:Alexander von Humboldt and Mother.jpg|mini|Der Jüngling Alexander, einen Barometer haltend, mit seiner verwitweten Mutter]]
der zurückbleibenden Materie verbunden. Auf der einen Seite
[[Datei:Schmidt Alexander v Humboldt@Goethe-Museum Frankfurt a.M.20170819.jpg|mini|Alexander von Humboldt, porträtiert von [[Johann Heinrich Schmidt (Maler, 1749)|Johann Heinrich Schmidt]] 1784]]
tritt heraus der fein leuchtende Sonnenleib, auf der anderen Seite
Diesen Interessen ging er zusätzlich zum Unterricht der Hauslehrer nach, sodass er sogar ein noch größeres Stoffpensum absolvierte als Wilhelm und sich so einen auf eigene Weise profilierten Horizont bildete. Dazu gehörte auch sein Zeichen- und Maltalent, das unter Anleitung [[Daniel Chodowiecki|Chodowieckis]] im [[Kupferstich|Kupferstechen]] und [[Radierung|Radieren]] geschult wurde und mit dem er sich bereits 1786 in der ersten Kunstausstellung der Berliner Akademie der Öffentlichkeit vorstellte. Die erstaunliche Qualität der Illustrationen seines späteren Reisewerks mag hier ihren Ursprung gehabt haben.
wird die Materie der Erde viel dichter. Sie kommt in einen wässerigen
Zustand, dichter als unser Meerwasser, denn es war in ihr
auch alles enthalten, was heute fest ist. Mit dem Flüssigwerden tritt
ein neues Element auf. In dem Maße, wie das Wasser auftritt, wirkt
aus dem Kosmos und aus der Erde heraus die Sphärenmusik, die
Weltentöne. Es ist nicht solche Musik wie heute, die durch die Luft
fortgepflanzt wird. Die Entwickelung der Erde steht nun unter
dem Einfluß der Weltenmusik. Die Materien heben sich als einzelne
Stoffe aus der undifferenzierten, großen Materie heraus. Es fangen
die Erdenstoffe an zu tanzen unter dem Einfluß der Weltenmusik.
Das ist die Differenzierung der Stoffe in lauter organische Stoffe,
zum Beispiel in Eiweiß. So entstand organische Materie, das Protoplasma,
unter dem Einfluß der Weltenmusik, ähnlich wie heute die
Chladnischen Klangfiguren. Diese Stoffe, eiweißartige, leimige Substanz,
werden hineingeschoben in die früheren Kraftlinien der
Menschenanlage. Die Zellen, die man heute als das erste in der
Entwickelungsgeschichte der Organismen ansieht, entstanden viel
später. Sie wurden erst geboren von gewissen Wesenheiten. Auch
das Atom ist nie das ursprüngliche, ist immer das, was aus dem
Ganzen herausfällt. Niemals setzt sich das Ganze aus den Zellen
zusammen. Gefördert wurde der ganze Vorgang dadurch, daß der
Mond noch in dem Erdenkörper darin war." {{Lit|{{G|98|215}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
Auf die optimale Ausbildung der Söhne für bedeutende Posten im Staatsdienst war der ganze Erziehungsplan der nun zweifach verwitweten Frau von Humboldt ausgerichtet, die bei verhältnismäßig bescheidener eigener Lebensführung zu diesem Zweck bedeutende Mittel aufwandte. So haben die Brüder nicht allein eine gründliche Unterweisung in alten und neuen Sprachen&nbsp;– mit oft quälenden Vokabel- und Grammatikpensen&nbsp;– erhalten, sondern wurden unter Kunths umsichtiger Führung von einer ganzen Reihe Spezialisten auf universitätsähnlichem Niveau unterrichtet. Dazu gehörten unter anderem Geheimrat [[Christian Konrad Wilhelm von Dohm|Christian Wilhelm von Dohm]], der [[Nationalökonomie]] mit geographischem Schwerpunkt lehrte, Kammergerichtsrat [[Ernst Ferdinand Klein]] für [[Naturrecht]] und Professor Engel für Philosophie. Auch zu den experimentell gestützten philosophisch-physikalischen Vorträgen des von [[Immanuel Kant|Kant]] beeinflussten Arztes [[Marcus Herz]] schickte Kunth seine Schützlinge. Infolgedessen gelangten diese auch in den [[Literarischer Salon|Salon]] von [[Henriette Herz]] und traten so mit der von [[Moses Mendelssohn]] geprägten jüdischen [[Berliner Aufklärung]] in engen Kontakt.
"Und dem Sonnenhaften
entgegengestellt empfand man das Mondenhafte. Die Kräfte, die
dann im Monde konzentriert waren, waren einstmals mit der Erde
verbunden.


Aber sie sind nicht restlos fortgezogen, sie haben etwas zurückgelassen
==== Studium ====
in der Erde. Wenn es bloß Sonnenkräfte gäbe, so würden
Mit Blick auf die vorgesehenen Karrieren im Staatsdienst schickte die Mutter 1787 ihre Söhne zum Studium nach [[Frankfurt (Oder)]] an die [[Brandenburgische Universität Frankfurt|Viadrina]]. Wilhelm sollte dort Jura studieren, Alexander die weniger renommierte [[Kameralwissenschaft]] (Staatswirtschaftslehre). Nebenbei hörte Alexander [[Altertumswissenschaft]]en, [[Medizin]], [[Physik]] und [[Mathematik]].
allein wuchernde, wachsende Zellen zum Beispiel entstehen, Lebendiges
immer mit dem kleinen oder großen Zellencharakter entstehen.
Das Mannigfaltige, das Gestaltete, das rührt nicht von den Sonnenkräften,
sondern von den mit den Sonnenkräften zusammenwirkenden
Mondenkräften her." {{Lit|{{G|228|108}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
Mit dem Theologiestudenten Wilhelm Gabriel Wegener schloss er im Februar 1788 einen „ewigen Freundschaftsbund“. Unter anderem deswegen und weil Humboldt bis zu seinem Lebensende [[Junggeselle]] blieb, wird in einem Teil der Forschungsliteratur die Ansicht vertreten, dass Alexander von Humboldt [[Homosexualität|latent homosexuell]] gewesen sei. So sieht zum Beispiel [[Bernd-Ulrich Hergemöller]] Anhaltspunkte für homoerotische Beziehungen nicht nur mit Wegener, sondern auch mit Israel (Johannes) Stieglitz, [[Johann Carl Freiesleben]], dem Offizier Reinhard von Haeften sowie in Paris mit dem Chemiker [[Joseph Louis Gay-Lussac]], mit dem er vier Jahre in einer Wohnung lebte, und mit dem Maler [[Carl von Steuben]].<ref>Bernd-Ulrich Hergemöller: ''Alexander von Humboldt''  in ''Mann für Mann. Ein Biographisches Lexikon'', Frankfurt am Main 2001.</ref>
"Nun, ich habe schon früher und auch wieder gestern darauf
aufmerksam gemacht, daß man in der heutigen Wissenschaft vielfach
erwartet, es werde sich einstmals ergeben, daß die Zellen eine sehr komplizierte
chemische Struktur haben, so daß wir gewissermaßen die
komplizierteste chemische Formel finden würden für das, was in der
Zelle sich darbietet. Das ist aber ein vollständig unrichtiger Gedanke.


[[Datei:GA207 127.gif|center|250px|Zeichnung aus GA 207, S. 127 (Tafel 14)]]
Sowohl Alexander als auch sein Bruder Wilhelm waren in Frankfurt (Oder) offenbar akademisch unterfordert und verließen die Universität nach einem Semester wieder. Alexander ging anschließend zurück nach Berlin, wo er sich von [[Carl Ludwig Willdenow]] in der Botanik ausbilden ließ.


In der Zelle, schon in der gewöhnlichen organischen Zelle ist es so
Am 25.&nbsp;April 1789 immatrikulierte er sich, seinem Bruder folgend, an der [[Georg-August-Universität Göttingen|Universität Göttingen]], dem damaligen Zentrum aufklärerischer Wissenschaft in Deutschland, für Naturwissenschaften. Neben dem Physiker [[Georg Christoph Lichtenberg]] war hier für Alexander vor allem der Anatom und Zoologe [[Johann Friedrich Blumenbach]] wegweisend, der die Forschungsreise als bedeutende Erkenntnisquelle für [[Anthropologie]] und [[Biologie]] schätzte und einen interdisziplinären Kreis ambitionierter Nachwuchswissenschaftler um sich scharte.
(siehe Zeichnung, hell), daß das chemische Zusammenhalten darinnen
nicht etwa stärker ist als in einer gewöhnlichen komplizierten chemischen
Verbindung, sondern im Gegenteil: chaotisch werden die chemischen
Wahlverwandtschaften gerade, und am allerchaotischsten sind
sie in der befruchteten Keimzelle. Die befruchtete Keimzelle ist in bezug
auf das Materielle direkt Chaos, Chaos, das zerfällt, Chaos, das
wirklich zerfällt. In dieses verfallende Chaos ergießt sich das, was ich
Ihnen als den Menschen geschildert habe, der sich eben in der Weise,
wie ich es beschrieben habe, gebildet hat (lila). Und nicht durch den
Keim selber, sondern durch die Prozesse, die im mütterlichen Leibe
zwischen dem Embryo und der Umgebung vor sich gehen, bildet sich
dann das eigentlich Physische aus. Es wird also tatsächlich dasjenige,
was da aus der geistigen Welt herunterkommt, in das Leere hineingelegt
und nur durchtränkt mit mineralischer Substanz. Es ist, wie Sie
sehen können, ein durchaus durchsichtiger Vorgang, der hier geschildert
wird." {{Lit|{{G|207|127f}}}}
</div>


Auch die Zellen selbst haben sich durch den kosmischen Einfluss gebildet:
Humboldt aber drängte es nun vor allem, die Bekanntschaft [[Johann Georg Adam Forster|Georg Forsters]] zu machen, der als Naturforscher mit Weltumsegelungserfahrung wohl den von ihm selbst angestrebten Typus verkörperte. Geologische [[Forschungsfrage]]n stellten den Kontakt zwischen beiden her, der dann, nachdem Humboldt im Februar 1790 das Manuskript seiner ersten größeren Publikation ''Mineralogische Beobachtungen über einige Basalte am Rhein'' abgeschlossen hatte, in das Projekt einer gemeinsamen Forschungsreise von Ende März bis Juli 1790&nbsp;mündete. Sie führte von Mainz über den Niederrhein nach England<ref>Während des Aufenthalts  in [[Königreich Großbritannien|England]] traf Humboldt mit [[Joseph Banks|Sir Joseph Banks]], ''President of the [[Royal Society]]'', welcher mit [[James Cook|Captain Cook]] reiste, zusammen. Banks präsentierte Humboldt seine umfangreiche Pflanzensammlung, mit vor allem Arten aus dem [[Südpazifik]] (M. Nicolson: ''Alexander von Humboldt and the Geography of Vegetation.'' In: A. Cunningham,  N. Jardine (Hrsg.): ''Romanticism and the Sciences.'' Cambridge University Press, 1990, S.&nbsp;xvi) Diese wissenschaftlich-orientierte Freundschaft hielt bis zum Tode von Banks im Jahre 1820 an. Neben dem Austausch von gesammelten Pflanzenproben bestand ein umfangreicher Briefwechsel.</ref><ref>In London traf er 1791 auch den aus Göttinger stammenden Arzt und Chemiker [[Christoph Girtanner]]. Girtanner machte Humboldt auf die dominierende Rolle der Naturwissenschaften in Frankreich aufmerksam, insbesondere auch auf [[Antoine Laurent de Lavoisier]]s [[Phlogiston|antiphlogistische]] neue Chemie.</ref> und über Paris zurück. In den ''Mineralogischen Beobachtungen'' positionierte Humboldt sich im damaligen „Basaltstreit“ zu der Frage, ob der [[Basalt]] ein [[Magmatisches Gestein|magmatisches]] oder ein [[Sedimentgestein|sedimentäres Gestein]] sei, an der Seite der [[Neptunismus|Neptunisten]], die letztere Auffassung vertraten. Später wurde er durch Forschungsergebnisse auf seiner Amerikareise zum [[Plutonismus (historisch)|Plutonisten]].


<div style="margin-left:20px">
Anders als Forster, der als glühender Anhänger der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] in Paris blieb, setzte der ebenfalls für die revolutionären Ideale und die allgemeinen [[Menschenrechte]] eintretende Humboldt seine [[Kameralistik|kameralistische]] Ausbildung in Handelswissenschaften sowie in Volks- und Weltwirtschaft an der Hamburger [[Johann Georg Büsch|Büsch]]-Akademie fort, die ihm auch zu Geographie und Reiseliteratur vielerlei Vertiefungsmöglichkeiten bot.
"Diese Kräfte, die im Makrokosmos zu
beobachten sind, wirken bis in das Zellige hinein. Und das, was in
den Zellen wirkt, ist im Grunde genommen nichts anderes als ein
Abbild dieser makrokosmischen Wirkung." {{Lit|{{G|312|109}}}}
</div>
{{Anker|Eizelle}}
Insbesondere bildet die befruchtete '''Eizelle''' ([[Latein|lat.]] ''ovum'', Mehrzahl: ''ova''), die '''Zygote''', in ihrer inneren [[Struktur]] die kosmischen Verhältnisse im Kleinen ab:


<div style="margin-left:20px">
=== Blitzkarriere im Staatsdienst (1791–1796) ===
"Wenn diese kleine Zelle im Leibe der Mutter
[[Datei:Büste von Alexander v. Humboldt.jpg|mini|Büste von Alexander von Humboldt im Kurpark [[Bad Steben]]]]
ist, dann wirkt eigentlich die ganze Welt auf diese Zelle ein - die ganze
Welt. Heute kann man natürlich auf diese Dinge noch nicht mit dem
nötigen Verständnis eingehen. Aber dennoch: Es wirkt die ganze Welt
auf eine solche Zelle ein. Es ist nicht einerlei, ob, sagen wir, dieses Ei sich
teilt, wenn da oben der Mond vor der Sonne steht; da ist es anders, als
wenn der Mond abseits von der Sonne steht und so weiter. Also dei
ganze Sternenhimmel hat auf diese Zelle einen Einfluß. Und unter
dem Einfluß dieses Sternenhimmels bildet sich auch das Innere der
Zelle aus.


Nun, sehen Sie, wenn das Kind in den ersten Monaten ist - ich habe
Im Mai 1791 schlug Humboldt mit dem Anstellungsgesuch beim preußischen [[Oberberghauptmann]] [[Friedrich Anton von Heynitz|von Heinitz]] den Weg in den [[Staatsdienst]] als [[Bergbeamter]]  ein, dem zunächst ein Studium an der [[Technische Universität Bergakademie Freiberg|Bergakademie Freiberg]] vorangehen sollte. Seinem Betätigungsdrang entgegen kam der praktische Bergmannsdienst, zu dem täglich um sechs Uhr das Einfahren mit den anderen Bergleuten in die Gruben gehörte; nachmittags nahm er an bis zu sechs Studienkollegs (u.&nbsp;a. bei [[Abraham Gottlob Werner]]) teil. Nebenbei befasste er sich mit der Pflanzenwelt untertage (daraus entstand später seine viel beachtete Publikation ''Florae Fribergensis Specimen'') sowie mit aktuellen chemischen Problemen der Verbrennung ([[Antoine Laurent de Lavoisier#Das Prinzip der Oxidation|Prinzip der Oxidation]]).
es Ihnen schon gesagt -, da ist ja eigentlich vom Kind nur der Kopf ausgebildet
(es wird gezeichnet). Der Kopf ist ausgebildet, und der übrige
Körper ist eigentlich nur solch ein Anhängsel; da sind dann kleine
Stummel, die Hände, und andere kleine Stummel, die Beine. Und immer
mehr und mehr wird dieses kleine Wesen eben so, daß es seine Hände
und Arme umbildet, und diese Stummel da zu Füßen umbildet und so
weiter.


Woher kommt das? Das müssen wir uns fragen: Woher kommt das?
Das für den Regelstudenten in drei Jahren zu absolvierende Pensum nahm er in acht Monaten auf. Am 6. März 1792 erhielt er ein [[Assessor]]-Patent als Bergassessor und wurde wenig später mit der Untersuchung des gerade zu Preußen gekommenen [[Fürstentum Bayreuth|fränkischen]] Bergbaus mit dem [[Lotharheiler Schiefer]] betraut. Auf seinem Weg dorthin inspizierte er den Kamsdorf-Könitzer Bergbau und revolutionierte die Abbauverfahren von [[Alaunschiefer]]gestein im Schmiedefelder „Vitriolwerk“ am Schwefelloch (das heutige [[Morassina|Schaubergwerk Morassina]]). Aufgrund seines beispielhaft erhellenden Berichtes erfolgte bereits nach einem halben Dienstjahr die Beförderung zum Oberbergmeister mit dem Auftrag der Sanierung des Bergbaues im [[Fichtelgebirge]] und [[Frankenwald]]. Daran erinnert das [[Goldbergbaumuseum Goldkronach]] und die [[Naturparkinformationsstelle Kleiner Johannes]] in Arzberg.
Das kommt davon her, daß der Mensch, je früher er im Keimzustand
ist, desto mehr noch der Sternenwelt ausgesetzt ist, und je mehr er sich
entwickelt, je längere Monate er im Mutterleibe ist, desto mehr der
Schwerkraft der Erde ausgesetzt wird. Solange der Sternenhimmel auf
den Menschen wirkt, ordnet er alles so an, daß die Hauptsache der
Kopf ist. Erst die Schwerkraft treibt das andere da heraus. Und es ist
so, daß eigentlich, je weiter wir zurückgehen in den ersten, zweiten
Monat der Schwangerschaft, wir da um so mehr finden, daß alle diese
Zellen, die da entstehen - Millionen von solchen Zellen bilden sich nach
und nach -, dem Sterneneinfluß ausgesetzt sind und dann immer mehr
und mehr von der Erde abhängig werden." {{Lit|{{G|348|59f}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
Konkretes Beispiel seiner Tätigkeit ist die Anlage des [[Friedrich-Wilhelm-Stollen]]s. Nach [[Zell im Fichtelgebirge]] führte ihn das Gelbkreidebergwerk bei der [[Saalequelle]] und mit dem [[Haidberg (Zell)|Haidberg]] die Entdeckung eines sogenannten [[Magnetberg]]es. Humboldt modernisierte die Abbauverfahren von [[Silber]], [[Nickel]], [[Zinn]] und [[Eisen]] sowie von Alaunschiefergestein in der Region Bayreuth. Insbesondere um den Goldbergbau in Goldkronach machte er sich verdient. Binnen kurzer Zeit gelang es ihm, die jährlichen Erträge um ein Vielfaches zu steigern.<ref>{{Literatur |Autor=Wilhelm Kießling |Hrsg=Friedrich Wilhelm Singer |Titel=„Alexander von Humboldt – Ein Gast in unserer Stadt“ |Ort=Arzber/Oberfranken: Stadt Arzber |Datum=1999}}</ref> Verschiedene grundsätzliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durch Modernisierungen und eine verbesserte soziale Absicherung trugen zum nachhaltigen Erfolg bei.<ref>{{Literatur |Autor=Ursula Klein |Titel=„The Prussian Mining Officer Alexander von Humboldt“ |Sammelwerk=Annals of Science |Band=69 |Nummer=1 |Datum=2012-01}}</ref>
"Man studiert, wie
sich dieses innere Gefüge ändert, während die weibliche Keimzelle
zum Beispiel befruchtet wird. Man verfolgt die einzelnen Stadien,
wie die Zelle sich in ihrer inneren Struktur ändert, wie sie sich dann
teilt, wie sich der Teil, Zelle an Zelle, angliedert und aus der Zusammenfügung
eine kompliziert aufgebaute Gestalt entsteht. Das
studiert man. Aber es fällt einem nicht ein, sich zu fragen: Ja, womit
hängt denn eigentlich dieses ganze Leben in der Zelle zusammen?
Was liegt denn da eigentlich vor? - Es fällt einem nicht ein,
das zu fragen.


Was da vorliegt in der Zelle, das ist ja zunächst mehr abstrakt
Auf der Basis seiner chemischen Analysen der [[Grubenwetter]] entwickelte er einen Vorläufer der Atemschutzmaske und eine verbesserte [[Grubenlampe]] für die Bergleute. Bei der Erprobung dieser Grubenlampe im Selbstversuch fiel er wegen giftiger Grubengase in Ohnmacht, die Lampe aber half ihn zu retten.<ref>{{Literatur |Autor=Humboldt an Karl Freiesleben |Titel=Jugendbriefe |Ort=Bayreuth |Datum=1794-10-20}}</ref> Aus eigenen Mitteln gründete er ohne Rücksprache mit den vorgesetzten Behörden zuerst in Steben eine Bergschule, die erste Arbeiter-Berufsschule in Deutschland, offen für die Altersstufen von 12 bis 30 Jahren. Gelehrt wurden nach der Schicht und bis 23&nbsp;Uhr unter anderem Mineralienkunde, bergmännisches Rechnen und Bergrecht, Maschinen- und [[Kompass]]kunde. Die Lehrbücher dafür schrieb Humboldt selbst. Seine Wohnorte waren 1792 bis 1795 [[Bad Steben|Steben]], [[Arzberg (Oberfranken)|Arzberg]] und [[Goldkronach]].<ref>Über seine Zeit in Goldkronach äußerte sich Alexander von Humboldt in einem Brief an seinen Vertrauten Karl Freiesleben überschwänglich: ''„... mit dem Bergbau geht es überhaupt jetzt schnell hier vorwärts. In Goldkronach besonders bin ich glücklicher, als ich je wagen durfte zu glauben.“'' ({{Literatur |Autor=Humboldt an Karl Freiesleben |Titel=Jugendbriefe, S. 532 f. |Ort=Bayreuth |Datum=1796-10-18}}) Der im Jahr 2008 gegründete Verein „Alexander von Humboldt-Kulturforum Schloss Goldkronach e. V.“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, an Leben und Werk Alexander von Humboldts vornehmlich in Franken zu erinnern. In einer Ausstellung, die auch über die Internetseite ''[http://www.humboldt-kulturforum.de/ humboldt-kulturforum.de]'' abgerufen werden kann, werden ausführliche Informationen über das Universalgenie dargestellt.</ref> Sein Wissensdrang war ebenso universell wie unermüdlich; für Forschung, Aufzeichnungen und Korrespondenz machte er die Nacht zum Tage und schlief selten länger als vier Stunden.
so zu fassen: Ich habe die Zelle. Nehmen wir sie zunächst in ihrer
am häufigsten vorkommenden Form, in der kugeligen Form. Diese
kugelige Form wird ja mitbedingt von der dünnflüssigen Substanz.
Diese kugelige Form hat in sich eingeschlossen die Gerüstform. Und
die kugelige Form, was ist sie? Die dünnflüssige Masse ist noch ganz
sich selbst überlassen, sie folgt also denjenigen Impulsen, die um sie
herum sind. Was tut sie? Ja - sie bildet das Weltenall nach! Sie hat
deshalb ihre kugelige Form, weil sie den ganzen Kosmos, den wir
uns auch zunächst ideell als eine Kugelform, als eine Sphäre vorstellen,
weil sie den ganzen Kosmos in Kleinheit nachbildet. Jede
Zelle in ihrer Kugelform ist nichts anderes als eine Nachbildung der
Form des ganzen Kosmos. Und das Gerüst darin, jede Linie, die da
im Gerüst gezogen ist, ist abhängig von den Strukturverhältnissen
des ganzen Kosmos. - Wenn ich mich jetzt zunächst abstrakt ausdrücken
soll: Nehmen Sie an, Sie haben die Weltensphäre, ideell
begrenzt (Fig. 7). Darin meinetwillen haben Sie hier einen Planeten
und hier einen Planeten (a, ai). Die wirken so, daß die Impulse,
mit denen sie aufeinander wirken, in dieser Linie liegen. Hier (m)
bildet sich, natürlich schematisch gezeichnet, eine Zelle, sagen wir.
Ihre Umgrenzung bildet die Sphäre nach. Hier innerhalb ihres Gerüstes
(Fig. 8) hat sie ein Festes, welches von der Wirkung dieses
Planeten (a) auf diesen (ai) abhängt. Nehmen Sie an, hier wäre
eine andere Planetenkonstellation, die so aufeinander wirkt (b, bi).


[[Datei:GA323 032.gif|center|500px|Fig. 7 und Fig. 8 aus GA 323, S. 32]]
Während seiner Tätigkeit im Staatsdienst kam er in Kontakt mit gleichfalls in der Bergverwaltung hochrangig beschäftigten und bei den späteren [[Preußische Reformen|preußischen Reformen]] führenden Persönlichkeiten: dem [[Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein|Freiherrn vom Stein]] und [[Karl August von Hardenberg|Hardenberg]], die seine Fähigkeiten ebenso erkannten und für ihre Zwecke dienstbar zu machen suchten sowie sein Ressortminister von Heinitz, der ihn 1794 zum [[Bergvogt (Bergbau)|Bergrat]] und 1795 zum Oberbergrat (die höchstmögliche Position unterhalb des Ministeriums, ([[Bergakademie Berlin]])) beförderte. Doch weder dies noch ungewöhnliche Gehalts- und Freistellungsangebote vermochten Humboldt im Amt zu halten.


Hier wäre wiederum ein anderer Planet (c), der keinen Gegensatz
Als Humboldt am 26.&nbsp;März 1795 den preußischen König um die Entlassung aus dem Dienst als [[Oberbergmeister]] bat, um seinen Jugendtraum von Forschungsreisen in die Welt zu verwirklichen, hatte er den Bergbau in der Region nahezu neu erfunden.<ref>{{Literatur |Autor=Humboldt an König Friedrich Wilhelm II. von Preußen |Titel=Jugendbriefe |Ort=Bayreuth |Datum=1795-03-26}}</ref>
hat. Der verrenkt diese ganze Sache, die sonst vielleicht rechtwinkelig
stünde. Es entsteht die Bildung etwas anders. Sie haben in der
Gerüststruktur eine Nachbildung der ganzen Verhältnisse im Planetensystem,
überhaupt im Sternensystem. Sie können konkret hineingehen
in den Aufbau der Zelle, und Sie bekommen eine Erklärung
für diese konkrete Gestalt nur, wenn Sie in der Zelle sehen ein Abbild
des ganzen Kosmos.


Und nun nehmen Sie die weibliche Eizelle und stellen sich vor,
=== Biologische Arbeiten ===
diese weibliche Eizelle hat die kosmischen Kräfte zu einem gewissen
[[Datei:Weimarer Klassik.jpg|mini|Schiller, Wilhelm und Alexander von Humboldt sowie Goethe in [[Jena]]]]
inneren Gleichgewicht gebracht. Diese Kräfte haben Gerüstform angenommen
In seiner Freiberger Zeit beschäftigte sich Humboldt auch mit der [[Mykologie]]. Die Flechten- und Pilzarten, die er in den Freiberger Bergwerken gefunden hatte, beschrieb er in der Publikation ''Floriae Fribergensis specimen'', worin er auch einige Erstbeschreibungen von Arten der Gattungen [[Agaricus]], Peziza und [[Boletus]] einsetzte.<ref>Humboldts offizielles [[Autorenkürzel der Botaniker und Mykologen|botanisches Autorenkürzel]] lautet „<span class="Person">Humb.</span>“.</ref><ref>Kurt-Reinhard Biermann: ''Alexander von Humboldt.'' 3. Auflage. Leipzig 1983, S.&nbsp;23.</ref> Er beschrieb nicht nur die Morphologie der [[kryptogame]]n Pflanzen, sondern auch die Abhängigkeit von ihren Umweltbedingungen. Für die Flechten stellte er eine Verwandtschaftstafel („Tabula affinitatum“) auf, die aber noch nicht auf stammesgeschichtlicher Zugehörigkeit, sondern nur auf äußerer Ähnlichkeit beruhte. Schon in diesem Werk betonte er programmatisch, dass er die [[Pflanzengeographie]] als Teil einer umfassenden Erdkunde betrachtete im Unterschied zur herkömmlichen „[[Naturgeschichte]]“.<ref>[[Ilse Jahn]]: ''Dem Leben auf der Spur. Die biologischen Forschungen Alexander von Humboldts.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;22–23.</ref>
und sind in der Gerüstform in einer gewissen Weise zur
Ruhe gekommen, gestützt durch den weiblichen Organismus. Nun
geschieht die Einwirkung der männlichen Geschlechtszelle. Die hat
nicht den Makrokosmos in sich zur Ruhe gebracht, sondern sie wirkt
im Sinne irgendwelcher Spezialkraft. Sagen wir, es wirkt die männliche
Geschlechtszelle im Sinne gerade dieser Kraftlinie auf die
weibliche Eizelle, die zur Ruhe gekommen ist, ein. Dann geschieht
durch diese Spezialwirkung eine Unterbrechung der Ruheverhältnisse.
Es wird gewissermaßen die Zelle, die ein Abbild ist des ganzen
Makrokosmos, dazu veranlaßt, ihre ganze mikrokosmische Gestalt
wiederum hineinzustellen in das Wechselspiel der Kräfte. In der
weiblichen Eizelle ist zunächst in ruhiger Abbildung der ganze Makrokosmos
zur Ruhe gekommen. Durch die männliche Geschlechtszelle
wird die weibliche herausgerissen aus dieser Ruhe, wird wiederum
in ein Spezialwirkungsgebiet hineingezogen, wird wiederum zur
Bewegung gebracht, wird wiederum herausgezogen aus der Ruhe.
Sie hat sich zur Nachbildung des Kosmos in die ruhige Form zusammengezogen,
aber diese Nachbildung wird hineingezogen in die
Bewegung durch die männlichen Kräfte, die Bewegungsnachbildungen
sind. Es werden die weiblichen Kräfte, die Nachbildungen
der Gestalt des Kosmos und zur Ruhe gekommen sind, aus der
Ruhe, aus der Gleichgewichtslage gebracht.


Da bekommen Sie Anschauungen über die Form und Gestaltung
Des Weiteren untersuchte er experimentell den Einfluss verschiedener Bestandteile der Luft auf das Pflanzenwachstum, wobei er den Aspekt der wirtschaftlichen Nutzung für die Pflanzenproduktion im Auge hatte.<ref>Ilse Jahn: ''Dem Leben auf der Spur.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;29.</ref> Zwar gelang es ihm nicht, die Rolle von Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid im Stoffwechsel der Pflanzen richtig aufzuklären, er vertrat aber die Auffassung, dass der Kohlenstoff der Pflanzen aus der Luft und nicht aus der Erde stammt.<ref>Ilse Jahn: ''Dem Leben auf der Spur.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;39.</ref> Weiterhin erkannte er, dass die [[Spaltöffnungen]] auch für den Wasserhaushalt der Pflanzen von Bedeutung sind, konnte die genaue Funktion aber nicht klären.<ref>Ilse Jahn: ''Dem Leben auf der Spur.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;50.</ref>
des Kleinsten, des Zellenhaften, von der Astronomie aus. Und Sie
können gar nicht Embryologie studieren, ohne daß Sie Astronomie
studieren. Denn das, was Ihnen die Embryologie zeigt, ist nur der
andere Pol desjenigen, was Ihnen die Astronomie zeigt. Wir müssen
gewissermaßen auf der einen Seite den Sternenhimmel verfolgen,
wie er aufeinanderfolgende Stadien zeigt, und wir müssen nachher
verfolgen, wie eine befruchtete Keimzelle sich entwickelt. Beides gehört
zusammen, denn das eine ist nur das Abbild des anderen.
Wenn Sie nichts von Astronomie verstehen, werden Sie niemals die
Kräfte verstehen, die im Embryo wirken. Und wenn Sie nichts von
Embryologie verstehen, so werden Sie niemals den Sinn verstehen
von den Wirkungen, die dem Astronomischen zugrunde liegen.
Denn diese Wirkungen zeigen sich im Kleinen in den Vorgängen
der Embryologie." {{Lit|{{G|323|31ff}}}}
</div>


== Siehe auch ==
Danach wandte er sich dem seinerzeit aktuellen Forschungsgebiet der „[[Galvanismus|tierischen Elektrizität]]“ zu in Fortführung der Versuche von [[Luigi Galvani|Galvani]] und [[Alessandro Volta|Volta]].<ref>Ilse Jahn: ''Dem Leben auf der Spur.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;51–52.</ref> Umfangreiche Studien mit Tausenden von Tierexperimenten<ref>Kurt-Reinhard Biermann: ''Alexander von Humboldt.'' 3. Auflage. Leipzig 1983, S.&nbsp;29.</ref> zum Einfluss der Elektrizität, zum Teil mit seinem Bruder Wilhelm, teilweise auch als Selbstversuch am eigenen Körper durchgeführt, belegten unter anderem den Verbrauch von Sauerstoff bei der Muskelbewegung und die Wirkung der Feuchtigkeit auf die elektrische Leitfähigkeit.<ref>Ilse Jahn: ''Dem Leben auf der Spur.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;65–66.</ref>
Bei Selbstversuchen für seine Studie ''Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser''  brachte er künstlich erzeugte Wunden auf seinem Rücken mit [[Galvanische Zelle|galvanischen Zellen]]  aus Metallen wie Zink und Silber in Berührung.<ref>In diesen Zusammenhang gehört auch seine philosophische Allegorie ''Die Lebenskraft, oder der rhodische Genius'', 1795 für [[Friedrich Schiller]]s Zeitschrift ''[[Die Horen (Schiller)|Die Horen]]'' verfasst.</ref> Im Gegensatz zu Volta blieb Humboldt überzeugt von dem Konzept einer eigenen „tierischen Elektrizität“; den Kontaktmetallen schrieb er nur eine sekundäre Rolle zu.<ref>Ilse Jahn: ''Dem Leben auf der Spur.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;69–70.</ref>
 
In der zeitgenössischen Fachliteratur wurden seine physiologischen Schriften oft zitiert.<ref>Ilse Jahn: ''Dem Leben auf der Spur.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;71.</ref> Zu Beginn seiner experimentellen Studien teilte Humboldt die im seinerzeitigen wissenschaftlichen Mainstream liegende Überzeugung von einer, den Organismen innewohnenden „[[Lebenskraft]]“; allmählich gelangte er zu der Auffassung, dass alle Lebensäußerungen mit den bekannten Naturgesetzen zu erklären seien.<ref>Ilse Jahn: ''Dem Leben auf der Spur.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;52.</ref>
 
Auf seiner Südamerika-Expedition setzte Humboldt seine galvanischen Versuche fort; bekannt wurde seine Untersuchung über den [[Zitteraal]] (Electrophorus electricus).<ref>Ilse Jahn: ''Dem Leben auf der Spur.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;71–72.</ref> In seinen späteren Jahren unterstützte Humboldt die [[Elektrophysiologie|elektrophysiologischen]] Untersuchungen von [[Emil du Bois-Reymond]]. Deren Resultate, die die Muskelbewegung auslösende Nerventätigkeit messbar machen, fasste er als Weiterführung seiner Versuche auf.<ref>Ilse Jahn: ''Dem Leben auf der Spur.'' Urania Verlag, Leipzig 1969, S.&nbsp;117–119.</ref>
 
=== Vorbereitung einer großen Expedition (1797–1798) ===
„Jeder Mann hat die Pflicht, in seinem Leben den Platz zu suchen, von dem aus er seiner Generation am besten dienen kann“, heißt es in einem Schreiben Humboldts an den französischen Astronomen [[Jean-Baptiste Joseph Delambre|Delambre]]. Sobald Alexander von Humboldt im November 1796 durch den Tod der Mutter zum vermögenden Erben geworden war, schied er aus dem Staatsdienst aus, um sich als Naturforscher und Wissenschaftler unabhängig zu machen. Als Ziel schwebte ihm eine „physique du monde“ vor, eine Darstellung des gesamten physisch-geographischen Wissens der Zeit, zu dem er auf Forschungsreisen selbst entscheidend beitragen wollte. Bereits Ende 1796 entwickelte er brieflich seine trotz mancher Widrigkeiten, mehrfacher Anläufe und Umwege konsequent verfolgten Pläne: „Meine Reise ist unerschütterlich gewiß. Ich präpariere mich noch einige Jahre und sammle Instrumente, ein bis anderthalb Jahr bleibe ich in Italien, um mich mit Vulkanen genau bekannt zu machen, dann geht es über Paris nach England, wo ich leicht auch wieder ein Jahr bleiben könnte […], und dann mit englischen Schiffen nach Westindien“, das im damaligen Verständnis den ganzen Raum von [[Mexiko]] bis zum [[Amazonas]] umfasste.
 
Schon durch Campe war Alexander die Faszination der Welt in Übersee vermittelt worden. [[Johann Gottfried Herder|Johann Gottfried von Herder]] hatte auf die kontrastierend miteinander verbundenen Naturräume der [[Anden]] und des [[Amazonasbecken]]s hingewiesen und zu deren Erforschung aufgerufen, indem unter anderem die Höhen der (damals als höchste der Welt geltenden) Berge ermittelt, die Bodenbeschaffenheit bestimmt sowie die örtlichen Abweichungen der Magnetnadel und die je lokalen Temperaturen gemessen werden sollten&nbsp;– alles Bestandteile des dann von Humboldt noch ausgeweiteten Forschungsprogramms.
 
In den Jahren der Vorbereitung nutzte er jede Möglichkeit zur systematischen Vertiefung seiner Kenntnisse, nicht nur durch das Studium der einschlägigen Reiseberichte und neuesten Forschungsergebnisse, sondern auch durch seinen persönlichen Kontakt mit den führenden Zoologen, Botanikern und Astronomen der Zeit sowie durch die ständige praktische Erprobung von Messinstrumenten in den verschiedenen Landschaften und Naturräumen (z.&nbsp;B. in den Alpen). Zudem entwickelte er ein spezifisches Aufzeichnungsverfahren zur Erfassung seiner jeweiligen Forschungsergebnisse, die „[[Pasigrafie|Pasigraphie]]“, eine Schriftzeichensprache, die die geographischen Erscheinungen durch Buchstaben, Richtungspfeile, Symbole und Abkürzungen für Formationen und Gesteine festhielt.
 
Im Mai 1798 begab sich Alexander von Humboldt in die seinerzeitige Weltwissenschaftsmetropole Paris, wo er in Vorträgen und Debatten sein bereits beachtliches Renommee als Wissenschaftler festigte und seine Ausstattung mit Messinstrumenten vervollständigte. Hier fand er in dem Botaniker [[Aimé Bonpland]] schließlich auch jenen fachkundigen Reisegefährten, dessen Mitarbeit ihm die Durchführung seiner komplexen Forschungsvorhaben erst ermöglichen sollte.
 
=== Amerikanische Forschungsreise (1799–1804) ===
==== Vorbereitung ====
Mehrfach hatte Humboldt während der Vorbereitungszeit seine Pläne wegen politischer und kriegerischer Verwicklungen im Zeichen des aufstrebenden Generals [[Napoleon Bonaparte]] ändern und bereits begonnene Reiseaktivitäten abbrechen müssen, zuletzt (im Dezember 1798) auch den Versuch, von Südfrankreich aus auf ein Schiff zu gelangen, das Bonpland und ihm den Anschluss an die [[ägyptische Expedition]] Napoleons hätte ermöglichen sollen. Stattdessen machten sich nun beide mit sämtlichen für die Forschungsreise vorgesehenen Instrumenten auf den Weg nach [[Madrid]]&nbsp;– meist zu Fuß neben dem Wagen einhergehend&nbsp;–, um für das amerikanische Forschungsunternehmen womöglich die Unterstützung der spanischen Krone zu erlangen. Die Vielzahl der unterwegs erhobenen Messdaten brachte erstmals geographischen Aufschluss über die Gestalt der innerspanischen Hochebene.
 
Sein Ruf als Wissenschaftler und Bergminenexperte (diese Privatexpedition konnte sich für Spanien unter Umständen lohnen; tatsächlich führten später seine Beschreibungen der mexikanischen Silberminen in dem „Versuch über den politischen Zustand des [[Vizekönigreich Neuspanien|Königreichs Neu-Spanien]]“ zu massiven ausländischen [[Investition]]en), sein diplomatisches Geschick und sein von der exzellenten Beherrschung des Spanischen unterstütztes Auftreten bei Hofe verschafften Humboldt schon bald Empfehlungen und einen so privilegierten Forscher-Reisepass, wie ihn nach seiner eigenen Einschätzung kein Ausländer je erhalten hatte. Er sicherte ihm volle Handlungsfreiheit und das Entgegenkommen aller Gouverneure und Beamten im gesamten spanischen Kolonialgebiet.
 
==== Überfahrt ====
[[Datei:Map Alexander von Humboldt expedition-de.svg|mini|500px|Verlauf der Amerikareise]]
Abreisedatum mit der spanischen Fregatte ''Pizarro'' von [[A Coruña|La Coruña]] war der 5.&nbsp;Juni 1799. Humboldt schreibt in einem Brief vom selben Tag: „Ich werde Pflanzen und Fossilien sammeln, mit vortrefflichen Instrumenten astronomische Beobachtungen machen können […] Das alles ist aber nicht Hauptzweck meiner Reise. Und auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluß der unbelebten Schöpfung auf die belebte Tier- und Pflanzenwelt, auf diese Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein!“
 
Die Überquerung des Atlantik verlief insgesamt problemlos.<ref>{{Biolib|1=humboldt/suedamerika/index.html|2=Alexander von Humboldt: ''Durch das tropische Südamerika'' (1926) Leipzig}}</ref> Mit an Bord nahm Humboldt rund 50 der modernsten Instrumente, darunter [[Sextant]]en, [[Quadrant (Astronomie)|Quadranten]], [[Teleskop]]e, diverse [[Fernrohr]]e, eine [[Längenuhr]], ein [[Inklinatorium]], ein [[Deklinatorium]], ein [[Cyanometer]], [[Eudiometer]], [[Aräometer]], ein [[Niederschlagsmesser|Hyetometer]], [[Elektroskop|Elektrometer]], [[Hygrometer]], [[Barometer]] und [[Thermometer]].
 
Bereits den einwöchigen Zwischenaufenthalt auf der Kanareninsel [[Teneriffa]] im Juni 1799 nutzten Humboldt und Bonpland zu Aktivitäten, die sie dann in der [[Neue Welt|Neuen Welt]] vielfach wiederholen sollten: Sie bestiegen den [[Teide|Pico del Teide]], registrierten die Vegetationszonen, übernachteten in einer Höhle unterhalb des Gipfels und untersuchten tags darauf den Krater des Vulkans.
 
Nach der anschließenden 22-tägigen Überfahrt landeten sie am 16.&nbsp;Juli 1799 in [[Cumaná]] ([[Venezuela]]). Dort beobachtete Humboldt in der Nacht vom 11. auf den 12.&nbsp;November 1799 einen [[Meteor]]schauer der [[Leoniden]]&nbsp;– seine Beschreibung legte später den Grundstein für die Erkenntnis, dass solche Himmelsereignisse periodisch auftreten. Ein nachhaltiger Eindruck ganz anderer Art war der [[Sklaverei|Sklavenmarkt]] von Cumaná. Die grausame Behandlung der Sklaven entsetzte ihn so sehr, dass er zu einem entschiedenen Fürsprecher des [[Abolitionismus]] wurde.<ref>Andrea Wulf: ''Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur''. C. Bertelsmann, München 2016, S. 79.</ref> Von Cumaná aus reisten Humboldt und Bonpland nach gründlicher Erforschung der Umgebung und einer Reihe von Exkursionen weiter nach [[Caracas]].
 
Humboldts amerikanische Forschungsreise lässt im Ganzen drei Phasen dynamisch vorwärts gerichteter Geländeexploration unterscheiden, die jeweils eingebettet waren in eher stationäre Phasen der Materialsichtung, -auswertung und -sicherung.
 
==== Erste Expedition: Zwischen Orinoco und Rio Negro ====
[[Datei:Eduard Ender - Alexander von Humboldt und Aime Bonpland.jpg|mini|Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland am Orinoco, Gemälde von [[Eduard Ender]], 1856<ref>[https://rumphius.hypotheses.org/tag/eduard-ender Naturforschung&nbsp;– mit Muße oder Mühe?] von Maria-Theresia Leuker, 2016.</ref> ]]
[[Datei:Alexandre humboldt.jpg|mini|Alexander von Humboldt, Gemälde von [[Friedrich Georg Weitsch]], 1806]]
[[Datei:Maranonrivermap.png|mini|Das Einzugsgebiet des Amazonas (gelb); sein Quellfluss [[Marañón]] ist lila markiert.]]
Die erste große Expedition führte im Februar 1800 von Caracas zum Fluss [[Río Apure|Apure]] und auf diesem in das Strombett des [[Orinoco]], das stromaufwärts so weit wie möglich in südlicher Richtung befahren, dann aber verlassen wurde, um über den Rio Atabapo weiter südlich zum [[Rio Negro (Amazonas)|Rio Negro]], dem Amazonaszufluss, vorzustoßen. Man befuhr die Flüsse auf einer [[Piroge]], einem mit Axt und Feuer ausgehöhlten Baumstamm von etwa 13 Metern Länge und knapp einem Meter Breite. Sie wurde von einem Steuermann und vier indianischen Ruderern betrieben. Im Bereich des Hecks war ein niedriges Blätterdach installiert, an dessen tragfähigen Teilen Käfige mit eingefangenen Vögeln und Affen hingen. Die mitgeführten größeren Messinstrumente schränkten die Bewegungsfreiheit zusätzlich ein.
 
Auf dem Rio Negro konnte dann die Einmündung des nordöstlich vom Orinoco direkt zufließenden [[Brazo Casiquiare|Rio Casiquiare]] erreicht und mit dessen Befahrung in ganzer Länge flussaufwärts der Nachweis geführt werden, dass entgegen der verbreiteten Lehrmeinung, wonach zwischen den großen Stromgebieten der Erde nirgendwo natürliche Verbindungen existierten, eine solche zwischen Orinoco und Amazonas eben doch vorhanden ist. Am 20. Mai 1800 erreichte die Piroge wie erwartet die Stelle, an der sich der Orinoco in zwei Arme gabelt. Durch diese Bestätigung der [[Flussbifurkation|Gabelteilung]] des Orinoco war das wichtigste Forschungsziel dieser Expedition erreicht und die Reisenden konnten sich für den Rückweg nun flussabwärts auf dem Orinoco fortbewegen. Sie folgten seinem Lauf bis Angostura ([[Ciudad Bolívar]]) und schlugen sich dann in der quälenden Hitze der [[Llanos]] nordwärts zur Küstenstadt [[Barcelona (Venezuela)|Nueva Barcelona]] durch, die sie am 23. Juli 1800 erreichten.
 
Dass sie dieses 2775 Kilometer lange Unternehmen heil überstanden (Bonpland war allerdings noch zuletzt in Angostura dem Fiebertod nahegekommen), war erstaunlich genug. Dazu trugen außer der glücklichen Wendung mancher Gefahrensituation ihre Entschlossenheit und strapazierfähige Physis bei. Der in jungen Jahren oft kränkelnde Alexander meldete nach Hause: „Die Tropenwelt ist mein Element, und ich bin nie so ununterbrochen gesund gewesen als in den letzten zwei Jahren. […] Am Atabapo, wo die Wilden stets am Faulfieber leiden, widerstand meine Gesundheit unbegreiflich gut.“
 
Den Gesamterfolg der amerikanischen Reise ermöglichte zudem ein unerschütterliches Durchhaltevermögen&nbsp;– ständig war Humboldt mit Ortsbestimmungen und Messungen aller Art beschäftigt, Bonpland mit dem Botanisieren, beide zusammen mit Skizzen und Aufzeichnungen&nbsp;– auch unter widrigsten Bedingungen: „Vier Monate hindurch schliefen wir in Wäldern, umgeben von Krokodilen, Boas und Jaguaren […], nichts genießend als Reis, Ameisen, [[Maniok|Manioc]], [[Dessertbanane|Pisang]], Orenocowasser und bisweilen Affen. […] In [[Ciudad Guayana|Guayana]], wo man wegen der Mosquiten, die die Luft verfinstern, Kopf und Hände stets verdeckt haben muß, ist es fast unmöglich am Tageslicht zu schreiben; man kann die Feder nicht ruhig halten, so wütend schmerzt das Gift der Insekten. Alle unsere Arbeit mußte daher beim Feuer, in einer indianischen Hütte, vorgenommen werden, wo kein Sonnenstrahl eindringt, und in welcher man auf dem Bauche kriechen muß. Hier aber erstickt man wieder von Rauch, wenn man auch weniger von den Mosquiten leidet.“
 
==== Zweite Expedition: Von Cartagena nach Lima ====
Die zweite große Südamerika-Expedition begann nach einem Zwischenaufenthalt in [[Havanna]] (wo Humboldt das Material für seinen geographischen ''Essai politique sur l′île de Cuba'' erarbeitete) am 30. März 1801 in [[Cartagena (Kolumbien)|Cartagena]] an der kolumbianischen Karibik-Küste. Humboldt hatte erfahren, dass er sich der französischen Weltumsegelungsexpedition unter Kapitän [[Nicolas Baudin]] an der peruanischen Küste würde anschließen können. Auf dem Wege dahin drängte sich die Umsetzung des lang erwogenen Anden-Forschungsprojekts geradezu auf.
 
Von Barancas Nuevas ab befuhren Humboldt und Bonpland den [[Río Magdalena]] flussaufwärts: „Unsere Magdalena-Reise bildete eine schreckliche Tragödie; von den zwanzig dunklen Ruderknechten ließen wir acht auf dem Wege zurück, ebensoviel langten gleich und mit stinkenden Geschwüren in [[Honda (Kolumbien)|Honda]] an.“ Nach viertägigem steilen Aufstieg erreichten sie die Anden-Hochebene und konnten in [[Bogotá]] in regen wissenschaftlichen Austausch mit dem sie aufwendig empfangenden Botaniker [[José Mutis]] treten.<ref>Humboldt besuchte Mutis im Juli des Jahres 1801 in [[Santa Fe de Bogotá]] während seiner Amerikaexpedition. Bartolomé Ribas Ozonas: ''José Celestino Mutis, amistad y colaboración con A. v. Humboldt.'' S.&nbsp;151–172, [https://www.analesranf.com/index.php/mono/article/download/958/955 online] in ''analesranf.com''.</ref> Für den spanischen Vizekönig erstellte Humboldt unter anderem ein Gutachten über die Silbergruben und die Goldproduktion Kolumbiens. Die Fortsetzung des Weges über die Anden gestaltete sich äußerst beschwerlich: „Dicke Wälder liegen zwischen Morästen; die Maultiere sinken bis auf den halben Leib ein; und man muß durch so tiefe und enge Schlüchte, daß man in Stollen eines Bergwerks zu kommen glaubt. Auch sind die Wege mit den Knochen der Maultiere bepflastert, die hier vor Kälte oder Mattigkeit umfielen.“
 
Um von Bogotá nach [[Quito]] zu gelangen, benötigten die Reisenden vom 19.&nbsp;September 1801&nbsp;– mit einem Zwischenaufenthalt in [[Popayán]]&nbsp;– bis zum 6.&nbsp;Januar 1802. In Quito kamen sie im Hause des Herzogs Juan Pío Montúfar y Larrea unter; dessen Sohn [[Carlos de Montúfar y Larrea-Zurbano|Carlos de Montúfar]] (1780–1816)<ref>s.&nbsp;a. [[Wo ist Carlos Montúfar?]] von Daniel Kehlmann</ref> sollte fortan an der amerikanischen Expedition Humboldts teilnehmen, um danach in Spanien die Offiziersausbildung zu vollenden. Sowohl er als auch [[Simón Bolívar]], den Humboldt nach seiner Rückkehr 1804 in Paris und 1805 in Rom traf, dürften Humboldts kritische Haltung zu [[Kolonialismus|Kolonialregimen]] aller Art eingehend kennengelernt haben, die er offiziellen Stellen gegenüber nach Lage der Dinge nicht äußern konnte.
 
[[Datei:Humboldt-Bonpland Chimborazo.jpg|mini|Humboldt und Bonpland am Fuß des Vulkans [[Chimborazo]], Gemälde von Friedrich Georg Weitsch (1810)]]
[[Datei:EL CHIMBORAZO.jpg|mini|Der Chimborazo in [[Ecuador]]]]
 
Zum Forschungsschwerpunkt wurden nun neuerlich Vulkane in einem Gebiet [[Ecuador]]s, das Humboldt wegen deren Vielzahl als „[[Allee der Vulkane]]“ bezeichnete. Der Nachweis der vulkanischen Herkunft von [[Gestein]] ([[Plutonismus (historisch)|Plutonismus]]), das bislang für eine Unterwasserablagerung gehalten worden war, widerlegte die [[Hypothese]] des sogenannten [[Neptunismus]]. Den [[Pichincha]] bestieg Humboldt nach einem ersten abgebrochenen Versuch gleich zweimal, zuletzt begleitet von einem heftigen Erdbeben, dessen Stöße er sorgfältig protokollierte. Nicht ganz bis zum Gipfel gelangten Humboldt, Bonpland und Montúfar am 23.&nbsp;Juni 1802 bei der Besteigung des [[Chimborazo]] (6.310 Meter) wegen einer unpassierbaren Felsspalte 400 bis 800 Meter unterhalb des Kraters. Gleichwohl blieb dies auf 30 Jahre ein Höhenweltrekord für Bergsteiger, eine in Anbetracht der Unzulänglichkeiten von Schuhwerk, Bekleidung und Ausrüstung nach wie vor kaum glaubliche Leistung. Dabei litten sie unter den Symptomen der [[Höhenkrankheit]]: Schwindel und Brechreiz, Blutungen aus Lippen und Zahnfleisch.
 
Bald darauf erforschte die Expedition nach rasantem Abstieg den Oberlauf des [[Marañón]] im [[Amazonas#Quellflüsse|Quellgebiet des Amazonas]] und nach neuerlichem Aufstieg in die Anden die Überreste der [[Inka]]stätten in der Umgebung von [[Cajamarca]]. Wie die Messungen ergaben, entdeckten und überquerten sie dabei den [[Erdmagnetfeld#Magnetischer Äquator|magnetischen Äquator]].
 
Als sie nach ihrer vierten Andenüberquerung am 23.&nbsp;Oktober 1802 in [[Lima]] ankamen, war auch dieses zweite große Forschungsunternehmen erfolgreich beendet. Zwischen zehn Grad nördlicher und zehn Grad südlicher Breite waren die Klima- und [[Vegetationsstufen]] des tropischen Hochgebirges in mannigfaltiger Weise durchmessen und erfasst worden. Indem Humboldt in Limas Hafen [[Callao]] am 9.&nbsp;November 1802 den Durchgang des [[Merkur (Planet)|Merkur]] observierte, gelang es ihm, den [[Längengrad]], auf dem Lima sich befindet, genauer als bis dahin zu bestimmen, in der Folge ein Richtwert für den ganzen südwestlichen Teil des neuen Kontinents. Auch studierte er die Düngeeigenschaften von [[Guano]] und leitete auf diese Weise die Einfuhr von Guano nach Europa ein.
 
==== Dritte Expedition: Mexiko ====
Bereits vor dem Aufbruch von [[Quito]] war die Information eingetroffen, dass der geplante Anschluss an die französische Weltumsegelungsexpedition von Kapitän [[Nicolas Baudin|Baudin]] wegen dessen Routenänderung nicht mehr möglich sei. Erneut musste also umdisponiert werden. Nach einem Zwischenaufenthalt in [[Guayaquil]], bei dem Humboldt durch Temperaturmessungen die nach ihm benannte [[Meeresströmung]] nachwies, begann am 23.&nbsp;März 1803 in [[Acapulco]] der letzte große Abschnitt von Humboldts amerikanischer Forschungsreise, während deren er mit Bonpland und Montúfar ein Jahr in [[Mexiko]] verbrachte. Dabei wurde der Reiseweg von Acapulco über [[Mexiko-Stadt]] (mit gut neunmonatigem Erkundungsaufenthalt) bis [[Veracruz (Veracruz)|Veracruz]] an der Atlantikküste [[Barometer|barometrisch]] vermessen und so ein Höhenquerschnittsprofil Mexikos für diesen wichtigen Bereich angelegt. In Mexiko-Stadt sammelte Humboldt Material für sein landeskundliches Werk über das [[Vizekönigreich Neuspanien|Königreich Neu-Spanien]] (mit Beschreibungen der politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen sowie weitreichenden Bevölkerungsstatistiken), das dann ebenso zu einem Grundstein der modernen wissenschaftlichen Geographie werden sollte wie das über [[Kuba]], für das die Vorstudien im März/April 1804 in [[Havanna]] zu Ende geführt wurden.<ref>[[Franz Tichy]]: ''Die Mexiko-Reise Alexander von Humboldts 1803–1804.'' In: José Manuel López de Abiada, [[Titus Heydenreich]] (Hrsg.): ''Iberoamérica – Homenaje a Gustav Siebenmann''. Wilhelm Fink, München 1983, ISBN 3-7705-2154-4, Bd, 2, S. 963–988.</ref>
 
Abgeschlossen wurde die große Amerika-Expedition mit einem Besuch in den [[USA]], wo Humboldt, auch aufgrund seiner intensiven Reisekorrespondenz, bereits höchste Anerkennung als Forscher und Wissenschaftler genoss und unter anderem drei Wochen als Gast des Präsidenten [[Thomas Jefferson]] in [[Washington, D.C.]] und [[Philadelphia]] verbrachte.
 
Am 3.&nbsp;August 1804 betraten Humboldt und Bonpland in [[Bordeaux]] wieder europäischen Boden. Dass ein Privatmann eine solche Forschungsreise gänzlich aus eigenen Mitteln bestritten hatte, war beispiellos. Humboldts Vermögen war um ein Drittel vermindert, und es sollte in den drei folgenden Jahrzehnten, in denen er sein Reisewerk in 30 Bänden verfasste und in Druck gab&nbsp;– das größte je erschienene private Reisewerk überhaupt – gänzlich aufgebraucht werden.
 
=== Als Naturforscher in Paris und Berlin (1805–1828) ===
 
==== Empfang in Paris ====
[[Datei:Zentralbibliothek Zürich - Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer - 000012142.jpg|mini|Abbildung aus ''Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer'', Paris 1805]]
In Paris, wo er den Anschluss an die wissenschaftliche Entwicklung der vergangenen fünf Jahre suchte und fand, wurde ihm von seinen Forscherkollegen ein grandioser Empfang bereitet und jede Unterstützung bei der Klärung fachwissenschaftlicher Probleme zugesagt.
 
Humboldt nutzte für die Erstellung seines Reiseberichts ein ganzes Wissensnetzwerk; denn sein Darstellungsansatz sah, wie sich nachlesen lässt, mehr vor als nur die Schilderung eigener Erlebnisse, Eindrücke und Messergebnisse. Wo er zum Beispiel auf Getreideanbau, Kakao- und Kaffeeernte in der Ereignischronologie der Orinoco-Expedition einging, war dies meist verbunden mit einer Einordnung der angetroffenen Verhältnisse in die geographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der ganzen bekannten Welt, in Kenntniszusammenhänge also, die er überhaupt nur mit Hilfe anderer herstellen konnte. Dafür und auch für die bestmögliche verlegerische Qualität des Reisewerks war Paris der geeignetste Ort (und deshalb ist es auch nur in französischer Sprache vollständig erschienen).
 
==== Aufenthalt in Berlin ====
[[Datei:Alexander von humboldt 1807 225-91-1-PB.jpeg|mini|hochkant|Humboldt 1807 in Berlin]]
Obwohl Humboldt also im Grunde wenig Neigung verspürte, „die Türme Berlins wiederzusehen“, folgte er letztlich doch den Mahnungen des Bruders, den er im Sommer 1805 in Rom besuchte, und dem werbenden Druck des preußischen Königshauses: Bereits während seiner Amerika-Reise war er zum außerordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt worden, unmittelbar nach seiner Rückkehr mit einer zu nichts verpflichtenden Pension von 2500 Talern bedacht und bald darauf zum königlichen Kammerherrn ernannt worden, ebenfalls ohne konkrete Verwendung. Von November 1805 an setzte er seine wissenschaftliche Arbeit in Berlin fort.<ref>In diese Zeit fällt auch der erste briefliche Kontakt Humboldts zu [[Friedrich Wilhelm Joseph Schelling]]. Beider Korrespondenz kann zwischen 1805 und 1854 belegt werden. Der von seiner Amerika-Reise zurückgekehrte Humboldt war von Schellings Versuch angezogen, eine [[Naturphilosophie]] zu schaffen.</ref>
 
Nach dem militärischen Zusammenbruch Preußens bei [[Schlacht bei Jena und Auerstedt|Jena und Auerstedt 1806]] erlebte er die Besetzung Berlins durch die Franzosen und die Plünderung von Schloss Tegel, das im Zuge der Erbteilung dem Bruder Wilhelm zugefallen war. Alexanders Berliner Wohnung befand sich zu dieser Zeit in der Friedrichstraße 189. Gute Kontakte zur französischen Seite nutzte Alexander sowohl zur Schadensbegrenzung für eigene familiäre Besitzungen als auch zur Abmilderung mancher Härten der Besatzungspolitik im öffentlichen Raum.
 
==== Wechsel nach Paris ====
Als die französischen Forderungen nach Kriegsentschädigung Preußen in den Ruin zu treiben drohten, veranlasste der als Reformer an die Regierungsspitze berufene [[Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein|Freiherr vom Stein]] im November 1807 eine diplomatische Gesandtschaft nach Paris unter Führung des [[Wilhelm von Preußen (1783–1851)|Prinzen Wilhelm]], Bruder [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelms III]]. Zum Berater des Prinzen bei dieser Mission wurde Alexander von Humboldt berufen, der so Gelegenheit erhielt, die Arbeit an seinem Reisewerk am bestgeeigneten Ort wieder aufzunehmen. Und er erhielt für ebendiesen Zweck nach dem endgültigen Scheitern der diplomatischen Bemühungen des Prinzen sogar die Erlaubnis, in Paris zu bleiben, die er mit Konsequenz und Geschick über fast 20 Jahre verteidigte. So schlug er zum Beispiel eine durch [[Karl August von Hardenberg|Hardenberg]] veranlasste Berufung zum preußischen Kultusminister 1809 aus, erhielt sich aber die Gunst des Königs, indem er diesem als glänzender Gesellschafter und kundiger Führer bei Auslandsaufenthalten gelegentlich zu dienen wusste, so 1814 im Zuge eines Paris-Besuchs des Monarchen nach dem Sieg der [[Sechster Koalitionskrieg|Koalition]] über Napoleon I. oder 1822 anlässlich eines Kongresses in [[Verona]], verbunden mit Besichtigungen Venedigs und Roms.
 
An der Pariser Wissenschaftsszene nahm Humboldt mitgestaltend Anteil. So wurde er bereits 1807 unter den Gründungsmitgliedern der [[Société d’Arcueil]] aufgeführt. Dieser Forschungsgemeinschaft schloss sich neben anderen 1809 auch der [[Katalonien|katalanische]] Physiker [[François Arago]] an, mit dem Humboldt fortan in enger freundschaftlicher Verbindung stand. Mit [[Simón Bolívar]], den Humboldt hier ebenfalls traf, entwickelte sich eine briefliche Korrespondenz.<ref>Karl Heinrich Panhorst: ''Simón Bolívar und Alexander von Humboldt.'' Ibero-amerikanisches Archiv Vol. 4, No. 1 (1930), S.&nbsp; 35–47.</ref><ref>Charles Minguet: ''Las relaciones entre Alexander von Humboldt y Simón de Bolívar.'' In: Alberto Filippi (Hrsg.): ''Bolívar y Europa en las crónicas, el pensamiento político y la historiografía.''  Ediciones de la Presidencia de la República, Caracas 1986, Band 1, S.&nbsp;743–754.</ref>
 
==== Neue Reisepläne ====
Parallel zu den Arbeiten am amerikanischen Reisewerk äußerte Humboldt beständig seine Absichten, seinen naturkundlichen Forschungen in der [[Westliche und östliche Hemisphäre|westlichen Hemisphäre]] durch eine asiatische Expedition ein östliches Pendant folgen zu lassen, um dann im Vergleichen und Differenzieren ein ganzheitliches Bild aus der Vielgestaltigkeit der Erde und ihrer Bewohner zu gewinnen. Hauptsächlich interessierten ihn [[Indien]], der [[Himalaya]] und [[Tibet]]. Als er 1811 bereits das zweite Angebot zur Beteiligung an einer russischen Expedition bekam, antwortete er: „Es kostet mir viel, die Hoffnung aufzugeben, die Ufer des Ganges mit ihren Bananenbäumen und Palmen zu sehen; ich bin jetzt 42 Jahre alt und wünsche eine Expedition zu unternehmen, welche 7–8 Jahre dauert; aber um die Aequinoctialgegenden Asiens zu opfern, ist es nötig, daß der Plan, den man mir vorzeichnen wird, ausgedehnt und breit sei. Der Kaukasus zieht mich weniger an, als der [[Baikalsee]] und die Vulkane der Halbinsel [[Kamtschatka]]. Kann man nach [[Kabul]], [[Samarkand]] und [[Kaschmir]] eindringen?“ Napoleons [[Russlandfeldzug 1812|Russland-Feldzug]] 1812 machte die Weiterverfolgung solcher Pläne hinfällig.
 
Eine neue vielversprechende Möglichkeit auf der Linie von Alexanders Primärinteressen eröffnete sich 1817/18, als sein Bruder Wilhelm preußischer Gesandter in London war. Bei mehreren England-Aufenthalten erreichte Alexander die Unterstützung des Prinzregenten (des späteren [[Georg IV. (Vereinigtes Königreich)|Georg IV.]]) und [[George Canning]] für seine Pläne, dazu eine Finanzierungszusage Friedrich Wilhelms III. in gewünschter Größenordnung. Mehr als zweijährige intensive Vorbereitungen schlossen sich an diese Zusagen an, ehe auch dieses Projekt scheiterte, vermutlich an Widerständen innerhalb der [[Britische Ostindien-Kompanie|Britischen Ostindien-Kompanie]], in der Humboldts kritischer Blick auf koloniale Verhältnisse gefürchtet sein mochte.<ref>Andrea Wulf: ''Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur.'' C. Bertelsmann, München 2016, S.&nbsp;211/212, 216, 221, 222, 227.</ref>
 
==== Aufarbeitung der Amerikareise ====
Unterdessen war das amerikanische Reisewerk weit über die ursprüngliche Konzeption hinaus angewachsen. Nach einem Prospekt vom Juni 1817<ref>Sammlung W. D. Grün</ref> waren ursprünglich 8 Bände in [[Buchformat|Folio]]- und 11 Bände in [[Quarto (Papierformat)|Quartformat]] geplant; tatsächlich erschienen zwischen 1805 und 1834 10 Bände in Folio und 20 Bände in Quart, trotzdem blieb das Werk unvollendet.
 
Gegliedert werden sollte das Werk folgendermaßen:
 
* Erster Teil:
: Erste Abteilung: ''Relation historique du Voyage aux régions équinoctiales du Nouveau Continent [...]'' Paris 1814, 1819 und 1825: 4 Textbände in Quart (erschienen sind schließlich 3, die aber nur etwa ein Drittel der Reiseroute behandeln!) und 3 Atlasbände in Folio
: Zweite Abteilung: ''Vue des Cordillères'' oder ''Atlas pittoresque'', 2 Bände in Folio
 
* Zweiter Teil: ''Zoologie et Anatomie comparée.'' 2 Bände in Quart
* Dritter Teil: ''Essai politique de la Nouvelle-Espagne.'' 2 Bände in Quart und 1 Atlasband in Folio
* Vierter Teil: ''Astronomie, ou Recueil d’Observations astronomiques, d’Opérations trigonométriques et de Mesures barométriques faites pendant le cours du voyage.'' 2 Bände in Quart
* Fünfter Teil: ''Physique générale.'' enthaltend ''Traité sur les climats, la Géographie des Plantes et les Observations magnétiques'', 1 Band in Quart
* Sechster Teil (''Botanique''):
: Erste Abteilung: ''Plantes équinoxiales.'' 2 Bände in Folio.
: Zweite Abteilung: &nbsp;1. ''Les Melastomes'', 1 Band in Folio. &nbsp;2. ''Les Rexia'', 1&nbsp;Band in Folio.
 
Neben einer bedeutenden Anzahl Gelehrter der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, die Humboldt inhaltlich zuarbeiteten, waren an die 50 Spezialisten mit bildlichen Darstellungen (davon allein 1452 Kupferstiche) beschäftigt, darunter Maler, Zeichner, Kartographen und Schriftkünstler. Was seinen Qualitätsansprüchen nicht genügte, ließ Humboldt auf eigene Kosten neu fertigen, darunter bereits vollendete Kupferplatten, fertige Textdrucke bis hin zu einem ganzen Band.
 
==== Rückkehr nach Berlin ====
[[Datei:Gedenktafel Unter den Linden 6 (Mitte) Alexander von Humboldt.jpg|mini|Gedenktafel im Haus Unter den Linden 6 in [[Berlin-Mitte]] zu Humboldts Vorlesungen 1827/28]]
 
1827 schließlich, da sich die Vorarbeiten für die Gesamtpublikation dem Ende neigten, entfiel aus Berliner Sicht der Grund für den Daueraufenthalt Humboldts in Paris: Der König beorderte seinen Kammerherrn nach Berlin zurück. 1829 ernannte er ihn zum [[Wirklicher Geheimer Rat|Wirklichen Geheimen Rat]] mit dem Prädikat ''[[Exzellenz (Titel)|Exzellenz]]''.<ref>Biermann, Jahn, Lange 1983, S.&nbsp;49.</ref>
 
Daheim wurde er sogleich zum Motor und Kristallisationskern einer aufstrebenden Wissenschaftsszene. Seine an der Universität begonnenen Vorlesungen im Rahmen eines sehr weit gefassten geographischen Horizonts waren so stark besucht und nachgefragt, dass er sie alsbald in dem tausend Zuhörer fassenden [[Sing-Akademie zu Berlin#Das Haus der Sing-Akademie|Haus der Sing-Akademie]] als freie Vorträge fortsetzte. Unter seinen Hörern war hier vom König bis zum Handwerker ein breites gesellschaftliches Spektrum vertreten, Damenbeteiligung inklusive. Wie in seinen 20 Jahre zuvor erschienenen ''Ansichten der Natur'' gelang es ihm, sein deutsches Publikum in allgemeinverständlicher, bildreicher Sprache zu faszinieren und das Interesse für erdkundliche und naturwissenschaftliche Fragen anzufachen. Ähnliche Ausstrahlung auf anderer Ebene entwickelte Humboldt als Organisator und Präsident des hochkarätig zusammengesetzten [[Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte|Naturforscherkongresses 1828]] in Berlin, der unter anderem mit seinem Tagungsmodus in Fachabteilungen für künftige derartige Veranstaltungen Maßstäbe setzte.
 
=== Russlandexpedition (1829) ===
Nicht lange nach seiner Rückkehr aus Paris, für das er auch künftig pro Jahr einen viermonatigen Aufenthalt bewilligt bekam, und zur Zeit seiner glänzenden Erfolge als Kommunikator der [[Naturwissenschaft#Geschichte der Naturwissenschaft|Naturforschung]] in Berlin ergriff Humboldt die Chance, doch noch zu seiner östlichen Forschungsreise zu kommen. Ausgangspunkt war eine Bitte des russischen Finanzministers [[Georg Cancrin]], Humboldt möge zur geplanten Einführung einer [[Platinrubel|Platin-Währung]] in Russland Stellung nehmen, die dann trotz Humboldts Warnung tatsächlich bis zu ihrem Scheitern 1845 verwirklicht wurde. Cancrin war aber auch an dem [[Geognosie|Geognosten]] (= ''Geologen'') und Bergbauexperten Humboldt interessiert und stellte ihm eine Forschungsreise zum Ural und darüber hinaus in Aussicht, um Aufschlüsse über ausbeutbare Minenvorkommen zu erhalten.
 
Obwohl er hier Interessen der russischen Regierung zu berücksichtigen haben würde und sich der Charakter dieser Expedition schon dadurch wesentlich von der amerikanischen unterscheiden musste, bei der Humboldt gänzlich frei hatte disponieren können, zögerte er nicht lange. Die Beziehungen zwischen den gekrönten Häuptern Preußens und Russlands waren gerade besser denn je, und auf eigene Mittel für eine solche Unternehmung konnte Alexander von Humboldt nicht mehr rechnen. In diese Expedition sollte sein 60. Geburtstag fallen; er war also etwa doppelt so alt wie zu Beginn der Amerika-Reise.
 
Zu Begleitern, die für ihre Fachdisziplin auch jeweils die wissenschaftliche Auswertung der Expedition vornehmen sollten, wählte er den Mediziner, Zoologen und Botaniker [[Christian Gottfried Ehrenberg]] und den Chemiker und Mineralogen [[Gustav Rose]]. So konnte Humboldt sich vorwiegend geomagnetischen und astronomischen Beobachtungen widmen und die physische Geographie im Überblick studieren.
 
Am Anfang der Forschungsreise stand ein dreiwöchiger Aufenthalt bei Hofe in St. Petersburg, wo Humboldt die Zarin unter anderem mit Vorhersagen über zu erwartende –&nbsp;und noch während der Reise tatsächlich eingetretene&nbsp;– Diamantfunde im Ural fesselte. Die Fortbewegung im Gelände vom 20. Mai 1829 an fand in drei gefederten Wagen statt, die von 16 Pferden gezogen wurden. Mit von der Partie waren hier&nbsp;– in deutlichem Kontrast zu den drei amerikanischen Erkundungsreisen&nbsp;– ein Koch und Humboldts Diener Seifert.
 
Die abgesprochene Expeditionsroute sollte über [[Moskau]], [[Kasan]] und [[Perm (Stadt)|Perm]] zunächst [[Jekaterinburg]] am [[Ural]] erreichen; auf einer nördlichen Schleife sollten hier nähere Untersuchungen stattfinden, die zu einer reichhaltigen geologischen Materialsammlung führten. [[Tobolsk]] an der Einmündung des Tobol in den Irtysch hätte nach den Vorfestlegungen der östliche Umkehrpunkt der Expedition werden sollen. Humboldt wollte aber weiter zum [[Altai]]-Gebirge und zur chinesischen Grenze. Er ließ Cancrin wissen, dass die Expedition der Zeitplanung weit voraus sei, und stellte ihn mit einer beträchtlichen Ausweitung der Reiseroute hier&nbsp;– und dann später noch einmal beim Vorstoß die Wolga entlang zum [[Kaspisches Meer|Kaspischen Meer]]&nbsp;– vor vollendete Tatsachen. Humboldts inoffizieller Kommentar zu der lästigen Überwachungspraxis lautete: „Kein Schritt, ohne dass man ganz wie ein Kranker unter der Achsel geführt wird“. Seine Eigenmächtigkeit wurde gleichwohl vom zaristischen Regime hingenommen.
 
Tatsächlicher Umkehrpunkt der Reise wurde daher nach Inspektion der Silbergruben im Altai und Kontaktaufnahme mit chinesischen Grenzposten der Ort Baty. Der Rückweg führte von [[Semei|Semipalatinsk]] über Omsk und Miask nach Orenburg am südlichen Ausgang des Ural-Gebirges und –&nbsp;nach dem zweiten programmwidrigen Abstecher&nbsp;– von Astrachan über Woronesch und Moskau zurück nach St. Petersburg, das am 13. November 1829 erreicht wurde.
 
Während eines knappen halben Jahres hatten die Forschungsreisenden mehr als 15.000 Kilometer zurückgelegt, gezogen von über 12.000 Pferden. Zar [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus&nbsp;I.]] und sein Finanzminister hatten Humboldt in diskreter Kenntnis seiner unterdessen prekären Finanzsituation für die Expedition mit 20.000 Rubeln großzügig ausgestattet, ohne dass er darüber hätte Rechenschaft ablegen sollen. Gleichwohl hat Humboldt das gute Drittel dieser Mittel, das nicht verbraucht worden war, zurückgegeben. Seine Anregung, das Geld für weitere Forschungsunternehmen zu verwenden, wurde dann auch befolgt. In die gleiche Richtung zielte der die Expeditionserfahrungen zusammenfassende Vortrag Humboldts am 28. November 1829 vor der russischen Wirtschaftselite in Gegenwart des Königs und anderer Honoratioren, in dem er unter anderem appellierte: „Ein Land, das sich über mehr als 135 Längengrade erstreckt, von der fruchtbaren Zone der Olivenbäume bis zu den Landstrichen, wo der Boden nur noch mit flechtenartigen Pflanzen bedeckt ist, kann mehr als jedes andere das Studium der Atmosphäre, die Erkenntnisse über die durchschnittliche Jahrestemperatur und, was noch wichtiger für den Zyklus der Vegetation ist, das Studium der Verteilung der Jahreswärme auf die verschiedenen Jahreszeiten vorantreiben. […] Wenn die variierenden Isothermen oder Linien gleicher Wärme auf Grund präziser Beobachtungen aufgezeichnet werden und dies mindestens fünf Jahre lang im europäischen Russland und in [[Sibirien]] fortgeführt wird, wenn sie verlängert werden bis zu den westlichen Küsten Amerikas […], dann wird die Wissenschaft von der Verteilung der Wärme auf der Erdoberfläche und in den Schichten, die unserer Forschung zugänglich sind, auf soliden Grundlagen basieren.“
 
Tatsächlich ließ die russische Regierung in der Folge ein Netz von Messstationen anlegen, die unter anderem Luftdruck, Temperatur, Windrichtung und Niederschlagsmengen erfassten. Die so ermittelten Daten dienten Humboldt dann wiederum als empirische Grundlage für die einschlägigen Betrachtungen in seinem 1843 erschienenen Werk über Zentralasien.
 
=== Gratwanderer zwischen Hofdienst und Wissenschaftsbetrieb (1830–1859) ===
[[Datei:Pickersgill humboldt.jpg|mini|hochkant|Alexander von Humboldt,<br />Gemälde von H.&nbsp;W. Pickersgill (1831)]]
 
Die Rückkehr von der russischen Expedition nach Berlin dürfte Alexander von Humboldt erneut nicht leichtgefallen sein. Das Lebenswerk als reisender Feldforscher lag nun hinter ihm; vor ihm die Perspektive, neben seiner wissenschaftlichen Arbeit die höfische Gesellschaft, die Tafel des Königs mit seinen Kenntnissen und Anekdoten geistvoll unterhalten zu sollen. Als aufklärerischer Liberaler stieß er in solcher Gesellschaft auf mancherlei politisch und religiös bedingte Anfeindung und Engstirnigkeit, die ihm ungeachtet seiner stets gewahrten Contenance und rhetorischen Brillanz schwer erträglich waren. Jahrzehntelang hatte der königliche Kammerherr diese Lage in Paris meiden können. 1822 hatte er dem Bruder sogar von Plänen geschrieben, seine späten Jahre in einem dann republikanisch gewordenen Mexiko als Leiter eines transamerikanischen Forschungsinstituts zu gestalten. Nun war dies alles hinfällig; Alexander von Humboldt musste sich mit Berlin abfinden, was ihm noch schwerer fiel, als 1835 der ihm doch wohl am nächsten stehende Bruder Wilhelm starb. Bei Hofe beruhte Alexanders Stellung allein darauf, dass er die Gunst seiner Könige besaß. Seine politischen Ansichten wurden zwar auch von ihnen belächelt (immerhin erreichte Humboldt noch, dass auf preußischem Boden jeglicher Sklavenstatus erlosch), seine Leistungen und sein Renommee als Vorzeigewissenschaftler aber hochgeschätzt.
 
Humboldt machte aus seiner Lage weiterhin das Beste&nbsp;– unterdessen bereits für die nachfolgenden Generationen&nbsp;–, indem er nicht nur seine wissenschaftliche und publizistische Arbeit fortsetzte, sondern aufgrund seines enorm verzweigten Beziehungsgeflechts weit über Preußen und Deutschland hinaus zum wichtigsten Koordinator wissenschaftlichen Mäzenatentums und der Förderung von [[Nachwuchsforscher]]n wurde; so unterstützte er zum Beispiel den Forscher [[Hermann Burmeister]] auf dessen Südamerika-Reisen finanziell. Für diese Funktion war die Nähe des Königs von ausschlaggebender Bedeutung. 1827 ernannte Friedrich Wilhelm III. Alexander von Humboldt zum Präsidenten einer Kommission zur Prüfung der Unterstützungsgesuche von Gelehrten und Künstlern. Als Friedrich Wilhelm IV. 1842 den [[Pour le Mérite#Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste|Orden „Pour le mérite“ für Wissenschaften und Künste]] stiftete, machte er Humboldt zu dessen Kanzler und folgte bei der Berufung der 30 deutschen und 25 ausländischen Mitglieder zumeist seinen Vorschlägen. Und so zeigte sich Humboldts fördernder Einfluss im Großen wie im Kleinen; es konnte den Anschein haben, als bekleide er das Amt eines „europäischen Kultusministers“ (Hanno Beck).
 
Nicht nur 1807/08, sondern insgesamt achtmal bis 1848 wurde Alexander von Humboldt von seinen Königen auch zu diplomatischen Missionen herangezogen und wäre, wenn er denn gewollt und sich dadurch nicht von seinen selbstgesetzten Zielen abgelenkt gesehen hätte, schon 1815 preußischer Botschafter in Paris geworden. Sein bekannt weltmännisches und verbindliches Auftreten, seine Sprachmächtigkeit und fesselnde Erzählkunst ließen ihn rasch zum Mittelpunkt jeder Gesellschaft werden, in die er sich begab. Sein Wissenshorizont und die Fähigkeit, ihn zu vermitteln, müssen in höchstem Maße faszinierend gewesen sein, wenn [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] seinem Herzog schrieb: „Man könnte in 8 Tagen nicht aus Büchern herauslesen, was er einem in einer Stunde vorträgt.“ Dass er das Instrument seiner Schlagfertigkeit, seines phänomenalen Gedächtnisses und einer unverwüstlichen Frische (Werner Rübe) nicht nur in blendenden Komplimenten spielen ließ, sondern teilweise über dieselben Personen anderwärts deftig-ironisch oder sarkastisch-abschätzig urteilte, wird nur befremdlich finden, wer seine politisch und menschlich prekäre Situation bei Hofe außer Acht lässt. Nicht etwa, dass er Selbstmitleid kultiviert hätte; aber Anflüge von Bitterkeit über das Los seiner späten Jahre hat er dann und wann eben doch erkennen lassen.
 
[[Datei:Humboldt, Alexander von 1847.jpg|mini|hochkant|[[Daguerreotypie]] von Alexander von Humboldt aus dem Jahr 1847]]
 
Im Januar 1848&nbsp;– also kurz vor Ausbruch der Pariser Februarrevolution&nbsp;– kehrte Humboldt von seiner letzten diplomatischen Mission aus Paris nach Berlin zurück. Hier wurde er Zeuge der [[Barrikadenaufstand|Berliner Märzrevolution]] und in sie involviert. Am 21. März, nach den Barrikadenkämpfen und dem Ritt Friedrich Wilhelms IV. mit einer schwarz-rot-goldenen Armbinde durch die Stadt, war es nach dem König und einigen Ministern, deren Ansprachen blass blieben, Alexander von Humboldt, den das Volk auf dem Balkon des Schlosses zu sehen wünschte. Humboldt erschien, hielt aber keine Rede, sondern verbeugte sich nur stumm. Am Folgetag reihte sich der bald Achtzigjährige in den Zug ein, der die 183 zivilen Opfer vom Gendarmenmarkt am Schloss vorbei zum [[Friedhof der Märzgefallenen]] geleitete. Die im [[Invalidensäule|Krieger-Denkmal im Invalidenpark]] bestatteten Soldaten ehrte er als die, „die für das Gesetz, die Ordnung und die Civilisation gefallen sind.“<ref>In einem Beitrag zum Album des Denkmals, siehe Friedrich Wilhelm Varchmin: ''Vor zwanzig Jahren''. Selbstverlag des Verfassers, Eisenach 1868, S. 213.</ref>
 
Ein reichliches Jahrzehnt später erlebte Berlin einen anderen Tag wirklicher Volkstrauer. Am 10. Mai 1859 fand im Berliner Dom ein Gottesdienst für den vier Tage zuvor verstorbenen Alexander von Humboldt statt, der seit dem 24. Januar 1856 [[Ehrenbürger]] von Berlin gewesen war. Die Menge, die dem Leichenzug von Humboldts letzter Wohnstätte in der Oranienburger Straße&nbsp;67 zum Dom folgte, war nach zeitgenössischen Berichten nur mit der zu vergleichen, die die Märzgefallenen begleitet hatte. Nach der Feier im Dom fand die Überführung des Sarges in den Park von Schloss Tegel statt, wo Alexander von Humboldt am Folgetag im Familiengrab beigesetzt wurde. Der Philologe [[August Böckh]] dürfte in seiner Akademie-Gedenkrede das Bewusstsein breiter gesellschaftlicher Schichten artikuliert haben: „Es ist ein glänzendes Gestirn im Reich des Geistes für diese Welt erloschen.“ Sein Grab ist als [[Liste der Ehrengräber in Berlin|Ehrengrab der Stadt Berlin]] gestaltet.
 
== ''Kosmos'' – die Lebenssumme ==
 
Die enorme Popularität, die Alexander von Humboldt über den Tod hinaus auszeichnete, lag nicht zuletzt in dem Werk begründet, dem er sich seit 1834 und in den ihm dann bleibenden zweieinhalb Jahrzehnten gewidmet hat: einer Gesamtschau der wissenschaftlichen Welterforschung, die 1845–1862 unter dem Titel ''[[Kosmos (Humboldt)|Kosmos]]'' in fünf Bänden erschienen ist. Damit gelang es ihm, die Vision zu verwirklichen, die ihm von Beginn seiner Naturforscher-Tätigkeit an vorschwebte und als Richtschnur seines Handelns alle wichtigen Entscheidungssituationen bestimmte. An [[Karl August Varnhagen von Ense|Varnhagen von Ense]], der ihn bei der sprachlichen Gestaltung beraten sollte, schrieb er 1834: „Ich habe den tollen Einfall, die ganze materielle Welt, alles, was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsräume und des Erdenlebens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Granitfelsen wissen, alles in einem Werke darzustellen, und in einem Werke, das zugleich in lebendiger Sprache anregt und das Gemüt ergötzt.“
 
[[Datei:Berlin Gedenktafel Alexander von Humboldt Oranienburger Str 67 2009 09 20.JPG|mini|links|hochkant|Gedenktafel an Humboldts letztem Wohnhaus in Berlin]]
[[Datei:GesNat000 04.jpg|mini|hochkant|Dem „Grossmeister der Naturwissenschaften“]]
[[Datei:GesNat000 12.jpg|mini|hochkant|Handschrift A. v. Humboldts als Erwiderung auf die Widmung des Werkes [[:Datei:GesNat000Titel.jpg|''Die gesammten Naturwissenschaften'']] ]]
 
Er hatte allerdings für dieses Projekt einen so komplexen und ausgiebigen Anlauf genommen, dass z.&nbsp;B. der ältere Bruder Wilhelm zwar bereits früh viel von seinen Fähigkeiten hielt, über lange Zeit aber nicht viel auf seinen Forschungsansatz gab: „Man kommt der Natur darum nicht näher, wenn man aus der zivilisierten Welt herausgeht.“ Er ließ sich aber durch Alexander eines Besseren belehren und war schließlich seinerseits äußerst beeindruckt von dessen Vorträgen in der Singakademie, denen Wilhelm mit seiner Familie beiwohnte. Der Titel ''Kosmos'' für Alexanders Bilanzierungsvorhaben entsprang dem gemeinsamen Nachdenken beider. In der komplementären Breite ihres Wirkens ohnehin, hier aber auch in innerer Übereinstimmung haben sie „das Jahrhundert brüderlich in den Arm genommen“ (Rübe).
 
Längst vor dem Bruder hatte Alexander bei Begegnungen in Jena und Weimar [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] für seine Forschungsmethode gewonnen. Der schrieb ihm 1795: „Da Ihre Beobachtungen vom Element, die meinigen aber von der Gestalt ausgehen, so können wir nicht genug eilen, uns in der Mitte zu begegnen.“ Diesen Impuls hat der 20 Jahre Jüngere aufgenommen und im ''Kosmos'' schließlich glänzend zur Geltung gebracht: „Die Natur ist für die denkende Betrachtung Einheit in der Vielheit, Verbindung des Mannigfaltigen in Form und Mischung, Inbegriff der Naturdinge und Naturkräfte, als ein lebendiges Ganze. Das wichtigste Resultat des sinnigen physischen Forschens ist daher dieses: in der Mannigfaltigkeit die Einheit zu erkennen, von dem Individuellen alles zu umfassen, was die Entdeckungen der letzteren Zeitalter uns darbieten, die Einzelheiten prüfend zu sondern und doch nicht ihrer Masse zu unterliegen, der erhabenen Bestimmung des Menschen eingedenk, den Geist der Natur zu ergreifen, welcher unter der Decke der Erscheinungen verhüllt liegt. Auf diesem Wege reicht unser Bestreben über die enge Sinnenwelt hinaus, und es kann uns gelingen, die Natur begreifend, den rohen Stoff empirischer Anschauung gleichsam durch Ideen zu beherrschen.“ Die wissenschaftliche Naturforschung wird hier zusammengeführt mit dem Denken Goethes und des Bruders Wilhelm. Zugleich wird der Vorstellungshorizont der deutschen Klassik auf ein empirisches Fundament verwiesen: „Aus unvollständigen Beobachtungen und noch unvollständigeren Inductionen entstehen irrige Ansichten von dem Wesen der Naturkräfte, Ansichten, die, durch bedeutsame Sprachformen gleichsam verkörpert und erstarrt, sich, wie ein Gemeingut der Phantasie, durch alle Klassen der Nation verbreiten. Neben der wissenschaftlichen Physik bildet sich dann eine andere, ein System ungeprüfter, zum Theil gänzlich mißverstandener Erfahrungskenntnisse. Wenige Einzelheiten umfassend ist diese Art der Empirik um so anmaßender, als sie keine der Thatsachen kennt, von denen sie erschüttert wird. Sie ist in sich abgeschlossen, unveränderlich in ihren Axiomen, anmaßend wie alles Beschränkte; während die wissenschaftliche Naturkunde, untersuchend und darum zweifelnd, das fest Ergründete von dem bloß Wahrscheinlichen trennt, und sich täglich durch Erweiterung und Berichtigung ihrer Ansichten vervollkommnet.“
 
[[Datei:Baron Alexander von Humboldt by Julius Schrader 1859 retouched.jpg|mini|hochkant|Das letzte Porträt von Alexander von Humboldt von [[Julius Schrader]] (1859). Im&nbsp;Hintergrund der [[Chimborazo]].]]
 
Damit sind die methodischen Grundpfeiler des Humboldtschen Forscherlebens wie seines Spätwerkes ''Kosmos'' erfasst, das mit einer damaligen Gesamtauflage von 87.000 Exemplaren auch als Bestseller Epoche machte. Manche der Einsichten, zu denen Alexander von Humboldt in seinem Spätwerk gelangt ist, gelten fort: „Wissen und Erkennen sind die Freude und die Berechtigung der Menschheit; sie sind Theile des Nationalreichthums, oft ein Ersatz für die Güter, welche die Natur in allzu kärglichem Maaße ausgetheilt hat. Diejenigen Völker, welche an der allgemeinen industriellen Thätigkeit, in Anwendung der Mechanik und technischen Chemie, in sorgfältiger Auswahl und Bearbeitung natürlicher Stoffe zurückstehen, bei denen die Achtung einer solchen Thätigkeit nicht alle Classen durchdringt, werden unausbleiblich von ihrem Wohlstande herabsinken. Sie werden es um so mehr, wenn benachbarte Staaten, in denen Wissenschaft und industrielle Künste in regem Wechselverkehr mit einander stehen, wie in erneuerter Jugendkraft vorwärts schreiten.“
 
Obwohl der Verkaufserfolg und die Rezeption des Werkes seine außerordentliche Popularität belegen, ist das Werk wegen seiner schwierigen Textgestaltung nur bedingt als ''populäres'' Werk anzusehen. „Der Text wies alle idealtypischen Merkmale der Wissenschaftsprosa auf: lange und oft fremdsprachige Zitate, Forschungsdiskussionen, Anmerkungen, etymologische Exkurse, eine große Menge von Daten und Zahlen und historische Einschübe bestimmen das Gesamtbild.“ Nachdem das Werk vorlag, erschienen ausgehend von diesem eine Vielzahl kürzerer popularisierender naturhistorischer Schriften, die oft den Begriff ''Kosmos'' im Titel trugen. Alexander von Humboldt selbst trug sich zeitweise mit dem Gedanken – vor allem aus finanziellen Gründen –, eine Kurzfassung als ''Microkosmos'' zu verfassen.<ref>Andreas Daum: ''Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert.'' 2. Auflage. München 2002, S. 273–286.</ref>
 
== Weltwissenschaftler ==
 
Alexander von Humboldts Denken war in einem umfassenden Sinn auf die Welt im Ganzen gerichtet. Dabei unterscheidet der Humboldt-Forscher [[Ottmar Ette]] drei wesentliche Bedeutungsebenen, nämlich die auf das Weltall bezogene kosmische, dazu eine planetarische, die u.&nbsp;a. den Welthandel einschließt, sowie eine philosophisch-abstrakte Dimension, die etwa als Weltanschauung begegnet.<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;193.</ref> Humboldts Forscherinteresse und Wissenschaftskonzeption waren nicht allein auf die jeweiligen Gegenstände gerichtet, sondern wurden zur kosmopolitischen Wissenschaft aufgrund ihrer ethischen Fundierung und der an den Interessen der gesamten Menschheit ausgerichteten politischen Verantwortlichkeit.<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;18.</ref> Wissenschaftliche Interessen und die des Literaten gingen bei Humboldt nach eigenem Bekunden Hand in Hand. „Ästhetik“, so Ette, „ist für Humboldt keine bloße Zierde oder schöne Dreingabe, sondern ein eigenes spezifisches Verknüpfungswissen, das alles mit allem zu verbinden vermag.“<ref>Ottmar Ette: ''[http://www.tagesspiegel.de/wissen/das-universale-werk-des-grossen-forschers-der-bewegte-alexander-von-humboldt/12365024.html Unterwegs in allen Kulturen. Altamerikanistik bis Zoologie: Was der „Nomade“ Alexander von Humboldt mit seinen Reisen bewegt hat.]'' In: ''[[Der Tagesspiegel]]'', 25.&nbsp;September 2015, S.&nbsp;28.</ref>
 
Als Forscher setzte Humboldt auf weltweite Vernetzung und förderte sie nach Kräften durch eigene Korrespondenz und als Organisator von Begegnung und Ergebnisaustausch unter Wissenschaftlern. Seine vielfältigen Leistungen und Wirkungsbereiche trugen ihm höchste Anerkennung in aller Welt ein:
 
{{Zitat|In Frankreich, wo er jahrzehntelang an seinem Reisewerk arbeitete, erwarb er sich den Ruf, ‚der größte Gelehrte des Jahrhunderts‘ und ‚der Aristoteles der Moderne‘ zu sein; in Mexiko, wo er durch seinen Essai politique sur le Royaume de la Nouvelle-Espagne stark auf das nationale Selbstverständnis und die Unabhängigkeit von Spanien einwirkte, wurde er (als einziger Ausländer) kurz nach seinem Tod, im Juli 1859, von [[Benito Juárez]] zum ‚Benemérito de la Patria‘ erklärt; und in Deutschland, wo er schon bald nach seiner Rückkehr als ‚zweiter Entdecker Amerikas‘ gefeiert wurde, verehrte man in ihm die wissenschaftliche Autorität seiner Zeit.|ref=<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;260.</ref>}}
 
Allerdings waren Wertschätzung und Rezeption Alexander von Humboldts in Deutschland schon zu Lebzeiten und so bis heute teils eingeschränkt, teils verzerrt. Neben der langzeitigen „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschen und Franzosen haben dazu auch Volksausgaben der Schriften Humboldts beigetragen, die von den jeweiligen Kompilatoren sehr frei und mitunter sinnwidrig bearbeitet worden waren.<ref>Ette spannt einen Bogen der Missdeutungen vom Verdikt Friedrich Schillers (zit. n. Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;305: „Über Alexandern habe ich noch kein rechtes Urtheil; ich fürchte aber, trotz aller seiner Talente und seiner rastlosen Thätigkeit wird er in seiner Wissenschaft nie etwas Großes leisten. […] Es ist der nackte, schneidende Verstand, der die Natur, die immer unfaßlich und in allen ihren Punkten ehrwürdig und unergründlich ist, schamlos ausgemessen haben will und mit einer Frechheit die ich nicht begreife, seine Formeln, die oft nur leere Formeln und immer nur enge Begriffe sind, zu ihrem Maßstab macht. Kurz, mir scheint er für seinen Gegenstand ein viel zu grobes Organ, und dabei ein viel zu beschränkter Verstandesmensch zu sein.“) bis zur jüngsten Romansatire [[Daniel Kehlmann]]s (Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;305: „Die Vermessung der Welt lässt sich aus der rezeptionsgeschichtlichen Perspektive verstehen als das Ergebnis einer intensiven Kannibalisierung von Wissenschaft: Der Roman hat sich eine kleine Bibliothek nicht nur von Humboldt-Verschnitten, sondern auch von älterer Literatur über Humboldt einverleibt, sorgsam nach erzählerisch Verwertbarem durchforstet.“ Zu befürchten stehe, „dass manche der Stereotype, die man doch schon längst verbraucht wähnte, nun wieder fröhlich in der Öffentlichkeit zirkulieren werden.“) Angesichts dessen ruft Ette dazu auf, sich den neuerdings in seriösen deutschsprachigen Ausgaben vorliegenden Originalschriften Alexander von Humboldts zuzuwenden. (Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'' 2009, S.&nbsp;317)</ref>
 
=== Forschungshorizont ===
 
Zu den Wissenschaftsbereichen, zu denen Alexander von Humboldt Grundlegendes beigetragen hat, zählt Ette Anatomie, Altertumswissenschaft, Botanik, Geologie, Geschichtswissenschaft, Mathematik, Philologie, Astronomie und Zoologie. Zu den stark von Humboldt beeinflussten Persönlichkeiten, so [[Andrea Wulf]], gehört [[Charles Darwin]], der sich zur Vorbereitung seiner Beagle-Expedition auch in Humboldts Reiseberichte aus den Tropen einarbeitete.<ref>Andrea Wulf: ''Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur.'' München 2016, S.&nbsp;274–295.</ref> An Darwins Reise-Tagebüchern wurde eine große Ähnlichkeit sowohl der Art der Naturbetrachtung als auch der schriftstellerischen Ausführung bemerkt.<ref>Andrea Wulf: ''Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur.'' München 2016, S.&nbsp;285. Eine persönliche Begegnung zwischen Darwin und Humboldt am 29. Januar 1842 in London verlief jedoch für Darwin enttäuschend wegen Humboldts sehr monologisierender Art der Kommunikation. (Ebenda, S.&nbsp;303–304)</ref> Bezeichnend für Humboldts Forschungsansatz, heißt es bei Ette, sei disziplinenübergreifendes Querdenken und auf das Ganze gerichtetes Zusammendenken, das sich keineswegs im Messen und in der Datenerhebung zu statistischen Zwecken verloren habe.<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;16 ff.</ref>
 
{{Zitat|Die Horizonte seines Denkens waren offen – so offen wie nur selten in der Geschichte des abendländischen Denkens. Wissenschaft und Bildung sollten keine Bildungsbrocken aufhäufen: Wirkliche Bildung zielte für Alexander von Humboldt vielmehr auf eine Kernkompetenz: die Fähigkeit zum Zusammendenken. Sie bildet die entscheidende Grundlage eines Zusammenlebens in wechselseitiger Achtung der Differenz. Nicht nur in der Natur ist für Humboldt alles Wechselwirkung.|ref=<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;32.</ref>}}
 
Sein die Natur- und Geisteswissenschaften sowohl in ihren jeweiligen Forschungsmethoden respektierender als auch gezielt untereinander vernetzender Ansatz dürfte wohl am ehesten geeignet sein, wissenschaftlichem Arbeiten jene Problemlösungskompetenz und jenes öffentliche Gehör zu erschließen, ohne die es oft fruchtlos bleibt. Humboldts ''Kosmos'' erwuchs nicht zuletzt aus dem ständigen direkten und persönlichen Austausch über die Grenzen der Disziplinen hinweg und ermöglichte ihm die Einbeziehung spezialisierter Wissensbestände gerade auch solcher Fachrichtungen, deren Erkenntnisse ihm wichtig waren, obwohl er sie selbst nicht vertieft betreiben konnte. Bei aller Komplexität und ganzheitlichen Orientierung seines Forschens blieb Humboldt sich jedoch der Lückenhaftigkeit und Vorläufigkeit auch der eigenen Ergebnisse bewusst. So schreibt er im zweiten Band des Kosmos:
 
{{Zitat|Durch den Glanz neuer Entdeckungen angeregt, mit Hoffnungen genährt, deren Täuschung oft spät erst eintritt, wähnt sich jedes Zeitalter dem Culminationspunkt im Erkennen und Verstehen der Natur nahe gelangt zu sein. […] Belebender und der großen Idee von der Bestimmung unseres Geschlechtes angemessener ist die Überzeugung, daß der eroberte Besitz nur ein sehr unbeträchtlicher Theil von dem ist, was bei fortschreitender Thätigkeit und gemeinsamer Ausbildung die freie Menschheit in den kommenden Jahren erringen wird. Jedes Erforschte ist nur eine Stufe zu etwas Höherem in dem verhängnißvollen Laufe der Dinge.|ref=<ref>A. von Humboldt: ''Kosmos'' (1845–1862), Band 2, S.&nbsp;398&nbsp;f.; zit. n. Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;248&nbsp;f.</ref>}}
 
=== Vernetzungsprinzip ===
[[Datei:AlexanderVonHumboldtBriefsiegel.jpg|mini|hochkant|Humboldts [[Siegel]] auf einem Brief]]
 
„Wenn unser Jetztzeitalter das Netzzeitalter ist“, schreibt Ette, „dann ist Alexander von Humboldt gewiß dessen wissenschaftlicher Vordenker.“<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;16.</ref> Während der Zwanzigjährige sich noch als „Fremdling zwischen den Wissenschaften“ gesehen hatte,<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;28.</ref> wurde er nach seiner Rückkehr von der Amerikareise zum unermüdlichen Kommunikator von Wechselbezügen zwischen den Disziplinen. Mehr als 30.000 Briefe Alexander von Humboldts zeugen davon, dass er weltweit wissenschaftliche Korrespondenzen unterhielt, die einerseits Zugang zu den jeweiligen regionalen Wissensbeständen und Forschungsergebnissen verschafften und die andererseits dazu dienten, das Spezialwissen einzelner Wissenschaftsbereiche zu sammeln und zu den Fragehorizonten der vielfältigen eigenen Forschung in Beziehung zu setzen.<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;19.</ref>
 
Humboldts Publikationen zeigen, dass dieser aus vielen Quellen gespeiste Forschungsprozess auch dazu beitrug, einmal entwickelte Sichtweisen zu überprüfen und ggf. zu korrigieren: „Auf diese Weise entsteht ein offenes, neue Untersuchungsergebnisse und Einsichten möglichst rasch einbeziehendes Forschungs- und Diskussionsklima, in dem Wissen nicht als statischer Besitz eines einzelnen, sondern als dynamischer Prozess einer Gemeinschaft verstanden wird. Die Vielzahl unterschiedlicher Perspektivierungen und Ansichten der dargestellten Gegenstände wird ständig durch neue Einsichten angereichert, die durch eigene Untersuchungen oder durch die Forschungen anderer erzielt wurden.“<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;250&nbsp;f.</ref>
 
Zu zeitgenössischen Sichtweisen, in denen die Kulturen der amerikanischen Völker als primitiv herabgewürdigt wurden, entwickelte Alexander von Humboldt ein nuanciertes Gegenbild. Zwar diente neuhumanistisch-zeittypisch auch ihm die antike griechische Kultur als maßstäbliches, unerreichbares Vorbild, doch gelang es ihm nach Ette, „das für eine bestimmte Region Spezifische herauszuarbeiten und mit Prozessen in Verbindung zu bringen, die für die ganze Menschheit von Bedeutung sind. […] Die [[Kulturvergleichende Sozialforschung|kulturvergleichende]] Perspektivik Humboldts ist transareal, das Verständnis der Kulturen selbst aber interkulturell geprägt.“<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;218&nbsp;f.</ref>
 
Alexander von Humboldts Fähigkeit zum vernetzenden Denken und Forschen hat in seinem Schrifttum zu mancherlei überraschenden Vergleichen geführt, zu einer von Außenstehenden mitunter kritisierten „Vergleichswut“. So hat er beispielsweise Landwirtschaft und Bevölkerungsentwicklung Kubas zu den entsprechenden, aber ganz anderen Bedingungen unterliegenden Daten der Mark Brandenburg in Beziehung gesetzt, um daraus Schlussfolgerungen abzuleiten. Doch auch in so scheinbar willkürlichen Vergleichen liegt für Ette nicht ein bloßer Überschuss der Methode weltweiter Bezugnahmen, sondern ein rhetorisch-literarisches Mittel:
{{Zitat|Der kühne Vergleich zielt auf die Aktivierung der Leserschaft und beabsichtigt, diese selbst zum ständig vergleichenden Denken zu provozieren. Das Fremde soll durch die Kategorien des Eigenen bewusst verfremdet, das Eigene durch jenes Fremde so verändert werden, daß ein Art Außenblick auf das Eigene entsteht. Eigenes und Fremdes sind nicht klar voneinander geschieden: Alles ist vielmehr mit allem verbunden.|ref=<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;153&nbsp;f.</ref>}}
 
=== Lebenswerk als offenes Buch ===
 
Charakteristisch für Humboldts Forschen und Schreiben ist, dass es an kein Ende gelangt. Vom Reisebericht der amerikanischen Forschungsreise, der nur etwa ein Drittel des gesamten Reiseverlaufs erfasst, über die ''Ansichten der Natur'', deren geplanter zweiter Band nicht erschien, die ''Relation historique'' und die ''Asie centrale'' bis hin zum ''Kosmos'' hat Humboldt keines seiner Hauptwerke abgeschlossen. Mitunter hat man das nicht nur bedauert, sondern ihm angekreidet, hat aber übergeordnete Gesichtspunkte Humboldts dabei außer Acht gelassen: Das ''Kosmos''-Projekt war früh und blieb immer das angestrebte Ziel und die ausstehende Summe aller seiner Forschungsaktivitäten und wissenschaftlichen Kontakte. Manches musste er dafür liegen lassen oder abbrechen, vieles anderen übertragen. Dass er mit dem ''Kosmos'' jenseits der beiden ersten Bände, die bereits den Umriss des Ganzen enthielten, nicht fertig wurde, hat die innere Logik für sich, dass der Autor sich der prinzipiellen Unabschließbarkeit wissenschaftlichen Erkenntniszuwachses nur zu bewusst war.
 
{{Zitat|Über mehr als sieben Jahrzehnte des Büchermachens entstand ein ebenso dichtes wie mobiles Netzwerk an wechselseitigen intratextuellen Bezügen, innerhalb dessen jedem Buch eine je eigene Position, zugleich aber auch eine jeweils spezifische ‚Machart‘, ein nicht selten experimentelles Verfertigtsein zukommt. Dieser über mehrere Generationen von Wissenschaftlern hinweg entstandene Gesamttext bildet gewiß so etwas wie eine intellektuelle Biographie Humboldts, zugleich aber – und vor allem – eine in stetiger Bewegung befindliche Gesamtheit, die nicht durch eine homogene Struktur, sondern vielmehr durch eine fraktale Strukturierung zusammengehalten wird. In jedem ‚Bruchstück‘ leuchtet die Gesamtheit auf.|ref=<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;405&nbsp;f.</ref>}}
 
Zu stilistischen Merkmalen und Absichten seines Schreibens hat Alexander von Humboldt sich gegenüber Varnhagen von Ense selbst geäußert:
{{Zitat|Die Hauptgebrechen meines Stils sind eine unglückliche Neigung zu allzu dichterischen Formen, eine lange Partizipial-Konstruktion und ein zu großes Konzentriren<!--sic--> vielfacher Ansichten, Gefühle in Einen<!--sic--> Periodenbau. Ich glaube, daß diese meiner Individualität anhangenden Radikal-Übel durch eine daneben bestehende ernste Einfachheit und Verallgemeinerung (ein Schweben über der Beobachtung, wenn ich eitel so sagen dürfte) gemindert werden. Ein Buch von der Natur muß den Eindruck wie die Natur selbst hervorbringen. Worauf ich aber besonders in meinen Ansichten der Natur geachtet, […] ich habe gesucht, immer wahr beschreibend, bezeichnend, selbst scientifisch wahr zu sein, ohne in die dürren Regionen des Wissens zu gelangen.|ref=<ref>Zit. n. Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;377.</ref>}}
 
Das Fragmentarisch-Vorläufige seiner Forschung, die Nichtrealisierung weiterer Vorhaben und die Unabschließbarkeit der eigenen Schriften hat Humboldt selbst lebhaft empfunden und in einem wohl zwischen Genugtuung und Melancholie schwebenden Statement zur Sprache gebracht:
{{Zitat|Dies ist das Schicksal des Menschen: Man erreicht das Ende des eigenen Lebens und vergleicht, nicht ohne Traurigkeit, das Wenige, das man hervorgebracht hat, mit all jenem, was man hätte unternehmen wollen, um das Reich der Wissenschaften zu erweitern.|ref=<ref>Asie centrale, Band II, S. 439 f.; zit. n. Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;327.</ref>}}
 
=== Vordenker einer globalisierten Wissenschaft ===
[[Datei:Alexander von Humboldt Denkmal - Humboldt Universität zu Berlin.jpg|mini|hochkant|Denkmal vor dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität in Berlin]]


* {{WikipediaDE|Zelle (Biologie)}}
Das aktuelle Orientierungspotential, das von Alexander von Humboldts Art zu forschen im Zeitalter eines beschleunigten Wandels der [[Ökonomie]], der [[Ökologie|Ökosysteme]] und der Gesellschaften sowie einer durchgreifenden [[Globalisierung]] ausgeht, ist ebenso vielfältig wie bedeutsam. Für „auch heute noch längst nicht abgegolten“ hält Ette die alle Einzelwissenschaften querende Wissenschaftskonzeption Alexander von Humboldts. Dessen von ständigen Bewegungen zwischen den Kontinenten und Kulturen, Sprachen und Spezialisierungen geprägter Wissenschaftsansatz sei vorbildlich geeignet zu einer Überwindung unfruchtbarer Abschließungstendenzen etwa zwischen Spezial- und Grundlagenforschung.<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;359f. Ette wendet sich hier gegen [[Hans Blumenberg]]s Einschätzung, der die gesamte Wissenschaftskonzeption Alexander von Humboldts als „Anachronismus“ deutet und dabei auf dessen Einsamkeit nach Goethes Tod verweist. (Hans Blumenberg: ''Die Lesbarkeit der Welt'', Frankfurt am Main 1986, S. 296; zit. n. Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;375)</ref>
* [[Embryo]]


== Literatur ==
Das von Humboldt weltweit vorangetriebene Netzwerk korrespondierender Wissenschaftler und die Schnelligkeit der Umsetzung eingeholter Informationen in Humboldts Schriften zeugten von der Effektivität dieses Forschungskonzepts. „Humboldt selbst überspielt dabei die raschen Veränderungen seines (veröffentlichten) Wissenstands keineswegs, sondern unterstreicht vielmehr den Charakter seines Buches als eines ‚work in progress‘, das den jeweils aktuellsten Forschung- und Reflexionsstand wiederzugeben versucht. […] Die wiederholte Betonung, ja geradezu Inszenierung der Vorläufigkeit und Unabgeschlossenheit aller Forschungsergebnisse ist bei Humboldt zweifellos ein Zeichen intellektueller Redlichkeit. Darüber hinaus aber ist sie nicht zufälliger, sondern programmatischer Natur. Humboldt gibt seiner Leserschaft Einblicke in die Entstehung von Wissensbeständen, liefert gleichsam Momentaufnahmen wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse […].“<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;252.</ref>


#Rudolf Steiner: ''Natur- und Geistwesen – ihr Wirken in unserer sichtbaren Welt'', [[GA 98]] (1996), ISBN 3-7274-0980-0 {{Vorträge|098}}
Popularisierung bzw. Demokratisierung wissenschaftlicher Erkenntnisweisen gehörten demnach gleichfalls zu den von Humboldt in seinen Schriften verfolgten Zielen. Neben vielfältiger Differenzierung bei der Untersuchung von Multiparametersystemen wie Klima oder Gebirgsbildung war Humboldt auf der Darstellungsebene stets bemüht, „komplexe Zusammenhänge möglichst einfach und in ihren Grundzügen überschaubar und nachvollziehbar zu machen – auch dies eine Vorgehensweise, an der die aktuelle Wissenschaftspraxis noch manches zu lernen hätte“.<ref>Ette: ''Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens'', 2009, S.&nbsp;360.</ref>
#Rudolf Steiner: ''Die Mission der neuen Geistesoffenbarung'', [[GA 127]] (1989), ISBN 3-7274-1270-4 {{Vorträge|127}}
#Rudolf Steiner: ''Initiationswissenschaft und Sternenerkenntnis'', [[GA 228]] (2002), ISBN 3-7274-2280-7 {{Vorträge|228}}
#Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaft und Medizin'', [[GA 312]] (1999), ISBN 3-7274-3120-2 {{Vorträge|312}}
#Rudolf Steiner: ''Das Verhältnis der verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebiete zur Astronomie'', [[GA 323]] (1997), ISBN 3-7274-3230-6 {{Vorträge|323}}
#Rudolf Steiner: ''Über Gesundheit und Krankheit. Grundlagen einer geisteswissenschaftlichen Sinneslehre'', [[GA 348]] (1997), ISBN 3-7274-3480-5 {{Vorträge|348}}


{{GA}}
== Zu den Themen Schriften und Literatur siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Alexander von Humboldt}}
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Alexander von Humboldt}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />


<references />
{{SORTIERUNG:Humboldt, Alexander Von}}
[[Kategorie:Naturwissenschaftler]]
[[Kategorie:Naturforscher]]
[[Kategorie:Goethezeit]]
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Geboren 1769]]
[[Kategorie:Gestorben 1859]]
[[Kategorie:Mann]]


[[Kategorie:Zellbiologie]]
{{Wikipedia}}

Version vom 26. Juni 2018, 10:02 Uhr

Alexander von Humboldt
Gemälde von Joseph Stieler, 1843
Humboldts Unterschrift
Humboldts Unterschrift

Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt (* 14. September 1769 in Berlin; † 6. Mai 1859 ebenda) war ein deutscher Naturforscher mit weit über Europa hinausreichendem Wirkungsfeld. In seinem sich über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahrzehnten entstandenen Gesamtwerk schuf er „einen neuen Wissens- und Reflexionsstand des Wissens von der Welt“[1] und wurde zum Mitbegründer der Geographie als empirischer Wissenschaft. Er war der jüngere Bruder von Wilhelm von Humboldt.

Seine mehrjährigen Forschungsreisen führten ihn nach Lateinamerika, in die USA sowie nach Zentralasien. Wissenschaftliche Feldstudien betrieb er unter anderem in den Bereichen Physik, Chemie, Geologie, Mineralogie, Vulkanologie, Botanik, Vegetationsgeographie, Zoologie, Klimatologie, Ozeanographie und Astronomie, aber auch zu Fragen der Wirtschaftsgeographie, der Ethnologie und der Demographie. Zudem korrespondierte er bei seinem publizistischen Werk mit zahlreichen international bedeutenden Spezialisten der verschiedenen Fachrichtungen und schuf so ein wissenschaftliches Netzwerk eigener Prägung.

In Deutschland erlangte er vor allem mit den Ansichten der Natur und dem Kosmos außerordentliche Popularität. Sein bereits bei Lebzeiten hohes Ansehen spiegelt sich in Bezeichnungen wie „der zweite Kolumbus“, „wissenschaftlicher Wiederentdecker Amerikas“, „Wissenschaftsfürst“ und „der neue Aristoteles“ (Gedenkmünze der Pariser Akademie der Wissenschaften). Er wurde in zahlreiche Akademien aufgenommen, unter anderem in die Leopoldinisch-Karolinische Akademie der Naturforscher, in die Preußische Akademie der Wissenschaften, in die Bayerische Akademie der Wissenschaften, in die American Academy of Arts and Sciences und in die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften.

Leben

Anfänge (1769–1790)

Berliner Gedenktafel für den Standort des nicht mehr vorhandenen Geburtshauses von Alexander von Humboldt in Berlin-Mitte

Alexander von Humboldts aus Pommern stammender Vater Alexander Georg war preußischer Offizier und wurde wegen seiner Verdienste im Siebenjährigen Krieg zum Kammerherrn der Kronprinzessin ernannt. Er heiratete 1766 die Witwe Marie Elizabeth von Holwede, geb. Colomb, Tochter einer wohlhabenden Familie teils hugenottischer Herkunft. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor, Wilhelm (* 1767 in Potsdam) und Alexander, der am 14. September 1769 in Berlin geboren wurde.

Ausbildung bei Hauslehrern

Die Stellung des Vaters begründete ein spezifisches Verhältnis der Humboldt-Brüder zum preußischen Königshaus, zumal der Kronprinz, der nachmalige Friedrich Wilhelm II., einer der Taufpaten Alexanders war. Die Ehe des Thronfolgers aber wurde 1769 geschieden, sodass der nun seiner bisherigen Aufgaben ledige Kammerherr von Humboldt sich ins Privatleben auf Gut und Schloss Tegel zurückziehen konnte. Sein Hauptaugenmerk galt nun der bestmöglichen Erziehung und Ausbildung der Söhne, für die er sich um Hauslehrer bemühte, die aufklärerischem Denken nahestanden. So übte in zwei Phasen von 1769 bis 1773 und im Jahr 1775 in Tegel der von Rousseau pädagogisch inspirierte Joachim Heinrich Campe als Hauslehrer und Erzieher wesentlichen Einfluss auf die Brüder aus, ab 1777 dann Gottlob Johann Christian Kunth, der bald zum engsten Vertrauten des Hausherrn und nach dessen plötzlichem Tod 1779 auch seiner Witwe wurde.

Alexander erschien seinen Erziehern lange Zeit als eher wenig befähigter, lernunwilliger Kopf. Dennoch mutete man ihm zu, denselben in zeittypischer Weise großteils abstrakt aufbereiteten Lernstoff zu verarbeiten, den sein zwei Jahre älterer Bruder Wilhelm vergleichsweise mühelos erfasste. Früh schon zeigte Alexander jedoch besonderes Interesse an Naturgegenständen, und da er gern Insekten, Steine und Pflanzen sammelte, galt er bald als „der kleine Apotheker“ (Scurla).

Der Jüngling Alexander, einen Barometer haltend, mit seiner verwitweten Mutter
Alexander von Humboldt, porträtiert von Johann Heinrich Schmidt 1784

Diesen Interessen ging er zusätzlich zum Unterricht der Hauslehrer nach, sodass er sogar ein noch größeres Stoffpensum absolvierte als Wilhelm und sich so einen auf eigene Weise profilierten Horizont bildete. Dazu gehörte auch sein Zeichen- und Maltalent, das unter Anleitung Chodowieckis im Kupferstechen und Radieren geschult wurde und mit dem er sich bereits 1786 in der ersten Kunstausstellung der Berliner Akademie der Öffentlichkeit vorstellte. Die erstaunliche Qualität der Illustrationen seines späteren Reisewerks mag hier ihren Ursprung gehabt haben.

Auf die optimale Ausbildung der Söhne für bedeutende Posten im Staatsdienst war der ganze Erziehungsplan der nun zweifach verwitweten Frau von Humboldt ausgerichtet, die bei verhältnismäßig bescheidener eigener Lebensführung zu diesem Zweck bedeutende Mittel aufwandte. So haben die Brüder nicht allein eine gründliche Unterweisung in alten und neuen Sprachen – mit oft quälenden Vokabel- und Grammatikpensen – erhalten, sondern wurden unter Kunths umsichtiger Führung von einer ganzen Reihe Spezialisten auf universitätsähnlichem Niveau unterrichtet. Dazu gehörten unter anderem Geheimrat Christian Wilhelm von Dohm, der Nationalökonomie mit geographischem Schwerpunkt lehrte, Kammergerichtsrat Ernst Ferdinand Klein für Naturrecht und Professor Engel für Philosophie. Auch zu den experimentell gestützten philosophisch-physikalischen Vorträgen des von Kant beeinflussten Arztes Marcus Herz schickte Kunth seine Schützlinge. Infolgedessen gelangten diese auch in den Salon von Henriette Herz und traten so mit der von Moses Mendelssohn geprägten jüdischen Berliner Aufklärung in engen Kontakt.

Studium

Mit Blick auf die vorgesehenen Karrieren im Staatsdienst schickte die Mutter 1787 ihre Söhne zum Studium nach Frankfurt (Oder) an die Viadrina. Wilhelm sollte dort Jura studieren, Alexander die weniger renommierte Kameralwissenschaft (Staatswirtschaftslehre). Nebenbei hörte Alexander Altertumswissenschaften, Medizin, Physik und Mathematik.

Mit dem Theologiestudenten Wilhelm Gabriel Wegener schloss er im Februar 1788 einen „ewigen Freundschaftsbund“. Unter anderem deswegen und weil Humboldt bis zu seinem Lebensende Junggeselle blieb, wird in einem Teil der Forschungsliteratur die Ansicht vertreten, dass Alexander von Humboldt latent homosexuell gewesen sei. So sieht zum Beispiel Bernd-Ulrich Hergemöller Anhaltspunkte für homoerotische Beziehungen nicht nur mit Wegener, sondern auch mit Israel (Johannes) Stieglitz, Johann Carl Freiesleben, dem Offizier Reinhard von Haeften sowie in Paris mit dem Chemiker Joseph Louis Gay-Lussac, mit dem er vier Jahre in einer Wohnung lebte, und mit dem Maler Carl von Steuben.[2]

Sowohl Alexander als auch sein Bruder Wilhelm waren in Frankfurt (Oder) offenbar akademisch unterfordert und verließen die Universität nach einem Semester wieder. Alexander ging anschließend zurück nach Berlin, wo er sich von Carl Ludwig Willdenow in der Botanik ausbilden ließ.

Am 25. April 1789 immatrikulierte er sich, seinem Bruder folgend, an der Universität Göttingen, dem damaligen Zentrum aufklärerischer Wissenschaft in Deutschland, für Naturwissenschaften. Neben dem Physiker Georg Christoph Lichtenberg war hier für Alexander vor allem der Anatom und Zoologe Johann Friedrich Blumenbach wegweisend, der die Forschungsreise als bedeutende Erkenntnisquelle für Anthropologie und Biologie schätzte und einen interdisziplinären Kreis ambitionierter Nachwuchswissenschaftler um sich scharte.

Humboldt aber drängte es nun vor allem, die Bekanntschaft Georg Forsters zu machen, der als Naturforscher mit Weltumsegelungserfahrung wohl den von ihm selbst angestrebten Typus verkörperte. Geologische Forschungsfragen stellten den Kontakt zwischen beiden her, der dann, nachdem Humboldt im Februar 1790 das Manuskript seiner ersten größeren Publikation Mineralogische Beobachtungen über einige Basalte am Rhein abgeschlossen hatte, in das Projekt einer gemeinsamen Forschungsreise von Ende März bis Juli 1790 mündete. Sie führte von Mainz über den Niederrhein nach England[3][4] und über Paris zurück. In den Mineralogischen Beobachtungen positionierte Humboldt sich im damaligen „Basaltstreit“ zu der Frage, ob der Basalt ein magmatisches oder ein sedimentäres Gestein sei, an der Seite der Neptunisten, die letztere Auffassung vertraten. Später wurde er durch Forschungsergebnisse auf seiner Amerikareise zum Plutonisten.

Anders als Forster, der als glühender Anhänger der Französischen Revolution in Paris blieb, setzte der ebenfalls für die revolutionären Ideale und die allgemeinen Menschenrechte eintretende Humboldt seine kameralistische Ausbildung in Handelswissenschaften sowie in Volks- und Weltwirtschaft an der Hamburger Büsch-Akademie fort, die ihm auch zu Geographie und Reiseliteratur vielerlei Vertiefungsmöglichkeiten bot.

Blitzkarriere im Staatsdienst (1791–1796)

Büste von Alexander von Humboldt im Kurpark Bad Steben

Im Mai 1791 schlug Humboldt mit dem Anstellungsgesuch beim preußischen Oberberghauptmann von Heinitz den Weg in den Staatsdienst als Bergbeamter ein, dem zunächst ein Studium an der Bergakademie Freiberg vorangehen sollte. Seinem Betätigungsdrang entgegen kam der praktische Bergmannsdienst, zu dem täglich um sechs Uhr das Einfahren mit den anderen Bergleuten in die Gruben gehörte; nachmittags nahm er an bis zu sechs Studienkollegs (u. a. bei Abraham Gottlob Werner) teil. Nebenbei befasste er sich mit der Pflanzenwelt untertage (daraus entstand später seine viel beachtete Publikation Florae Fribergensis Specimen) sowie mit aktuellen chemischen Problemen der Verbrennung (Prinzip der Oxidation).

Das für den Regelstudenten in drei Jahren zu absolvierende Pensum nahm er in acht Monaten auf. Am 6. März 1792 erhielt er ein Assessor-Patent als Bergassessor und wurde wenig später mit der Untersuchung des gerade zu Preußen gekommenen fränkischen Bergbaus mit dem Lotharheiler Schiefer betraut. Auf seinem Weg dorthin inspizierte er den Kamsdorf-Könitzer Bergbau und revolutionierte die Abbauverfahren von Alaunschiefergestein im Schmiedefelder „Vitriolwerk“ am Schwefelloch (das heutige Schaubergwerk Morassina). Aufgrund seines beispielhaft erhellenden Berichtes erfolgte bereits nach einem halben Dienstjahr die Beförderung zum Oberbergmeister mit dem Auftrag der Sanierung des Bergbaues im Fichtelgebirge und Frankenwald. Daran erinnert das Goldbergbaumuseum Goldkronach und die Naturparkinformationsstelle Kleiner Johannes in Arzberg.

Konkretes Beispiel seiner Tätigkeit ist die Anlage des Friedrich-Wilhelm-Stollens. Nach Zell im Fichtelgebirge führte ihn das Gelbkreidebergwerk bei der Saalequelle und mit dem Haidberg die Entdeckung eines sogenannten Magnetberges. Humboldt modernisierte die Abbauverfahren von Silber, Nickel, Zinn und Eisen sowie von Alaunschiefergestein in der Region Bayreuth. Insbesondere um den Goldbergbau in Goldkronach machte er sich verdient. Binnen kurzer Zeit gelang es ihm, die jährlichen Erträge um ein Vielfaches zu steigern.[5] Verschiedene grundsätzliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durch Modernisierungen und eine verbesserte soziale Absicherung trugen zum nachhaltigen Erfolg bei.[6]

Auf der Basis seiner chemischen Analysen der Grubenwetter entwickelte er einen Vorläufer der Atemschutzmaske und eine verbesserte Grubenlampe für die Bergleute. Bei der Erprobung dieser Grubenlampe im Selbstversuch fiel er wegen giftiger Grubengase in Ohnmacht, die Lampe aber half ihn zu retten.[7] Aus eigenen Mitteln gründete er ohne Rücksprache mit den vorgesetzten Behörden zuerst in Steben eine Bergschule, die erste Arbeiter-Berufsschule in Deutschland, offen für die Altersstufen von 12 bis 30 Jahren. Gelehrt wurden nach der Schicht und bis 23 Uhr unter anderem Mineralienkunde, bergmännisches Rechnen und Bergrecht, Maschinen- und Kompasskunde. Die Lehrbücher dafür schrieb Humboldt selbst. Seine Wohnorte waren 1792 bis 1795 Steben, Arzberg und Goldkronach.[8] Sein Wissensdrang war ebenso universell wie unermüdlich; für Forschung, Aufzeichnungen und Korrespondenz machte er die Nacht zum Tage und schlief selten länger als vier Stunden.

Während seiner Tätigkeit im Staatsdienst kam er in Kontakt mit gleichfalls in der Bergverwaltung hochrangig beschäftigten und bei den späteren preußischen Reformen führenden Persönlichkeiten: dem Freiherrn vom Stein und Hardenberg, die seine Fähigkeiten ebenso erkannten und für ihre Zwecke dienstbar zu machen suchten sowie sein Ressortminister von Heinitz, der ihn 1794 zum Bergrat und 1795 zum Oberbergrat (die höchstmögliche Position unterhalb des Ministeriums, (Bergakademie Berlin)) beförderte. Doch weder dies noch ungewöhnliche Gehalts- und Freistellungsangebote vermochten Humboldt im Amt zu halten.

Als Humboldt am 26. März 1795 den preußischen König um die Entlassung aus dem Dienst als Oberbergmeister bat, um seinen Jugendtraum von Forschungsreisen in die Welt zu verwirklichen, hatte er den Bergbau in der Region nahezu neu erfunden.[9]

Biologische Arbeiten

Schiller, Wilhelm und Alexander von Humboldt sowie Goethe in Jena

In seiner Freiberger Zeit beschäftigte sich Humboldt auch mit der Mykologie. Die Flechten- und Pilzarten, die er in den Freiberger Bergwerken gefunden hatte, beschrieb er in der Publikation Floriae Fribergensis specimen, worin er auch einige Erstbeschreibungen von Arten der Gattungen Agaricus, Peziza und Boletus einsetzte.[10][11] Er beschrieb nicht nur die Morphologie der kryptogamen Pflanzen, sondern auch die Abhängigkeit von ihren Umweltbedingungen. Für die Flechten stellte er eine Verwandtschaftstafel („Tabula affinitatum“) auf, die aber noch nicht auf stammesgeschichtlicher Zugehörigkeit, sondern nur auf äußerer Ähnlichkeit beruhte. Schon in diesem Werk betonte er programmatisch, dass er die Pflanzengeographie als Teil einer umfassenden Erdkunde betrachtete im Unterschied zur herkömmlichen „Naturgeschichte“.[12]

Des Weiteren untersuchte er experimentell den Einfluss verschiedener Bestandteile der Luft auf das Pflanzenwachstum, wobei er den Aspekt der wirtschaftlichen Nutzung für die Pflanzenproduktion im Auge hatte.[13] Zwar gelang es ihm nicht, die Rolle von Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid im Stoffwechsel der Pflanzen richtig aufzuklären, er vertrat aber die Auffassung, dass der Kohlenstoff der Pflanzen aus der Luft und nicht aus der Erde stammt.[14] Weiterhin erkannte er, dass die Spaltöffnungen auch für den Wasserhaushalt der Pflanzen von Bedeutung sind, konnte die genaue Funktion aber nicht klären.[15]

Danach wandte er sich dem seinerzeit aktuellen Forschungsgebiet der „tierischen Elektrizität“ zu in Fortführung der Versuche von Galvani und Volta.[16] Umfangreiche Studien mit Tausenden von Tierexperimenten[17] zum Einfluss der Elektrizität, zum Teil mit seinem Bruder Wilhelm, teilweise auch als Selbstversuch am eigenen Körper durchgeführt, belegten unter anderem den Verbrauch von Sauerstoff bei der Muskelbewegung und die Wirkung der Feuchtigkeit auf die elektrische Leitfähigkeit.[18] Bei Selbstversuchen für seine Studie Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser brachte er künstlich erzeugte Wunden auf seinem Rücken mit galvanischen Zellen aus Metallen wie Zink und Silber in Berührung.[19] Im Gegensatz zu Volta blieb Humboldt überzeugt von dem Konzept einer eigenen „tierischen Elektrizität“; den Kontaktmetallen schrieb er nur eine sekundäre Rolle zu.[20]

In der zeitgenössischen Fachliteratur wurden seine physiologischen Schriften oft zitiert.[21] Zu Beginn seiner experimentellen Studien teilte Humboldt die im seinerzeitigen wissenschaftlichen Mainstream liegende Überzeugung von einer, den Organismen innewohnenden „Lebenskraft“; allmählich gelangte er zu der Auffassung, dass alle Lebensäußerungen mit den bekannten Naturgesetzen zu erklären seien.[22]

Auf seiner Südamerika-Expedition setzte Humboldt seine galvanischen Versuche fort; bekannt wurde seine Untersuchung über den Zitteraal (Electrophorus electricus).[23] In seinen späteren Jahren unterstützte Humboldt die elektrophysiologischen Untersuchungen von Emil du Bois-Reymond. Deren Resultate, die die Muskelbewegung auslösende Nerventätigkeit messbar machen, fasste er als Weiterführung seiner Versuche auf.[24]

Vorbereitung einer großen Expedition (1797–1798)

„Jeder Mann hat die Pflicht, in seinem Leben den Platz zu suchen, von dem aus er seiner Generation am besten dienen kann“, heißt es in einem Schreiben Humboldts an den französischen Astronomen Delambre. Sobald Alexander von Humboldt im November 1796 durch den Tod der Mutter zum vermögenden Erben geworden war, schied er aus dem Staatsdienst aus, um sich als Naturforscher und Wissenschaftler unabhängig zu machen. Als Ziel schwebte ihm eine „physique du monde“ vor, eine Darstellung des gesamten physisch-geographischen Wissens der Zeit, zu dem er auf Forschungsreisen selbst entscheidend beitragen wollte. Bereits Ende 1796 entwickelte er brieflich seine trotz mancher Widrigkeiten, mehrfacher Anläufe und Umwege konsequent verfolgten Pläne: „Meine Reise ist unerschütterlich gewiß. Ich präpariere mich noch einige Jahre und sammle Instrumente, ein bis anderthalb Jahr bleibe ich in Italien, um mich mit Vulkanen genau bekannt zu machen, dann geht es über Paris nach England, wo ich leicht auch wieder ein Jahr bleiben könnte […], und dann mit englischen Schiffen nach Westindien“, das im damaligen Verständnis den ganzen Raum von Mexiko bis zum Amazonas umfasste.

Schon durch Campe war Alexander die Faszination der Welt in Übersee vermittelt worden. Johann Gottfried von Herder hatte auf die kontrastierend miteinander verbundenen Naturräume der Anden und des Amazonasbeckens hingewiesen und zu deren Erforschung aufgerufen, indem unter anderem die Höhen der (damals als höchste der Welt geltenden) Berge ermittelt, die Bodenbeschaffenheit bestimmt sowie die örtlichen Abweichungen der Magnetnadel und die je lokalen Temperaturen gemessen werden sollten – alles Bestandteile des dann von Humboldt noch ausgeweiteten Forschungsprogramms.

In den Jahren der Vorbereitung nutzte er jede Möglichkeit zur systematischen Vertiefung seiner Kenntnisse, nicht nur durch das Studium der einschlägigen Reiseberichte und neuesten Forschungsergebnisse, sondern auch durch seinen persönlichen Kontakt mit den führenden Zoologen, Botanikern und Astronomen der Zeit sowie durch die ständige praktische Erprobung von Messinstrumenten in den verschiedenen Landschaften und Naturräumen (z. B. in den Alpen). Zudem entwickelte er ein spezifisches Aufzeichnungsverfahren zur Erfassung seiner jeweiligen Forschungsergebnisse, die „Pasigraphie“, eine Schriftzeichensprache, die die geographischen Erscheinungen durch Buchstaben, Richtungspfeile, Symbole und Abkürzungen für Formationen und Gesteine festhielt.

Im Mai 1798 begab sich Alexander von Humboldt in die seinerzeitige Weltwissenschaftsmetropole Paris, wo er in Vorträgen und Debatten sein bereits beachtliches Renommee als Wissenschaftler festigte und seine Ausstattung mit Messinstrumenten vervollständigte. Hier fand er in dem Botaniker Aimé Bonpland schließlich auch jenen fachkundigen Reisegefährten, dessen Mitarbeit ihm die Durchführung seiner komplexen Forschungsvorhaben erst ermöglichen sollte.

Amerikanische Forschungsreise (1799–1804)

Vorbereitung

Mehrfach hatte Humboldt während der Vorbereitungszeit seine Pläne wegen politischer und kriegerischer Verwicklungen im Zeichen des aufstrebenden Generals Napoleon Bonaparte ändern und bereits begonnene Reiseaktivitäten abbrechen müssen, zuletzt (im Dezember 1798) auch den Versuch, von Südfrankreich aus auf ein Schiff zu gelangen, das Bonpland und ihm den Anschluss an die ägyptische Expedition Napoleons hätte ermöglichen sollen. Stattdessen machten sich nun beide mit sämtlichen für die Forschungsreise vorgesehenen Instrumenten auf den Weg nach Madrid – meist zu Fuß neben dem Wagen einhergehend –, um für das amerikanische Forschungsunternehmen womöglich die Unterstützung der spanischen Krone zu erlangen. Die Vielzahl der unterwegs erhobenen Messdaten brachte erstmals geographischen Aufschluss über die Gestalt der innerspanischen Hochebene.

Sein Ruf als Wissenschaftler und Bergminenexperte (diese Privatexpedition konnte sich für Spanien unter Umständen lohnen; tatsächlich führten später seine Beschreibungen der mexikanischen Silberminen in dem „Versuch über den politischen Zustand des Königreichs Neu-Spanien“ zu massiven ausländischen Investitionen), sein diplomatisches Geschick und sein von der exzellenten Beherrschung des Spanischen unterstütztes Auftreten bei Hofe verschafften Humboldt schon bald Empfehlungen und einen so privilegierten Forscher-Reisepass, wie ihn nach seiner eigenen Einschätzung kein Ausländer je erhalten hatte. Er sicherte ihm volle Handlungsfreiheit und das Entgegenkommen aller Gouverneure und Beamten im gesamten spanischen Kolonialgebiet.

Überfahrt

Verlauf der Amerikareise

Abreisedatum mit der spanischen Fregatte Pizarro von La Coruña war der 5. Juni 1799. Humboldt schreibt in einem Brief vom selben Tag: „Ich werde Pflanzen und Fossilien sammeln, mit vortrefflichen Instrumenten astronomische Beobachtungen machen können […] Das alles ist aber nicht Hauptzweck meiner Reise. Und auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluß der unbelebten Schöpfung auf die belebte Tier- und Pflanzenwelt, auf diese Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein!“

Die Überquerung des Atlantik verlief insgesamt problemlos.[25] Mit an Bord nahm Humboldt rund 50 der modernsten Instrumente, darunter Sextanten, Quadranten, Teleskope, diverse Fernrohre, eine Längenuhr, ein Inklinatorium, ein Deklinatorium, ein Cyanometer, Eudiometer, Aräometer, ein Hyetometer, Elektrometer, Hygrometer, Barometer und Thermometer.

Bereits den einwöchigen Zwischenaufenthalt auf der Kanareninsel Teneriffa im Juni 1799 nutzten Humboldt und Bonpland zu Aktivitäten, die sie dann in der Neuen Welt vielfach wiederholen sollten: Sie bestiegen den Pico del Teide, registrierten die Vegetationszonen, übernachteten in einer Höhle unterhalb des Gipfels und untersuchten tags darauf den Krater des Vulkans.

Nach der anschließenden 22-tägigen Überfahrt landeten sie am 16. Juli 1799 in Cumaná (Venezuela). Dort beobachtete Humboldt in der Nacht vom 11. auf den 12. November 1799 einen Meteorschauer der Leoniden – seine Beschreibung legte später den Grundstein für die Erkenntnis, dass solche Himmelsereignisse periodisch auftreten. Ein nachhaltiger Eindruck ganz anderer Art war der Sklavenmarkt von Cumaná. Die grausame Behandlung der Sklaven entsetzte ihn so sehr, dass er zu einem entschiedenen Fürsprecher des Abolitionismus wurde.[26] Von Cumaná aus reisten Humboldt und Bonpland nach gründlicher Erforschung der Umgebung und einer Reihe von Exkursionen weiter nach Caracas.

Humboldts amerikanische Forschungsreise lässt im Ganzen drei Phasen dynamisch vorwärts gerichteter Geländeexploration unterscheiden, die jeweils eingebettet waren in eher stationäre Phasen der Materialsichtung, -auswertung und -sicherung.

Erste Expedition: Zwischen Orinoco und Rio Negro

Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland am Orinoco, Gemälde von Eduard Ender, 1856[27]
Alexander von Humboldt, Gemälde von Friedrich Georg Weitsch, 1806
Das Einzugsgebiet des Amazonas (gelb); sein Quellfluss Marañón ist lila markiert.

Die erste große Expedition führte im Februar 1800 von Caracas zum Fluss Apure und auf diesem in das Strombett des Orinoco, das stromaufwärts so weit wie möglich in südlicher Richtung befahren, dann aber verlassen wurde, um über den Rio Atabapo weiter südlich zum Rio Negro, dem Amazonaszufluss, vorzustoßen. Man befuhr die Flüsse auf einer Piroge, einem mit Axt und Feuer ausgehöhlten Baumstamm von etwa 13 Metern Länge und knapp einem Meter Breite. Sie wurde von einem Steuermann und vier indianischen Ruderern betrieben. Im Bereich des Hecks war ein niedriges Blätterdach installiert, an dessen tragfähigen Teilen Käfige mit eingefangenen Vögeln und Affen hingen. Die mitgeführten größeren Messinstrumente schränkten die Bewegungsfreiheit zusätzlich ein.

Auf dem Rio Negro konnte dann die Einmündung des nordöstlich vom Orinoco direkt zufließenden Rio Casiquiare erreicht und mit dessen Befahrung in ganzer Länge flussaufwärts der Nachweis geführt werden, dass entgegen der verbreiteten Lehrmeinung, wonach zwischen den großen Stromgebieten der Erde nirgendwo natürliche Verbindungen existierten, eine solche zwischen Orinoco und Amazonas eben doch vorhanden ist. Am 20. Mai 1800 erreichte die Piroge wie erwartet die Stelle, an der sich der Orinoco in zwei Arme gabelt. Durch diese Bestätigung der Gabelteilung des Orinoco war das wichtigste Forschungsziel dieser Expedition erreicht und die Reisenden konnten sich für den Rückweg nun flussabwärts auf dem Orinoco fortbewegen. Sie folgten seinem Lauf bis Angostura (Ciudad Bolívar) und schlugen sich dann in der quälenden Hitze der Llanos nordwärts zur Küstenstadt Nueva Barcelona durch, die sie am 23. Juli 1800 erreichten.

Dass sie dieses 2775 Kilometer lange Unternehmen heil überstanden (Bonpland war allerdings noch zuletzt in Angostura dem Fiebertod nahegekommen), war erstaunlich genug. Dazu trugen außer der glücklichen Wendung mancher Gefahrensituation ihre Entschlossenheit und strapazierfähige Physis bei. Der in jungen Jahren oft kränkelnde Alexander meldete nach Hause: „Die Tropenwelt ist mein Element, und ich bin nie so ununterbrochen gesund gewesen als in den letzten zwei Jahren. […] Am Atabapo, wo die Wilden stets am Faulfieber leiden, widerstand meine Gesundheit unbegreiflich gut.“

Den Gesamterfolg der amerikanischen Reise ermöglichte zudem ein unerschütterliches Durchhaltevermögen – ständig war Humboldt mit Ortsbestimmungen und Messungen aller Art beschäftigt, Bonpland mit dem Botanisieren, beide zusammen mit Skizzen und Aufzeichnungen – auch unter widrigsten Bedingungen: „Vier Monate hindurch schliefen wir in Wäldern, umgeben von Krokodilen, Boas und Jaguaren […], nichts genießend als Reis, Ameisen, Manioc, Pisang, Orenocowasser und bisweilen Affen. […] In Guayana, wo man wegen der Mosquiten, die die Luft verfinstern, Kopf und Hände stets verdeckt haben muß, ist es fast unmöglich am Tageslicht zu schreiben; man kann die Feder nicht ruhig halten, so wütend schmerzt das Gift der Insekten. Alle unsere Arbeit mußte daher beim Feuer, in einer indianischen Hütte, vorgenommen werden, wo kein Sonnenstrahl eindringt, und in welcher man auf dem Bauche kriechen muß. Hier aber erstickt man wieder von Rauch, wenn man auch weniger von den Mosquiten leidet.“

Zweite Expedition: Von Cartagena nach Lima

Die zweite große Südamerika-Expedition begann nach einem Zwischenaufenthalt in Havanna (wo Humboldt das Material für seinen geographischen Essai politique sur l′île de Cuba erarbeitete) am 30. März 1801 in Cartagena an der kolumbianischen Karibik-Küste. Humboldt hatte erfahren, dass er sich der französischen Weltumsegelungsexpedition unter Kapitän Nicolas Baudin an der peruanischen Küste würde anschließen können. Auf dem Wege dahin drängte sich die Umsetzung des lang erwogenen Anden-Forschungsprojekts geradezu auf.

Von Barancas Nuevas ab befuhren Humboldt und Bonpland den Río Magdalena flussaufwärts: „Unsere Magdalena-Reise bildete eine schreckliche Tragödie; von den zwanzig dunklen Ruderknechten ließen wir acht auf dem Wege zurück, ebensoviel langten gleich und mit stinkenden Geschwüren in Honda an.“ Nach viertägigem steilen Aufstieg erreichten sie die Anden-Hochebene und konnten in Bogotá in regen wissenschaftlichen Austausch mit dem sie aufwendig empfangenden Botaniker José Mutis treten.[28] Für den spanischen Vizekönig erstellte Humboldt unter anderem ein Gutachten über die Silbergruben und die Goldproduktion Kolumbiens. Die Fortsetzung des Weges über die Anden gestaltete sich äußerst beschwerlich: „Dicke Wälder liegen zwischen Morästen; die Maultiere sinken bis auf den halben Leib ein; und man muß durch so tiefe und enge Schlüchte, daß man in Stollen eines Bergwerks zu kommen glaubt. Auch sind die Wege mit den Knochen der Maultiere bepflastert, die hier vor Kälte oder Mattigkeit umfielen.“

Um von Bogotá nach Quito zu gelangen, benötigten die Reisenden vom 19. September 1801 – mit einem Zwischenaufenthalt in Popayán – bis zum 6. Januar 1802. In Quito kamen sie im Hause des Herzogs Juan Pío Montúfar y Larrea unter; dessen Sohn Carlos de Montúfar (1780–1816)[29] sollte fortan an der amerikanischen Expedition Humboldts teilnehmen, um danach in Spanien die Offiziersausbildung zu vollenden. Sowohl er als auch Simón Bolívar, den Humboldt nach seiner Rückkehr 1804 in Paris und 1805 in Rom traf, dürften Humboldts kritische Haltung zu Kolonialregimen aller Art eingehend kennengelernt haben, die er offiziellen Stellen gegenüber nach Lage der Dinge nicht äußern konnte.

Humboldt und Bonpland am Fuß des Vulkans Chimborazo, Gemälde von Friedrich Georg Weitsch (1810)
Der Chimborazo in Ecuador

Zum Forschungsschwerpunkt wurden nun neuerlich Vulkane in einem Gebiet Ecuadors, das Humboldt wegen deren Vielzahl als „Allee der Vulkane“ bezeichnete. Der Nachweis der vulkanischen Herkunft von Gestein (Plutonismus), das bislang für eine Unterwasserablagerung gehalten worden war, widerlegte die Hypothese des sogenannten Neptunismus. Den Pichincha bestieg Humboldt nach einem ersten abgebrochenen Versuch gleich zweimal, zuletzt begleitet von einem heftigen Erdbeben, dessen Stöße er sorgfältig protokollierte. Nicht ganz bis zum Gipfel gelangten Humboldt, Bonpland und Montúfar am 23. Juni 1802 bei der Besteigung des Chimborazo (6.310 Meter) wegen einer unpassierbaren Felsspalte 400 bis 800 Meter unterhalb des Kraters. Gleichwohl blieb dies auf 30 Jahre ein Höhenweltrekord für Bergsteiger, eine in Anbetracht der Unzulänglichkeiten von Schuhwerk, Bekleidung und Ausrüstung nach wie vor kaum glaubliche Leistung. Dabei litten sie unter den Symptomen der Höhenkrankheit: Schwindel und Brechreiz, Blutungen aus Lippen und Zahnfleisch.

Bald darauf erforschte die Expedition nach rasantem Abstieg den Oberlauf des Marañón im Quellgebiet des Amazonas und nach neuerlichem Aufstieg in die Anden die Überreste der Inkastätten in der Umgebung von Cajamarca. Wie die Messungen ergaben, entdeckten und überquerten sie dabei den magnetischen Äquator.

Als sie nach ihrer vierten Andenüberquerung am 23. Oktober 1802 in Lima ankamen, war auch dieses zweite große Forschungsunternehmen erfolgreich beendet. Zwischen zehn Grad nördlicher und zehn Grad südlicher Breite waren die Klima- und Vegetationsstufen des tropischen Hochgebirges in mannigfaltiger Weise durchmessen und erfasst worden. Indem Humboldt in Limas Hafen Callao am 9. November 1802 den Durchgang des Merkur observierte, gelang es ihm, den Längengrad, auf dem Lima sich befindet, genauer als bis dahin zu bestimmen, in der Folge ein Richtwert für den ganzen südwestlichen Teil des neuen Kontinents. Auch studierte er die Düngeeigenschaften von Guano und leitete auf diese Weise die Einfuhr von Guano nach Europa ein.

Dritte Expedition: Mexiko

Bereits vor dem Aufbruch von Quito war die Information eingetroffen, dass der geplante Anschluss an die französische Weltumsegelungsexpedition von Kapitän Baudin wegen dessen Routenänderung nicht mehr möglich sei. Erneut musste also umdisponiert werden. Nach einem Zwischenaufenthalt in Guayaquil, bei dem Humboldt durch Temperaturmessungen die nach ihm benannte Meeresströmung nachwies, begann am 23. März 1803 in Acapulco der letzte große Abschnitt von Humboldts amerikanischer Forschungsreise, während deren er mit Bonpland und Montúfar ein Jahr in Mexiko verbrachte. Dabei wurde der Reiseweg von Acapulco über Mexiko-Stadt (mit gut neunmonatigem Erkundungsaufenthalt) bis Veracruz an der Atlantikküste barometrisch vermessen und so ein Höhenquerschnittsprofil Mexikos für diesen wichtigen Bereich angelegt. In Mexiko-Stadt sammelte Humboldt Material für sein landeskundliches Werk über das Königreich Neu-Spanien (mit Beschreibungen der politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen sowie weitreichenden Bevölkerungsstatistiken), das dann ebenso zu einem Grundstein der modernen wissenschaftlichen Geographie werden sollte wie das über Kuba, für das die Vorstudien im März/April 1804 in Havanna zu Ende geführt wurden.[30]

Abgeschlossen wurde die große Amerika-Expedition mit einem Besuch in den USA, wo Humboldt, auch aufgrund seiner intensiven Reisekorrespondenz, bereits höchste Anerkennung als Forscher und Wissenschaftler genoss und unter anderem drei Wochen als Gast des Präsidenten Thomas Jefferson in Washington, D.C. und Philadelphia verbrachte.

Am 3. August 1804 betraten Humboldt und Bonpland in Bordeaux wieder europäischen Boden. Dass ein Privatmann eine solche Forschungsreise gänzlich aus eigenen Mitteln bestritten hatte, war beispiellos. Humboldts Vermögen war um ein Drittel vermindert, und es sollte in den drei folgenden Jahrzehnten, in denen er sein Reisewerk in 30 Bänden verfasste und in Druck gab – das größte je erschienene private Reisewerk überhaupt – gänzlich aufgebraucht werden.

Als Naturforscher in Paris und Berlin (1805–1828)

Empfang in Paris

Abbildung aus Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer, Paris 1805

In Paris, wo er den Anschluss an die wissenschaftliche Entwicklung der vergangenen fünf Jahre suchte und fand, wurde ihm von seinen Forscherkollegen ein grandioser Empfang bereitet und jede Unterstützung bei der Klärung fachwissenschaftlicher Probleme zugesagt.

Humboldt nutzte für die Erstellung seines Reiseberichts ein ganzes Wissensnetzwerk; denn sein Darstellungsansatz sah, wie sich nachlesen lässt, mehr vor als nur die Schilderung eigener Erlebnisse, Eindrücke und Messergebnisse. Wo er zum Beispiel auf Getreideanbau, Kakao- und Kaffeeernte in der Ereignischronologie der Orinoco-Expedition einging, war dies meist verbunden mit einer Einordnung der angetroffenen Verhältnisse in die geographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der ganzen bekannten Welt, in Kenntniszusammenhänge also, die er überhaupt nur mit Hilfe anderer herstellen konnte. Dafür und auch für die bestmögliche verlegerische Qualität des Reisewerks war Paris der geeignetste Ort (und deshalb ist es auch nur in französischer Sprache vollständig erschienen).

Aufenthalt in Berlin

Humboldt 1807 in Berlin

Obwohl Humboldt also im Grunde wenig Neigung verspürte, „die Türme Berlins wiederzusehen“, folgte er letztlich doch den Mahnungen des Bruders, den er im Sommer 1805 in Rom besuchte, und dem werbenden Druck des preußischen Königshauses: Bereits während seiner Amerika-Reise war er zum außerordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt worden, unmittelbar nach seiner Rückkehr mit einer zu nichts verpflichtenden Pension von 2500 Talern bedacht und bald darauf zum königlichen Kammerherrn ernannt worden, ebenfalls ohne konkrete Verwendung. Von November 1805 an setzte er seine wissenschaftliche Arbeit in Berlin fort.[31]

Nach dem militärischen Zusammenbruch Preußens bei Jena und Auerstedt 1806 erlebte er die Besetzung Berlins durch die Franzosen und die Plünderung von Schloss Tegel, das im Zuge der Erbteilung dem Bruder Wilhelm zugefallen war. Alexanders Berliner Wohnung befand sich zu dieser Zeit in der Friedrichstraße 189. Gute Kontakte zur französischen Seite nutzte Alexander sowohl zur Schadensbegrenzung für eigene familiäre Besitzungen als auch zur Abmilderung mancher Härten der Besatzungspolitik im öffentlichen Raum.

Wechsel nach Paris

Als die französischen Forderungen nach Kriegsentschädigung Preußen in den Ruin zu treiben drohten, veranlasste der als Reformer an die Regierungsspitze berufene Freiherr vom Stein im November 1807 eine diplomatische Gesandtschaft nach Paris unter Führung des Prinzen Wilhelm, Bruder Friedrich Wilhelms III. Zum Berater des Prinzen bei dieser Mission wurde Alexander von Humboldt berufen, der so Gelegenheit erhielt, die Arbeit an seinem Reisewerk am bestgeeigneten Ort wieder aufzunehmen. Und er erhielt für ebendiesen Zweck nach dem endgültigen Scheitern der diplomatischen Bemühungen des Prinzen sogar die Erlaubnis, in Paris zu bleiben, die er mit Konsequenz und Geschick über fast 20 Jahre verteidigte. So schlug er zum Beispiel eine durch Hardenberg veranlasste Berufung zum preußischen Kultusminister 1809 aus, erhielt sich aber die Gunst des Königs, indem er diesem als glänzender Gesellschafter und kundiger Führer bei Auslandsaufenthalten gelegentlich zu dienen wusste, so 1814 im Zuge eines Paris-Besuchs des Monarchen nach dem Sieg der Koalition über Napoleon I. oder 1822 anlässlich eines Kongresses in Verona, verbunden mit Besichtigungen Venedigs und Roms.

An der Pariser Wissenschaftsszene nahm Humboldt mitgestaltend Anteil. So wurde er bereits 1807 unter den Gründungsmitgliedern der Société d’Arcueil aufgeführt. Dieser Forschungsgemeinschaft schloss sich neben anderen 1809 auch der katalanische Physiker François Arago an, mit dem Humboldt fortan in enger freundschaftlicher Verbindung stand. Mit Simón Bolívar, den Humboldt hier ebenfalls traf, entwickelte sich eine briefliche Korrespondenz.[32][33]

Neue Reisepläne

Parallel zu den Arbeiten am amerikanischen Reisewerk äußerte Humboldt beständig seine Absichten, seinen naturkundlichen Forschungen in der westlichen Hemisphäre durch eine asiatische Expedition ein östliches Pendant folgen zu lassen, um dann im Vergleichen und Differenzieren ein ganzheitliches Bild aus der Vielgestaltigkeit der Erde und ihrer Bewohner zu gewinnen. Hauptsächlich interessierten ihn Indien, der Himalaya und Tibet. Als er 1811 bereits das zweite Angebot zur Beteiligung an einer russischen Expedition bekam, antwortete er: „Es kostet mir viel, die Hoffnung aufzugeben, die Ufer des Ganges mit ihren Bananenbäumen und Palmen zu sehen; ich bin jetzt 42 Jahre alt und wünsche eine Expedition zu unternehmen, welche 7–8 Jahre dauert; aber um die Aequinoctialgegenden Asiens zu opfern, ist es nötig, daß der Plan, den man mir vorzeichnen wird, ausgedehnt und breit sei. Der Kaukasus zieht mich weniger an, als der Baikalsee und die Vulkane der Halbinsel Kamtschatka. Kann man nach Kabul, Samarkand und Kaschmir eindringen?“ Napoleons Russland-Feldzug 1812 machte die Weiterverfolgung solcher Pläne hinfällig.

Eine neue vielversprechende Möglichkeit auf der Linie von Alexanders Primärinteressen eröffnete sich 1817/18, als sein Bruder Wilhelm preußischer Gesandter in London war. Bei mehreren England-Aufenthalten erreichte Alexander die Unterstützung des Prinzregenten (des späteren Georg IV.) und George Canning für seine Pläne, dazu eine Finanzierungszusage Friedrich Wilhelms III. in gewünschter Größenordnung. Mehr als zweijährige intensive Vorbereitungen schlossen sich an diese Zusagen an, ehe auch dieses Projekt scheiterte, vermutlich an Widerständen innerhalb der Britischen Ostindien-Kompanie, in der Humboldts kritischer Blick auf koloniale Verhältnisse gefürchtet sein mochte.[34]

Aufarbeitung der Amerikareise

Unterdessen war das amerikanische Reisewerk weit über die ursprüngliche Konzeption hinaus angewachsen. Nach einem Prospekt vom Juni 1817[35] waren ursprünglich 8 Bände in Folio- und 11 Bände in Quartformat geplant; tatsächlich erschienen zwischen 1805 und 1834 10 Bände in Folio und 20 Bände in Quart, trotzdem blieb das Werk unvollendet.

Gegliedert werden sollte das Werk folgendermaßen:

  • Erster Teil:
Erste Abteilung: Relation historique du Voyage aux régions équinoctiales du Nouveau Continent [...] Paris 1814, 1819 und 1825: 4 Textbände in Quart (erschienen sind schließlich 3, die aber nur etwa ein Drittel der Reiseroute behandeln!) und 3 Atlasbände in Folio
Zweite Abteilung: Vue des Cordillères oder Atlas pittoresque, 2 Bände in Folio
  • Zweiter Teil: Zoologie et Anatomie comparée. 2 Bände in Quart
  • Dritter Teil: Essai politique de la Nouvelle-Espagne. 2 Bände in Quart und 1 Atlasband in Folio
  • Vierter Teil: Astronomie, ou Recueil d’Observations astronomiques, d’Opérations trigonométriques et de Mesures barométriques faites pendant le cours du voyage. 2 Bände in Quart
  • Fünfter Teil: Physique générale. enthaltend Traité sur les climats, la Géographie des Plantes et les Observations magnétiques, 1 Band in Quart
  • Sechster Teil (Botanique):
Erste Abteilung: Plantes équinoxiales. 2 Bände in Folio.
Zweite Abteilung:  1. Les Melastomes, 1 Band in Folio.  2. Les Rexia, 1 Band in Folio.

Neben einer bedeutenden Anzahl Gelehrter der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, die Humboldt inhaltlich zuarbeiteten, waren an die 50 Spezialisten mit bildlichen Darstellungen (davon allein 1452 Kupferstiche) beschäftigt, darunter Maler, Zeichner, Kartographen und Schriftkünstler. Was seinen Qualitätsansprüchen nicht genügte, ließ Humboldt auf eigene Kosten neu fertigen, darunter bereits vollendete Kupferplatten, fertige Textdrucke bis hin zu einem ganzen Band.

Rückkehr nach Berlin

Gedenktafel im Haus Unter den Linden 6 in Berlin-Mitte zu Humboldts Vorlesungen 1827/28

1827 schließlich, da sich die Vorarbeiten für die Gesamtpublikation dem Ende neigten, entfiel aus Berliner Sicht der Grund für den Daueraufenthalt Humboldts in Paris: Der König beorderte seinen Kammerherrn nach Berlin zurück. 1829 ernannte er ihn zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Prädikat Exzellenz.[36]

Daheim wurde er sogleich zum Motor und Kristallisationskern einer aufstrebenden Wissenschaftsszene. Seine an der Universität begonnenen Vorlesungen im Rahmen eines sehr weit gefassten geographischen Horizonts waren so stark besucht und nachgefragt, dass er sie alsbald in dem tausend Zuhörer fassenden Haus der Sing-Akademie als freie Vorträge fortsetzte. Unter seinen Hörern war hier vom König bis zum Handwerker ein breites gesellschaftliches Spektrum vertreten, Damenbeteiligung inklusive. Wie in seinen 20 Jahre zuvor erschienenen Ansichten der Natur gelang es ihm, sein deutsches Publikum in allgemeinverständlicher, bildreicher Sprache zu faszinieren und das Interesse für erdkundliche und naturwissenschaftliche Fragen anzufachen. Ähnliche Ausstrahlung auf anderer Ebene entwickelte Humboldt als Organisator und Präsident des hochkarätig zusammengesetzten Naturforscherkongresses 1828 in Berlin, der unter anderem mit seinem Tagungsmodus in Fachabteilungen für künftige derartige Veranstaltungen Maßstäbe setzte.

Russlandexpedition (1829)

Nicht lange nach seiner Rückkehr aus Paris, für das er auch künftig pro Jahr einen viermonatigen Aufenthalt bewilligt bekam, und zur Zeit seiner glänzenden Erfolge als Kommunikator der Naturforschung in Berlin ergriff Humboldt die Chance, doch noch zu seiner östlichen Forschungsreise zu kommen. Ausgangspunkt war eine Bitte des russischen Finanzministers Georg Cancrin, Humboldt möge zur geplanten Einführung einer Platin-Währung in Russland Stellung nehmen, die dann trotz Humboldts Warnung tatsächlich bis zu ihrem Scheitern 1845 verwirklicht wurde. Cancrin war aber auch an dem Geognosten (= Geologen) und Bergbauexperten Humboldt interessiert und stellte ihm eine Forschungsreise zum Ural und darüber hinaus in Aussicht, um Aufschlüsse über ausbeutbare Minenvorkommen zu erhalten.

Obwohl er hier Interessen der russischen Regierung zu berücksichtigen haben würde und sich der Charakter dieser Expedition schon dadurch wesentlich von der amerikanischen unterscheiden musste, bei der Humboldt gänzlich frei hatte disponieren können, zögerte er nicht lange. Die Beziehungen zwischen den gekrönten Häuptern Preußens und Russlands waren gerade besser denn je, und auf eigene Mittel für eine solche Unternehmung konnte Alexander von Humboldt nicht mehr rechnen. In diese Expedition sollte sein 60. Geburtstag fallen; er war also etwa doppelt so alt wie zu Beginn der Amerika-Reise.

Zu Begleitern, die für ihre Fachdisziplin auch jeweils die wissenschaftliche Auswertung der Expedition vornehmen sollten, wählte er den Mediziner, Zoologen und Botaniker Christian Gottfried Ehrenberg und den Chemiker und Mineralogen Gustav Rose. So konnte Humboldt sich vorwiegend geomagnetischen und astronomischen Beobachtungen widmen und die physische Geographie im Überblick studieren.

Am Anfang der Forschungsreise stand ein dreiwöchiger Aufenthalt bei Hofe in St. Petersburg, wo Humboldt die Zarin unter anderem mit Vorhersagen über zu erwartende – und noch während der Reise tatsächlich eingetretene – Diamantfunde im Ural fesselte. Die Fortbewegung im Gelände vom 20. Mai 1829 an fand in drei gefederten Wagen statt, die von 16 Pferden gezogen wurden. Mit von der Partie waren hier – in deutlichem Kontrast zu den drei amerikanischen Erkundungsreisen – ein Koch und Humboldts Diener Seifert.

Die abgesprochene Expeditionsroute sollte über Moskau, Kasan und Perm zunächst Jekaterinburg am Ural erreichen; auf einer nördlichen Schleife sollten hier nähere Untersuchungen stattfinden, die zu einer reichhaltigen geologischen Materialsammlung führten. Tobolsk an der Einmündung des Tobol in den Irtysch hätte nach den Vorfestlegungen der östliche Umkehrpunkt der Expedition werden sollen. Humboldt wollte aber weiter zum Altai-Gebirge und zur chinesischen Grenze. Er ließ Cancrin wissen, dass die Expedition der Zeitplanung weit voraus sei, und stellte ihn mit einer beträchtlichen Ausweitung der Reiseroute hier – und dann später noch einmal beim Vorstoß die Wolga entlang zum Kaspischen Meer – vor vollendete Tatsachen. Humboldts inoffizieller Kommentar zu der lästigen Überwachungspraxis lautete: „Kein Schritt, ohne dass man ganz wie ein Kranker unter der Achsel geführt wird“. Seine Eigenmächtigkeit wurde gleichwohl vom zaristischen Regime hingenommen.

Tatsächlicher Umkehrpunkt der Reise wurde daher nach Inspektion der Silbergruben im Altai und Kontaktaufnahme mit chinesischen Grenzposten der Ort Baty. Der Rückweg führte von Semipalatinsk über Omsk und Miask nach Orenburg am südlichen Ausgang des Ural-Gebirges und – nach dem zweiten programmwidrigen Abstecher – von Astrachan über Woronesch und Moskau zurück nach St. Petersburg, das am 13. November 1829 erreicht wurde.

Während eines knappen halben Jahres hatten die Forschungsreisenden mehr als 15.000 Kilometer zurückgelegt, gezogen von über 12.000 Pferden. Zar Nikolaus I. und sein Finanzminister hatten Humboldt in diskreter Kenntnis seiner unterdessen prekären Finanzsituation für die Expedition mit 20.000 Rubeln großzügig ausgestattet, ohne dass er darüber hätte Rechenschaft ablegen sollen. Gleichwohl hat Humboldt das gute Drittel dieser Mittel, das nicht verbraucht worden war, zurückgegeben. Seine Anregung, das Geld für weitere Forschungsunternehmen zu verwenden, wurde dann auch befolgt. In die gleiche Richtung zielte der die Expeditionserfahrungen zusammenfassende Vortrag Humboldts am 28. November 1829 vor der russischen Wirtschaftselite in Gegenwart des Königs und anderer Honoratioren, in dem er unter anderem appellierte: „Ein Land, das sich über mehr als 135 Längengrade erstreckt, von der fruchtbaren Zone der Olivenbäume bis zu den Landstrichen, wo der Boden nur noch mit flechtenartigen Pflanzen bedeckt ist, kann mehr als jedes andere das Studium der Atmosphäre, die Erkenntnisse über die durchschnittliche Jahrestemperatur und, was noch wichtiger für den Zyklus der Vegetation ist, das Studium der Verteilung der Jahreswärme auf die verschiedenen Jahreszeiten vorantreiben. […] Wenn die variierenden Isothermen oder Linien gleicher Wärme auf Grund präziser Beobachtungen aufgezeichnet werden und dies mindestens fünf Jahre lang im europäischen Russland und in Sibirien fortgeführt wird, wenn sie verlängert werden bis zu den westlichen Küsten Amerikas […], dann wird die Wissenschaft von der Verteilung der Wärme auf der Erdoberfläche und in den Schichten, die unserer Forschung zugänglich sind, auf soliden Grundlagen basieren.“

Tatsächlich ließ die russische Regierung in der Folge ein Netz von Messstationen anlegen, die unter anderem Luftdruck, Temperatur, Windrichtung und Niederschlagsmengen erfassten. Die so ermittelten Daten dienten Humboldt dann wiederum als empirische Grundlage für die einschlägigen Betrachtungen in seinem 1843 erschienenen Werk über Zentralasien.

Gratwanderer zwischen Hofdienst und Wissenschaftsbetrieb (1830–1859)

Alexander von Humboldt,
Gemälde von H. W. Pickersgill (1831)

Die Rückkehr von der russischen Expedition nach Berlin dürfte Alexander von Humboldt erneut nicht leichtgefallen sein. Das Lebenswerk als reisender Feldforscher lag nun hinter ihm; vor ihm die Perspektive, neben seiner wissenschaftlichen Arbeit die höfische Gesellschaft, die Tafel des Königs mit seinen Kenntnissen und Anekdoten geistvoll unterhalten zu sollen. Als aufklärerischer Liberaler stieß er in solcher Gesellschaft auf mancherlei politisch und religiös bedingte Anfeindung und Engstirnigkeit, die ihm ungeachtet seiner stets gewahrten Contenance und rhetorischen Brillanz schwer erträglich waren. Jahrzehntelang hatte der königliche Kammerherr diese Lage in Paris meiden können. 1822 hatte er dem Bruder sogar von Plänen geschrieben, seine späten Jahre in einem dann republikanisch gewordenen Mexiko als Leiter eines transamerikanischen Forschungsinstituts zu gestalten. Nun war dies alles hinfällig; Alexander von Humboldt musste sich mit Berlin abfinden, was ihm noch schwerer fiel, als 1835 der ihm doch wohl am nächsten stehende Bruder Wilhelm starb. Bei Hofe beruhte Alexanders Stellung allein darauf, dass er die Gunst seiner Könige besaß. Seine politischen Ansichten wurden zwar auch von ihnen belächelt (immerhin erreichte Humboldt noch, dass auf preußischem Boden jeglicher Sklavenstatus erlosch), seine Leistungen und sein Renommee als Vorzeigewissenschaftler aber hochgeschätzt.

Humboldt machte aus seiner Lage weiterhin das Beste – unterdessen bereits für die nachfolgenden Generationen –, indem er nicht nur seine wissenschaftliche und publizistische Arbeit fortsetzte, sondern aufgrund seines enorm verzweigten Beziehungsgeflechts weit über Preußen und Deutschland hinaus zum wichtigsten Koordinator wissenschaftlichen Mäzenatentums und der Förderung von Nachwuchsforschern wurde; so unterstützte er zum Beispiel den Forscher Hermann Burmeister auf dessen Südamerika-Reisen finanziell. Für diese Funktion war die Nähe des Königs von ausschlaggebender Bedeutung. 1827 ernannte Friedrich Wilhelm III. Alexander von Humboldt zum Präsidenten einer Kommission zur Prüfung der Unterstützungsgesuche von Gelehrten und Künstlern. Als Friedrich Wilhelm IV. 1842 den Orden „Pour le mérite“ für Wissenschaften und Künste stiftete, machte er Humboldt zu dessen Kanzler und folgte bei der Berufung der 30 deutschen und 25 ausländischen Mitglieder zumeist seinen Vorschlägen. Und so zeigte sich Humboldts fördernder Einfluss im Großen wie im Kleinen; es konnte den Anschein haben, als bekleide er das Amt eines „europäischen Kultusministers“ (Hanno Beck).

Nicht nur 1807/08, sondern insgesamt achtmal bis 1848 wurde Alexander von Humboldt von seinen Königen auch zu diplomatischen Missionen herangezogen und wäre, wenn er denn gewollt und sich dadurch nicht von seinen selbstgesetzten Zielen abgelenkt gesehen hätte, schon 1815 preußischer Botschafter in Paris geworden. Sein bekannt weltmännisches und verbindliches Auftreten, seine Sprachmächtigkeit und fesselnde Erzählkunst ließen ihn rasch zum Mittelpunkt jeder Gesellschaft werden, in die er sich begab. Sein Wissenshorizont und die Fähigkeit, ihn zu vermitteln, müssen in höchstem Maße faszinierend gewesen sein, wenn Goethe seinem Herzog schrieb: „Man könnte in 8 Tagen nicht aus Büchern herauslesen, was er einem in einer Stunde vorträgt.“ Dass er das Instrument seiner Schlagfertigkeit, seines phänomenalen Gedächtnisses und einer unverwüstlichen Frische (Werner Rübe) nicht nur in blendenden Komplimenten spielen ließ, sondern teilweise über dieselben Personen anderwärts deftig-ironisch oder sarkastisch-abschätzig urteilte, wird nur befremdlich finden, wer seine politisch und menschlich prekäre Situation bei Hofe außer Acht lässt. Nicht etwa, dass er Selbstmitleid kultiviert hätte; aber Anflüge von Bitterkeit über das Los seiner späten Jahre hat er dann und wann eben doch erkennen lassen.

Daguerreotypie von Alexander von Humboldt aus dem Jahr 1847

Im Januar 1848 – also kurz vor Ausbruch der Pariser Februarrevolution – kehrte Humboldt von seiner letzten diplomatischen Mission aus Paris nach Berlin zurück. Hier wurde er Zeuge der Berliner Märzrevolution und in sie involviert. Am 21. März, nach den Barrikadenkämpfen und dem Ritt Friedrich Wilhelms IV. mit einer schwarz-rot-goldenen Armbinde durch die Stadt, war es nach dem König und einigen Ministern, deren Ansprachen blass blieben, Alexander von Humboldt, den das Volk auf dem Balkon des Schlosses zu sehen wünschte. Humboldt erschien, hielt aber keine Rede, sondern verbeugte sich nur stumm. Am Folgetag reihte sich der bald Achtzigjährige in den Zug ein, der die 183 zivilen Opfer vom Gendarmenmarkt am Schloss vorbei zum Friedhof der Märzgefallenen geleitete. Die im Krieger-Denkmal im Invalidenpark bestatteten Soldaten ehrte er als die, „die für das Gesetz, die Ordnung und die Civilisation gefallen sind.“[37]

Ein reichliches Jahrzehnt später erlebte Berlin einen anderen Tag wirklicher Volkstrauer. Am 10. Mai 1859 fand im Berliner Dom ein Gottesdienst für den vier Tage zuvor verstorbenen Alexander von Humboldt statt, der seit dem 24. Januar 1856 Ehrenbürger von Berlin gewesen war. Die Menge, die dem Leichenzug von Humboldts letzter Wohnstätte in der Oranienburger Straße 67 zum Dom folgte, war nach zeitgenössischen Berichten nur mit der zu vergleichen, die die Märzgefallenen begleitet hatte. Nach der Feier im Dom fand die Überführung des Sarges in den Park von Schloss Tegel statt, wo Alexander von Humboldt am Folgetag im Familiengrab beigesetzt wurde. Der Philologe August Böckh dürfte in seiner Akademie-Gedenkrede das Bewusstsein breiter gesellschaftlicher Schichten artikuliert haben: „Es ist ein glänzendes Gestirn im Reich des Geistes für diese Welt erloschen.“ Sein Grab ist als Ehrengrab der Stadt Berlin gestaltet.

Kosmos – die Lebenssumme

Die enorme Popularität, die Alexander von Humboldt über den Tod hinaus auszeichnete, lag nicht zuletzt in dem Werk begründet, dem er sich seit 1834 und in den ihm dann bleibenden zweieinhalb Jahrzehnten gewidmet hat: einer Gesamtschau der wissenschaftlichen Welterforschung, die 1845–1862 unter dem Titel Kosmos in fünf Bänden erschienen ist. Damit gelang es ihm, die Vision zu verwirklichen, die ihm von Beginn seiner Naturforscher-Tätigkeit an vorschwebte und als Richtschnur seines Handelns alle wichtigen Entscheidungssituationen bestimmte. An Varnhagen von Ense, der ihn bei der sprachlichen Gestaltung beraten sollte, schrieb er 1834: „Ich habe den tollen Einfall, die ganze materielle Welt, alles, was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsräume und des Erdenlebens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Granitfelsen wissen, alles in einem Werke darzustellen, und in einem Werke, das zugleich in lebendiger Sprache anregt und das Gemüt ergötzt.“

Gedenktafel an Humboldts letztem Wohnhaus in Berlin
Dem „Grossmeister der Naturwissenschaften“
Handschrift A. v. Humboldts als Erwiderung auf die Widmung des Werkes Die gesammten Naturwissenschaften

Er hatte allerdings für dieses Projekt einen so komplexen und ausgiebigen Anlauf genommen, dass z. B. der ältere Bruder Wilhelm zwar bereits früh viel von seinen Fähigkeiten hielt, über lange Zeit aber nicht viel auf seinen Forschungsansatz gab: „Man kommt der Natur darum nicht näher, wenn man aus der zivilisierten Welt herausgeht.“ Er ließ sich aber durch Alexander eines Besseren belehren und war schließlich seinerseits äußerst beeindruckt von dessen Vorträgen in der Singakademie, denen Wilhelm mit seiner Familie beiwohnte. Der Titel Kosmos für Alexanders Bilanzierungsvorhaben entsprang dem gemeinsamen Nachdenken beider. In der komplementären Breite ihres Wirkens ohnehin, hier aber auch in innerer Übereinstimmung haben sie „das Jahrhundert brüderlich in den Arm genommen“ (Rübe).

Längst vor dem Bruder hatte Alexander bei Begegnungen in Jena und Weimar Goethe für seine Forschungsmethode gewonnen. Der schrieb ihm 1795: „Da Ihre Beobachtungen vom Element, die meinigen aber von der Gestalt ausgehen, so können wir nicht genug eilen, uns in der Mitte zu begegnen.“ Diesen Impuls hat der 20 Jahre Jüngere aufgenommen und im Kosmos schließlich glänzend zur Geltung gebracht: „Die Natur ist für die denkende Betrachtung Einheit in der Vielheit, Verbindung des Mannigfaltigen in Form und Mischung, Inbegriff der Naturdinge und Naturkräfte, als ein lebendiges Ganze. Das wichtigste Resultat des sinnigen physischen Forschens ist daher dieses: in der Mannigfaltigkeit die Einheit zu erkennen, von dem Individuellen alles zu umfassen, was die Entdeckungen der letzteren Zeitalter uns darbieten, die Einzelheiten prüfend zu sondern und doch nicht ihrer Masse zu unterliegen, der erhabenen Bestimmung des Menschen eingedenk, den Geist der Natur zu ergreifen, welcher unter der Decke der Erscheinungen verhüllt liegt. Auf diesem Wege reicht unser Bestreben über die enge Sinnenwelt hinaus, und es kann uns gelingen, die Natur begreifend, den rohen Stoff empirischer Anschauung gleichsam durch Ideen zu beherrschen.“ Die wissenschaftliche Naturforschung wird hier zusammengeführt mit dem Denken Goethes und des Bruders Wilhelm. Zugleich wird der Vorstellungshorizont der deutschen Klassik auf ein empirisches Fundament verwiesen: „Aus unvollständigen Beobachtungen und noch unvollständigeren Inductionen entstehen irrige Ansichten von dem Wesen der Naturkräfte, Ansichten, die, durch bedeutsame Sprachformen gleichsam verkörpert und erstarrt, sich, wie ein Gemeingut der Phantasie, durch alle Klassen der Nation verbreiten. Neben der wissenschaftlichen Physik bildet sich dann eine andere, ein System ungeprüfter, zum Theil gänzlich mißverstandener Erfahrungskenntnisse. Wenige Einzelheiten umfassend ist diese Art der Empirik um so anmaßender, als sie keine der Thatsachen kennt, von denen sie erschüttert wird. Sie ist in sich abgeschlossen, unveränderlich in ihren Axiomen, anmaßend wie alles Beschränkte; während die wissenschaftliche Naturkunde, untersuchend und darum zweifelnd, das fest Ergründete von dem bloß Wahrscheinlichen trennt, und sich täglich durch Erweiterung und Berichtigung ihrer Ansichten vervollkommnet.“

Das letzte Porträt von Alexander von Humboldt von Julius Schrader (1859). Im Hintergrund der Chimborazo.

Damit sind die methodischen Grundpfeiler des Humboldtschen Forscherlebens wie seines Spätwerkes Kosmos erfasst, das mit einer damaligen Gesamtauflage von 87.000 Exemplaren auch als Bestseller Epoche machte. Manche der Einsichten, zu denen Alexander von Humboldt in seinem Spätwerk gelangt ist, gelten fort: „Wissen und Erkennen sind die Freude und die Berechtigung der Menschheit; sie sind Theile des Nationalreichthums, oft ein Ersatz für die Güter, welche die Natur in allzu kärglichem Maaße ausgetheilt hat. Diejenigen Völker, welche an der allgemeinen industriellen Thätigkeit, in Anwendung der Mechanik und technischen Chemie, in sorgfältiger Auswahl und Bearbeitung natürlicher Stoffe zurückstehen, bei denen die Achtung einer solchen Thätigkeit nicht alle Classen durchdringt, werden unausbleiblich von ihrem Wohlstande herabsinken. Sie werden es um so mehr, wenn benachbarte Staaten, in denen Wissenschaft und industrielle Künste in regem Wechselverkehr mit einander stehen, wie in erneuerter Jugendkraft vorwärts schreiten.“

Obwohl der Verkaufserfolg und die Rezeption des Werkes seine außerordentliche Popularität belegen, ist das Werk wegen seiner schwierigen Textgestaltung nur bedingt als populäres Werk anzusehen. „Der Text wies alle idealtypischen Merkmale der Wissenschaftsprosa auf: lange und oft fremdsprachige Zitate, Forschungsdiskussionen, Anmerkungen, etymologische Exkurse, eine große Menge von Daten und Zahlen und historische Einschübe bestimmen das Gesamtbild.“ Nachdem das Werk vorlag, erschienen ausgehend von diesem eine Vielzahl kürzerer popularisierender naturhistorischer Schriften, die oft den Begriff Kosmos im Titel trugen. Alexander von Humboldt selbst trug sich zeitweise mit dem Gedanken – vor allem aus finanziellen Gründen –, eine Kurzfassung als Microkosmos zu verfassen.[38]

Weltwissenschaftler

Alexander von Humboldts Denken war in einem umfassenden Sinn auf die Welt im Ganzen gerichtet. Dabei unterscheidet der Humboldt-Forscher Ottmar Ette drei wesentliche Bedeutungsebenen, nämlich die auf das Weltall bezogene kosmische, dazu eine planetarische, die u. a. den Welthandel einschließt, sowie eine philosophisch-abstrakte Dimension, die etwa als Weltanschauung begegnet.[39] Humboldts Forscherinteresse und Wissenschaftskonzeption waren nicht allein auf die jeweiligen Gegenstände gerichtet, sondern wurden zur kosmopolitischen Wissenschaft aufgrund ihrer ethischen Fundierung und der an den Interessen der gesamten Menschheit ausgerichteten politischen Verantwortlichkeit.[40] Wissenschaftliche Interessen und die des Literaten gingen bei Humboldt nach eigenem Bekunden Hand in Hand. „Ästhetik“, so Ette, „ist für Humboldt keine bloße Zierde oder schöne Dreingabe, sondern ein eigenes spezifisches Verknüpfungswissen, das alles mit allem zu verbinden vermag.“[41]

Als Forscher setzte Humboldt auf weltweite Vernetzung und förderte sie nach Kräften durch eigene Korrespondenz und als Organisator von Begegnung und Ergebnisaustausch unter Wissenschaftlern. Seine vielfältigen Leistungen und Wirkungsbereiche trugen ihm höchste Anerkennung in aller Welt ein:

„In Frankreich, wo er jahrzehntelang an seinem Reisewerk arbeitete, erwarb er sich den Ruf, ‚der größte Gelehrte des Jahrhunderts‘ und ‚der Aristoteles der Moderne‘ zu sein; in Mexiko, wo er durch seinen Essai politique sur le Royaume de la Nouvelle-Espagne stark auf das nationale Selbstverständnis und die Unabhängigkeit von Spanien einwirkte, wurde er (als einziger Ausländer) kurz nach seinem Tod, im Juli 1859, von Benito Juárez zum ‚Benemérito de la Patria‘ erklärt; und in Deutschland, wo er schon bald nach seiner Rückkehr als ‚zweiter Entdecker Amerikas‘ gefeiert wurde, verehrte man in ihm die wissenschaftliche Autorität seiner Zeit.“[42]

Allerdings waren Wertschätzung und Rezeption Alexander von Humboldts in Deutschland schon zu Lebzeiten und so bis heute teils eingeschränkt, teils verzerrt. Neben der langzeitigen „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschen und Franzosen haben dazu auch Volksausgaben der Schriften Humboldts beigetragen, die von den jeweiligen Kompilatoren sehr frei und mitunter sinnwidrig bearbeitet worden waren.[43]

Forschungshorizont

Zu den Wissenschaftsbereichen, zu denen Alexander von Humboldt Grundlegendes beigetragen hat, zählt Ette Anatomie, Altertumswissenschaft, Botanik, Geologie, Geschichtswissenschaft, Mathematik, Philologie, Astronomie und Zoologie. Zu den stark von Humboldt beeinflussten Persönlichkeiten, so Andrea Wulf, gehört Charles Darwin, der sich zur Vorbereitung seiner Beagle-Expedition auch in Humboldts Reiseberichte aus den Tropen einarbeitete.[44] An Darwins Reise-Tagebüchern wurde eine große Ähnlichkeit sowohl der Art der Naturbetrachtung als auch der schriftstellerischen Ausführung bemerkt.[45] Bezeichnend für Humboldts Forschungsansatz, heißt es bei Ette, sei disziplinenübergreifendes Querdenken und auf das Ganze gerichtetes Zusammendenken, das sich keineswegs im Messen und in der Datenerhebung zu statistischen Zwecken verloren habe.[46]

„Die Horizonte seines Denkens waren offen – so offen wie nur selten in der Geschichte des abendländischen Denkens. Wissenschaft und Bildung sollten keine Bildungsbrocken aufhäufen: Wirkliche Bildung zielte für Alexander von Humboldt vielmehr auf eine Kernkompetenz: die Fähigkeit zum Zusammendenken. Sie bildet die entscheidende Grundlage eines Zusammenlebens in wechselseitiger Achtung der Differenz. Nicht nur in der Natur ist für Humboldt alles Wechselwirkung.“[47]

Sein die Natur- und Geisteswissenschaften sowohl in ihren jeweiligen Forschungsmethoden respektierender als auch gezielt untereinander vernetzender Ansatz dürfte wohl am ehesten geeignet sein, wissenschaftlichem Arbeiten jene Problemlösungskompetenz und jenes öffentliche Gehör zu erschließen, ohne die es oft fruchtlos bleibt. Humboldts Kosmos erwuchs nicht zuletzt aus dem ständigen direkten und persönlichen Austausch über die Grenzen der Disziplinen hinweg und ermöglichte ihm die Einbeziehung spezialisierter Wissensbestände gerade auch solcher Fachrichtungen, deren Erkenntnisse ihm wichtig waren, obwohl er sie selbst nicht vertieft betreiben konnte. Bei aller Komplexität und ganzheitlichen Orientierung seines Forschens blieb Humboldt sich jedoch der Lückenhaftigkeit und Vorläufigkeit auch der eigenen Ergebnisse bewusst. So schreibt er im zweiten Band des Kosmos:

„Durch den Glanz neuer Entdeckungen angeregt, mit Hoffnungen genährt, deren Täuschung oft spät erst eintritt, wähnt sich jedes Zeitalter dem Culminationspunkt im Erkennen und Verstehen der Natur nahe gelangt zu sein. […] Belebender und der großen Idee von der Bestimmung unseres Geschlechtes angemessener ist die Überzeugung, daß der eroberte Besitz nur ein sehr unbeträchtlicher Theil von dem ist, was bei fortschreitender Thätigkeit und gemeinsamer Ausbildung die freie Menschheit in den kommenden Jahren erringen wird. Jedes Erforschte ist nur eine Stufe zu etwas Höherem in dem verhängnißvollen Laufe der Dinge.“[48]

Vernetzungsprinzip

Humboldts Siegel auf einem Brief

„Wenn unser Jetztzeitalter das Netzzeitalter ist“, schreibt Ette, „dann ist Alexander von Humboldt gewiß dessen wissenschaftlicher Vordenker.“[49] Während der Zwanzigjährige sich noch als „Fremdling zwischen den Wissenschaften“ gesehen hatte,[50] wurde er nach seiner Rückkehr von der Amerikareise zum unermüdlichen Kommunikator von Wechselbezügen zwischen den Disziplinen. Mehr als 30.000 Briefe Alexander von Humboldts zeugen davon, dass er weltweit wissenschaftliche Korrespondenzen unterhielt, die einerseits Zugang zu den jeweiligen regionalen Wissensbeständen und Forschungsergebnissen verschafften und die andererseits dazu dienten, das Spezialwissen einzelner Wissenschaftsbereiche zu sammeln und zu den Fragehorizonten der vielfältigen eigenen Forschung in Beziehung zu setzen.[51]

Humboldts Publikationen zeigen, dass dieser aus vielen Quellen gespeiste Forschungsprozess auch dazu beitrug, einmal entwickelte Sichtweisen zu überprüfen und ggf. zu korrigieren: „Auf diese Weise entsteht ein offenes, neue Untersuchungsergebnisse und Einsichten möglichst rasch einbeziehendes Forschungs- und Diskussionsklima, in dem Wissen nicht als statischer Besitz eines einzelnen, sondern als dynamischer Prozess einer Gemeinschaft verstanden wird. Die Vielzahl unterschiedlicher Perspektivierungen und Ansichten der dargestellten Gegenstände wird ständig durch neue Einsichten angereichert, die durch eigene Untersuchungen oder durch die Forschungen anderer erzielt wurden.“[52]

Zu zeitgenössischen Sichtweisen, in denen die Kulturen der amerikanischen Völker als primitiv herabgewürdigt wurden, entwickelte Alexander von Humboldt ein nuanciertes Gegenbild. Zwar diente neuhumanistisch-zeittypisch auch ihm die antike griechische Kultur als maßstäbliches, unerreichbares Vorbild, doch gelang es ihm nach Ette, „das für eine bestimmte Region Spezifische herauszuarbeiten und mit Prozessen in Verbindung zu bringen, die für die ganze Menschheit von Bedeutung sind. […] Die kulturvergleichende Perspektivik Humboldts ist transareal, das Verständnis der Kulturen selbst aber interkulturell geprägt.“[53]

Alexander von Humboldts Fähigkeit zum vernetzenden Denken und Forschen hat in seinem Schrifttum zu mancherlei überraschenden Vergleichen geführt, zu einer von Außenstehenden mitunter kritisierten „Vergleichswut“. So hat er beispielsweise Landwirtschaft und Bevölkerungsentwicklung Kubas zu den entsprechenden, aber ganz anderen Bedingungen unterliegenden Daten der Mark Brandenburg in Beziehung gesetzt, um daraus Schlussfolgerungen abzuleiten. Doch auch in so scheinbar willkürlichen Vergleichen liegt für Ette nicht ein bloßer Überschuss der Methode weltweiter Bezugnahmen, sondern ein rhetorisch-literarisches Mittel:

„Der kühne Vergleich zielt auf die Aktivierung der Leserschaft und beabsichtigt, diese selbst zum ständig vergleichenden Denken zu provozieren. Das Fremde soll durch die Kategorien des Eigenen bewusst verfremdet, das Eigene durch jenes Fremde so verändert werden, daß ein Art Außenblick auf das Eigene entsteht. Eigenes und Fremdes sind nicht klar voneinander geschieden: Alles ist vielmehr mit allem verbunden.“[54]

Lebenswerk als offenes Buch

Charakteristisch für Humboldts Forschen und Schreiben ist, dass es an kein Ende gelangt. Vom Reisebericht der amerikanischen Forschungsreise, der nur etwa ein Drittel des gesamten Reiseverlaufs erfasst, über die Ansichten der Natur, deren geplanter zweiter Band nicht erschien, die Relation historique und die Asie centrale bis hin zum Kosmos hat Humboldt keines seiner Hauptwerke abgeschlossen. Mitunter hat man das nicht nur bedauert, sondern ihm angekreidet, hat aber übergeordnete Gesichtspunkte Humboldts dabei außer Acht gelassen: Das Kosmos-Projekt war früh und blieb immer das angestrebte Ziel und die ausstehende Summe aller seiner Forschungsaktivitäten und wissenschaftlichen Kontakte. Manches musste er dafür liegen lassen oder abbrechen, vieles anderen übertragen. Dass er mit dem Kosmos jenseits der beiden ersten Bände, die bereits den Umriss des Ganzen enthielten, nicht fertig wurde, hat die innere Logik für sich, dass der Autor sich der prinzipiellen Unabschließbarkeit wissenschaftlichen Erkenntniszuwachses nur zu bewusst war.

„Über mehr als sieben Jahrzehnte des Büchermachens entstand ein ebenso dichtes wie mobiles Netzwerk an wechselseitigen intratextuellen Bezügen, innerhalb dessen jedem Buch eine je eigene Position, zugleich aber auch eine jeweils spezifische ‚Machart‘, ein nicht selten experimentelles Verfertigtsein zukommt. Dieser über mehrere Generationen von Wissenschaftlern hinweg entstandene Gesamttext bildet gewiß so etwas wie eine intellektuelle Biographie Humboldts, zugleich aber – und vor allem – eine in stetiger Bewegung befindliche Gesamtheit, die nicht durch eine homogene Struktur, sondern vielmehr durch eine fraktale Strukturierung zusammengehalten wird. In jedem ‚Bruchstück‘ leuchtet die Gesamtheit auf.“[55]

Zu stilistischen Merkmalen und Absichten seines Schreibens hat Alexander von Humboldt sich gegenüber Varnhagen von Ense selbst geäußert:

„Die Hauptgebrechen meines Stils sind eine unglückliche Neigung zu allzu dichterischen Formen, eine lange Partizipial-Konstruktion und ein zu großes Konzentriren vielfacher Ansichten, Gefühle in Einen Periodenbau. Ich glaube, daß diese meiner Individualität anhangenden Radikal-Übel durch eine daneben bestehende ernste Einfachheit und Verallgemeinerung (ein Schweben über der Beobachtung, wenn ich eitel so sagen dürfte) gemindert werden. Ein Buch von der Natur muß den Eindruck wie die Natur selbst hervorbringen. Worauf ich aber besonders in meinen Ansichten der Natur geachtet, […] ich habe gesucht, immer wahr beschreibend, bezeichnend, selbst scientifisch wahr zu sein, ohne in die dürren Regionen des Wissens zu gelangen.“[56]

Das Fragmentarisch-Vorläufige seiner Forschung, die Nichtrealisierung weiterer Vorhaben und die Unabschließbarkeit der eigenen Schriften hat Humboldt selbst lebhaft empfunden und in einem wohl zwischen Genugtuung und Melancholie schwebenden Statement zur Sprache gebracht:

„Dies ist das Schicksal des Menschen: Man erreicht das Ende des eigenen Lebens und vergleicht, nicht ohne Traurigkeit, das Wenige, das man hervorgebracht hat, mit all jenem, was man hätte unternehmen wollen, um das Reich der Wissenschaften zu erweitern.“[57]

Vordenker einer globalisierten Wissenschaft

Denkmal vor dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität in Berlin

Das aktuelle Orientierungspotential, das von Alexander von Humboldts Art zu forschen im Zeitalter eines beschleunigten Wandels der Ökonomie, der Ökosysteme und der Gesellschaften sowie einer durchgreifenden Globalisierung ausgeht, ist ebenso vielfältig wie bedeutsam. Für „auch heute noch längst nicht abgegolten“ hält Ette die alle Einzelwissenschaften querende Wissenschaftskonzeption Alexander von Humboldts. Dessen von ständigen Bewegungen zwischen den Kontinenten und Kulturen, Sprachen und Spezialisierungen geprägter Wissenschaftsansatz sei vorbildlich geeignet zu einer Überwindung unfruchtbarer Abschließungstendenzen etwa zwischen Spezial- und Grundlagenforschung.[58]

Das von Humboldt weltweit vorangetriebene Netzwerk korrespondierender Wissenschaftler und die Schnelligkeit der Umsetzung eingeholter Informationen in Humboldts Schriften zeugten von der Effektivität dieses Forschungskonzepts. „Humboldt selbst überspielt dabei die raschen Veränderungen seines (veröffentlichten) Wissenstands keineswegs, sondern unterstreicht vielmehr den Charakter seines Buches als eines ‚work in progress‘, das den jeweils aktuellsten Forschung- und Reflexionsstand wiederzugeben versucht. […] Die wiederholte Betonung, ja geradezu Inszenierung der Vorläufigkeit und Unabgeschlossenheit aller Forschungsergebnisse ist bei Humboldt zweifellos ein Zeichen intellektueller Redlichkeit. Darüber hinaus aber ist sie nicht zufälliger, sondern programmatischer Natur. Humboldt gibt seiner Leserschaft Einblicke in die Entstehung von Wissensbeständen, liefert gleichsam Momentaufnahmen wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse […].“[59]

Popularisierung bzw. Demokratisierung wissenschaftlicher Erkenntnisweisen gehörten demnach gleichfalls zu den von Humboldt in seinen Schriften verfolgten Zielen. Neben vielfältiger Differenzierung bei der Untersuchung von Multiparametersystemen wie Klima oder Gebirgsbildung war Humboldt auf der Darstellungsebene stets bemüht, „komplexe Zusammenhänge möglichst einfach und in ihren Grundzügen überschaubar und nachvollziehbar zu machen – auch dies eine Vorgehensweise, an der die aktuelle Wissenschaftspraxis noch manches zu lernen hätte“.[60]

Zu den Themen Schriften und Literatur siehe auch

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens 2009, S. 13.
  2. Bernd-Ulrich Hergemöller: Alexander von Humboldt in Mann für Mann. Ein Biographisches Lexikon, Frankfurt am Main 2001.
  3. Während des Aufenthalts in England traf Humboldt mit Sir Joseph Banks, President of the Royal Society, welcher mit Captain Cook reiste, zusammen. Banks präsentierte Humboldt seine umfangreiche Pflanzensammlung, mit vor allem Arten aus dem Südpazifik (M. Nicolson: Alexander von Humboldt and the Geography of Vegetation. In: A. Cunningham, N. Jardine (Hrsg.): Romanticism and the Sciences. Cambridge University Press, 1990, S. xvi) Diese wissenschaftlich-orientierte Freundschaft hielt bis zum Tode von Banks im Jahre 1820 an. Neben dem Austausch von gesammelten Pflanzenproben bestand ein umfangreicher Briefwechsel.
  4. In London traf er 1791 auch den aus Göttinger stammenden Arzt und Chemiker Christoph Girtanner. Girtanner machte Humboldt auf die dominierende Rolle der Naturwissenschaften in Frankreich aufmerksam, insbesondere auch auf Antoine Laurent de Lavoisiers antiphlogistische neue Chemie.
  5.  Wilhelm Kießling: „Alexander von Humboldt – Ein Gast in unserer Stadt“. Arzber/Oberfranken: Stadt Arzber 1999.
  6.  Ursula Klein: „The Prussian Mining Officer Alexander von Humboldt“. In: Annals of Science. 69, Nr. 1, 2012.
  7.  Humboldt an Karl Freiesleben: Jugendbriefe. Bayreuth 20. Oktober 1794.
  8. Über seine Zeit in Goldkronach äußerte sich Alexander von Humboldt in einem Brief an seinen Vertrauten Karl Freiesleben überschwänglich: „... mit dem Bergbau geht es überhaupt jetzt schnell hier vorwärts. In Goldkronach besonders bin ich glücklicher, als ich je wagen durfte zu glauben.“ ( Humboldt an Karl Freiesleben: Jugendbriefe, S. 532 f.. Bayreuth 18. Oktober 1796.) Der im Jahr 2008 gegründete Verein „Alexander von Humboldt-Kulturforum Schloss Goldkronach e. V.“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, an Leben und Werk Alexander von Humboldts vornehmlich in Franken zu erinnern. In einer Ausstellung, die auch über die Internetseite humboldt-kulturforum.de abgerufen werden kann, werden ausführliche Informationen über das Universalgenie dargestellt.
  9.  Humboldt an König Friedrich Wilhelm II. von Preußen: Jugendbriefe. Bayreuth 26. März 1795.
  10. Humboldts offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Humb.“.
  11. Kurt-Reinhard Biermann: Alexander von Humboldt. 3. Auflage. Leipzig 1983, S. 23.
  12. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Die biologischen Forschungen Alexander von Humboldts. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 22–23.
  13. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 29.
  14. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 39.
  15. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 50.
  16. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 51–52.
  17. Kurt-Reinhard Biermann: Alexander von Humboldt. 3. Auflage. Leipzig 1983, S. 29.
  18. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 65–66.
  19. In diesen Zusammenhang gehört auch seine philosophische Allegorie Die Lebenskraft, oder der rhodische Genius, 1795 für Friedrich Schillers Zeitschrift Die Horen verfasst.
  20. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 69–70.
  21. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 71.
  22. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 52.
  23. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 71–72.
  24. Ilse Jahn: Dem Leben auf der Spur. Urania Verlag, Leipzig 1969, S. 117–119.
  25. Alexander von Humboldt: Durch das tropische Südamerika (1926) Leipzig
  26. Andrea Wulf: Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. C. Bertelsmann, München 2016, S. 79.
  27. Naturforschung – mit Muße oder Mühe? von Maria-Theresia Leuker, 2016.
  28. Humboldt besuchte Mutis im Juli des Jahres 1801 in Santa Fe de Bogotá während seiner Amerikaexpedition. Bartolomé Ribas Ozonas: José Celestino Mutis, amistad y colaboración con A. v. Humboldt. S. 151–172, online in analesranf.com.
  29. s. a. Wo ist Carlos Montúfar? von Daniel Kehlmann
  30. Franz Tichy: Die Mexiko-Reise Alexander von Humboldts 1803–1804. In: José Manuel López de Abiada, Titus Heydenreich (Hrsg.): Iberoamérica – Homenaje a Gustav Siebenmann. Wilhelm Fink, München 1983, ISBN 3-7705-2154-4, Bd, 2, S. 963–988.
  31. In diese Zeit fällt auch der erste briefliche Kontakt Humboldts zu Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Beider Korrespondenz kann zwischen 1805 und 1854 belegt werden. Der von seiner Amerika-Reise zurückgekehrte Humboldt war von Schellings Versuch angezogen, eine Naturphilosophie zu schaffen.
  32. Karl Heinrich Panhorst: Simón Bolívar und Alexander von Humboldt. Ibero-amerikanisches Archiv Vol. 4, No. 1 (1930), S.  35–47.
  33. Charles Minguet: Las relaciones entre Alexander von Humboldt y Simón de Bolívar. In: Alberto Filippi (Hrsg.): Bolívar y Europa en las crónicas, el pensamiento político y la historiografía. Ediciones de la Presidencia de la República, Caracas 1986, Band 1, S. 743–754.
  34. Andrea Wulf: Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. C. Bertelsmann, München 2016, S. 211/212, 216, 221, 222, 227.
  35. Sammlung W. D. Grün
  36. Biermann, Jahn, Lange 1983, S. 49.
  37. In einem Beitrag zum Album des Denkmals, siehe Friedrich Wilhelm Varchmin: Vor zwanzig Jahren. Selbstverlag des Verfassers, Eisenach 1868, S. 213.
  38. Andreas Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. 2. Auflage. München 2002, S. 273–286.
  39. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 193.
  40. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 18.
  41. Ottmar Ette: Unterwegs in allen Kulturen. Altamerikanistik bis Zoologie: Was der „Nomade“ Alexander von Humboldt mit seinen Reisen bewegt hat. In: Der Tagesspiegel, 25. September 2015, S. 28.
  42. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 260.
  43. Ette spannt einen Bogen der Missdeutungen vom Verdikt Friedrich Schillers (zit. n. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 305: „Über Alexandern habe ich noch kein rechtes Urtheil; ich fürchte aber, trotz aller seiner Talente und seiner rastlosen Thätigkeit wird er in seiner Wissenschaft nie etwas Großes leisten. […] Es ist der nackte, schneidende Verstand, der die Natur, die immer unfaßlich und in allen ihren Punkten ehrwürdig und unergründlich ist, schamlos ausgemessen haben will und mit einer Frechheit die ich nicht begreife, seine Formeln, die oft nur leere Formeln und immer nur enge Begriffe sind, zu ihrem Maßstab macht. Kurz, mir scheint er für seinen Gegenstand ein viel zu grobes Organ, und dabei ein viel zu beschränkter Verstandesmensch zu sein.“) bis zur jüngsten Romansatire Daniel Kehlmanns (Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 305: „Die Vermessung der Welt lässt sich aus der rezeptionsgeschichtlichen Perspektive verstehen als das Ergebnis einer intensiven Kannibalisierung von Wissenschaft: Der Roman hat sich eine kleine Bibliothek nicht nur von Humboldt-Verschnitten, sondern auch von älterer Literatur über Humboldt einverleibt, sorgsam nach erzählerisch Verwertbarem durchforstet.“ Zu befürchten stehe, „dass manche der Stereotype, die man doch schon längst verbraucht wähnte, nun wieder fröhlich in der Öffentlichkeit zirkulieren werden.“) Angesichts dessen ruft Ette dazu auf, sich den neuerdings in seriösen deutschsprachigen Ausgaben vorliegenden Originalschriften Alexander von Humboldts zuzuwenden. (Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens 2009, S. 317)
  44. Andrea Wulf: Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. München 2016, S. 274–295.
  45. Andrea Wulf: Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. München 2016, S. 285. Eine persönliche Begegnung zwischen Darwin und Humboldt am 29. Januar 1842 in London verlief jedoch für Darwin enttäuschend wegen Humboldts sehr monologisierender Art der Kommunikation. (Ebenda, S. 303–304)
  46. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 16 ff.
  47. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 32.
  48. A. von Humboldt: Kosmos (1845–1862), Band 2, S. 398 f.; zit. n. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 248 f.
  49. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 16.
  50. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 28.
  51. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 19.
  52. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 250 f.
  53. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 218 f.
  54. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 153 f.
  55. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 405 f.
  56. Zit. n. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 377.
  57. Asie centrale, Band II, S. 439 f.; zit. n. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 327.
  58. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 359f. Ette wendet sich hier gegen Hans Blumenbergs Einschätzung, der die gesamte Wissenschaftskonzeption Alexander von Humboldts als „Anachronismus“ deutet und dabei auf dessen Einsamkeit nach Goethes Tod verweist. (Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt am Main 1986, S. 296; zit. n. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 375)
  59. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 252.
  60. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung: Das Mobile des Wissens, 2009, S. 360.


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Alexander von Humboldt aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.