Phantasie

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Die Phantasie (griech.: φαντασία, phantasia = „Erscheinung, Vorstellung, Traumgesicht, Gespenst“, von phantάzesthai = „erscheinen“), in moderner Schreibweise auch Fantasie, ist eine schöpferische Leistung des menschlichen Geistes und Quelle des künstlerischen Schaffens, wie auch des originären technischen Erfindertums. Die Phantasie besteht primär in der Befähigung, innere Bilder zu erzeugen. Die Phantasie umfasst häufig auch produktive Fähigkeiten auf musikalischem und sprachlichem Gebiet und originäre Denkleistungen. Im weitesten Sinn können alle Sinnessphären und das gesamte Denken durch die Phantasie schöpferisch befruchtet werden und eine so eine seelische Innenwelt hervorbringen, die unabhängig von der unmittelbaren äußeren Sinneswahrnehmung ist. Dabei kommt es häufig zu synästhetischen Verschränkungen mehrerer Sinnessphären.

Die Phantasie und ihr geistiger Hintergrund

Über den geistigen Hintergrund der Phantasie sagt Rudolf Steiner in "Mein Lebensgang", Bezug nehmend auf den am 25. November 1891 in Weimar gehaltenen, nicht erhaltenen Vortrag über Die Phantasie als Kulturschöpferin:

"Mir erschien, was in der Phantasie lebt, nur dem Stoffe nach angeregt von den Erlebnissen der menschlichen Sinne. Das eigentlich Schöpferische in den echten Phantasiegestaltungen zeigte sich mir als ein Abglanz der außer dem Menschen bestehenden geistigen Welt. Ich wollte zeigen, wie die Phantasie das Tor ist, durch das die Wesenheiten der geistigen Welt schaffend auf dem Umwege durch den Menschen in die Entfaltung der Kulturen hereinwirken." (Lit.: GA 028, S. 234)

Vorstellungsvermögen und Phantasie

Von der Vorstellung unterscheidet sich die Phantasie dadurch, dass sie gedankendurchdrungene äußere Wahrnehmungen nicht bloss mehr oder weniger getreu als inneres Bild wiederholt, sondern schöpferisch neugestaltet. Echte schöpferische Phantasie steht dabei aber stets im Einklang mit den ideellen Gesetzen des Daseins und schafft ein inneres Bild dessen, was (noch) nicht verwirklicht, aber durchaus möglich ist. Die Phantasie beschränkt sich dabei nicht auf die äußere Wirklichkeit, sondern bezieht auch höhere Wirklichkeiten ein, die sie allerdings in sinnliche Bilder kleidet. Sinnliche und ideelle Elemente müssen sich in der Phantasie in rechter Weise durchdringen, wenn sie nicht den Kontakt zur Wirklichkeit verlieren soll. Fehlt der Bezug zu den idellen Gesetzen des Daseins, so verkommt die Phantasie zur wesenlosen, willkürlichen Phantasterei.

"Wer nun wirklich Seelenkunde, Psychologie treibt, nicht jene Wortkunst, die man heute an den Universitäten oftmals als Psychologie betreibt, der weiß, daß diese Erinnerungsvorstellungen, die wir haben, substantiell genau dasselbe sind wie die Phantasievorstellungen, die wir uns gewissermaßen frei schaffend bilden, nur daß wir dieselbe Kraft, die wir in dem Weben der Phantasievorstellung anwenden, anders verwenden beim Erinnern. Indem wir uns erinnern, indem wir unser Gedächtnis pflegen, leben wir schließlich in demselben Elemente wie beim Phantasieschaffen, nur daß wir anknüpfen an dasjenige, was wir durch die Sinne oder überhaupt durch das Leben erfahren haben und so die «Phantasmen» in der Erinnerung gesetzmäßig gestalten, während wir sie in der Phantasie frei schweifen lassen." (Lit.: GA 198, S. 215f)

Beschränkt sich die Phantasie nur auf die äußere sinnliche Wirklichkeit, so gerät der Mensch in die Fänge Ahrimans. Schwebt die Phantasie nur in höheren, ideellen Wirklichkeiten, so kommt sie in den Einflussbereich Luzifers.

Imagination, Phantasie und Individualisierung

In ältesten Zeiten schöpfte die Kunst aus der unmittelbaren traumbewussten imaginativen Anschauung der geistigen Welt. Was man so in Farben,Formen, Tönen und Worten bildete, war eine unmittelbare Nachahmung des geistig Erlebten. Damals trat allerdings die Kunst erst in sehr bescheidener Form in Erscheinung; man bedurfte ihrer noch kaum, da ohnehin noch die meisten Menschen eine unmittelbare Anschauung der geistigen Welt hatten. Mit dem Anbruch des Kali-Yuga, des finsteren Zeitalters, wurde das anders. Die meisten Menschen verloren das natürliche Hellsehen, das nun nur mehr von wenigen Eingeweihten und ihren Schülern innerhalb der Mysterien durch entsprechende geistige Schulung gepflegt wurde. Was so nur mehr Einzelne innerhalb der Mysterien geistig erleben konnten, wurde der breiten Masse in sinnlichen Bildern vor Augen gestellt. Die Mysterien waren nun die Quelle der Kunst. Damit begann zugleich die Blütezeit der ersten Hochkulturen. Alle Kunst hatte damals rein sakralen Charakter und war nach dem gebildet, was die Eingeweihten in Imaginationen geschaut hatten.

Diese Art der Kunst ging zugrunde, als mit dem anbrechenden letzten vorchristlichen Michael-Zeitalter die antike griechische Klassik aufzublühen begann. An die Stelle der Imagination trat nun die aus dem schöpferischen Willen tätig entspringende künstlerische Phantasie. Hinter der künstlerischen Phantasie stehen, sofern es sich um wirkliche Kunst handelt, auch Imagination, doch bleiben diese dem Künstler unbewusst. Nach Rudolf Steiner erfolgte etwa mit dem Jahr 300 v. Chr. bei den damals kulturführenden Griechen dieser Übergang von der anschauenden, das Geistige nachahmenden Kunst zur tätigen künstlerischen Phantasie.

"Die Menschen dieses 3., 4. Jahrhunderts vor Christi Geburt hatten ein deutliches Bewußtsein davon: Es geschieht etwas in der Geisteswelt, das spielt herein in die Welt der Menschen. - Und dasjenige, was sie da sahen, wir können es heute bezeichnen: das war die eigentliche Geburt der menschlichen Phantasie." (Lit.: GA 198, S. 25)

Die göttliche Kunst wurde damit zu einer rein menschlichen, die allerdings zunächst noch ein archetypisches, ideal-menschliches und noch kein individuelles Gepräge hat. Das ideelle hat hier noch ein starkes Übergewicht über das sinnliche Element und verleiht der künstlerischen Phantasie einen deutlich luziferischen Charakter. Erst im Hellenismus treten die individuellen Züge stärker hervor.

"Es war natürlich auch schon künstlerisches Schaffen vor dem 3. oder 4. Jahrhundert vor Christi Geburt da; aber dieses künstlerische Schaffen ging nicht aus dem hervor, was wir heute Phantasie nennen. Dieses künstlerische Schaffen ging aus einer wirklichen hellseherischen Imagination hervor. Diejenigen, die Künstler waren, konnten schauen, wie sich ihnen das Geistige enthüllte, und sie kopierten einfach das Geistige, das sich ihnen enthüllte. Das alte atavistische Hellsehen, die alte Imagination war dasjenige, was der Künstler zugrunde liegend hatte. Jene Phantasie, die damals erst aufkam und die dann sich weiter ausbildete bis zu den Schöpfungen eines Leonardo oder Raffael oder Michelangelo, um dann wieder talab zu gehen, diese Phantasie nimmt dazumal ihren Ursprung, diese Phantasie, die nicht so schafft, als ob ein Geistiges erscheint, imaginiert wird, sondern als ob man nur aus sich selbst heraus etwas anordnete, als ob man nur aus sich selbst heraus etwas gestaltete. Und daß sie mit der Phantasie begabt wurden, das schrieben die Menschen dieser Zeit zu einem Kampfe von göttlichen Wesen, die über ihnen walteten, in deren Auftrag sie auf der Erde handelten." (Lit.: GA 198, S. 25f)

Der eigentliche Durchbruch zur Individualisierung beginnt erst mit dem Bewusstseinsseelenzeitalter. In der Renaissance greift man zwar auf die Antike zurück, bringt aber nun alles in eine stark individualisierte Form. Während die alten Griechen in der bildenden Kunst noch ohne äußeres Vorbild auskommen konnten und die ideale menschliche Gestalt im inneren Erleben erspürten, richtet man sich nun nach dem konkreten äußeren Modell. Der sinnliche Anteil der künstlerischen Phantasie wird nun immer bedeutsamer. Das Barock sprüht geradezu von sinnlicher Pracht.

Je größer der sinnliche Anteil der künstlerischen Phantasie wurde, desto mehr ging man aber auch zur bloßen Nachahmung der äußeren Welt über, was schließlich im Naturalismus enden musste, dessen Blütezeit 1879 mit dem anbrechenden Michael-Zeitalter begann und etwa bis 1900 dauerte. Reine Nachahmung des Äußeren ist aber ebensowenig Kunst, wie die bloße Nachahmung des Übersinnlichen im Sinnlichen. Mit dem Naturalismus war man am Ende einer langen Entwicklung angelangt, die nun bereits aus dem eigentlich Künstlerischen herausführt. Die Phantasie wurde von den ahrimanischen Mächten ergriffen.

Ein neuer Aufbruch war nötig, und der kam auch, nachdem 1899 das finstere Zeitalter, das Kali-Yuga, abgelaufen war. Impressionismus und Expressionismus geben davon bereits ein bedeutsames Zeugnis. In der dramatischen Kunst gab Rudolf Steiner mit seinen Mysteriendramen einen entscheidenden Impuls, der aber bis heute noch nicht wirklich aufgenommen wurde. Die Kunst der Zukunft wird wieder aus der bewussten Imagination schöpfen müssen, ohne aber deshalb auf die individualisierende künstlerische Phantasie zu verzichten - sonst würde man bloß wieder in die ältesten Zeiten zurückkehren, was nicht der Sinn der Entwicklung sein kann. Es kann also nicht so sein, dass man, wie in der fernen Vergangenheit, traumhaft erlebte Imaginationen unmittelbar in sinnliche Bilder übersetzt, sondern man wird die mit dem voll erwachten Ich-Bewusstsein erfahrenen geistigen Eindrücke in die unbewussten Wesenstiefen versenken, aus denen man sie in verwandelter und völlig individualisierter Gestalt durch die schöpferisch-produktive künstlerische Phantasie wieder herausholt. Man geht hier einen Weg, der in ähnlicher Art ja auch für die Geistesschulung gilt: Was man zuerst sich in kräftigen Imaginationen aufgebaut hat, was man in reichen seelischen Bildern erlebt hat, das muss man wieder willentlich wegschaffen, das Bewusstsein völlig davon befreien und eine Leere des Bewusstseins herstellen, ehe die Inspiration – in diesem Fall die künstlerische Inspiration – einschlagen kann. Dadurch wird etwas geschaffen, was es in dieser Art weder in der sinnlichen noch in der übersinnlichen Welt zuvor schon gegeben hat, was aber im vollen Einklang mit den Gesetzmäßigkeiten beider Welten steht und beide Welten durch etwas bereichert, was nur der einzelne individuelle Mensch geben kann.

Wahre schöpferische Phantasie erfordert den Durchgang durch das Nichts. Alles, was wir gelernt und erfahren haben, auch alle hellsichtig erlebte Imagination, muss zuerst hingeopfert und in die Tiefe des Unterbewusstseins versenkt werde, ehe es von dort durch die tätige schöpferische Phantasie in völlig neuer Gestalt wiedererweckt werden kann. "In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden", lässt Goethe seinen Faust zu Recht sagen; man muss den Gang zu den Müttern wagen:

FAUST. Die Mütter! Mütter! - 's klingt so 
wunderlich!

MEPHISTOPHELES.
Das ist es auch. Göttinnen, ungekannt
Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt.
Nach ihrer Wohnung magst ins Tiefste schürfen;
Du selbst bist schuld, daß ihrer wir bedürfen.

FAUST. Wohin der Weg?

MEPHISTOPHELES. Kein Weg! Ins Unbetretene,
Nicht zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene,
Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? -
Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben,
Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben.
Hast du Begriff von Öd' und Einsamkeit?

FAUST. Du spartest, dächt' ich, solche Sprüche;
Hier wittert's nach der Hexenküche.

MEPHISTOPHELES.
Und hättest du den Ozean durchschwommen,
Das Grenzenlose dort geschaut,
So sähst du dort doch Well' auf Welle kommen,
Selbst wenn es dir vorm Untergange graut.
Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne
Gestillter Meere streichende Delphine;
Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne -
Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,
Den Schritt nicht hören, den du tust,
Nichts Festes finden, wo du ruhst.

FAUST. Du sprichst als erster aller Mystagogen,
Die treue Neophyten je betrogen;
Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere,
Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre;
Nur immer zu! wir wollen es ergründen,
In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden.

MEPH. Ich rühme dich, eh' du dich von mir trennst,
Und sehe wohl, daß du den Teufel kennst;

          (FAUST II, 1. Akt, ''Finstere Galerie'')

Die Kunst, und damit auch die künstlerische Phantasie, der sie entspringt, ist ein Sinnlich-Übersinnliches. Beide Elemente, das sinnliche und das übersinnliche, müssen im rechten, ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen und dieses rechte Verhältnis wird durch das individuelle Ich des Künstlers hergestellt. Die reine Nachahmung des Sinnlichen und die Darstellung des Übersinnlichen, sagt Rudolf Steiner sind die beiden Erbsünden der Kunst (Lit.: GA 271, S. 86ff). Was rein aus dem übersinnlichen Erleben fließt, ist noch nicht Kunst im eigentlichen Sinn, und was sich im bloßen Naturalismus erschöpft, ist nicht mehr Kunst.

Die physiologische Grundlage der Phantasie

Das Rhythmische System des Menschen, das Atmung und Blutkreislauf umfasst, steht in engem Zusammenhang mit dem Denken, das sich im Rhythmus des durch die Atmung auf- und absteigenden Gehirnwassers gestaltet, und mit der Sinneswahrnehmung, die im weitesten Sinn eine Art Lichtatmungsprozess die Sinnesorgane ist. Vermittelt durch den Rhythmus der Blutzirkulation verbindet sich das Rhytmische System mit dem Stoffwechsel-Gliedmaßen-System, durch das die eigentlich produktiven Willenskräfte aufgerufen werden, die sich in der Phantasietätigkeit offenbaren.

"Im Gedächtnis wirkt im wachenden Menschen unmittelbar das göttlich-geistige Wesen; im Gewissen wirkt im wachenden Menschen mittelbar - als Nachwirkung - dieses göttlich-geistige Wesen.

Gedächtnisbildung spielt sich in der Nerven-Sinnesorganisation ab; Gewissensbildung spielt sich als rein seelischgeistiger Vorgang ab, aber in der Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation.

Zwischen beiden liegt die rhythmische Organisation. Diese ist nach zwei Seiten hin polarisch in ihrer Wirksamkeit ausgebildet. Sie ist als Atmungsrhythmus in inniger Beziehung zur Sinneswahrnehmung und zum Denken. In dem Lungen-Atmen ist der Vorgang am gröbsten; er verfeinert sich und wird als verfeinertes Atmen sinnliches Wahrnehmen und Denken. Was noch dem Atmen ganz nahesteht, aber ein Atmen durch die Sinnes-Organe, nicht durch die Lungen ist, das ist das sinnliche Wahrnehmen. Was dem Lungen-Atmen schon ferner ist und durch die Denkorganisation gestützt wird, das ist Vorstellen, Denken; und was schon nach dem Rhythmus der Blutzirkulation hinübergrenzt, schon ein innerliches Atmen ist, das mit der Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation sich verbindet, das offenbart sich in der Phantasie-Tätigkeit.

Diese reicht dann seelisch in die Willenssphäre, wie der Zirkulationsrhythmus in die Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation reicht.

In der Phantasiebetätigung strebt die Denkorganisation an die Willensorganisation nahe heran. Es ist ein Untertauchen des Menschen in seine wachende Schlafsphäre des Willens. Es erscheinen daher bei Menschen, die in dieser Art organisiert sind, die Seelen-Inhalte wie Träume im Wachzustande. In Goethe lebte eine solche Menschen-Organisation. Daher spricht er davon, daß ihm Schiller seine dichterischen Träume deuten müsse.

In Schiller selbst war die andere Organisation wirksam. Er lebte aus dem heraus, was er sich aus den vorigen Erdenleben mitbrachte. Er mußte zu einem starken Wollen den Phantasie-Inhalt suchen.

Auf Menschen, die nach der Phantasiesphäre hin veranlagt sind, so daß sich ihnen wie von selbst die Anschauung der sinnlichen Wirklichkeit in Phantasiebilder wandelt, zählt bei ihren Weltenabsichten die ahrimanische Macht. Sie meint, mit Hilfe solcher Menschen die Entwickelung der Menschheit von der Vergangenheit ganz abschneiden zu können, um sie in eine Richtung zu bringen, die sie will.

Auf Menschen, die nach der Willenssphäre hin organisiert sind, die aber die sinnliche Anschauung in Phantasiebilder aus innerer Liebe zur idealen Weltanschauung kräftig gestalten, zählt die luziferische Macht. Sie möchte die Menschheitsentwickelung durch solche Menschen ganz in den Impulsen der Vergangenheit erhalten. Sie könnte dann die Menschheit vor dem Untertauchen in die Sphäre bewahren, in der die ahrimanische Macht überwunden werden muß." (Lit.: GA 026, S. 237ff)

Phantasie und Angeloi

"Die Phantasie ist ja in vieler Beziehung etwas ebenso Schöpferisches, aber individuell Schöpferisches wie die Sprache, und im Grunde genommen liegt der Sprache die Phantasietatigkeit zugrunde. So wie der Mensch gewöhnlich von der Sprache nur etwas Abstraktes erlebt, so wie er den Sprachgenius, der ein Archangelos ist, in der Sprache nicht immer, ich möchte sagen, seine Fittiche entfalten spürt, so nimmt der Mensch auch in der Phantasie - die, wenn sie luziferisch durchwebt wird, zur Phantastik wird - , es nimmt der Mensch auch nicht in der Phantasie wahr, daß eigentlich ein Engel durchschlüpft durch sein individuelles Leben, indem er in der Phantasie lebt.

Der wirkliche Dichter, der wirkliche Künstler, der nicht zum Zyniker oder zum Frivolling oder zum Oberflächling geworden ist, der weiß aber, daß ihn durchsetzt, indem er künstlerisch schafft, eine höhere Geistigkeit. Es ist dieselbe höhere Geistigkeit, die uns eigentlich von Leben zu Leben wie ein individueller Schutzgeist trägt: der Angelos, der Engel. Und es ist durchaus eigentlich das Denken des Angelos, das in die geregelte menschliche Phantasie hereinspielt. Man kann durchaus in gewissen Aussprüchen Goethes, ich möchte sagen, in einer dezenten Form erkennen, wie er sich bewußt ist, daß eigentlich ein Unbewußtes da hereinspielt, das aber eben in der Phantasie real wirkt." (Lit.: GA 208, S. 38f)

Phantasietätigkeit und Mondrhythmus

Die Phantasietätigkeit unterliegt Schwankungen, in denen sich der Mondrhythmus abbildet. Auf eine 14-tägige Phase des produktiven Schaffens fruchtbarer Ideen und künstlerischer Phantasie folgen weitere 14 Tage, in der diese Ideen ausgearbeitet werden können. Ein solcher Rhythmus ist bei der Geistesforschung noch ausgeprägter vorhanden. Dieser 14- bzw. 28-tägige Rhythmus bildet zwar den äußeren Rhythmus der Mondphasen in seinem Zeitmaß ab, korrespondiert aber heute nicht mehr notwendigerweise unmittelbar mit diesem äußeren Rhythmus, sondern hat sich im Zuge der Menschheitsentwicklung, ähnlich wie der Fruchtbarkeitszyklus der Frau, davon weitgehend unabhängig gemacht (Lit.: GA 058, S. 289ff).

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Anthroposophische Leitsätze, GA 26 (1998)
  2. Rudolf Steiner: Mein Lebensgang, GA 28 (2000), ISBN 3-7274-0280-6; Tb 636, ISBN 978-3-7274-6361-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Metamorphosen des Seelenlebens – Pfade der Seelenerlebnisse. Erster Teil, GA 58 (1984)
  4. Rudolf Steiner: Heilfaktoren für den sozialen Organismus, GA 198 (1984)
  5. Rudolf Steiner: Anthroposophie als Kosmosophie – Zweiter Teil, GA 208 (1992), ISBN 3-7274-2080-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  6. Rudolf Steiner: Kunst und Kunsterkenntnis, GA 271 (1985)
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