Satire: Unterschied zwischen den Versionen

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* ein einzelnes künstlerisches ''Werk'', das von der satirischen Schreibweise Gebrauch macht oder der Gattung angehört.
* ein einzelnes künstlerisches ''Werk'', das von der satirischen Schreibweise Gebrauch macht oder der Gattung angehört.
Als ''Realsatire'' bezeichnet man einen Vorgang, der bereits bei neutraler, objektiver Beobachtung oder Beschreibung satirisch wirkt.
Als ''Realsatire'' bezeichnet man einen Vorgang, der bereits bei neutraler, objektiver Beobachtung oder Beschreibung satirisch wirkt.
== Satire in der Gegenwartsliteratur ==
Die Satire in Buchform hat eine lange Geschichte und blickt auf eine lange Reihe von Werken zurück, die bis in die Gegenwart reicht. Durch die Postmoderne und die stärker werdende Dominanz von Film und Fernsehen wird die "reine" Satire in Buchform zwar seltener, wird aber immer noch von Liebhabern des Fachs wegen ihrer großen Kritikmöglichkeiten gepflegt und weiterentwickelt:
* [[Er ist wieder da]] ([[Timur Vermes]])
* Das Gummibärchenorakel ([[Dietmar Bittrich]])
* Drehn sie sich um, Frau Lot ([[Ephraim Kishon]])


== Satire und Justiz ==
== Satire und Justiz ==

Version vom 24. August 2017, 11:26 Uhr

Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typisches Stilmittel der Satire ist die Übertreibung. In der älteren Bedeutung des Begriffs war Satire lediglich eine Spottdichtung, die Zustände in sprachlich überspitzter und verspottender Form thematisiert. Historische Bezeichnungen sind auch Spottschrift, Stachelschrift und Pasquill (gegen Personen gerichtete satirische Schmähschrift).

Das Wort Satire entstammt dem lateinischen satira, das wiederum aus satura lanx hervorgeht und ‚mit Früchten gefüllte Schale‘ bedeutet. Im übertragenen Sinn lässt es sich mit ‚bunt gemischtes Allerlei‘ übersetzen. In früherer Zeit wurde Satire fälschlicherweise auf Satyr zurückgeführt, daher die ältere Schreibweise Satyra.[1]

Satirische Zeichnung von 1806 zeigt Napoleon als Bäcker seiner Verbündeten und Talleyrand, der bereits neuen Teig knetet.
Andere Rollenverteilung 1814, Napoleon wird von Blücher und Woronzeff in den „Backofen der Verbündeten“ geschoben.

Varianten

Unter Satire kann man Folgendes verstehen:

  1. Menippeische Satire (Menippos)
  2. Verssatire (fragmentarisch bereits bei Ennius, Lucilius eigentlicher Schöpfer)
  3. Ständesatire (Mittelalter)
  4. Narrenliteratur (Renaissance)
  5. Pikaresker Roman (Barock)
  6. Literatursatire (Romantik)
  7. Philistersatire oder Spießbürgersatire (Romantik)
  8. Gelehrtensatire
  9. gesellschaftskritische und politische Satire (19. und 20. Jahrhundert)
  • ein einzelnes künstlerisches Werk, das von der satirischen Schreibweise Gebrauch macht oder der Gattung angehört.

Als Realsatire bezeichnet man einen Vorgang, der bereits bei neutraler, objektiver Beobachtung oder Beschreibung satirisch wirkt.

Satire und Justiz

Datei:Simplicissimus Titel.jpg
Kopfzeile der Satirezeitschrift Simplicissimus von 1906

Die Geschichte der rechtlichen Einschränkung von Satire ist bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Geschichte der Zensur.

Seit 1854 existiert in Deutschland ein Presserecht, das im Prinzip die Pressefreiheit garantiert. Immer wieder wurde es durch gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt, zum Beispiel

Diese betraf vor allem die Satirezeitschriften, die ab der Einführung des Presserechts wie Pilze aus dem Boden schossen. Jede ihrer Ausgaben wurde von der Staatsanwaltschaft auf Rechtsverstöße überprüft; Prozesse waren an der Tagesordnung. Üblich war bei den Zeitschriften deshalb ein Sitzredakteur, der im Falle einer Anklage ins Gefängnis ging, damit die Redaktion weiterhin arbeitsfähig war.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde die kritische politische Satire ganz aus der Öffentlichkeit verbannt (siehe auch Presse im Nationalsozialismus). Mittel dazu waren unter anderem das Schriftleitergesetz (verabschiedet am 4. Oktober 1933, in Kraft getreten am 1. Januar 1934), „Schwarze Listen“; außerdem wurden politisch Andersdenkende verfolgt, unter Druck gesetzt (Drohungen, z. B. Androhung von Gewalt), verfolgt, kriminalisiert und ihrer Freiheit beraubt (durch Gefängnisstrafen oder indem sie außerhalb des normalen Rechtssystems in „Schutzhaft“ genommen wurden – siehe auch Konzentrationslager#1933 bis 1935). Nicht wenige wurden auch ermordet. Ein bekanntes Beispiel: Erich Mühsam (1878–1934), er veröffentlichte 1931 bis 1933 unter dem Pseudonym „Tobias“ politisch-satirische Beiträge für den Ulk (die Wochenbeilage des Berliner Tageblatts), wurde kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 von der SA verhaftet und am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg nach über 16-monatiger „Schutzhaft“ von SS-Männern ermordet.[2]

Situation in Westdeutschland 1949–1990 und im wiedervereinigten Deutschland

Satire wird in der Bundesrepublik Deutschland durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) geschützt. Diese konkurrieren allerdings mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), welches sichert, dass der Einzelne selbst darüber bestimmen darf, wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt.

Satire kann Kunst sein, ist es aber nicht notwendigerweise. Um durch die Kunstfreiheit geschützt zu sein, muss sie – rein rechtlich gesehen – eine schöpferische Gestaltung aufweisen, das heißt, als fiktive oder karikaturhafte Darstellung erkennbar sein. Ist diese nicht gegeben – oder wird sie vom Gericht nicht anerkannt –, greift das Persönlichkeitsrecht.

Vor Gericht müssen der Aussagekern einer Satire und seine künstlerische Einkleidung getrennt behandelt werden. Beide müssen darauf hin überprüft werden, ob sie das Persönlichkeitsrecht verletzen. Werden unwahre Aussagen nicht als fiktive oder karikaturhafte Darstellung erkennbar, ist die Meinungsfreiheit nicht geschützt; die Satire kann dann als „Schmähkritik“ und damit als üble Nachrede verstanden werden, bei der das Persönlichkeitsrecht greift. „Von einer Schmähkritik könne nur die Rede sein, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik persönlich herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll“, so ein Urteil des Bundesgerichtshofs.[3]

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts legte jüngst fest, dass auch satirische Fotomontagen dem Schutz der freien Meinungsäußerung und der Kunstfreiheit unterliegen[4] allerdings nur dann, wenn sie als fiktive oder karikaturhafte Darstellungen erkennbar sind.

Sowohl gegen Eulenspiegel, pardon wie gegen Titanic und den Nebelspalter wurden in der Vergangenheit zahlreiche Prozesse angestrengt. Besonders Titanic ist dafür bekannt, mit ihrer Satire rechtliche Spielräume auszureizen. Von 1979 bis 2001 wurden insgesamt 40 Gerichtsverfahren gegen Titanic angestrengt und 28 Ausgaben verboten; Schadenersatz­zahlungen und Gerichtskosten brachten das Heft teilweise an den Rand des Konkurses. Auch die taz und ihr prominentester satirischer Autor Wiglaf Droste mussten sich häufig vor Gericht verteidigen.[5]

Bei dem bis 2006 erschienenen Online-Satiremagazin ZYN! beschränkten sich die rechtlichen Schwierigkeiten auf marken- und namensrechtliche Probleme. Firmen wie Opel beispielsweise verwahrten sich gegen eine Nennung ihrer Marke in einer Parodie des Nachrichtenmagazins SPIEGEL (SPIGGL). Eine Parodie der Bild-Zeitung durch ein anderes Online-Satiremagazin führte hingegen zu einer Abmahnung.

Literatur

Allgemein:

  • Burkhard Meyer-Sickendiek: Art. „Satire“, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Band 8: Rhet-St, hg. v. Gert Ueding, Tübingen 2007, Sp. 447–469.

Satirische Schreibweise:

  • Michail Bachtin: Rabelais und seine Welt: Volkskultur als Gegenkultur. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-04708-6.

Antike:

  • Dietmar Korzeniewski (Hrsg.): Die römische Satire. Wege der Forschung. Bd 238. Wiss. Buchges., Darmstadt 1970.
  • Ulrich Knoche: Die römische Satire. Wissenschaftl. Ed.-Ges., Berlin 1949, Vandenhoeck Ruprecht, Goettingen 1982 (4. Aufl.), ISBN 3-525-25319-2.

Mittelalter:

  • Udo Kindermann: Satiren des Mittelalters. Lateinisch und deutsch. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013, ISBN 978-3-534-26275-5.
  • Udo Kindermann: Satyra. Die Theorie der Satire im Mittellateinischen. Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte. Carl-Verlag, Nürnberg 1978, ISBN 3-418-00058-4.
  • Hellmut Rosenfeld: Die Entwicklung der Ständesatire im Mittelalter. In: Zeitschrift für deutsche Philologie. Schmidt, Berlin 71.1951/52
  • Ulrich Gaier: Satire, Studien zu Neidhart, Wittenwiler, Brant und zur satirischen Schreibart. Niemeyer, Tübingen 1967, (ohne ISBN)
  • Peter Richter (Hrsg.): Parodie und Satire in der Literatur des Mittelalters. Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald 1989, ISBN 3-86006-008-2.

Humanismus und Renaissance:

  • Barbara Könneker: Satire im 16. Jahrhundert. Epoche – Werke – Wirkung. Beck, München 1991, ISBN 3-406-34760-6.
  • Georg Piltz (Hrsg.): Ein Sack voll Ablaß. Bildsatiren der Reformationszeit. Eulenspiegel, Berlin 1983, (ohne ISBN)

Barock:

  • Herbert Jaumann: Satire zwischen Moral, Recht und Kritik: zur Auseinandersetzung um die Legitimität der Satire im 17. Jahrhundert In: Simpliciana. Berlin/Bern/Wien 13.1991, 15, 27
  • Stefan Trappen: Grimmelshausen und die menippeische Satire: eine Studie zu den historischen Voraussetzungen der Prosasatire im Barock. Niemeyer, Tübingen 1994, ISBN 3-484-18132-X.

Aufklärung und Romantik:

1820–1945:

  • G. W. F. Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik. Band 2: Die Satire. Duncker & Humblot, Berlin 1835–1838. (Reclam, Stuttgart 1980, ISBN 3-15-007976-4)
  • Kurt Tucholsky: Was darf die Satire? In: Berliner Tageblatt. Mosse, Berlin 27. Januar 1919.
  • Hermann Haarmann: „Pleite glotzt euch an – restlos“. Satire in der Publizistik der Weimarer Republik, ein Handbuch. Westdt. Verlag, Wiesbaden 1999, ISBN 3-531-13295-4.
  • Ursula E. Koch: Der Teufel in Berlin. Von der Märzrevolution bis zu Bismarcks Entlassung; illustrierte politische Witzblätter einer Metropole 1848–1890. Leske, Köln 1991, ISBN 3-921490-38-3.
  • Burkhard Meyer-Sickendiek: Was ist literarischer Sarkasmus? Ein Beitrag zur deutsch-jüdischen Moderne. Fink Verlag, Paderborn/München 2009, ISBN 978-3-7705-4411-0.
  • Patrick Merziger: Nationalsozialistische Satire und 'Deutscher Humor'. Politische Bedeutung und Öffentlichkeit populärer Unterhaltung 1931–1945. Steiner, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-515-09355-2.

Nach 1945:

  • Helmut Arntzen (Hrsg.): Gegen-Zeitung. Deutsche Satire des 20. Jahrhunderts. Rothe, Heidelberg 1964.
  • Oliver Maria Schmitt: Die schärfsten Kritiker der Elche. Die Neue Frankfurter Schule in Wort und Strich und Bild. Fest, Berlin 2001, ISBN 3-8286-0109-X.
  • Frank Wilhelm: Literarische Satire in der SBZ, DDR 1945–1961. Autoren, institutionelle Rahmenbedingungen und kulturpolitische Leitlinien. Kovac, Hamburg 1998, ISBN 3-86064-709-1.
  • Sylvia Klötzer: Satire und Macht. Film, Zeitung, Kabarett in der DDR. Böhlau, Köln 2005, ISBN 3-412-15005-3.

Gegenwart:

  • Hans Peter Muster: Who’s who in satire and humour. Wiese, Basel 1989, ISBN 3-909158-50-1 (Verzeichnis von Cartoonisten, Karikaturisten, Presse-, Satire-, am Rande auch Comiczeichnern aus 32 Ländern)

Satire und Recht:

  • Mischa Senn, Satire und Persönlichkeitsschutz, Bern 1998
  • Elmar Erhardt: Kunstfreiheit und Strafrecht. Zur Problematik satirischer Ehrverletzungen. Decker, Heidelberg 1998, ISBN 3-7685-1389-0.
  • Sebastian Gärtner: Was die Satire darf. Eine Gesamtbetrachtung zu den rechtlichen Grenzen einer Kunstform. Duncker & Humblot, Berlin 2009, ISBN 978-3-428-12669-9.
  • Sabine Stuhlert: Die Behandlung der Parodie im Urheberrecht. Eine vergleichende Untersuchung von Parodien im Urheberrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten von Amerika. Verlag C.H Beck, München 2002, ISBN 3-406-49786-1.

Weblinks

 Wiktionary: Satire – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikiquote: Satire – Zitate

Einzelnachweise

  1. Siehe im Anhang unter Mittelalter Udo Kindermann 1978.
  2. www.stiftung-bg.de
  3. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1999, Az. VI ZR 51/99, Volltext.
  4. BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 2005, Az. 1 BvR 240/04, Volltext.
  5. Zahlreiche Prozesse skizziert folgender Artikel: Absolut geschmacklos. In: Der Spiegel. Nr. 37 vom 13. September 1999.


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