Physikalismus: Unterschied zwischen den Versionen

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Als '''Physikalismus''' wird die in der [[Philosophie]] und [[Wissenschaftstheorie]] heute häufig vertretene [[Monismus|monistische]] [[Metaphysik|metaphysisch]]e [[These]] bezeichnet, wonach das gesamte [[Welt]]geschehen, auch [[Leben]] und [[Bewusstsein]], auf rein [[physik]]alischen Prinzipien beruhe und aus diesen letztlich vollständig erklärbar sei. Zugleich ist der Physikalismus zwar nicht deckungsgleich, aber doch eng verschwistert mit dem [[Materialismus]]. Jegliche eigenständige [[seelisch]]e oder [[geist]]ige [[Wirklichkeit]] wird damit selbstverständlich in das Reich der [[Illusion]]en verwiesen und zu einem bloßen Epiphänomen des physikalisch-chemischen Geschehens erklärt.
Als '''Physikalismus''' wird die in der [[Philosophie]] und [[Wissenschaftstheorie]] heute häufig vertretene [[Monismus|monistische]] [[Metaphysik|metaphysisch]]e [[These]] bezeichnet, wonach das gesamte [[Welt]]geschehen, auch [[Leben]] und [[Bewusstsein]], auf rein [[physik]]alischen Prinzipien beruhe und aus diesen letztlich vollständig erklärbar sei. Zugleich ist der Physikalismus zwar nicht deckungsgleich, aber doch eng verschwistert mit dem [[Materialismus]]. Jegliche eigenständige [[seelisch]]e oder [[geist]]ige [[Wirklichkeit]] wird damit selbstverständlich in das Reich der [[Illusion]]en verwiesen und zu einem bloßen Epiphänomen des physikalisch-chemischen Geschehens erklärt. Der Begriff wurde in den 1930er Jahren vornehmlich durch [[Wikipedia:Otto Neurath|Otto Neurath]] und [[Wikipedia:Rudolf Carnap|Rudolf Carnap]] geprägt.<ref>[[Wikipedia:Otto Neurath|Otto Neurath]]: ''Radical Physicalism and the Real World.'' In: Otto Neurath: ''Philosophical Papers. 1913–1946'' (= ''Vienna Circle Collection.'' Bd. 16). Reidel, Dordrecht u. a. 1983, ISBN 90-277-1483-5, S. 100–114, {{doi|10.1007/978-94-009-6995-7_8}}. Otto Neurath: ''Sociology in the Framework of Physicalism.'' In: Otto Neurath: ''Philosophical Papers. 1913–1946'' (= ''Vienna Circle Collection.'' Bd. 16). Reidel, Dordrecht u. a. 1983, ISBN 90-277-1483-5, S. 58–90, {{doi|10.1007/978-94-009-6995-7_6}}.</ref>


In Konsequenz bedeutet das für ''sämtliche'' [[Naturwissenschaft]]en, dass grundsätzlich nur eine [[Reduktionismus|reduktionistisch]]-physikalistische Betrachtungsweise als wissenschaftlich vertretbar angesehen wird, die sich ausschließlich auf [[physisch]] konstatierbare [[Tatsache]]n und eine weitgehend [[Materialismus|materialistisch]]-[[mechanistisch]]e Erklärungsweise beschränkt. Dieser Ansatz ist allerdings gerade in der modernen [[Physik]], namentlich in der [[Wikipedia:Quantenphysik|Quantenphysik]], die die Grenzen des materialistisch-mechanistischen [[Weltbild]]es längst gesprengt hat, mehr als problematisch geworden. Darauf haben u.a. [[Hans-Peter Dürr]], [[Wikipedia:Daniel Dahm|Daniel Dahm]] und [[Wikipedia:Rudolf zur Lippe|Rudolf zur Lippe]] in ihrem [[Wikipedia:2005|2005]] veröffentlichten und vielbeachteten [[Potsdamer Manifest 2005]] nachdrücklich hingewiesen.
In Konsequenz bedeutet das für ''sämtliche'' [[Naturwissenschaft]]en, dass grundsätzlich nur eine [[Reduktionismus|reduktionistisch]]-physikalistische Betrachtungsweise als wissenschaftlich vertretbar angesehen wird, die sich ausschließlich auf [[physisch]] konstatierbare [[Tatsache]]n und eine weitgehend [[Materialismus|materialistisch]]-[[mechanistisch]]e Erklärungsweise beschränkt. Dieser Ansatz ist allerdings gerade in der modernen [[Physik]], namentlich in der [[Wikipedia:Quantenphysik|Quantenphysik]], die die Grenzen des materialistisch-mechanistischen [[Weltbild]]es längst gesprengt hat, mehr als problematisch geworden. Darauf haben u.a. [[Hans-Peter Dürr]], [[Wikipedia:Daniel Dahm|Daniel Dahm]] und [[Wikipedia:Rudolf zur Lippe|Rudolf zur Lippe]] in ihrem [[Wikipedia:2005|2005]] veröffentlichten und vielbeachteten [[Potsdamer Manifest 2005]] nachdrücklich hingewiesen.
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* [http://www.gcn.de/download/manifest_de.pdf Potsdamer Manifest 2005]
* [http://www.gcn.de/download/manifest_de.pdf Potsdamer Manifest 2005]
* [http://www.gcn.de/download/denkschrift_de.pdf Potsdamer Denkschrift 2005]
* [http://www.gcn.de/download/denkschrift_de.pdf Potsdamer Denkschrift 2005]
== Einzelnachweise ==
<references />


[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Wissenschaftstheorie]] [[Kategorie:Physik]]
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Wissenschaftstheorie]] [[Kategorie:Physik]]

Version vom 18. September 2017, 18:15 Uhr

Als Physikalismus wird die in der Philosophie und Wissenschaftstheorie heute häufig vertretene monistische metaphysische These bezeichnet, wonach das gesamte Weltgeschehen, auch Leben und Bewusstsein, auf rein physikalischen Prinzipien beruhe und aus diesen letztlich vollständig erklärbar sei. Zugleich ist der Physikalismus zwar nicht deckungsgleich, aber doch eng verschwistert mit dem Materialismus. Jegliche eigenständige seelische oder geistige Wirklichkeit wird damit selbstverständlich in das Reich der Illusionen verwiesen und zu einem bloßen Epiphänomen des physikalisch-chemischen Geschehens erklärt. Der Begriff wurde in den 1930er Jahren vornehmlich durch Otto Neurath und Rudolf Carnap geprägt.[1]

In Konsequenz bedeutet das für sämtliche Naturwissenschaften, dass grundsätzlich nur eine reduktionistisch-physikalistische Betrachtungsweise als wissenschaftlich vertretbar angesehen wird, die sich ausschließlich auf physisch konstatierbare Tatsachen und eine weitgehend materialistisch-mechanistische Erklärungsweise beschränkt. Dieser Ansatz ist allerdings gerade in der modernen Physik, namentlich in der Quantenphysik, die die Grenzen des materialistisch-mechanistischen Weltbildes längst gesprengt hat, mehr als problematisch geworden. Darauf haben u.a. Hans-Peter Dürr, Daniel Dahm und Rudolf zur Lippe in ihrem 2005 veröffentlichten und vielbeachteten Potsdamer Manifest 2005 nachdrücklich hingewiesen.

„Die Einsichten der modernen Physik, der ‚Quantenphysik’, legen eine Weltdeutung nahe, die grundsätzlich aus dem materialistisch-mechanischen Weltbild herausführt. Anstelle der bisher angenommenen Welt, einer mechanistischen, dinglichen (objektivierbaren), zeitlich determinierten ‚Realität’ entpuppt sich die eigentliche Wirklichkeit (eine Welt, die wirkt) im Grunde als ‚Potenzialität’, ein nicht-auftrennbares, immaterielles, zeitlich wesentlich indeterminiertes und genuin kreatives Beziehungsgefüge, das nur gewichtete Kann-Möglichkeiten, differenziertes Vermögen (Potenzial) für eine materiell-energetische Realisierung festlegt. Die im Grunde offene, kreative, immaterielle Allverbundenheit der Wirklichkeit, erlaubt die unbelebte und auch die belebte Welt als nur verschiedene – nämlich statisch stabile bzw. offene, statisch instabile, aber dynamisch stabilisierte – Artikulationen eines ‚prä-lebendigen’ Kosmos aufzufassen.“

Potsdamer Manifest 2005

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Otto Neurath: Radical Physicalism and the Real World. In: Otto Neurath: Philosophical Papers. 1913–1946 (= Vienna Circle Collection. Bd. 16). Reidel, Dordrecht u. a. 1983, ISBN 90-277-1483-5, S. 100–114, doi:10.1007/978-94-009-6995-7_8. Otto Neurath: Sociology in the Framework of Physicalism. In: Otto Neurath: Philosophical Papers. 1913–1946 (= Vienna Circle Collection. Bd. 16). Reidel, Dordrecht u. a. 1983, ISBN 90-277-1483-5, S. 58–90, doi:10.1007/978-94-009-6995-7_6.