Sozialwissenschaft und Kategorie:Unternehmenswesen: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Sozialwissenschaften''' (oft auch als '''Gesellschaftswissenschaften''' bezeichnet) umfassen jene [[Wissenschaft]]en, die Phänomene des [[wikipedia:Gesellschaft (Soziologie)|gesellschaftlichen]] Zusammenlebens der Menschen theoriegeleitet und/oder empirisch untersuchen.
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In den Sozialwissenschaften werden [[Struktur]]en und [[Funktion]]en [[wikipedia:Soziales Netzwerk (Soziologie)|sozialer Verflechtungszusammenhänge]] von [[wikipedia:Institution|Institution]]en und [[wikipedia:Soziales System|Systemen]] und auch deren Wechselwirkung mit [[wikipedia:Soziales Handeln|Handlungs]]- und [[wikipedia:Sozialverhalten|Verhaltensprozessen]] der einzelnen [[Individuum|Individuen]] ([[wikipedia:Akteur|Akteur]]e) analysiert.
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In den Sozialwissenschaften werden wissenschaftliche Methoden verwendet, die zum Teil mit denen der Natur- und zum Teil mit denen der Geisteswissenschaften verwandt sind. Deshalb ist die Abgrenzung schwierig. Es gibt keine einheitlichen Regelungen jenseits der Traditionen derjenigen wissenschaftlichen Institutionen, die sich den Sozialwissenschaften oder anderen Wissenschaftschaftszweigen zurrechnen. Sozialwissenschaft kann z.B. der Psychologie (Sozialpsychologie) oder der Philosophie (Sozialphilosophie) zugeordnet sein, sich aber auch als eigenständige Wissenschaft mit einem besonderen Gegenstand, einer besonderen Methode oder einer besonderen Perspektive (auf einen Gegenstand, der auch von anderen Wissenschaften untersucht wird) verstehen (z.B. die Soziologie).
[[Kategorie:Wirtschaftsorganisation]]
 
[[Kategorie:Unternehmenswesen|!]]
== Sozialwissenschaftliche Grundlagen der Lehre vom dreigegliederten sozialen Organismus ==
[[Kategorie:Wirtschaftsleben]]
=== Voraussetzungen der Methode und methodisches Vorgehen ===
[[Kategorie:Wirtschaft]]
{{GZ|[Es ist zu erkennen] ...wie in der Darstellung dieses Buches dem sozialen Leben eben
lebendige und nicht mathematische Gesetze zugrunde liegend gedacht
werden.|23|132 (Fußnote)}}
 
{{GZ|Nur wer in abstrakten
Gedanken lebt, dem erscheint alles in
eindeutigen
Umrissen. Ein solcher tadelt das
Lebenspraktische oft, weil
er es nicht bestimmt, nicht «klar» genug
dargestellt findet.
Viele, die sich Praktiker dünken, sind
gerade solche Abstraktlinge.
Sie bedenken nicht, daß das Leben die
mannigfaltigsten
Gestaltungen annehmen kann. Es ist ein
fließendes
Element. Und wer mit ihm gehen will, der muß
sich auch
in seinen Gedanken und Empfindungen diesem
fließenden
Grundzug anpassen. Die sozialen Aufgaben
werden nur
mit einem solchen Denken ergriffen werden
können.|23|21f.}}
 
{{GZ|[Der Verfasser] hält nicht viel von dem bloßen Hinweis
auf «den Geist», von dem Reden über eine nebelhafte
Geisteswelt. Er kann nur die Geistigkeit anerkennen, die
der eigene Lebensinhalt des Menschen wird. Dieser erweist
sich in der Bewältigung der praktischen Lebensaufgaben
ebenso wirksam wie in der Bildung einer Welt- und Lebensanschauung,
welche die seelischen Bedürfnisse befriedigt.
Es kommt nicht darauf an, daß man von einer Geistigkeit
weiß oder zu wissen glaubt, sondern darauf, daß dies eine
Geistigkeit ist, die auch beim Erfassen der praktischen
Lebenswirklichkeit zutage tritt.|23|25}}
 
{{GZ|Das ist das Charakteristische im menschlichen Organismus, daß seine
Systeme gerade dadurch ihre rechte Entfaltung und Wirksamkeit entfalten,
daß sie nicht zentralisiert sind, sondern daß sie nebeneinander bestehen
und frei zusammenwirken. Kann man heute nicht einmal in dieser
umfassenden, eindringlichen Weise den menschlichen Organismus begreifen,
so kann man mit der Wissenschaft, die noch nicht reformiert ist,
die aber in geisteswissenschaftlichem Sinne reformiert werden muß, den
sozialen Organismus erst recht nicht verstehen. Man glaubt heute, der
menschliche Organismus ist etwas Zentralisiertes, während er eine Dreigliedrigkeit
ist.|328|21}}
 
{{GZ|Wie sehen wir heute die Menschen vielfach herumgehen, die aus gewisser
ethisch-religiöser Vornehmheit heraus - wie sie meinen - den besten
Willen zeigen mit Bezug auf ein richtiges Zusammenleben mit ihren
Mitmenschen, die den besten Willen zeigen, ihren Mitmenschen nur das
Allerallergütigste zu tun, die aber alles versäumen, dies wirklich zu tun,
weil sie sich kein soziales, in den praktischen Lebensgewohnheiten drinnenstehendes
Gefühlsleben aneignen.|328|54}}
 
{{GZ|Es kommt heute nicht
darauf an, daß man die Menschen daraufhinweist, zum Geiste zurückzukehren,
sondern es kommt darauf an, daß Geist in dem ist, wie man
heute über den sozialen Organismus denkt. Auf die Art und Weise, auf
das Wie des Denkens kommt es an. Meinetwillen rede man gar nicht
vom Geist, aber in der Art und Weise, wie man über die Lebenspraxis
redet, sei Geist.|328|55}}
 
=== Methode und Gegenstand ===
{{GZ|Diese Erschütterungen werden nur dann nicht
eintreten, wenn der soziale Organismus in der Art gestaltet
ist, daß in ihm jederzeit die Neigung vorhanden sein kann,
zu beobachten, wo eine Abweichung von den durch die Urgedanken
vorgezeichneten Einrichtungen sich bildet, und
wo zugleich die Möglichkeit besteht, dieser Abweichung
entgegenzuarbeiten, ehe sie eine verhängnistragende Stärke
gewonnen hat.|23|75}}
 
{{GZ|In unsern Tagen sind in weitem Umfange des Menschenlebens
die Abweichungen von den durch die Urgedanken
geforderten Zuständen groß geworden. Und das Leben der
von diesen Gedanken getragenen Impulse in Menschenseelen
steht als eine durch Tatsachen laut sprechende Kritik
da über das, was sich im sozialen Organismus der letzten
Jahrhunderte gestaltet hat. Daher bedarf es des guten
Willens, in energischer Weise zu den Urgedanken sich zu
wenden und nicht zu verkennen, wie schädlich es gerade
heute ist, diese Urgedanken als «unpraktische» Allgemeinheiten
aus dem Gebiete des Lebens zu verbannen.|23|93}}
 
{{GZ|Denn das Menschenleben ist mit der neuesten Zeit in einen
Zustand eingetreten, der aus dem sozial Eingerichteten
immer wieder das Antisoziale hervorgehen läßt. Dieses muß
stets neu bewältigt werden. Wie ein Organismus einige Zeit
nach der Sättigung immer wieder in den Zustand des
Hungers eintritt, so der soziale Organismus aus einer Ordnung
der Verhältnisse in die Unordnung. Eine Universalarznei
zur Ordnung der sozialen Verhältnisse gibt es so
wenig wie ein Nahrungsmittel, das für alle Zeiten sättigt.|23|14}}
 
{{GZ|Wer die Frage
so stellt, der richtet dabei sein Augenmerk
nicht auf die
Tatsache, daß der soziale Organismus ein
fortwährend
''Werdendes, Wachsendes'' ist. Man kann diesem
Wachsenden
gegenüber nicht so fragen: Wie soll man es
am besten einrichten,
damit es durch diese Einrichtung dann in dem
Zustande
verbleibe, den man als den richtigen erkannt
hat?
So kann man gegenüber einer Sache denken,
die von einem
gewissen Ausgangspunkt aus wesentlich
unverändert weiter
wirkt. Das gilt nicht für den sozialen
Organismus. Der
verändert durch sein Leben fortwährend
dasjenige, das in
ihm entsteht. Will man ihm eine vermeintlich
beste Form
geben, in der er dann bleiben soll, so
untergräbt man seine
Lebensbedingungen.|23|107}}
 
{{GZ|Notwendig ist aber heute, zu
sehen, daß man nicht anders ein den
Tatsachen gewachsenes
Urteil gewinnen kann als durch Zurückgehen
zu den Urgedanken,
die allen sozialen Einrichtungen zugrunde
liegen.
Wenn nicht rechte Quellen vorhanden sind,
aus denen die
Kräfte, welche in diesen ''Urgedanken''
liegen, immer von
neuem dem sozialen Organismus zufließen,
dann nehmen
die Einrichtungen Formen an, die nicht
lebenfördernd,
sondern lebenhemmend sind.|23|92f.}}
 
{{GZ|Und warum,
warum ist Kunst, Sitte, Sittlichkeit, Religion, sonstiges geistiges Leben
dem modernen Proletarier zur Ideologie geworden? Weil er empfangen
hat von denjenigen, die früher die führenden Kreise waren, eine Wissenschaft,
die nicht mehr einen lebendigen Zusammenhang unterhalten will
zu der wirklichen Geistwelt, eine Wissenschaft, die nicht mehr aufweist
irgendeinen Impuls, der zu wirklicher Geistigkeit führt. Eine solche
Wissenschaft kann höchstens zu abstrakten Begriffen als Naturgesetze
führen. Sie kann auch zu nichts anderem führen, als zu einer Anschauung
des Geistigen als Ideologie. Sie zeitigt Methoden, die eben nur geeignet
sind auf der einen Seite für die rein objektive, außermenschliche
Natur, und innerhalb des Menschenlebens nur für das wirtschaftliche
Geschehen. Als der moderne Proletarier diese Wissenschaftsrichtung
übernehmen mußte, da wurde sein Blick wie durch eine mächtige suggestive
Kraft hingelenkt auf das, worauf man durch solche Wissenschaft
nur hingelenkt werden kann, auf das Wirtschaftsleben. Und er fing an zu
glauben, daß dieses Wirtschaftsleben die einzige Wirklichkeit sei, während
die Wahrheit die ist, daß das, was ihm die bürgerlichen Klassen als
Wissenschaft übergeben haben, eben einzig und allein sich richten kann
auf das wirtschaftliche Leben.|328|18}}
 
{{GZ|[D]as Wirtschaftsleben (...) [muß] nach ganz anderen Methoden begriffen werden
muß als der Mensch selber (...)
der Glaube [ist] falsch ..., man könne
durch die Betrachtung des bloßen Wirtschaftssystems, auf das allein die
naturwissenschaftliche Methode paßt, die Wege herausfinden, wie die
Arbeitskraft des einzelnen Menschen in den sozialen Organismus sich
eingliedern könne.|328|20f.}}
 
{{GZ|Die
Betrachtung des sozialen Organismus - allerdings hat man es da mit
einem Werdenden, mit einem eigentlich erst Entstehenden zu tun -, insoferne
er gesund sein soll, ...|328|28}}
 
=== Verhältnis von Denken und Handeln zu sozialen Vorgegebenheiten (Strukturen) ===
{{GZ|Man muß dieses im
Leben empfindend unterscheiden, damit sich
als Folge dieser
Empfindung das Wirtschafts- von dem
Rechtsleben scheidet,
wie im menschlichen natürlichen Organismus
die Tätigkeit
der Lunge zur Verarbeitung der äußeren Luft
sich abscheidet
von den Vorgängen im Nerven-Sinnesleben.|23|62}}
=== Ursache der Notwendigkeit von Dreigliederung: Gewandelte Seelenkonstitution des Menschen ===
{{GZ|In der Gegenwart dieser Entwickelung steht man vor
der Notwendigkeit, diese Gliederung durch zielbewußtes
soziales Wollen zu erstreben.|23|26 ; [Gliederung: Dreigliederung]}}
(Ursache: Wandlung der Seelenkonstitution (s. [[Gemischter König]]).
 
{{GZ|Die neuere Zeit
fordert ein bewußtes Sichhineinstellen des Menschen in den
Gesellschaftsorganismus. Dieses Bewußtsein kann dem Verhalten
und dem ganzen Leben der Menschen nur dann eine
gesunde Gestaltung geben, wenn es von drei Seiten her
orientiert ist. Nach dieser Orientierung strebt in den unbewußten
Tiefen des Seelischen die moderne Menschheit;|23|87}}
 
(Dazu stellt sich die Frage, ob die veränderte Seelenkonstitution des modernen Menschen (das Auseinanderfallen, die Verselbständigung von Denken, Fühlen, und Wollen, die dann durch das Ich wieder bewußt harmonisiert werden müssen), Auswirkungen im Gebiet der Urgedanken hat.)
 
=== Vergleiche mit dem menschlichen Organismus ===
{{GZ|Die hier gemeinte Gliederung ist nicht eine
solche nach räumlich
abgrenzbaren Leibesgliedern, sondern eine
solche nach Tätigkeiten
(Funktionen) des Organismus.
«Kopforganismus» ist nur zu gebrauchen,
wenn man sich bewußt ist, daß im Kopfe in
erster Linie das
Nerven-Sinnesleben zentralisiert ist. Doch
ist natürlich im Kopfe auch
die rhythmische und die
Stoffwechseltätigkeit vorhanden, wie in den
andern Leibesgliedern die Nerven-
Sinnestätigkeit vorhanden ist.
Trotzdem sind die drei Arten der Tätigkeit
ihrer Wesenheit nach
streng voneinander geschieden.|23|57 (Fußnote)}}
 
{{GZ|(...) Betrachtung des menschlichen
Organismus (...), welche durchschaut, wie
diese drei Glieder - Kopfsystem, Zirkulationssystem oder
Brustsystem und Stoffwechselsystem - dadurch den Gesamtvorgang
im menschlichen Organismus aufrechterhalten, daß
sie in einer gewissen Selbständigkeit wirken, daß nicht eine
absolute Zentralisation des menschlichen Organismus vorliegt,
daß auch jedes dieser Systeme ein besonderes, für sich
bestehendes Verhältnis zur Außenwelt hat. Das Kopfsystem
durch die Sinne, das Zirkulationssystem oder rhythmische
System durch die Atmung, und das Stoffwechselsystem
durch die Ernährungs- und Bewegungsorgane.|23|58}}
 
{{GZ|Das Ganze
des menschlichen Organismus beruht darauf, daß jedes solche Systemleben
in sich abgeschlossen ist, und daß sie dann wiederum zusammenwirken.|328|36}}
 
{{GZ|Geradeso wie der
menschliche Organismus jedes seiner Systeme durch besondere Organe
der Außenwelt zuwendet, so kann auch nur der Staat, wenn ich nun diesen
Gesamtausdruck gebrauchen darf, als sozialer Organismus seine
drei Glieder nach außen in Tätigkeit versetzen. Ganz anders stellen sich
die Verhältnisse von Einzelstaat zu Einzelstaat heraus, wenn nicht mehr
zentralisierte Regierungen und Verwaltungen miteinander in Beziehung
treten, sondern wenn von dem einen sozialen Gebilde die Vertreter
des geistigen Lebens mit den Vertretern des geistigen Lebens des anderen
sozialen Staatsgebildes in Beziehung treten, wiederum die Vertreter
des Wirtschaftsgebietes, des politischen Gebietes, mit der entsprechenden
Vertretung der anderen.|328|44}}
 
=== Konkrete, herzustellende Gestalt des sozialen Organismus ===
{{GZ|Der notwendige Verkehr zwischen den Leitungen
des Rechts- und Wirtschaftskörpers wird erfolgen annähernd
wie gegenwärtig der zwischen den Regierungen souveräner
Staatsgebiete.|23|70}}
 
{{GZ|Wie das Wirtschaftsleben auf der einen Seite
den Bedingungen
der Naturgrundlage (Klima, geographische
Beschaffenheit des Gebietes, Vorhandensein
von Bodenschätzen
und so weiter) unterworfen ist, so ist es
auf der
andern Seite von den Rechtsverhältnissen
abhängig, welche
der Staat zwischen den wirtschaftenden
Menschen und
Menschengruppen schafft. Damit sind die
Grenzen dessen
bezeichnet, was die Tätigkeit des
Wirtschaftslebens umfassen
kann und soll. Wie die Natur Vorbedingungen
schafft, die
außerhalb des Wirtschaftskreises liegen und
die der wirtschaftende
Mensch hinnehmen muß als etwas Gegebenes,
auf das er erst seine Wirtschaft aufbauen
kann, so soll alles,
was im Wirtschaftsbereich ein
Rechtsverhältnis begründet
von Mensch zu Mensch, im gesunden sozialen
Organismus
durch den Rechtsstaat seine Regelung
erfahren, der wie die
Naturgrundlage als etwas dem
Wirtschaftsleben selbständig
Gegenüberstehendes sich entfaltet.|23|70}}
 
=== Zitate ===
{{GZ|In der Lebenshaltung des einzelnen Menschen fließen
die Wirkungen aus den Rechtseinrichtungen mit denen aus
der rein wirtschaftlichen Tätigkeit zusammen. Im gesunden
sozialen Organismus müssen sie aus zwei verschiedenen
Richtungen kommen.|23|73}}
 
{{GZ|Ein solches Verhältnis der Arbeit zur Rechtsordnung wird die im
Wirtschaftsleben tätigen Assoziationen nötigen, mit dem, was «rechtens
ist» als mit einer Voraussetzung zu rechnen. Doch wird dadurch erreicht,
daß die Wirtschaftsorganisation vom Menschen, nicht der Mensch von
der Wirtschaftsordnung abhängig ist.|23|79 (Fußnote)}}
 
{{GZ|Die drei Glieder sollen
nicht in einer abstrakten, theoretischen Reichstags- oder
sonstigen Einheit zusammengefügt und zentralisiert sein.
Sie sollen lebendige Wirklichkeit sein. Ein jedes der drei
sozialen Glieder soll in sich zentralisiert sein; und durch
ihr lebendiges Nebeneinander- und Zusammenwirken kann
erst die Einheit des sozialen Gesamtorganismus entstehen.|23|88}}
 
{{GZ|... daß von einem ''unwirklichen'' Denken
ausgegangen wird.
Daß geglaubt wird, die Menschen
könnten in einer Gemeinschaft nur eine
Einheit des Lebens
erzeugen, wenn diese Einheit durch Anordnung
erst in die
Gemeinschaft hineingetragen wird. Doch das
Umgekehrte
wird von der Lebenswirklichkeit verlangt.
Die Einheit muß
als das ''Ergebnis'' entstehen; die von
verschiedenen Richtungen
her zusammenströmenden Betätigungen müssen
''zuletzt'' eine
Einheit bewirken. ''Dieser''
wirklichkeitsgemäßen Idee lief
die Entwickelung der letzten Zeit zuwider.|23|121}}
 
{{GZ|Man sieht nicht, wie der Mensch zu jedem der
drei
Glieder ein ''besonderes'' Verhältnis hat,
das in seiner Eigenart
nur entfaltet werden kann, wenn im
wirklichen Leben
ein für sich bestehender Boden vorhanden
ist, auf dem
sich, abgesondert von den beiden andern,
dieses Verhältnis
ausgestalten kann, um mit ihnen
zusammenzuwirken.|23|122}}
 
{{GZ|Gewiß wird die Entwickelung das Notwendige
bringen müssen; aber in dem sozialen
Organismus
sind die Ideenimpulse des Menschen
''Wirklichkeiten''. Und
wenn die Zeit ein wenig vorgeschritten sein
wird und das
''verwirklicht'' sein wird, was heute nur
gedacht werden kann:
dann wird eben dieses Verwirklichte in der
Entwickelung drinnen sein. Und diejenigen,
welche «nur von der Entwickelung» und nicht
von der Erbringung fruchtbarer Ideen etwas
halten, werden sich Zeit lassen müssen mit
ihrem Urteil bis dahin, wo, was heute
gedacht wird, Entwickelung sein wird. Doch
wird es eben dann ''zu spät'' sein zum
Vollbringen gewisser Dinge, die von den
''heutigen'' Tatsachen schon gefordert
werden. Im sozialen Organismus ist es nicht
möglich, die Entwickelung ''objektiv'' zu
betrachten wie in der Natur. Man muß die
Entwickelung ''bewirken''. (...) [In die
soziale Lebensauffassung ist aufzunehmen],
... was nicht nur im ''Bestehenden'' liegt,
sondern ''dasjenige'', was in den
Menschenimpulsen - von ihnen oft unbemerkt -
keimhaft ist und sich verwirklichen will.|23|137}}
 
{{GZ|[D]ie Dreigliederung
des sozialen Organismus [hat] ihre
Begründung
im Wesenhaften des menschlichen
Gesellschaftslebens.|23|138}}
 
{{GZ|Die Menschen
werden weder in Klassen noch in Stände
''sozial'' eingegliedert
sein, sondern der soziale Organismus selbst
wird gegliedert
sein. Der Mensch aber wird gerade dadurch
wahrhaft
Mensch sein können. Denn die Gliederung wird
eine solche
sein, daß er mit seinem Leben in jedem der
drei Glieder
wurzeln wird.|23|140}}
 
{{GZ|Dreigeteilt wird der vom Menschen
abgesonderte,
seinen Lebensboden bildende soziale
Organismus
sein; jeder Mensch als solcher wird ein
Verbindendes
der drei Glieder sein.|23|140}}
 
{{GZ|In meinem Buche «Die Kernpunkte der sozialen Frage»
ist der Vergleich des sozialen Organismus mit dem natürlichen
menschlichen wohl herangezogen; zugleich aber darauf
aufmerksam gemacht, wie irreführend es ist, wenn man
glaubt, Anschauungen, die man an dem einen gewonnen
hat, auf den andern ohne weiteres übertragen zu können.
Wer die Wirksamkeit der Zelle oder eines Organes im
menschlichen Leibe nach den Ansichten der Naturwissenschaft
ins Auge faßt und dann nach der «sozialen Zelle»
oder den «sozialen Organen» sucht, um den Bau und die
Lebensbedingungen des «sozialen Organismus» kennenzulernen,
der wird nur allzuleicht in ein wesenloses Analogiespiel
verfallen.
 
Anders liegt die Sache, wenn man, wie es in den «Kernpunkten» geschehen ist, darauf hinweist, daß an einer
gesunden Betrachtung des menschlichen Organismus man
sein Denken so erziehen kann, wie man es braucht für eine
wirklichkeitsgemäße Auffassung des sozialen Lebens. Man
wird durch eine solche Erziehung sich dazu befähigen, die
sozialen Tatsachen nicht nach vorgefaßten Meinungen, sondern
nach ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit beurteilen zu
lernen.|24|99}}
 
 
{{GZ|Die theoretische Ansicht, daß das Geistige bloß Ideologie ist, sie ist das
Ungefährlichste. Das Wichtigste ist, daß in einem Menschen, der die
Anschauung hat, das Geistige wurzele nicht in einer allen Dingen zugrunde
liegenden geistigen Wirklichkeit, sondern in einer bloßen Ideologie,
nicht die geistige wirkliche Stoßkraft vorhanden sein kann. Ein
solcher Mensch hat kein Interesse daran, dem geistigen Leben seine richtige
Rolle in der Welt zuzuerteilen.|328|22}}
 
{{GZ|Nach Verstaatlichung strebt man, weil man glaubt, daß ein einziger
sozialer Organismus alles übernehmen könne.|328|22}}
 
(Diese Formulierung legt nahe, daß die drei Glieder des sozialen Organismus je für sich selbst auch soziale Organismen sind. Es ist auch insofern nicht gerechtfertigt, von "Sub"systemen des sozialen Gesamtorganismus zu sprechen. Die drei Glieder des sozialen Organismus sind nicht zentralisiert, sie können daher keine "Sub"-Systeme sein.)
 
{{GZ|Und dieses Leben
der Geisteskultur, dieses Leben des Geistes im sozialen Organismus, das
hat nun nicht Gesetze, die sich analog denken lassen den Gesetzen der
menschlichen Begabungen, den Gesetzen des menschlichen Sinnes- und
Nervenlebens, sondern das, was geistiges Leben im sozialen Organismus
ist, das hat Gesetze, die sich nur vergleichen lassen mit den Gesetzen
des menschlichen gröbsten Systems, des Stoffwechselsystems.|328|30}}
 
(In den Kernpunkten heißt es dazu, daß Wirtschaft und Geistesleben sich ihre Gesetze selbst geben, die Korporationen des Geisteslebens und die Assoziationen des Wirtschaftsleben wirken als "Gesetzgeber". Dabei wird es sich nicht um rechtliche Gesetze, sondern selbstgegebene Ordnungen handeln, die in bestimmtem Verhältnis zu den Selbstverwaltungen stehen im Sinne von "Verfassung". Dabei sollen diese selbst zu schaffenden Gesetze, bzw. ihre dem "gesunden" Organismus gemäße Reproduktion und Wandlung, im Geistesleben und im Wirtschaftsleben nicht einer demokratischen Legitimation bedürfen.)
 
Die drei Systeme haben jeweils ein besonderes Außenverhältnis, (wie das rhythmische System über die Lunge ein Außenverhältnis zur Luft hat). Die Wirtschaft hat ein Außenverhältnis zur Natur, das Rechtsleben hat ein Außenverhälnis zum "rein Menschlichen", das Geistesleben hat ein Außenverhältnis zu den Begabungen, Fähigkeiten der Individuen. (GA 328, S. 31f.)
 
{{GZ|Notwendig ist, daß ebenso, wie das Zirkulationssystem
seine eigene Lunge, wie das Nerven-Sinnessystem sein eigenes Gehirnsystem
hat, daß ein eigener Verwaltungsorganismus, ein selbständiger
Verwaltungs-, ein selbständiger Vertretungsorganismus, also Partei- oder
sonstige Vertretung, vorhanden ist je für das Wirtschaftsleben, für
das politische Leben oder das öffentliche Rechtsleben, und für das dritte
Gebiet, wiederum selbständig, für das geistige Leben.|328|36}}
 
Das läßt sich dahingehend interpretieren, daß die jeweiligen Körperschaften, Selbstverwaltungen, die Organe für die  Außenbeziehungen der drei Glieder des sozialen Organismus sind. Zu regeln ist allerdings auch ein Innenverhältnis. Die Wirtschaft hat ein Verhältnis zur Natur und zum Rechtsleben/Staat. An den beiden Schnittstellten sitzen "Organe".
 
{{GZ|Diese drei Gebiete haben in sich eine gewisse Souveränität im gesunden
sozialen Organismus und verhandeln untereinander durch ihre selbständigen
Vertreter, um dadurch jenes gegenseitige Verhältnis herzustellen
zwischen den drei Gliedern des sozialen Organismus.|328|36}}
 
{{GZ|Eine Gliederung des sozialen Organismus in der Art, daß in ihm ein sich selbst verwaltendes Geistesleben zur Entfaltung kommt, wird nicht die lebendige Einheit dieses Organismus zerstören, sondern, im Gegenteil, erst recht begründen. Gegliedert wird nur die Verwaltung; in dem Leben des Menschen wird die Einheit zur Entwickelung kommen können.|24|208}}
 
Diese Unterscheidung zwischen einer gegliederten Verwaltung, und einem einheitlichen sozialen Organismus, der nicht gegliedert ist, bedarf einiger Aufmerksamkeit. Ist das nicht widersprüchlich zu anderen Aussagen? Zudem wird einerseits betont, daß die Einheit sich in jedem einzelnen Menschen herstelle und dadurch gewährleistet sei, andererseits wird aber auch für erforderlich gehalten, daß die Zentralverwaltungen der drei Glieder in gegenseitige Beziehung treten, wohl auch in organhafter Art. Ja, Rudolf Steiner schlägt sogar vor, daß es eine Gesamtkörperschaft geben solle:
 
{{GZ|Der Zusammenschluß der drei Glieder durch eine Gesamtkörperschaft, die aus den Delegierten der drei Zentralverwaltungen und Zentralvertretungen sich ergibt, wird die denkbar größte Gewähr dafür bieten, daß nicht das eine Gebiet durch das andere vergewaltigt werde.|24|218}}
 
Abgesehen von der Frage, ob dieser Vorschlag einer Gesamtkörperschaft ("[[wikipedia:Runder Tisch|runder Tisch]]?") möglicherweise ein Zugeständnis an die Ängstlichkeit derjenigen politischen Verantwortungsträger damals darstellte, an die sich Rudolf Steiner mit seinem Gestaltungsvorschlag zunächst richtete, nämlich an deren antizipierte Befürchtung, der soziale Organismus würde durch die Dreigliederung auseinander fallen, nicht genug Zusammenhalt haben, ist doch die Differenzierung zwischen einem dreigegliederten Organismus in Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben, und einer Dreigliederung der den Gliedern zugeordneten Verwaltungen: Korporationen des Geisteslebens, Assoziationen des Wirtschaftslebens, und politische Vertretung und Administration, auffällig.
 
Dieser Unterschied hat möglicherweise auch bisher zu wenig Beachtung gefunden, gerade bei Vertretern einer "funktionellen" Dreigliederung. Die funktionelle Dreigliederung in die Bereiche Wirtschaft, Politik und Kultur ist heute im allgemeinen Bewußtsein gut sichtbar, die drei "Sphären" werden auseinandergehalten. Ist damit der Idee der sozialen Dreigliederung schon Genüge getan?
 
Es handelt sich dabei zunächst nur um den einen Aspekt, den Rudolf Steiner so formuliert hat:
 
{{GZ|Das Wirtschaftsleben hat einfach
durch sich selbst in der neueren Zeit ganz bestimmte Formen
angenommen. Es hat durch eine einseitige Wirksamkeit in
das menschliche Leben sich besonders machtvoll hereingestellt.
Die andern beiden Glieder des sozialen Lebens sind
bisher nicht in der Lage gewesen, mit derselben Selbstverständlichkeit
sich in der richtigen Weise nach ihren
eigenen Gesetzen in den sozialen Organismus einzugliedern.
Für sie ist es notwendig, daß der Mensch aus den oben
angedeuteten Empfindungen heraus die soziale Gliederung
vornimmt, jeder an seinem Orte; an dem Orte, an dem er
gerade steht. Denn im Sinne derjenigen Lösungsversuche
der sozialen Fragen, die hier gemeint sind, hat jeder einzelne
Mensch seine soziale Aufgabe in der Gegenwart und in der
nächsten Zukunft.|23|64f.}}
 
{{GZ|Man muß dieses im
Leben empfindend unterscheiden, damit sich als Folge dieser
Empfindung das Wirtschafts- von dem Rechtsleben scheidet,
wie im menschlichen natürlichen Organismus die Tätigkeit
der Lunge zur Verarbeitung der äußeren Luft sich abscheidet
von den Vorgängen im Nerven-Sinnesleben.|23|62}}
 
Die angeführten "Empfindungen" beziehen sich auf die Wahrnehmung unterschiedlicher Sphären, verschiedener Sinnhorizonte und einem entsprechenden "passenden" Verhalten. Es ist damit zunächst nur eine bewußtseinsmäßige Gliederung verbunden. Im Falle von Korruption liegt ein Fehlverhalten vor. Dies nimmt man wahr, ohne daß dadurch auch die Korruption schon aufgehoben wäre. Trotz der Wahrnehmung unterschiedlicher Sphären kann die erforderliche Gliederung im Sinne von richtiger getrennter Selbständigkeit fehlen. Und so ist es ja heute auch weiterhin. Man darf also die Forderung nach der konkret-verwaltungsmäßigen Gliederung, die die richtige Trennung der drei Glieder und deren Zusammenspiel gewährleisten soll, nicht unterschätzen. Eine gegebene Trennung und auch Einheit der drei Sphären im Bewußtsein des Menschen genügt für sich alleine nicht. Die Menschen müssen auch entsprechend handeln, und das heißt, entsprechend handeln ''können'', sowie auch erwarten können, daß andere sich ebenso verhalten können und werden. Damit Dreigliederung funktioniert, müssen entsprechende Einrichtungen da sein, d.h. es muß Selbstverwaltung der Wirtschaft und des Geisteslebens unabhängig von staatlichen Vorschriften geben. Nur mittels konkreter, staatsunabhängiger Selbstverwaltung kann sich ein freies Geistesleben "realisieren".
 
Es ist deswegen auch nicht richtig, von der Idee der sozialen Dreigliederung lediglich als von einem "Urbild" zu sprechen, mittels dessen man soziale Wahrnehmungen hat. Da findet man dann überall dreigegliedertes soziales Geschehen. Die drei Aspekte lassen sich überall aufsuchen, ohne daß dadurch etwas am sozialen Organismus bereits gebessert wäre. Das Urbild der sozialen Dreigliederung ist nur ein wahres, wenn es in der konkreten, praktischen Realisierung "lebt". Das Urbild, die Urgedanken müssen im konkreten-praktischen Leben zur Geltung kommen, sich ausleben können. Wenn das nicht der Fall ist, dann handelt es sich um den von Rudolf Steiner kritisierten Zustand eines bloß ideologischen Geisteslebens, das keine Kraft zur Umgestaltung, zur Herstellung oder Wiederherstellung von Ebenbildlichkeit im sozialen Leben hat.
 
{{GZ|Denn es handelt sich nicht um ein Programm, das man ausführen
oder unterlassen kann, sondern es handelt sich darum, daß das erkannt
werden muß, was sich verwirklichen will, und was der Mensch
deshalb verwirklichen muß, weil es in seinen notwendigen geschichtlichen
Wachstumskräften für die Gegenwart und die nächste Zukunft
liegt.|328|43f.}}
 
{{GZ|Dieses moderne Leben - wie ich ja oftmals
in meinen Vorträgen, die ich hier in Zürich gehalten habe, betonte - hat
Denkgewohnheiten, hat Denkformen herausgebildet, die sich für eine
gewisse Richtung der Naturwissenschaft außerordentlich fruchtbar erweisen.
Es hat dann dieses moderne Denken auch eindringen wollen in
das Begreifen und begreifende Reformieren, reformierende Begreifen
des sozialen Lebens selbst, der sozialen Erscheinungen und Impulse des
Lebens. Aber bei diesem Eindringen hat man überall das Gefühl: Die
Menschen der Gegenwart, die gerade rein in den Denkformen und
Denkgewohnheiten der Gegenwart drinnenstehen, haben nicht Begriffe,
welche in Wirklichkeit die komplizierten Erscheinungen des
sozialen Lebens erfassen können. Gewissermaßen sind die Begriffe zu
engmaschig. Sie können nicht in sich fassen die komplizierten Erscheinungen
des sozialen Lebens selbst. Sie bleiben abstrakt, sie bleiben konturenhaft,
aber sie dringen nicht ein in das wirkliche Leben selbst, das
sich im sozialen Körper abspielt.|328|51f.}}
 
{{GZ|Dieser lebendig wirksame Geist ist in uns. Er ist da, wie die Dinge
draußen im Räume sind und die Vorgänge draußen in der Zeit sind. Und
wenn man sich in diese Stellung zum wirklichen geistigen Erkennen nun
nicht bloß hineindenkt, sondern hineinlebt, dann sprießt aus diesem geistigen
Erkennen ein innerlicher Impuls, der ein Antrieb ist, den Geist in
der Welt real zu machen durch sich selber, der ein Antrieb ist, den Geist
als Realität zu erleben und zu verwirklichen in einer ganz anderen Weise,
als das sein kann durch das, was ein bloßes Spiegelbild ist an Ideen, an
Begriffen, die von einem Geistigen handeln. Es ist ein großer Unterschied,
ob man sagt: Ich denke über den Geist, ich glaube an den Geist -,
oder ob man sagt: In mir denkt der Geist, in mir empfindet der Geist. - (...)
Etwas von seelisch-geistiger Stärke muß in
die Menschheitsentwickelung hineinkommen aus diesem geistigen Erleben
heraus. Und dieses Etwas von seelisch-geistiger Stärke, was in die
Menschheitsempfindung hineinkommen soll, es ist von größerer sozialer
Wichtigkeit als man denken kann, denn es ist das, was das Heilmittel
ist für die lähmende, in der vorigen Woche hier charakterisierte Ideologie,
welche das Proletariat von dem Bürgertum als ein bedrückendes
Erbe übernommen hat.|328|58}}
 
{{GZ|Das ist es, was in der ersten wahren Gestalt der sozialen Frage in Wirklichkeit
lebt, wenn man in die Tiefen dieser Frage einzudringen versteht,
daß die Entwickelung des modernen Geisteslebens um die Wende der
neueren Zeit oder seit dieser Wende der neueren Zeit im 19.Jahrhunderte
allmählich sich so abgestumpft, abgeschwächt, abgelähmt hat, daß
die Menschen nicht mehr wußten: in ihnen lebt der Geist als ein realer,
lebendiger, sondern daß sie glaubten, nur Ideen, nur Spiegelbilder
irgendeiner Wirklichkeit leben in ihnen - was dann in der Welt- und
Lebensanschauung des modernen Proletariats dazu geworden ist, daß
dieses Proletariat sagt: Es gibt auf geistigem Gebiete nur eine Ideologie.
Die Wirklichkeit ist nur in dem ökonomischen, in dem wirtschaftlichen
Prozesse, in dem Klassenkampfe; da spielt sich die Realität ab. - Aber
daraus dampft in irgendeiner Weise etwas herauf in die Seelen der Menschen;
das kommt in Form von Bildern zur Offenbarung, von Bildern,
die sich ausleben in der Wissenschaft, in der Sitte, in der Religion, in der
Kunst. Das gibt einen Überbau für den einzig wirklich realen Unterbau.
Und wenn man auch nicht umhin kann zuzugeben in der Soziologie, daß
das, was in diesem Überbau als eine Ideologie lebt, wiederum real zurückwirkt
auf das wirtschaftliche Leben, es bleibt doch Ideologie. Es
gibt kein Heilmittel aus dieser Ideologie heraus, wenn man nicht zum
wirklichen geistigen Erleben, wie es die geistige Wissenschaft in die
moderne Menschheit hineinführen will, wenn man nicht zu diesem geistigen
Erleben greift. Heilung von den Schäden der Ideologie ist nur zu
erreichen durch wirkliche Vertiefung in den wahrhaftigen Geist und
seine Erscheinungen, durch Vertiefung in die wirkliche übersinnliche
Welt.|328|58f.}}
 
{{GZ|Erst dann,
wenn man diese drei Glieder relativ selbständig nebeneinander hat,
wenn man ein selbständiges geistiges Glied, ein selbständiges Rechtssystemglied,
eigentliches Staatsleben, und ein selbständiges Wirtschaftsleben
hat und diese Glieder mit relativer Selbständigkeit nebeneinander
wirken, wenn jedes dieser Glieder aus seinen eigenen Grundlagen heraus
seinen Vertretungskörper, seinen Verwaltungskörper hat, sagen
wir, seinen Reichstag, seinen Bundestag, sein Ministerium hat und die
einzelnen Glieder fast so souverän zueinander stehen wie Einzelstaaten,
nur durch Delegierte zueinander verhandeln, erst dann wird der soziale
Organismus wirklich gesund.|328|69}}
 
=== Zur Frage der Finanzierung des Geisteslebens ===
{{GZ|[Es ist] notwendig ..., ein soziales Gefühl dafür zu entwickeln,
wie das geistige Leben, der ganze Betrieb des geistigen Lebens im sozialen
Organismus so drinnenstehen muß, daß er gerechtfertigt ist durch
die allgemeinen Interessen der Menschheit.|328|63}}
 
Rudolf Steiner bringt dazu das Beispiel einer Promotion eines Studierenden über das Thema: Schimpfwörter eines antiken Autors. Während der Zeit, wo der Student an der überflüssigen Bearbeitung eines solchen Themas sitze, müßten andere für seinen Lebensunterhalt sorgen. Das Beispiel ist insofern völlig verfehlt, weil es bei solcher Promotion nicht um Nützlichkeit für die Gesellschaft geht, sondern um das Erlangen der Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit, und allenfalls um einen internen Beitrag zum Fortschritt der Wissenschaft.
 
Zudem kann in vielen Fällen es eine Würdigung von Leistungen des Geisteslebens im Voraus gar nicht geben. Soll die Berechtigung eines Malers, Bilder zu malen, davon abhängig gemacht sein, daß diese Bilder Anerkennung finden? In sehr vielen Fällen wird eine Beurteilungsmöglichkeit dafür gar nicht vorhanden sein. Auch daß die kreativ Schaffenden sich gegenseitig Konkurrenz machen sollen, und das rezipierende Publikum dann entscheiden soll nach dem eigenen Urteilsvermögen, was nun Wert für die Gesellschaft hat - und nur das wird dann auch finanziert - , ist weit ab von einem praktikablen Geistesleben, in dem sich kreatives Schaffen ohne finanzielle Manipulation frei entfalten kann.
 
Es kann viele Jahrzehnte dauern, bis ein Werk zur Würdigung durch die Gesellschaft kommt. Anderes, das sich im Rahmen der aktuellen Mode zur Anerkennung bringen kann, erweist sich in späteren Jahren als wertlos. Zu dem Thema ist fraglich, ob würde die Methode des freien Spendenwesens für das freie Geistesleben funktionieren können, wo doch die Geldgeber oft gar nicht das Urteilsvermögen darüber haben, was wissenschaftlichen oder künstlerischen Wert hat. Noch nicht einmal innerhalb des Geisteslebens selbst gibt es die Möglichkeit, sich gegenseitig die jeweiligen Leistungen zu bewerten, und zu entscheiden, wer weiter kreativ tätig sein darf, und wer besser es läßt und in die Politik oder Wirtschaft geht, um sich dort zu betätigen. In vielem muß das Urteil der Nachwelt überlassen bleiben. Es muß eine generelle Finanzierung geben auch für diejenigen, die sich um einen Beitrag auf dem Gebiet der Kunst oder Wissenschaft bemühen, auch wenn letztlich nicht viel dabei heraus kommt. Nur ''insgesamt'' ist es natürlich richtig, daß die Wissenschaft oder Kunst einen Beitrag leisten muß für die Gesellschaft. Das ist aber wiederum so selbstverständlich, daß es keiner Diskussion bedarf. Eine Gießkannenfinanzierung des Geisteslebens ist durchaus richtig: Man weiß ja noch gar nicht, welches Pflänzlein sich gut entwickelt, und welches nicht. Die Finanzierung muß im Voraus geschehen. Deswegen mag wohl eine Leistungskonkurrenz unter kreativ Schaffenden um der Sache selbst willen wertvoll sein, aber doch nicht als Selektionsinstrument von der Finanzierungsseite aus. Damit hätte man dann ja die Abhängigkeit von der Wirtschaft oder vom Staat nur auf andere Art weiter fortgeführt.
 
{{GZ|Das, was geistiges Leben ist, muß mit einer relativen Selbständigkeit
dastehen, muß nicht nur auf die innere Freiheit des Menschen gestellt
sein, sondern es muß so innerhalb des sozialen Organismus dieses geistige
Leben stehen, daß es auch in völlig freie Konkurrenz gestellt ist,
daß es auf keinem Staatsmonopol beruht, daß dasjenige, was das geistige
Leben als Geltung sich verschafft bei den Menschen - was es für den
einzelnen individuellen Menschen für eine Geltung hat, das ist eine andere
Sache, wir reden von der Gestaltung des sozialen Organismus -,
daß das auf völlig freier Konkurrenz, auf völlig freiem Entgegenkommen
den Bedürfnissen der Allgemeinheit einzig und allein sich offenbaren
kann. Mag irgend jemand in seiner Freizeit dichten, so viel er will,
mag er auch Freunde finden für diese Dichtung, so viel er will- das, was
berechtigt ist im geistigen Leben, ist allein das, was die anderen Menschen
miterleben wollen mit der einzelnen menschlichen Individualität.|328|63}}
 
Das ist ganz unpraktisch gedacht und völlig an einer möglichen Realität vorbei, weil unterstellt wird, es könne immer eine Gleichzeitigkeit von kreativer Produktion und ihrer Würdigung geben. Solche Gleichzeitigkeit gibt es nur in den wenigsten Fällen. Würde man dies so praktizieren, würden kreativ Schaffende mit guter Reputation die ihnen nötige Finanzierung weiter erlangen, während andere Leistungsbereite ohne Reputation ihre Projektvorhaben nicht finanziert erhalten. Diese Projekte werden dann auch nicht in die Welt kommen, und niemals wird man erfahren, welch einen Wert sie für die Gesellschaft hätten gewinnen können.
 
Man wird also, zumindest zu einem guten Teil, das freie Geistesleben "auf gut Glück" finanzieren müssen. Genauso wird ja auch jedes Kind nach Möglichkeit gefördert, unabhängig davon, ob es später im Leben ein nützliches Gemeinschaftsmitglied sein wird oder nicht. Viele Menschen bringen es zu Wenigem im Leben, andere leisten dafür umso mehr. Im Geistesleben kann dem nicht eine entsprechende knappe oder reiche Finanzierung korrespondieren. Dadurch würde man die kreative Produktion mit finanziellen Mitteln steuern, also das freie Geistesleben unfrei machen, und tendentiell abwürgen. Die diesbezüglichen Ansichten Steiners widersprechen sich auch in merkwürdiger Weise damit, daß das freie Geistesleben durch Schenkungsgeld erhalten werden soll. Schenkungen kann man nicht mit zu erwartenden Gegenleistungen verrechnen.
 
Wenn ein Lehrer mit seinem Beruf nicht klar zu kommen scheint, pädagogisch überfordert zu sein scheint, soll man ihn dann mit finanziellem Druck dazu bringen, einen Bürojob anzutreten? Das geht nicht einfach so, und man kann auch nicht wissen, was seinen größeren oder geringern Wert für die Kinder ausmacht, im Vergleich zu anderen Lehrern, zumindest für die Zukunft nicht. Es ist schon merkwürdig, daß Rudolf Steiner meint, daß in diesen Hinsichten die im Geistesleben beschäftigten miteinander konkurrieren sollten unter dem Aspekt, wer bei knappen Mitteln finanziert werden soll. Wo sollen denn die Urteilsgrundlagen herkommen, wenn solch ein Lehrer von Lowperformer diese nicht selbst in sich selber trägt, d.h. selbst am besten wissen kann, ob die pädagogische Tätigkeit für ihn das Richtige ist oder nicht.
 
{{GZ|Dieses
wirkliche Geistige muß in der Menschenseele in dem Lichte der Freiheit
und der freien Konkurrenz geboren werden, dann lebt es sich in der
richtigen Weise in den sozialen Organismus hinein. Dann darf es aber
auch nicht, und das ist wichtig, unter irgendeinem Aufsichtsrecht
irgendeines anderen Gliedes des sozialen Organismus stehen, dann muß
es in völliger Freiheit, nur herausgefordert durch die allgemeinen Bedürfnisse,
sich offenbaren können.|328|64}}
 
Unter Außerachtlassung der kritisierten Vermengung mit Finanzierungsfragen, kommt das ansonsten Gemeinte in dieser Passage gut zum Ausdruck: Die Kreativität soll sich auf einen Mangel richten, auf ein allgemeines Bedürfnis. Das ist verständlich, weil das freie Geistesleben dasjenige Teilgebiet ist, von dem die Versorgung, die "Ernährung" des sozialen Organismus ausgeht. Kreative Produktion ist Nahrung für die Gesellschaft, wie für den Menschen die Aufnahme von Feldfrüchten in den Magen. Den entsprechenden Bedürfnissen an Behebung solcher Mängel an Zufuhr von geistiger Leistung muß das freie Geistesleben aufs Ganze gesehen gerecht werden können, wozu auch die Leistungskonkurrenz unter den Kreativen gehören mag. Inwieweit geistige Leistungen und allgemeines Bedürfnis nach solchen ''unmittelbar'' korrespondieren müssen und können, hängt doch aber von der besonderen Bedürfnislage ab, worin die konkret besteht, und was an kreativem Potential jeweilig verfügbar ist. Oft wird sich ein Mangel nicht beheben lassen, wo dieser aufzutreten scheint, es aber einen Ausgleich anderswo oder ''später'' geben können, auch sogar mit einer ganzen anderen kreativen Leistung. Besteht ein Kunstbedürfnis, und kann leider kein Konzert veranstaltet werden, so entsteht ein Mangel, oder ein bestehender Mangel kann nicht behoben werden. Im nächsten Monat gibt es jedoch eine Gemäldeausstellung, bei der auch eine Musikgruppe auftritt, usw. Diese Bedürfnisse sind oft sehr unspezifisch, es gibt für das Geistesleben viele Wege, ihnen Genüge zu tun. Das gleiche gilt für technische Erfindungen und für organisatorische Leistungen, und sonstige Dienstleistungen, die eine kreative Komponente haben.
 
=== Der Forschungsgegenstand "sozialer Organismus" ===
[[Datei:Social Network Analysis Visualization.png|mini|Visualisierung eines Sozialen Netzwerks: Briefwechsel zwischen Wissenschaftlern.]][[Datei:Kencf0618FacebookNetwork.jpg|mini|Visualisierung eines [[wikipedia:Soziales Netzwerk (Soziologie)|sozialen Netzwerks]]: „Freund“-Beziehungen zwischen [[wikpedia:Facebook|Facebook]]-Nutzern.]]
Der soziale Organismus ist nach dem bisherigen so beschaffen, daß es derer viele gibt, in etwa der Zahl der Nationalstaaten entsprechend. So hat jedes Staatsgebiet einen eigenen sozialen Organismus. Diese Konzeption paßt jedoch nicht so recht damit zusammen, daß das Geistesleben internationale Tendenz, und das Wirtschaftsleben räumlich-globale Tendenz hat. Die Vorstellung je eines sozialen Organismus pro Staatsgebiet dient auch dazu, möglich erscheinen zu lassen, daß ein Staat für sich selbst die Dreigliederung einführt, andere jedoch nicht, wodurch eine Inselsituation entsteht. Die damit verbundene Problematik wird von Rudolf Steiner ausführlich diskutiert.
 
Diese Vorstellung von je einzelnen sozialen Organismen je Staatsgebiet wurde z.B. von Wilhelm Schmundt kritiklos übernommen, mit der Begründung, er selbst habe die sozialen Organismen so "geschaut" (Wahrnehmung des Urbildes).
 
Dem steht gegenüber die Vorstellung, daß der soziale Organismus ein einziger, globaler sei. Auch dies ist von den Ausführungen Rudolf Steiners angedeutet. Der globale Organismus hat dann jeweils in den territorialen Staatsgebieten eine Art "Bodenkontakt". Steiner spricht von dem staatlichen Rechtsleben als einem "Band", als einer vermittelnden Verbindung zwischen Geistesleben und Wirtschaftsleben. Sieht man den globalen sozialen Organismus als einen einzigen an, so ist er doch gegliedert in unterschiedliche territoriale Rechtsgebiete. Dies betrifft aber eigentlich nur den mittleren Bereich. Der Idee nach verlaufen Grenzen innerhalb des Geistesleben und Wirtschaftslebens, sofern es überhaupt welche gibt, nicht territorial auf den gleichen Linien. Daß die territorialen Staatsgebiete einen Einfluß genommen hatten auf den Verlauf kultureller und wirtschaftsgeographischer Grenzen, ist eine Folge des Einheitsstaatsprinzips. Die Zusammenziehung von sozialen Organismen auf Staatsgebiete, also eine territorial-rechtlich veranlaßte Differenzierung des einen globalen Organismus, ist Ergebnis des Strebens nach Einheitsstaat. Wenn solch ein Einheitsstaat dann in einen dreigegliederten umgewandelt wird, kommt es zu einer Gegenbewegung, nämlich es verändert sich die Abgrenzung zum staatsexternen Gebiet. Während die territorial-rechtliche Grenze bestehen bleibt, ändern sich die kulturellen und wirtschaftlichen Grenzen. Die Interaktionsdichte und Strukturdichte zum kulturellen und wirtschaftlichen "Ausland" nimmt zu bis zu einem Grade, wo sich die Frage stellt, ob noch von einer Grenze zwischen unterscheidbaren sozialen Organismen gesprochen werden kann. Solche Entwicklung ist möglich, da die drei Glieder zueinander relativ selbständig sind. Hinzu kommt die Änderung oder Überwindung von rechtlichen Grenzen, wie in der europäischen Union, oder auch auf unfriedlichem Wege durch Krieg, oder Sezession per Volksentscheid (Ablösung von Schottland von Vereinigten Königreich, und Anschluß an europäische Union?) Auch die strenge rechtlich-territoriale Abgrenzung zwischen sozialen Organismen ist damit fraglich. Als Ergebnis bleibt, daß die sozialen Organismen auf der Erde, will man sie von dem einen sozialen Organismus unterscheiden, lediglich sich wahrnehmen lassen durch eine höhere Struktur- und Interaktionsdichte, die zu den fließenden Grenzen abfällt. Je geringer eine Interaktionsrate und die strukturelle Verflechtung irgendwo ist, desto eher wird man dort eine Grenze zwischen Teilgebieten finden können, entweder politisch-rechtlich, kulturell, oder wirtschaftsgeographisch. Wo jedoch Strukturdichte und Interaktionsaufkommen hoch ist, liegt ein Netzwerk vor. Vor daher stellt sich die Frage, ob der globale soziale Organismus mit seiner inneren, nicht nur territorial-staatlichen Differenzierung mit netzwerk-theoretischen Überlegungen und Wahrnehmungen besser faßlich sein könnte. Netzwerkstrukturen können auch informell sein, sie müssen nicht mit dem übereinstimmen, was Rudolf Steiner als die einzurichtenden Selbstverwaltungen vorgeschlagen hatte.
 
== Siehe auch ==
{{wikipediaDE|Sozialwissenschaften}}
 
[[Kategorie:Soziales Leben]][[Kategorie:Sozialwissenschaft]][[Kategorie:Wissenschaft]][[Kategorie:Wissenschaftstheorie]][[Kategorie:Soziale Dreigliederung]]
{{GA}}
{{wikipedia}}

Version vom 18. März 2020, 20:58 Uhr

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