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Samael (Erzengel) und Spiegelneuronen: Unterschied zwischen den Seiten
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''' | '''Spiegelneuronen''' sind erstmals von [[Wikipedia:Giacomo Rizzolatti|Giacomo Rizzolatti]] und seinen Mitarbeitern 1992<ref name="PMID1301372">G. di Pellegrino, L. Fadiga, L. Fogassi, V. Gallese, [[Wikipedia:Giacomo Rizzolatti|G. Rizzolatti]]: ''Understanding motor events: a neurophysiological study.'' In: ''Experimental brain research.'' Band 91, Nummer 1, 1992, {{ISSN|0014-4819}}, S. 176–180, PMID 1301372.</ref> bei [[Wikipedia:Makaken|Makaken]] im [[Wikipedia:Prämotorischer Cortex|prämotorischen Cortex]] (Areal F5) und später auch im unteren [[Wikipedia:Parietallappen|Parietallappen]] nachgewiesene [[Neuronen]] im [[Gehirn]] von [[Primaten]], die bei der bloßen [[Beobachtung]] bestimmter [[Handlung]]en das gleiche Aktivitätsmuster wie bei deren eigener Ausführung aufweisen. | ||
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wir diese Gefühle gerade selbst empfinden oder ihnen Ausdruck verleihen.<ref>V. Gallese: ''Intentional Attunement: A Neurophysiological Perspective on Social Cognition and Its Disruption in Autism'', Brain Res. 1079 (2006), S. 15 – 24</ref>|Metzinger, S. 232}} | |||
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== Literatur == | == Literatur == | ||
* Giacomo Rizzolatti, Corrado Sinigaglia, Friedrich Griese (Übers.): ''Empathie und Spiegelneurone: Die biologische Basis des Mitgefühls'', Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2008, ISBN 3-518-26011-1 | |||
* Christian Keysers, Hainer Kober (Übers.): ''Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen'', Bertelsmann Verlag, München 2013, ISBN 978-3-570-00954-3 | |||
*[[Thomas Metzinger]]: ''Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik'', Piper Taschenbuch 2014, ISBN 978-3492305334, eBook ASIN B00GZL6ZT8 | |||
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<references /> | |||
[[Kategorie:Neurowissenschaften]] [[Kategorie:Kognitionswissenschaft]] [[Kategorie:Nervensystem]] |
Version vom 26. Mai 2018, 22:37 Uhr
Spiegelneuronen sind erstmals von Giacomo Rizzolatti und seinen Mitarbeitern 1992[1] bei Makaken im prämotorischen Cortex (Areal F5) und später auch im unteren Parietallappen nachgewiesene Neuronen im Gehirn von Primaten, die bei der bloßen Beobachtung bestimmter Handlungen das gleiche Aktivitätsmuster wie bei deren eigener Ausführung aufweisen.
„»Leo, non può essere!« Ungläubig schüttelt Vittorio seinen bärtigen Kopf. »Leo, das kann nicht sein!« Er nimmt eine Rosine von dem Tablett, das vor dem Affen steht. Aus dem Lautsprecher kommt ein Geräusch, das an ein Maschinengewehr erinnert. Natürlich ist es keins. Es ist das Geräusch einer einzelnen »feuernden« Nervenzelle. Im Gehirn des Affen ist eine haarfeine Elektrode implantiert worden. Bei Aktivierung der Nervenzelle wird der schwache Strom, den die Elektrode misst, umgewandelt, zum Geräusch aus dem Lautsprecher verstärkt und als grüne Spur auf den Bildschirm eines Oszilloskops sichtbar gemacht. »Hast du das auch gehört? Kann es dieselbe Zelle sein?« Vittorio scheint verwirrt, während er auf die Oszilloskope blickt. Alles wirkt vollkommen normal – leuchtend grüne Spikes vor schwarzem Hintergrund. Jetzt nimmt sich der Affe die Rosine vom Tablett, die Reaktion ist akustisch und visuell identisch mit derjenigen, die Vittorio mit seinem Griff nach der Rosine auslöste. »Das ist erstaunlich!«, sagt Leo.“ (Lit.: Keysers, S. 13)
In den Neurowissenschaften wird seitdem diskutiert, welche Bedeutung die Spiegelneuronen für das Lernen durch Nachahmung und sogar für die Fähigkeit der Empathie bei Primaten und insbesondere auch beim Menschen haben[2].
„Etliche empirische Belege aus einer Vielzahl verschiedener bildgebender Verfahren zeigen, dass das System der Spiegelneuronen nicht nur bei Affen existiert, sondern auch beim Menschen. Das System scheint beim Menschen jedoch wesentlich stärker generalisiert zu sein und nicht von konkreten Wechselwirkungen zwischen Gegenständen und Handlungsorganen abzuhängen. Infolgedessen kann es eine deutlich größere Bandbreite an Handlungen darstellen, als das bei Affen der Fall ist. Insbesondere hat die Forschung mittlerweile Spiegelneuronensysteme entdeckt, die ganz ähnliche Effekte für Gefühle, für die Schmerzwahrnehmung und andere körperliche Empfindungen erzeugen können. Wenn man Testpersonen beispielsweise Bilder von traurigen Gesichtern zeigt, schätzen sie sich hinterher häufig trauriger ein als vorher – und zeigt man ihnen glückliche Gesichter, schätzen sie sich selbst in der Regel als glücklicher ein. Viele empirische Daten zeigen übereinstimmend, dass wir, wenn wir andere Menschen dabei beobachten, wie sie Gefühlszustände ausdrücken, diese Zustände mit Hilfe derselben neuronalen Netze in unserem Gehirn simulieren, die auch aktiv sind, wenn wir diese Gefühle gerade selbst empfinden oder ihnen Ausdruck verleihen.[3]“ (Lit.: Metzinger, S. 232)
Rizzolatti und seine Mitarbeiterin Maddalena Fabbri Destro haben auch darauf hingewiesen, dass durch den Spiegelmechanismus zugleich die Bedeutung der beobachteten Bewegung übermittelt werden und dadurch die Basis für die Kommunikation in Form einer natürlichen Gebärdensprache gelegt sei.
„In der Tat hat der Spiegelmechanismus in einem Anfangsstadium der Sprachentwicklung zwei grundlegende Kommunikationsprobleme gelöst: Parität[4] und direktes Verständnis. Dank der Spiegelneuronen zählte auch für den Empfänger der Nachricht, was für den Absender der Nachricht galt. Es wurden keine willkürlichen Symbole benötigt. Das Verständnis war der neuronalen Organisation der beiden Individuen inhärent.“ (Lit.: Rizzolatti, Destro: Mirror neurons[5])
Literatur
- Giacomo Rizzolatti, Corrado Sinigaglia, Friedrich Griese (Übers.): Empathie und Spiegelneurone: Die biologische Basis des Mitgefühls, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2008, ISBN 3-518-26011-1
- Christian Keysers, Hainer Kober (Übers.): Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen, Bertelsmann Verlag, München 2013, ISBN 978-3-570-00954-3
- Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik, Piper Taschenbuch 2014, ISBN 978-3492305334, eBook ASIN B00GZL6ZT8
Einzelnachweise
- ↑ G. di Pellegrino, L. Fadiga, L. Fogassi, V. Gallese, G. Rizzolatti: Understanding motor events: a neurophysiological study. In: Experimental brain research. Band 91, Nummer 1, 1992, ISSN 0014-4819, S. 176–180, PMID 1301372.
- ↑ F. de Vignemont, T. Singer, The Empathic Brain: How, When, and Why?, Trends Cog. Sci. 10 (2006), S. 435 – 441.
- ↑ V. Gallese: Intentional Attunement: A Neurophysiological Perspective on Social Cognition and Its Disruption in Autism, Brain Res. 1079 (2006), S. 15 – 24
- ↑ Im Sinn von Gleichwertigkeit.
- ↑ Im englischen Original: „In fact, the mirror mechanism solved, at a initial stage of language evolution, two fundamental communication problems: parity and direct comprehension. Thanks to the mirror neurons, what counted for the sender of the message also counted for the receiver. No arbitrary symbols were required. The comprehension was inherent in the neural organization of the two individuals.“ - [Mirror neurons Giacomo Rizzolatti, Maddalena Fabbri Destro]. In: Scholarpedia. (englisch, inkl. Literaturangaben)