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Version vom 11. November 2018, 21:49 Uhr

Johann Wilhelm Ritter
(ob die Abbildung tatsächlich J. W. Ritter darstellt, ist nicht gesichert)

Johann Wilhelm Ritter (* 16. Dezember 1776 in Samitz bei Haynau, Schlesien; † 23. Januar 1810 in München) war ein deutscher Physiker und Philosoph der Frühromantik. Er entdeckte 1801 die UV-Strahlung und erfand 1802 den ersten Akkumulator, die Rittersche Ladungssäule.[1]

„Johann Wilhelm Ritter ist die herausragendste Figur unter den Naturforschern der Frühromantik im Kulturkreis Jena-Weimar. Obwohl Autodidakt, wurde er von Persönlichkeiten wie Goethe, Herder, Alexander von Humboldt und Brentano als wissenschaftlicher Partner geschätzt.“[2]

Leben und Werk

„658. Der Körper ist der Einband des Geistes, das Gesicht der Titel, und das Auge der Name des Verfassers.“

Johann Wilhelm Ritter: Fragmente aus dem Nachlasse eines jungen Physikers, 358[1]

Im April 1796 schrieb sich an der Universität Jena ein Student namens Johann Wilhelm Ritter ein. Er vermerkte im Matrikel, dass er am 16. Dezember 1776 im schlesischen Samitz geboren sei. Dort hatte er bis zum 14. Lebensjahr die Lateinschule besucht, war dann in einer Liegnitzer Apotheke Lehrling und einige Jahre als Provisor tätig gewesen. In der thüringischen Universitätsstadt betrieb nun Ritter keineswegs ein geregeltes Studium der damals üblichen Art. Er verblieb lieber in seinem kleinen Zimmer und stellte sich selber wissenschaftliche Aufgaben, etwa über „die wirkliche Gegenwart der Kalkerde in rohen Knochen“. Schließlich geriet er ins Fahrwasser des seinerzeit allgemeinen Interesse am Galvanismus. Seine erste entsprechende Abhandlung waren „zehn Bogen der interessantesten Bemerkungen“ zu Alexander von Humboldts Werk über gereizte Muskel- und Nervenfasern.

Am 29. Oktober 1797 referierte Ritter vor der Naturforschenden Gesellschaft in Jena „Ueber den Galvanismus: einige Resultate aus den bisherigen Untersuchungen darüber, und als endliches: die Entdeckung eines in der ganzen lebenden und todten Natur tätigen Princips“. Seine Ausführungen fanden große Resonanz, aber als er Johann Christian Reil in Halle das Manuskript zum Abdruck in dessen „Archiv für Physiologie“ übersandte, erhielt er die Arbeit zurück mit der Notiz, dass eine „solche Bemerkung zu dreist sei und anderes dergleichen mehr“.

Der junge Wissenschaftler ließ sich nicht entmutigen, vertiefte mit neuen Experimenten weiter sein Wissen über die galvanischen Vorgänge. Im thüringischen Raum war Ritter bald als Naturforscher anerkannt, wobei er sich freilich immer wieder mit den von Universitäten und Akademien bestätigten Wissenschaftlern rieb. 1799 gründete er die Zeitschrift „Beyträge zur nähern Kenntniß des Galvanismus“. Darin legte er unter anderem seine aus eigenständigen Untersuchungen gewonnenen Überlegungen dar, dass die galvanischen Vorgänge immer an Oxidation und Reduktion gebunden sind. Deshalb gehört Ritter zusammen mit Theodor Grotthuß (1785–1822) zu den eigentlichen Begründern der elektrochemischen Theorie, zu der sie unabhängig voneinander Beiträge lieferten.

Erste quantitative Wasserelektrolyse durch Johann Wilhelm Ritter im Jahre 1800

Viele von Ritters zahlreichen Entdeckungen sind bis heute nahezu unbeachtet. Schuld daran hatte er auch selbst, denn er bediente sich einer weitschweifigen Darstellungsweise, die an die Schriften der Romantiker erinnert, mit denen er in Jena verkehrte. Aufgestellt hat er als erster das heutige sogenannte Voltasche Spannungsgesetz im Mai 1801, also Monate bevor es der spätere Namensgeber mangelhaft formulierte. Im gleichen Jahr erfand er die Trockensäule und zwei Jahre später konstruierte er mit seiner Ladungssäule die Vorform des Akkumulators. 1802 entdeckte er am Ende des Spektrums des sichtbaren Lichtes die Ultraviolettstrahlen.

Im Herbst 1804 erhielt Ritter endlich die ersehnte feste Anstellung und die damit verbundene offizielle wissenschaftliche Anerkennung, allerdings durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften, die ihn als ordentliches Mitglied aufnahm und ihm die Möglichkeit zur Fortsetzung seiner Forschungen gab. (Das obige Bild zeigt ihn möglicherweise in einer bayerischen Uniform.) Ab 1806 wandte er sich unter dem Einfluss des Theosophen Franz Xaver von Baader der Erforschung der so genannten unterirdischen Elektrometrie, der Rutengängerei, zu. Ausgiebig betrieb er entsprechende Experimente, wodurch sein wissenschaftlicher Ruf bei den Fachkollegen natürlich nicht gefestigt wurde.

Im Jahre 1808 brachte er ein erstes und letztes Heft über Siderismus (siehe auch Wünschelrute) heraus, um dann über ein System der Naturkräfte nachzudenken, in dem alle denkbaren Phänomene erfasst sein sollten. Er kam jedoch nur zu Ansätzen, denn kaum 34 Jahre alt verstarb er am 23. Januar 1810 in München, mitverursacht durch die an seinem Körper durchgeführten galvanischen Selbstversuche.

„Ritter sucht durchaus die eigentliche Weltseele der Natur auf. Er will die sichtbaren und ponderablen Lettern lesen lernen, und das Setzen der höhern geistigen Kräfte erklären. Alle äußere Processe sollen als Symbole und letzte innerer Processe begreiflich werden.“

Novalis: Fragmente und Studien 1799/1800. Nr. 158. Werke, herausgegeben von Gerhard Schulz.[2]

Sphärenharmonie und Weltenwort

Besondere Bedeutung maß Ritter der in Schwingungen, wesenhaften(!) Tönen und harmonischen Zahlenverhältnissen sich ausdrückenden Sphärenmusik zu, die sich zur Sprache, zum schöpferischen Wort steigert, aus dem die ganze Welt erschaffen ist, in der sich das Wort gleichsam als sichtbar gewordene Schrift, als Hieroglyphe, vor unseren Augen ausbreitet. Ritter verweist dabei auch auf die Chladnischen Klangfiguren. Der Gehörsinn erschien Ritter darum als der umfassendste, universellste aller Sinne, der uns am tiefsten in das Wesen der Dinge führt. Alle Wesen sind aus der Sprache geschaffen: Minerale, Pflanzen, Tiere und auch der Mensch. Wahre Selbsterkenntnis wäre dann, sich selbst voll und ganz als Sprache und Schrift, als Hieroglyphe des schaffenden Wortes zu erfassen.

„358. Das Gehör ist ein so äußerst reichhaltiger Sinn. Es fehlt noch an irgendeiner Anleitung, ihm näherzukommen. Vom Lichte sehen wir, Herschels und Ritters Entdeckungen zufolge, nur die Hälfte, und vielleicht noch weniger. Aber es soll ein Sinn sein, der uns alles beibringt. Direkt, dynamisch, geht es nicht; mechanisch muß es geschehen. In jedem Körper ist alles, so auch das Unsichtbare, enthalten. Bei der Oszillation, Vibration, usw., schwingt alles. Alles wirkt nach einem Schema samt und sonders zugleich. Darum kommt's auf diesem Wege ganz in den Menschen. Die Ortsveränderung bringt tausend chemische, elektrische, magnetische Prozesse hervor. Alles, was nur irgend erregt werden kann, wird hier erregt. So klingt hier alles, alles wird gewußt, gefühlt. Das Hören ist ein Sehen von innen, das innerstinnerste Bewußtsein. Darum läßt sich auch mit dem Gehör tausendmal mehr ausrichten, als mit irgendeinem andern Sinn. Der Gehörsinn ist unter allen Sinnen des Universums der höchste, größte, umfassendste, ja es ist der einzige allgemeine, der universelle Sinn. Es gilt keine Ansicht des Universums ganz und unbedingt, als die akustische.“

Johann Wilhelm Ritter: Fragmente aus dem Nachlasse eines jungen Physikers, 358[3]

„360. (1802) Töne entstehen bei Schwingungen, die in gleichen Zeiten wiederkehren. Die halbe Zahl der Schwingungen in der nämlichen Zeit gibt den Ton eine Oktave tiefer, der vierte Teil zwei Oktaven, usf. Zuletzt kommen Schwingungen heraus, die einen Tag, ein Jahr, ein ganzes Menschenleben, dauern. Vielleicht sind diese von großer Wichtigkeit. Die Umdrehung der Erde um ihre Achse zum Beispiel mag einen bedeutenden Ton machen, d. i., die Schwingung ihrer inneren Verhältnisse, die dadurch veranlaßt ist; der Umgang um die Sonne einen zweiten, der Umlauf des Mondes um die Erde einen dritten, usw. Hier bekommt man die Idee von einer kolossalen Musik, von der unsere kleine gewiß nur eine sehr bedeutende Allegorie ist. Wir selbst, Tier, Pflanze, alles Leben, mag in diesen Tönen begriffen sein. Ton und Leben werden hier eins. Unser Ton ist multipliziertes, oder in Potenzen von zwei potenziertes Leben. Es wird einst hohes Interesse haben, das Verhältnis des Tones, den Schlucken, Schlingen, Pulsschlag, usw., und ebenso die Voltaische Säule, in uns hervorbringen, zu jenen größeren Grundtönen, oder doch einem von ihnen, zu erhalten. Die Saite jenes Grundtons wird die Erde sein; ihre Dichtigkeit und Geschwindigkeit etc. wird das Moment ihres Tones geben. Diese Musik kann, als Harmonie, wohl nur in der Sonne gehört werden. Der Sonne ist das ganze Planetensystem ein musikalisches Instrument. Den Sonnenbewohnern mag sein Tönen als bloße Lebensfreude erscheinen, dem Sonnengeist selbst aber als höchster wahrester Ton.“

Ritter: Fragmente, 365[4]

„365. (1803) Merkwürdig ist, daß zum höchsten und zum tiefsten hörbaren Ton die Saite ohngefähr im Verhältnis von 365 ¼:1 schwingt; 32 × 365 ¼ = 11 688.“

Ritter: Fragmente, 365[5]

„669. Der Mensch ist eine schwingende Saite, das Leben der Ton. Aber erst zwei Töne geben einen Akkord.“

Ritter: Fragmente, 669[6]

„Wie das Licht, so ist auch der Ton Bewußtsein. Jeder Ton ist ein Leben des tönenden Körpers und in ihm, was so lange anhält, als der Ton, mit ihm aber erlischt. Ein ganzer Organismus von Oszillation und Figur, Gestalt, ist jeder Ton, wie jedes Organisch-Lebendige auch. Er spricht sein Dasein aus. Es ist gleichsam Frage an die Somnambüle, wenn ich den zu tönenden Körper mechanisch affiziere. Er erwacht vom tiefen, gleichsam Ewigkeits-Schlafe; er antwortet; und im Antworten ist er nicht sowohl sich seiner, sondern, das Leben, der Organismus, der oder das in ihm hervorgerufen wird, ist sich seiner bewußt. Dies Bewußtsein steht zum allgemeinen in dem nämlichen Verhältnis, wie das unsere; so wird jeder Ton, nachdem er Geisterspruch ist, zugleich auch Gottesspruch, dasselbe, was menschliches Bewußtsein auch ist.

Töne sind Wesen, die einander verstehen, so wie wir den Ton. Jeder Akkord schon mag ein Tonverständnis untereinander sein, und als bereits gebildete Einheit zu uns kommen. Akkord wird Bild von Geistergemeinschaft, Liebe, Freundschaft, usw. Harmonie Bild und Ideal der Gesellschaft. Es muß schlechterdings kein menschliches Verhältnis, keine menschliche Geschichte geben, die sich nicht durch Musik ausdrücken ließe. Ganze Völkergeschichten, ja die gesamte Menschengeschichte, muß sich musikalisch aufführen lassen; und vollkommen identisch. Denn der hier sprechende Geist ist derselbe, wie der unsere, und seine Verhältnisse zu seinen Geschwistern sind dieselben, wie die unsrigen zu unsern Geschwistern. Außerdem aber, daß wir am Tone und an der Musik unser Bild und Ebenbild haben, haben wir auch noch unsere Gesellschaft, eine Begleitung, an ihnen, denn im Tone gehen wir mit unsersgleichen um. Dieser Umgang kann zum höchsten für uns werden, da hier darstellbar ist, was im Leben so schwer: ein idealisierter Umgang mit unserer Umgebung. Er kann uns für alles entschädigen, was wir im Leben vermissen, und so ist die Musik auch längst schon überall unsere Trösterin und Erheitererin gewesen, wie unsere Erheberin. – Wie sie Lehrerin sein könne, ist gleichfalls begreiflich, – so gut, als sie auch unsere Verführerin werden kann. Denn auch der Geist des Tons kann gut und böse sein. Der Ton ruft uns hervor, wie irgendein Wort, ein Befehl. Aber wir müssen unterscheiden, wo wir ihm dienen dürfen, und wo wir ihn meiden müssen. Komponisten können zu einer unendlich hohen Würde gelangen. Sie verwalten ein ganzes dem Menschen verwandtes Geschlecht; seine Diener und seine Engel lassen sie erscheinen, und auch seine Teufel können sie aufrufen. Aber das letzte wird ihnen nie zu jenem Grade gelingen, wie das erste; und so sind der herrlichen, guten Erscheinungen in der Musik bedeutendere und weit mehrere da, als der verachtungswürdigen.

Ein schönes Beispiel ist von der Musik, von der Forderung eines Tones und Akkordes durch den andern, zu nehmen. Einer trete mit seinem Leben in der Gesellschaft regelrecht und gut auf, und unvermeidlich wird er alles übrige harmonisch und melodisch dazu Gehörige fordern und hervorrufen. Er wird die Gesellschaft organisieren, harmonisieren, melodisieren, und so wird diese endlich darstellen, was die Musik. Alles Leben ist Musik, und alle Musik als Leben selbst – zum wenigsten sein Bild.

Nur einzeln, und wie im geheim, ist in neuerer Zeit das Wesen des Tons und der Musik aufgefaßt und angewandt worden. Aber sie müßte zum absoluten Komplement des Menschengeschlechts erhoben werden können, und jedem wäre ihr Verständnis leicht zu öffnen. Alles, was in eines Menschen Gedanken kommen kann, vermag er auch auszusprechen, und was der Mensch aussprechen kann, spricht auch der Ton aus. So bleibt das Höchste, Heiligste, selbst Gott und das Gebet nicht, hinter seiner Mächtigkeit zurück. Ein Mensch, der sich ganz ausspräche, würde auch den Schöpfer ausgesprochen haben; eine Musik, die den Ton ganz ausspricht, hat das nämliche getan. Mensch und Ton sind durchaus gleich unerschöpfbar, und gleich unendlich in ihrem Werk und ihrem Wesen.

Des Menschen Wesen und Wirken ist Ton, ist Sprache. Musik ist gleichfalls Sprache, allgemeine; die erste des Menschen. Die vorhandenen Sprachen sind Individualisierungen der Musik; nicht individualisierte Musik, sondern, die zur Musik sich verhalten, wie die einzelnen Organe zum organisch Ganzen. (Pars est, quae non est Totum, und Totum est, cui nulla pars est.) Die Musik zerfiel in Sprachen. Deshalb kann noch jede Sprache sich der Musik zu ihrer Begleiterin bedienen; es ist die Darstellung des Besondern am Allgemeinen; Gesang ist doppelte Sprache, allgemeine und besondere zugleich. Hier wird das besondere Wort zur allgemeinen Verständlichkeit erhoben, – zunächst dem Sänger selbst. Die Völker aller Sprachen verstehen die Musik, alle (Sprachen) werden von der Musik selbst verstanden, und von ihr in die allgemeine übersetzt. Und doch bleibt der Mensch selbst der Übersetzer. Merkwürdig, daß ihm jene allgemeine Sprache nicht ausgeht. Aber sie ist mit seinem Bewußtsein selbst gegeben, und tritt mit dieses grade selbst hervor. Denn nur ausgesprochen ist der Mensch sich bewußt; dieses geschieht allemal zunächst in der allgemeinen Sprache, und die besondere folgt. So ist jedes von uns gesprochene Wort ein geheimer Gesang, denn die Musik im Innern begleitet ihn beständig. Im lauten Gesänge erhebt die innere Stimme sich bloß mit. Gesang wird Schöpferlob, er spricht den Moment des Daseins ganz aus.

Nur das Sprechende, das in besonderer Sprache Sprechende, hat Gesang, wo Sprache mit Musik begleitet ist: der Mensch. Die anorgische, oder gerade die allgemeine Natur, hat bloß die allgemeine Sprache: die Musik, den Ton. So hat das unvollkommene Tier gewissermaßen bloß Sprache, oder eigentlich mehr verdorbnen Ton, ein Mittelding zwischen Ton und Wort, der Übergang von jenem zu diesem, und darum keines für sich. Tiersprache ist wie unvollkommene Musik oder Ton, und so selbst bei den Singvögeln noch, wo dies beinahe am deutlichsten wird; es ist geradezu, als wollten sich hier Ton und Sprache schon trennen; auch kann man gerade mehrere Vögel schon sprechen lehren, was bei den übrigen Tieren nicht so vorkommt, welches ihre Nähe am Sprechen beweist. So sieht man durch die ganze organische Schöpfung herauf Musik und Sprache noch in Verbindung, – diese Verbindung selbst vom niedersten Grade und Ausgedehntheit bis zum obersten, – und endlich nahe am Menschen, in den höheren und höchsten Organisationen an ihm, zerfällt die Verbindung beinahe schon, im Menschen endlich ganz. Merkwürdig ist auch das Sprache verstehen, was man bei den höheren Tierklassen bemerkt, zum Beispiel bei Hunden, Pferden usw. Auch dies deutet ihre Nähe am Sprechen an. Man könnte vielleicht eine ganze Ordnung der Tiere konstruieren nach der Folge, in der in ihnen die Verbundenheit (gleichsam gegenseitige Latenz) von Musik und Sprache sich immer mehr löset, bis zur völligen Scheidung. Noch scheinen auch hier die Vögel einen eignen Gegensatz zu den Vierfüßern usw. zu bilden. Hier unvollkommene Sprache, dort unvollkommene Musik; – so sähe man auch im großen dasselbe, bis endlich im Menschen Musik und Sprache sich völlig trennen, und die Sprache wieder in Sprachen. Vielleicht, daß in der Tierwelt die Charaktere der einzelnen Sprachen in den einzelnen Tierlauten vorhanden sind, – wie das schon sein muß, wenn der Mensch die Vereinigung der gesamten Tierwelt sein soll.

Geht alle mitgeteilte Bewegung vermittelst Oszillation in Wirksamkeit über, und gibt dies Ton, so gibt es ein Quantum von Tönen in der Welt, was eine ebenso beständige Größe ist, als die der Bewegung durch Mitteilung. Aber auch alle innere Bewegung ist oszillatorisch, und keine innere Veränderung ist ohne äußere; also auch hier Ton. Das Quantum dieser Bewegung ist ebenfalls ein beständiges, damit auch das des Tones. Wie keine innere ohne äußere Bewegung, so auch keine äußere ohne innere. Ginge also auch irgendwo mechanische Bewegung verloren, oder irgendwo ›chemische‹,. so ist dies nur Schein, und das Gesamtverhältnis beider wird nie geändert.

Es gibt also eine ewig gleich große Summe von Ton in der Welt, und da die Oszillationen aufs mannichfachste in Stärke und Geschwindigkeit verschieden sind, so ist damit die Möglichkeit von Melodie und Harmonie in ihr gegeben. Zur Wirklichkeit wird sie durch die direkte Beobachtung. Merkwürdig ist hier für die Erde besonders das Verhältnis von 365 ¼ : 1. Auffallend ist es, daß die erste Zahl nur sehr wenig von √2 x 28 ist, denn die letztere ist 362,038 .... Wie immer aber, so ist doch dieses Verhältnis auf Erden empirisch, und hier die Sphärenmusik, die kosmische, nach ihm abgeteilt. Andere Planeten müssen andere Verhältnisse haben, die wieder zueinander in sehr harmonischen Verhältnissen stehen mögen. So wäre es möglich, daß ganze Systeme von Rhythmus und Perioden, ›ganze Konzerte‹, sich, höher, wieder in bloß einen – höheren – Ton auflösten, so wie ja schon jeder unserer Töne ein System von Tönen (Tonelementen) ist (s. Oersted). Dies gäbe dann höhere Ganze, die wieder zu einzelnen Tönen für noch höhere würden, und so weiter. Zuletzt mag diese ganze große Musik sich zu einer noch allgemeinern, oder einer zweiten, sich wieder bloß wie Sprache zu Musik verhalten, und so wie diese im Menschen getrennt vorkommen, so auch bei und in Gott, dessen Ebenbild der Mensch ist. Ist zum Beispiel in der Sonne die Musik aller Weltkörper, die zu ihr gehören, nur Sprache, oder – hat von unten herauf, wie bei uns in der Tierreihe, noch immer Verbindung von Sprache und Musik statt, die erst in der Sonne sich völlig trennt? – Dieser Punkt ist noch besonders zu verfolgen – bis herauf zur höchsten Reinigung des › Worts‹, des ausgesprochenen der Schöpfung. Wirklich ist die ganze Schöpfung Sprache und buchstäblich durch das Wort geschaffen, und das geschaffene und schaffende Wort selbst. – Das Ganze kann eine große und schöne Ausbildung erlangen.

Diesem Wort ist aber auch im großen der Buchstabe so unzertrennlich verbunden, als im kleinen. Die Welt, soweit sie sichtbar ist, und werden kann, ist dieser Buchstabe, diese Schrift. Das Wort schreibt, der Buchstabe tönt; beides in seiner Unzertrennbarkeit ist das Sein, das Bewußtsein, das Leben; so herauf bis zum Gott. Schrift, Wort, Licht und Bewußtsein fallen in eins. Das Auge der Sinn für Schrift, die nur am und durch den Ton erkannt werden kann. Der Ton selbst aber ist Licht, das ohnehin einem anderen Sinne, als dem Auge, gehören mußte, weil das Auge das Licht nicht sieht, sondern nur vermittelst des Lichts = Tons.

So organisiert ins Unendliche, als das Wort, der Ton, muß auch der Buchstabe dargestellt werden. Ein gutes Beispiel gewährt hier schon der Kristall, dann die organischen Gebilde, usw. Aller Buchstabe ist Klangfigur.

Hier zuerst Unzertrennlichkeit des Organismus des Raums von dem der Zeit. Denn im Tone, dem Wort, der Sprache, der Musik, ist sie, die Zeit, ganz augenscheinlich organisiert, und die Gestalt im Raume ist nichts, als die Klangfigur dieses Tons usw., seine von ihm selbst geschriebene Note ....

Zurückkunft auf die Pythagoräer .... und ihre Zahlen. Rücksicht auf Kepler.“

Ritter: Fragmente, Anhang[7]

„Wie es eine allgemeine Sprache, und wieder besondere gibt, so muß es auch eine allgemeine Schrift, und wieder besondere geben. Ihr nächstes Verhältnis zueinander wäre das von Note zu Buchstabe. Überall aber muß die Schrift das von der Sprache, dem Ton, dem Worte, selbst, Geschriebene, sein. Hier erhält man dann für die Musik, oder die allgemeine Sprache, die Hieroglyphe, oder die völlig vollständig den ganzen Ton, den ganzen Akkord, usw. ausschreibt. Das Sprechende ist dem Ausgesprochenen gleich, da alles nur sich selbst ausspricht. Die Sache selbst ist also hier die Schrift, die Note. In solche Schrift und Nachschrift, Abschrift, gehört vornehmlich alle bildende Kunst: Architektur, Plastik, Malerei, usw., und was ihr in der Natur vorherging und -geht, als zum Beispiel der Bau der Erde, der Organisation, der einzelnen Organisationen, usw. Und so wie in der Pflanzenwelt das Innere der Tierwelt äußerlich geworden, in der Tierwelt dagegen das Innere der Pflanzen äußerlich, so wird die Pflanzenwelt zum Ideenschatz der Tier- und Menschenwelt und ihrer Schrift, die Tierwelt dann zur Ausschrift ihres Äußeren. – Doch ist durchaus der Hieroglyphe noch weiter nachzudenken.“

Ritter: Fragmente, Anhang[8]

Schriften

Neu herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Steffen und Birgit Dietzsch, Verlag Gustav Kiepenheuer, Leipzig und Weimar, 1984, ISBN 3-7833-6401-9. - Dabei handelt es sich nicht um seinen Nachlass post mortem, sondern um eine von Ritter selbst zusammengestellte Sammlung seiner physikalischen und poetischen Skizzen und Aphorismen.

  • Entdeckungen zur Elektrochemie, Bioelektrochemie und Photochemie. Reihe: Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, Band 271.

Auswahl, Einleitung und Erläuterung von Hermann Berg und Klaus Richter, Verlag Harri Deutsch, Thun und Frankfurt/Main 1997, ISBN 3-8171-3271-9. - Dieses Buch versammelt seine wichtigsten naturwissenschaftlichen Aufsätze, darunter die Erfindung des Akkumulators und die Entdeckung des ultravioletten Lichtes.

Rezeption

In dem 2016 erschienenen Roman "Die Unglückseligen" von Thea Dorn ist das Leben der Figur des Johann Wilhelm Ritter dem der realen Person entlehnt.[3] In dem Roman wird ausführlich aus dem deutschen Wikipedia-Artikel über Ritter zitiert.[4]

Literatur

  • Klaus Richter: Das Leben des Physikers Johann Wilhelm Ritter. Ein Schicksal in der Zeit der Romantik. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar, 2003, ISBN 3-7400-1191-2. -Mit einer sehr umfangreichen Bibliographie der Werke, Briefe und der Rezeption Ritters im Anhang.
  • Walter D. Wetzels: Johann Wilhelm Ritter: Physik im Wirkungsfeld der deutschen Romantik. Berlin, New York, 1973, ISBN 3-11-003815-3.
  • Karsten: Ritter, Johann Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Bd. 28, Leipzig 1889, S. 675–678.
  • Friedrich Klemm, Armin Hermann: Briefe eines romantischen Physikers, München 1966 (Briefe von Ritter)
  • Siegfried Zielinski: Electrification, tele-writing, seeing close up: Johann Wilhelm Ritter, Joseph Chudy, and Jan Evangelista Purkyne, in: Deep Time of the Media. Toward an Archaeology of Hearing and Seeing by Technical Means (Cambridge, MA: MIT Press, 2008), ISBN 978-0262740326.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. SPIEGEL ONLINE, Gunkel, C.: Voll auf Akku. vom 29. Oktober 2010.
  2. Richter, Klaus (2003): Das Leben des Physikers Johann Wilhelm Ritter : Ein Schicksal in der Zeit der Romantik
  3. Peter von Becker: Ritter, Tod und Teufel
  4. Die Unglückseligen. München 2016. S. 78-82.


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Johann Wilhelm Ritter aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.