Theologie und Privatoffenbarung: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Frankfurt Gutenberg-Denkmal Allegorie Theologie.jpg|mini|hochkant=1.2|Allegorie der Theologie, Frankfurt am Main, Gutenberg-Denkmal von Eduard Schmidt von der Launitz (1840) am Roßmarkt]]
[[Datei:Hildegard von Bingen.jpg|thumb|Die hl. [[Hildegard von Bingen]] bei der Niederschrift ihrer Visionen, Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des Liber Scivias.]]
Eine '''Privatoffenbarung''' ist die Bezeichnung der [[Wikipedia:römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] für eine [[Offenbarung]] [[Jesus von Nazaret|Christi]], [[Maria (Mutter Jesu)|Mariens]] oder eines [[Engel|Engels]] an einen Menschen als Privatperson, die als für die Gläubigen unverbindlich, wenn auch gegebenenfalls nicht ohne Bedeutung definiert wird.


'''Theologie''' ({{ELSalt|θεολογία}} ''theología'', von {{polytonisch|θεός}} ''theós'' ‚Gott‘ und {{ELSalt|λόγος}} ''[[lógos]]'' ‚[[Wort]], Rede, [[Vernunft]], Lehre‘) ist die „Lehre von [[Gott]]“ bzw. von den „[[Götter]]n“ im Allgemeinen.
== Kirchliche Anerkennung ==
In der [[Wikipedia:Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] kann eine Privatoffenbarung „anerkannt“ werden, aber dies bedeutet nur, dass ihrem Inhalt nach im Sinne eines ''nihil obstat'' nichts gefunden wurde, was der [[Wikipedia:Bibel|heiligen Schrift]], der [[Wikipedia:Tradition#Katholizismus|kirchlichen Tradition]] und dem [[Wikipedia:Kirchliches Lehramt|Lehramt]] der Kirche – nach katholischem Verständnis die drei Quellen der [[Wikipedia:Glaubenswahrheiten der katholischen Kirche|Glaubenswahrheit]] – im Widerspruch steht. Es wird also keine Aussage darüber getroffen, ob die jeweilige Privatoffenbarung tatsächlich übernatürlichen Ursprungs ist, dies bleibt vielmehr dem Glauben des Einzelnen überlassen.


== Übersicht über die Entwicklung des Theologie-Begriffs ==
Am 24.&nbsp;Februar 1978 legte die [[Wikipedia:Kongregation für die Glaubenslehre|vatikanische Glaubenskongregation]] Normen für die kirchliche Beurteilung von Privatoffenbarungen fest.<ref>[http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_19780225_norme-apparizioni_ge.html ''Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmasslicher Erscheinungen und Offenbarungen''] auf der Website des [[Wikipedia:Heiliger Stuhl|Heiligen Stuhls]]</ref>


Theologie, wörtlich die „Rede von Gott“, bezog sich in der [[Griechische Antike|griechischen Antike]] ursprünglich auf [[Mythologie|mythologische]] Erzählungen über die [[Polytheismus|polytheistische]] griechische [[Götter]]welt. [[Platon]] stellt dem gegenüber in seiner [[Politeia]] (379a) bereits die Frage nach der [[Wahrheit]] des [[Das Eine|Einen]] höchsten unvergänglichen [[Das Gute|Guten]] und sieht eine ''„mythenkritische Gottrede“'' als wichtig für den Aufbau des Staates an. Für [[Aristoteles]] schließlich bildet die Theologie als „erste Wissenschaft“ die Spitze der [[Theorie|theoretischen]] [[Wissenschaft]]en und wird zur [[Metaphysik]]. Im [[Wikipedia:2. Jahrhundert|2. Jahrhundert]] wurde der Begriff in diesem Sinn von den ersten [[christlich]]en [[Apologie|Apologeten]] aufgegriffen und als Werkzeug zur Konsolidierung und Verteidigung des christlichen [[Glaube]]ns gegen die [[Häresie|Häretiker]], ganz besonders gegen die [[Gnosis|Gnostiker]], verwendet, allerdings noch ohne umfassende Systematik. [[Augustinus von Hippo|Augustinus]] fasste die Theologie als ''„vernünftige Gottrede“'' auf. Erst in der [[hochmittelalter]]lichen [[Scholastik]] umfasst die Theologie systematisch das gesamte „Gebiet des heiligen Wissens“, d.h. die ganze christliche Lehre, gipfelnd in der umfangreichen [[Summa theologica]] des [[Thomas von Aquin]]. Der Mensch sei zwar auf Gott bezogen, doch dieser durch die [[Vernunft]] nur unvollkommen zu erfassen. Theologie sei daher in ihrem wesentlichen Kern eine „Glaubenswissenschaft”.
== Erscheinungen, Visionen, Botschaften ==
Von der Anzahl her gesehen finden die meisten neueren Privatoffenbarungen seit dem 18. Jahrhundert im Rahmen von [[Wikipedia:Marienerscheinung|Marienerscheinungen]] statt, z.&nbsp;B. in [[Wikipedia:Marienerscheinungen und Wallfahrt in Lourdes|Lourdes]], [[Wikipedia:La Salette|La Salette]], [[Wikipedia:Drei Geheimnisse von Fátima|Fatima]] oder bei [[Wikipedia:Maria von Agreda|Maria von Agreda]].


Im Zeitalter der [[Reformation]], vor allem in Anschluss an [[Martin Luther]], wendete sich die Theologie wieder mehr praktischen und weniger theoretischen Fragen zu. Von [[katholisch]]er Seite wurde die Lehre des Thomas von Aquin [[1879]] durch die [[Wikipedia:Enzyklika|Enzyklika]] ''[[Wikipedia:Aeterni Patris|Aeterni Patris]]'' von Papst [[Wikipedia:Leo XIII.|Leo XIII.]] zur verbindlichen Grundlage der theologischen Ausbildung erhoben und in diesem Sinn bis zum heutigen Tag wiederholt bestätigt.
Nicht marianische Privatoffenbarungen, bei denen häufig [[Engel]] oder nicht näher definierte Stimmen als den Seher begleitende oder die Schauungen erläuternde Protagonisten auftreten, die teilweise mit [[Jesus Christus]], dem [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] oder einem bestimmten [[Wikipedia:Heiliger|Heiligen]] identifiziert werden, finden sich in den Erlebnissen und Berichten vieler [[Mystiker]] und Visionäre wie [[Hildegard von Bingen]], [[Angela von Foligno]], [[Jeanne d’Arc]], [[Teresa von Ávila]], [[Anna Katharina Emmerick]] oder [[Therese Neumann]]. Da der theologische Begriff der ''Privatoffenbarung'' neueren Ursprungs ist und im Mittelalter begrifflich nicht zwischen „offizieller“ (kirchlicher bzw. biblischer) und „privater“ Offenbarung unterschieden wurde, werden solche älteren mystischen Berichte heute nur selten mit dem Begriff in Verbindung gebracht, obwohl sich die Erfahrungen nicht grundlegend zu unterscheiden scheinen. Sie fallen in der kirchlichen Bewertung ebenso unter diese Definition.


Theologie in diesem Sinn ist ein vorwiegend [[christlich]]es Phänomen und nimmt in anderen [[Religion]]en, auch in den anderen [[Weltreligion]]en, zumindest keine zentrale Stellung ein. Das [[Judentum]] bedarf keiner derartigen Theologie, auch nicht der [[Hinduismus]] oder [[Buddhismus]]. Nur im [[Islam]] gibt es neben den allerdings viel bedeutsameren islamischen Rechtswissenschaften [[Fiqh]] und [[Schari'a]] auch eine traditionelle, auf das theologischen Streitgespräch ([[Wikipedia:Kalām|Kalām]], {{arS|كلام}}) gegründet Theologie, die [[Wikipedia:Ilm al-Kalam|Ilm al-Kalam]] ({{ar|علم الكلام|w=Kalām-Wissenschaft}}).  
Gewisse Schwierigkeiten für die Frage der Verbindlichkeit des Glaubens an die Echtheit „privater“ Offenbarungen oder Botschaften ergeben sich dann, wenn die betreffenden Seher oder [[Medium (Person)|Medien]] von der Kirche durch [[Wikipedia:Heiligsprechung|Kanonisation]] bestätigt und zu [[Wikipedia:Kirchenlehrer|Kirchenlehrer]]n erhoben worden sind, womit die Überlieferungen zu solchen [[Wikipedia:Heiliger|Heiligen]] einen quasi „offiziellen“ Charakter erhalten. Der von Katholiken geforderte Glaube an die Richtigkeit der kirchlichen Entscheidung bezieht sich jedoch auf die grundlegende Beurteilung der Person und ihrer [[Heilig]]keit, nicht aber auf alle Einzelheiten ihrer mystischen oder übernatürlichen Erkenntnisse, [[Wunder]], privaten Lehren oder Botschaften.


Theologie, wie sie heute verstanden wird, gründet auf der historisch gegebenen [[Offenbarung]], die von Religionsstiftern und [[Propheten]] einstmals aus göttlicher [[Gnade]] empfangen wurde. Die [[Wikipedia:christliche Theologie|christliche Theologie]] baut auf dem [[Altes Testament|Alten Testament]] auf, das nach christlich-theologischer Deutung seinen Abschluss und seine Vollendung in dem durch [[Jesus Christus]] geoffenbarten [[Wort Gottes]], das im [[Neues Testament|Neuen Testament]] schriftlich festgehalten wurde.  Die Theologie rechnet mit Menschen, deren [[Bewusstsein]] die [[geistige Welt]] dauerhaft verschlossen bleibt, wie es für Menschen, die ihr Bewusstsein primär aus der [[Verstandes- oder Gemütsseele]] schöpfen, tatsächlich weitgehend der Fall ist. Mensch und Gott stehen einander gegenüber und zwischen ihnen liegt eine für das menschliche Bewusstsein unüberbrückbare Kluft. Nicht die [[Erkenntnis]], nur der [[Glaube]] kann diese Kluft überwinden: ''„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“'' {{Bibel|Joh|20|29|LUT}}. [[Privatoffenbarung]]en können zwar von der [[Römisch-katholische Kirche|Kirche]] „anerkannt“<ref>[http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_19780225_norme-apparizioni_ge.html ''Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmasslicher Erscheinungen und Offenbarungen'']</ref> werden, sind aber für die Gläubigen nicht verbindlich.
== Die Stellung der Anthroposophie aus römisch-katholischer Sicht und die Christengemeinschaft ==


{{GZ|Woher, so können Sie nun fragen, haben diese religiösen Lehrer
Aus römisch-katholischer Sicht handelt es sich bei der Geisteswissenschaft [[Rudolf Steiner]]s um Privatoffenbarungen. Dies stößt sich allerdings mit dem Wissenschaftsanspruch der [[Anthroposophie]]. So kann man hier von einer generellen Unvereinbarkeit beider - der römisch-katholischen und der anthroposophischen - Auffassungen sprechen. Hinzu kommt noch, dass kirchlicherseits erst mit einer Neuoffenbarung im Rahmen der [[Wiederkunft Christi]] gerechnet wird. Da diese allerdings aus anthroposophischer Perspektive bereits längst eingetreten ist, so kann u.a. auch die Anthroposophie als eine solche Neuoffenbarung gewertet werden.
ein Wissen von den Dingen gehabt, die hinter dem menschlichen Bewußtsein
liegen? Sie wissen ja aus den mancherlei Vorträgen und theosophischen
Mitteilungen, daß es eine Initiation gegeben hat, die sogenannte
Einweihung, und daß alle die großen Religionslehrer zuletzt
sich selber haben einweihen lassen müssen, das heißt, zuletzt haben
aufsteigen müssen zu einem gewissen okkulten Weg, oder daß sie sich
haben belehren lassen müssen von anderen Initiierten, welche zu dem
okkulten Wege aufgestiegen waren, also von solchen, welche nicht mit
ihrem Erdenbewußtsein das Göttliche ergriffen haben, sondern mit
dem Bewußtsein, das sich außerhalb des Erdenbewußtseins gestellt hat.
Daher kommen die alten Religionen. Alle Mitteilungen und Offenbarungen,
die die Völker in vorchristlichen Zeiten erhalten haben von
großen Menschheitslehrern, führen zuletzt zurück auf solche Stifter der
großen Religionen, welche Initiierte, welche Eingeweihte waren, welche
das, was sie der Menschheit mitteilten, in überphysischen Zuständen
erfahren hatten.


Und daher blieben auch die Verhältnisse des religiösen Menschen zu
Die Auffassung der [[Christengemeinschaft]] hierzu nimmt eine Sonderstellung ein.
seinem Gotte immer so, daß sich der Mensch seinen Gott als ein Wesen
außerhalb seiner Welt vorstellte, als ein jenseitiges Wesen, von dem
ihm eine Offenbarung nur durch besondere Mittel zukommen kann.
Wenn der Mensch sich nicht selber zur Initiation erhebt, so muß
dieses religiöse Verhältnis auch ein solches bleiben, daß der Mensch sich
hier auf der Erde stehend empfindet, so empfindet, daß er mit seinem
Bewußtsein die Gegenstände der Erde überschaut, und durch die Religionsstifter
etwas über die Dinge erfährt, welche außerhalb der Sinneswelt
und außerhalb der Welt des Verstandes, überhaupt außerhalb der
Welt des menschlichen Bewußtseins zunächst liegen. So war es mit
allen Religionen, und in gewisser Beziehung ist es auch mit den Religionen
bis auf den heutigen Tag so geblieben [...]


Damit ist das Verhältnis des religiösen Menschen zur geistigen Welt
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gekennzeichnet, und es ist dieses Verhältnis ein solches, daß es nicht anders
"In diesem Zusammenhang äußerte Michael Debus (Pfarrer der Christengemeinschaft) überraschend und zugespitzt die Auffassung, die Anthroposophie sei letztlich eine Privatoffenbarung Rudolf Steiners und habe keinen Anspruch auf öffentliche Bedeutung. Steiner habe auch für sich keine Autorität beansprucht. Interessanterweise wurde dem Referenten von keinem der anwesenden Anthroposophen widersprochen. In der anschließenden Diskussion versuchte Michael Debus noch einmal sein Verständnis von „Privatoffenbarung“ zu präzisieren, indem er im Gegenüber zur notwendigen kirchenamtlichen Approbation einer Privatoffenbarung in der katholischen Kirche klarstellte, dass nur der Einzelne selbst eine solche Privatoffenbarung anerkennen könne. Sie müsse deshalb nicht auch für den Nachbarn gelten. In eben diesem Sinne habe Rudolf Steiner keinen Glaubensanspruch in Bezug auf seine Offenbarungserkenntnisse erhoben."<ref>http://www.ekd.de/ezw/Publikationen_berichte_testamentsvollstreckung_des_christentums.php</ref>
gedacht werden kann als ein Gegenüberstehen von Mensch und
</div>
göttlicher Welt. Ob nun in dieser göttlichen Welt ein Pluralismus, eine
Vielheit von Wesenheiten gesehen wird oder eine Einheit, ob Polytheismus
oder Monotheismus gelehrt wird, das braucht uns bei dieser
Frage weniger zu berühren. Das Wichtigste ist, daß der Mensch
sich als Mensch gegenübergestellt findet der göttlichen Welt, die ihm
geoffenbart werden muß.


Dieses ist auch der Grund, warum die Theologie so sehr darauf
Auch die Schauungen und Visionen ("Zeitreisen") der [[Judith von Halle]] werden also katholischerseits als Privatoffenbarung angesehen. Dies gilt aber nicht für die Anthroposophie, insoweit sie sich als Erkenntniswissenschaft höherer Welten versteht.
hält, daß eigenes menschliches Wissen nicht einfließen soll in die religiösen
Vorstellungen. Denn sobald eigenes menschliches Wissen in die
religiösen Vorstellungen einfließt, ist es ein Wissen, das durch den
Menschen in überphysischen Zuständen errungen sein muß durch ein
Hinauf wachsen in die geistigen Welten. Es ist eine Art Eindringen in
die Gebiete, die die Theologie, nicht die Religion als solche, durchaus
ausschließen will von dem Einflüsse auf die religiösen Vorstellungen
der Menschheit. Daher wird auch von den Theologen so sorgfältig
gelehrt, daß es zwei Abwege gebe, welche die Theologie zu vermeiden
habe. Der eine Abweg sei der, wenn die Theologie ausartet in Theosophie,
weil dadurch der Mensch gleichsam hinaufwachsen will zu seinem
Gott, dem er aber nur als Mensch gegenüberstehen soll. Daß die
Theologie nicht ausarten dürfe in Theosophie, wird ja überall von den
Theologen gelehrt.


Die zweite Entartung, sagen die Theologen, sei die Mystik, wenn
== Einzelnachweise ==
sie auch manchmal selber kleine Ausflüge machen in theosophisches
<references />
oder mystisches Gebiet. So trennen wir recht gut alle bloß religiösen
Menschen wieder von den Mystikern, denn der Mystiker ist etwas
anderes als der bloß religiöse Mensch. Der religiöse Mensch ist dadurch
charakterisiert, daß er hier auf der Erde steht und ein Verhältnis zu
seinem außer seinem Bewußtsein liegenden Gotte bekommt.|137|68ff}}
 
{{GZ|Für die Theologen, die zu gleicher Zeit Philosophen sein wollen, die
also die Theologie philosophisch durchdringen wollen, entstand nun
und wird immer entstehen eine ganz besondere Schwierigkeit. Denn der
Theologe ist darauf angewiesen, nicht bloß die Dinge in der Welt zu
sehen, sondern sie in einer gewissen Beziehung zu dem göttlichen Urwesen
zu denken, und er kommt in Schwierigkeiten, wenn er die Begriffe
und Ideen, die er an den Dingen gewinnt und die den Inhalt der
einzigen ideellen Erkenntnis bilden - wenn man nicht zur Geisteswissenschaft
aufsteigt -, nicht selber in irgendeine Beziehung zur Gottheit
bringen kann, das heißt als Universalia ante rem, als Universalbegriffe
vor den Dingen denken kann.
 
Nun hängt mit dem, was ich gesagt habe, etwas sehr Bedeutsames
zusammen. Es wird immer Menschen geben, die im Begriff nichts sehen
können, was mit den Dingen etwas zu tun hat, die also in den Dingen
draußen eben nur das Materielle sehen, und auf der andern Seite solche,
die in den Begriffen etwas Reales sehen können, was mit den Dingen
selber etwas zu tun hat, was in den Dingen darin ist, und was der
menschliche Geist aus den Dingen wieder herauszieht, was der Menschengeist
aus Universalia in re zu Uni versahen post rem macht.
Diejenigen, welche anerkennen, daß die Begriffe eine Realität außerhalb
des menschlichen Geistes haben, nannte man im Mittelalter und
weiter herauf, namentlich in der katholischen Philosophie, Realisten.
Und die Anschauung, daß die Begriffe und Ideen eine reale Bedeutung
in der Welt haben, heißt Realismus. Die andere Anschauung, die davon
ausgeht, daß die Begriffe und Ideen nur im menschlichen Geiste gleichsam
als Worte fabriziert sind, heißt Nominalismus, und seine Vertreter
heißen Nominalisten.
 
Sie werden leicht einsehen, daß die Nominalisten eigentlich das Reale
nur in der Mannigfaltigkeit, in der Vielheit sehen können. Nur die Realisten
können in dem Zusammenfassenden, in dem Universellen auch
etwas Reales sehen. Und da kommen wir eben auf den Punkt, wo für
die philosophierenden Theologen eine besondere Schwierigkeit entstand.
Diese katholischen Theologen hatten das Dogma von der Trinität,
von Vater, Sohn und Geist, den drei Personen in der Gottheit, zu
verteidigen. Nach der Entwickelung der kirchlichen Theologie konnten
sie nicht anders, als sagen: die drei Personen sind individuelle, abgeschlossene
Wesenheiten, aber zugleich sollen sie eine Einheit sein!
Wären sie nun Nominalisten, so fiele ihnen die Gottheit immer in drei
Personen auseinander. Nur die Realisten konnten die drei Personen
noch unter einem Universal zusammendenken. Dazu mußte aber der
Universalbegriff eine Realität haben, dazu mußte man Realist sein.
Daher kamen die Realisten mit der Trinität besser durch als die Nominalisten,
die große Schwierigkeiten hatten, und die sich zuletzt, als die
Scholastik schon zu Ende ging und in Skeptizismus ausgeartet war, nur
dahinter verschanzen konnten, daß sie sagten: Verstehen kann man
nicht, wie die drei Personen eine Gottheit sein sollen; aber deshalb
gerade muß man es glauben, muß verzichten auf das Verständnis; so
etwas kann nur geoffenbart sein. Der menschliche Verstand kann nur
zum Nominalismus, er kann nicht zu irgendeinem Realismus führen.
Und im Grunde genommen ist es die Hume-Kantsche Lehre, die auf
dem Umwege durch den Phänomenalismus reiner Nominalismus geworden
ist.
 
Das Zentraldogma der Trinität, der drei göttlichen Personen, hing
also am Realismus oder Nominalismus, an der einen oder der andern
Auffassung des Wesens der Universalien. Sie werden daher begreifen,
daß, als die Kantsche Philosophie immer mehr die Philosophie der protestantischen
Kreise in Europa wurde, sich in den katholischen Kreisen
eine Reaktion geltend machte. Und diese Reaktion bestand darin, daß
man sich auf diesem Boden sagte, man müsse die alte Scholastik nun
wiederum genau durchnehmen, müsse ergründen, was eigentlich die
Scholastik gemeint habe. Kurz, man versuchte - weil man nicht auf
eine neue Art zu einer Anschauung der geistigen Welt gelangen konnte -,
die Scholastik zu rekonstruieren. Und eine reiche Literatur entstand,
die sich lediglich die Aufgabe stellte, den Menschen die Scholastik wiederum
zugänglich zu machen.
 
Natürlich lebte diese Literatur nur unter den studierten katholischen
Theologen, da aber in einem ausgebreiteten Maße. Und für diejenigen,
die sich für alles interessieren, was in der Geisteskultur der Menschheit
vor sich geht, ist es durchaus nicht nutzlos, ein wenig in die umfassende
Literatur hineinzuschauen, die da zutage getreten ist. Schon aus dem
Grund ist es nützlich, in diese neuscholastische Literatur hineinzuschauen,
weil man sich dabei einmal eine Vorstellung machen kann, wie
Schwarz und Weiß nebeneinander in der Welt leben kann - bitte, das
Wort hat jetzt keinen Beigeschmack! Die ganze Art des Denkens, die
ganze Art, die Welt anzuschauen, ist anders in der fortschreitenden
Strömung der Philosophie, die sich etwa an ''Kant, Fichte, Hegel'', oder
schon früher an ''Cartesius, Malebranche, Hume'', bis zu ''Mill'' und ''Spencer''
anschließt. Das ist eine ganz andere Gedankenforschung, das ist eine
ganz andere Art, über die Welt zu denken, als dasjenige, was hervorgetreten
ist zum Beispiel bei ''Gratry'' und bei den zahlreichen Neuscholastikern,
die überall geschrieben haben, in Frankreich, in Spanien, in
Italien, in Belgien, in England, in Deutschland; denn es existiert eben
eine reiche neuscholastische Literatur in allen Ländern. Und alle Orden
der katholischen Priesterschaft haben sich an den Diskussionen beteiligt.
Besonders rege wurde das Studium der Scholastik vom Jahre
1879 an, denn da erschien die Enzyklika «Aeterni patris» von Papst
''Leo XIII''. In dieser Enzyklika wurde den katholischen Theologen das
Studium des Thomas von Aquino geradezu zur Pflicht gemacht. Seit
jener Zeit ist eine reiche Literatur in Anlehnung an die Thomistik entstanden,
und die Philosophie des Thomas von Aquino wurde eingehend
studiert und interpretiert. Die ganze Strömung hatte aber schon früher
begonnen, so daß man heute Bibliotheken anfüllen kann mit dem, was
an sehr vielem Geistvollem in dieser Erneuerung des Thomismus entstanden
ist.|165|191ff}}
 
{{GZ|Es ist ja doch tief
bedeutsam, daß Nietzsches Freund, der wirklich bedeutende Basler
Theologe Overbeck sein Buch geschrieben hat über die Christlichkeit
der modernen Theologie, indem er den Nachweis zu erbringen suchte,
daß die moderne Theologie, auch die christliche Theologie, eben nicht
mehr christlich ist. So daß man sagen kann: Hier wurde auch schon von
äußerer Wissenschaft darauf aufmerksam gemacht, daß die moderne
christliche Theologie vom Christentum nichts versteht, nichts weiß.
Man sollte nur einmal gründlich erkennen, was alles zum Unchristlichen
gehört. Die moderne Theologie gehört jedenfalls nicht zum
Christlichen, sondern zum Unchristlichen.|207|184f}}
 
{{GZ|Dieser Christus-Impuls wird ja gerade am allermeisten bekämpft
von der heutigen Theologie, und es ist ja charakteristisch,
meine lieben Freunde, daß ein Theologe an der Basler Universität,
ein Kollege Nietzsches, Overbeck, als Theologe in den 70er Jahren
des 19. Jahrhunderts zum Nachdenken darüber gebracht worden
ist, ob denn überhaupt die heutige Theologie - da er als Professor
auch mitzureden hatte -, ob die überhaupt noch christlich ist. Und
in einem sehr geistreichen Buche, das einen sehr tiefen, wenn auch
nicht gerade erfreulichen Eindruck auf Nietzsche gemacht hat, hat
Overbeck nachgewiesen: Es mag ja vieles Christliche heute noch
geben in den Menschengemütern, aber ganz gewiß gibt es nichts
Christliches mehr in der Theologie drinnen; die ist jedenfalls unchristlich
geworden. - So möchte man zusammenfassen dasjenige,
was Overbeck dargestellt hat. Die Menschen sind sich dessen gar
nicht bewußt. Sie sind sich zum Beispiel gar nicht bewußt, daß ja
in einer solchen Schrift wie Harnacks «Wesen des Christentums»,
überall da, wo Christus oder Jesus steht, der Name weggestrichen
werden kann und einfach Jahve, Jehova hingeschrieben werden
kann, und der Sinn sich gar nicht besonders ändert. Denn diesen
Sinn faßt er besonders dahin, daß er sagt: In dieses Evangelium
gehört nicht der Sohn, sondern allein der Vater; dasjenige, was man
den Sohn nennt, ist nur die Lehre des Vaters. - Daß das Wesentliche
des Evangeliums die Botschaft von dem Sohn ist, das ist ja
das Christliche. Aber Harnack hat das nicht mehr; er ist kein
Christ mehr.|255b|366f}}
 
== Siehe auch ==
{{Portal|Christliche Theologie}}
* {{WikipediaDE|Kategorie:Theologie}}
* {{WikipediaDE|Theologie}}
* {{WikipediaDE|Christliche Theologie}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Wikipedia:Walter Kasper|Walter Kasper]] (Hrsg.): ''Lexikon für Theologie und Kirche'', 11 Bände, 3. Auflage, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 1993-2001, ISBN 978-3451220128
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der Mensch im Lichte von Okkultismus, Theosophie und Philosophie'', [[GA 137]] (1993), ISBN 3-7274-1371-9 {{Vorträge|137}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die geistige Vereinigung der Menschheit durch den Christus-Impuls'', [[GA 165]] (1981), ISBN 3-7274-1650-5 {{Vorträge|165}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Anthroposophie als Kosmosophie – Erster Teil'', [[GA 207]] (1990), ISBN 3-7274-2070-7 {{Vorträge|207}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Anthroposophie und ihre Gegner 1919 – 1921'', [[GA 255b]] (2003), ISBN 3-7274-2555-5 {{Geschichte|255b}}
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_grundriss11_religionsphilosophie.pdf Religionsphilosophie und philosophische Theologie] PDF


{{GA}}
* Ramon de Luca: ''Echt oder unecht? Die Unterscheidungskriterien der Kirche bei Privatoffenbarungen'', Verax-Verlag, Müstair/GR 1998, ISBN 3-909065-03-1.
* [[Wikipedia:Prosper Lambertini|Prosper Lambertini]]/[[Wikipedia:Benedikt XIV. (Papst) |Benedikt XIV.]]:''De beatificatione et canonizatione servorum Dei'', 1734-1738.
* R.P. Joannis Martinez de Ripalda: ''De ente supernaturali disputationes theologicae'', Ed. Parisiis 1871-1873, Tomus VII, (Disputatio VII: De Revelatione Privata).
* Card. Juan de Lugo: ''Disputationes scholasticae et morales'', Ed. Parisiis 1891-1894, Tomus I ''De virtude fidei divinae''
* Johannes B. Scaramelli: ''Regeln zur Unterscheidung der Geister'', Kral-Verlag, Abensberg 1974.
* Giovanni Battista Scaramelli: ''Wegbegleitung in der mystischen Erfahrung'', Echter-Verlag, Würzburg 2001, ISBN 3-429-02295-9.
* [[Wikipedia:Patrick Diemling|Patrick Diemling]]: Neuoffenbarungen. Religionswissenschaftliche Perspektiven auf Texte und Medien des 19. und 20. Jahrhunderts, Dissertation, Potsdam, Universitätsverlag 2012; ISBN 978-3-86956-209-4.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20000626_message-fatima_ge.html ''Öffentliche Offenbarung und Privatoffenbarungen - ihr theologischer Ort'', das erste Kapitel von Joseph Ratzingers theologischem Kommentar zur Botschaft von Fatima]
* [http://www.kirchenweb.at/schoenborn/kardinal/jahresreihe4/katechese402.htm  Katechese ''Offenbarung und Privatoffenbarung''] von Kardinal [[Wikipedia:Christoph Schönborn|Christoph Schönborn]]
* [http://josef-stocker.de/welt4.htm ''Visionen und Erscheinungen''] von Josef Stocker
* [http://www.theologisches.info/gesund2.htm Beispiel für die Beurteilung einer Privatoffenbarung] von Josef Stocker
* [http://maennerliga.schoenstatt.net/sm0106/marienerscheinungen_privatoffenbarungen.htm Marienerscheinungen und Privatoffenbarungen – Biblische und theologische Einordnung] auf der Internetpräsenz der Schönstatt-Männerliga


* [[Wikipedia:Lexikon für Theologie und Kirche|Lexikon für Theologie und Kirche]] ([[Wikipedia:LThK|LThK]])
[[Kategorie:Christentum]]
** Bd. {{0}}1: A bis Barcelona, 1993 [http://books.google.at/books?id=t3fYAAAAMAAJ]
[[Kategorie:Privatoffenbarung| ]]
** Bd. {{0}}2: Barclay bis Damodos, 1994 [http://books.google.at/books?id=kHjYAAAAMAAJ]
[[Kategorie:Theologie]]
** Bd. {{0}}3: Dämon bis Fragmentenstreit, 1995 [http://books.google.at/books?id=ennYAAAAMAAJ]
[[Kategorie:Katholische Theologie]]
** Bd. {{0}}4: Franca bis Hermenegild, 1995 [http://books.google.at/books?id=WHrYAAAAMAAJ]
** Bd. {{0}}5: Hermeneutik bis Kirchengemeinschaft, 1996 [http://books.google.at/books?id=UXvYAAAAMAAJ]
** Bd. {{0}}6: Kirchengeschichte bis Maximianus, 1997 [http://books.google.at/books?id=kHjYAAAAMAAJ]
** Bd. {{0}}7: Maximilian bis Pazzi, 1998 [http://books.google.at/books?id=Gn3YAAAAMAAJ]
** Bd. {{0}}8: Pearson bis Samuel, 1999 [http://books.google.at/books?id=_X3YAAAAMAAJ]
** Bd. {{0}}9: San bis Thomas, 2000 [http://books.google.at/books?id=3n7YAAAAMAAJ]
** Bd. 10: Thomaschristen bis Zytomyr, 2001 [http://books.google.at/books?id=63_YAAAAMAAJ]
** Bd. 11: Nachträge, Register, Abkürzungsverzeichnis, 2001 [http://books.google.at/books?id=54DYAAAAMAAJ]
** Bd. 12: Abkürzungsverzeichnis, 1993 [http://books.google.at/books?id=94DYAAAAMAAJ]
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/philosophie2f.html Projekt Katholische Religion] Website
 
== Einzelnachweise ==
<references/>


[[Kategorie:Christliche Theologie|!]]
[[Kategorie:Islamische Theologie|!]]
[[Kategorie:Jüdische Theologie|!]]
[[Kategorie:Theologie|!]]
[[Kategorie:-logie]]
{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 24. August 2014, 13:56 Uhr

Die hl. Hildegard von Bingen bei der Niederschrift ihrer Visionen, Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des Liber Scivias.

Eine Privatoffenbarung ist die Bezeichnung der römisch-katholischen Kirche für eine Offenbarung Christi, Mariens oder eines Engels an einen Menschen als Privatperson, die als für die Gläubigen unverbindlich, wenn auch gegebenenfalls nicht ohne Bedeutung definiert wird.

Kirchliche Anerkennung

In der römisch-katholischen Kirche kann eine Privatoffenbarung „anerkannt“ werden, aber dies bedeutet nur, dass ihrem Inhalt nach im Sinne eines nihil obstat nichts gefunden wurde, was der heiligen Schrift, der kirchlichen Tradition und dem Lehramt der Kirche – nach katholischem Verständnis die drei Quellen der Glaubenswahrheit – im Widerspruch steht. Es wird also keine Aussage darüber getroffen, ob die jeweilige Privatoffenbarung tatsächlich übernatürlichen Ursprungs ist, dies bleibt vielmehr dem Glauben des Einzelnen überlassen.

Am 24. Februar 1978 legte die vatikanische Glaubenskongregation Normen für die kirchliche Beurteilung von Privatoffenbarungen fest.[1]

Erscheinungen, Visionen, Botschaften

Von der Anzahl her gesehen finden die meisten neueren Privatoffenbarungen seit dem 18. Jahrhundert im Rahmen von Marienerscheinungen statt, z. B. in Lourdes, La Salette, Fatima oder bei Maria von Agreda.

Nicht marianische Privatoffenbarungen, bei denen häufig Engel oder nicht näher definierte Stimmen als den Seher begleitende oder die Schauungen erläuternde Protagonisten auftreten, die teilweise mit Jesus Christus, dem Heiligen Geist oder einem bestimmten Heiligen identifiziert werden, finden sich in den Erlebnissen und Berichten vieler Mystiker und Visionäre wie Hildegard von Bingen, Angela von Foligno, Jeanne d’Arc, Teresa von Ávila, Anna Katharina Emmerick oder Therese Neumann. Da der theologische Begriff der Privatoffenbarung neueren Ursprungs ist und im Mittelalter begrifflich nicht zwischen „offizieller“ (kirchlicher bzw. biblischer) und „privater“ Offenbarung unterschieden wurde, werden solche älteren mystischen Berichte heute nur selten mit dem Begriff in Verbindung gebracht, obwohl sich die Erfahrungen nicht grundlegend zu unterscheiden scheinen. Sie fallen in der kirchlichen Bewertung ebenso unter diese Definition.

Gewisse Schwierigkeiten für die Frage der Verbindlichkeit des Glaubens an die Echtheit „privater“ Offenbarungen oder Botschaften ergeben sich dann, wenn die betreffenden Seher oder Medien von der Kirche durch Kanonisation bestätigt und zu Kirchenlehrern erhoben worden sind, womit die Überlieferungen zu solchen Heiligen einen quasi „offiziellen“ Charakter erhalten. Der von Katholiken geforderte Glaube an die Richtigkeit der kirchlichen Entscheidung bezieht sich jedoch auf die grundlegende Beurteilung der Person und ihrer Heiligkeit, nicht aber auf alle Einzelheiten ihrer mystischen oder übernatürlichen Erkenntnisse, Wunder, privaten Lehren oder Botschaften.

Die Stellung der Anthroposophie aus römisch-katholischer Sicht und die Christengemeinschaft

Aus römisch-katholischer Sicht handelt es sich bei der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners um Privatoffenbarungen. Dies stößt sich allerdings mit dem Wissenschaftsanspruch der Anthroposophie. So kann man hier von einer generellen Unvereinbarkeit beider - der römisch-katholischen und der anthroposophischen - Auffassungen sprechen. Hinzu kommt noch, dass kirchlicherseits erst mit einer Neuoffenbarung im Rahmen der Wiederkunft Christi gerechnet wird. Da diese allerdings aus anthroposophischer Perspektive bereits längst eingetreten ist, so kann u.a. auch die Anthroposophie als eine solche Neuoffenbarung gewertet werden.

Die Auffassung der Christengemeinschaft hierzu nimmt eine Sonderstellung ein.

"In diesem Zusammenhang äußerte Michael Debus (Pfarrer der Christengemeinschaft) überraschend und zugespitzt die Auffassung, die Anthroposophie sei letztlich eine Privatoffenbarung Rudolf Steiners und habe keinen Anspruch auf öffentliche Bedeutung. Steiner habe auch für sich keine Autorität beansprucht. Interessanterweise wurde dem Referenten von keinem der anwesenden Anthroposophen widersprochen. In der anschließenden Diskussion versuchte Michael Debus noch einmal sein Verständnis von „Privatoffenbarung“ zu präzisieren, indem er im Gegenüber zur notwendigen kirchenamtlichen Approbation einer Privatoffenbarung in der katholischen Kirche klarstellte, dass nur der Einzelne selbst eine solche Privatoffenbarung anerkennen könne. Sie müsse deshalb nicht auch für den Nachbarn gelten. In eben diesem Sinne habe Rudolf Steiner keinen Glaubensanspruch in Bezug auf seine Offenbarungserkenntnisse erhoben."[2]

Auch die Schauungen und Visionen ("Zeitreisen") der Judith von Halle werden also katholischerseits als Privatoffenbarung angesehen. Dies gilt aber nicht für die Anthroposophie, insoweit sie sich als Erkenntniswissenschaft höherer Welten versteht.

Einzelnachweise

Literatur

  • Ramon de Luca: Echt oder unecht? Die Unterscheidungskriterien der Kirche bei Privatoffenbarungen, Verax-Verlag, Müstair/GR 1998, ISBN 3-909065-03-1.
  • Prosper Lambertini/Benedikt XIV.:De beatificatione et canonizatione servorum Dei, 1734-1738.
  • R.P. Joannis Martinez de Ripalda: De ente supernaturali disputationes theologicae, Ed. Parisiis 1871-1873, Tomus VII, (Disputatio VII: De Revelatione Privata).
  • Card. Juan de Lugo: Disputationes scholasticae et morales, Ed. Parisiis 1891-1894, Tomus I De virtude fidei divinae
  • Johannes B. Scaramelli: Regeln zur Unterscheidung der Geister, Kral-Verlag, Abensberg 1974.
  • Giovanni Battista Scaramelli: Wegbegleitung in der mystischen Erfahrung, Echter-Verlag, Würzburg 2001, ISBN 3-429-02295-9.
  • Patrick Diemling: Neuoffenbarungen. Religionswissenschaftliche Perspektiven auf Texte und Medien des 19. und 20. Jahrhunderts, Dissertation, Potsdam, Universitätsverlag 2012; ISBN 978-3-86956-209-4.

Weblinks


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