Joachim von Fiore

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Joachim von Fiore

Joachim von Fiore (auch: Joachim von Fiori, J. von Flore, de Flore, of Flora; * um 1130/1135 in Celico, Kalabrien; † 1202 in San Giovanni in Fiore) war Abt und Ordensgründer in Kalabrien und wirkte im 12. Jahrhundert als Geschichtstheologe.

Leben

Joachim von Fiore wurde um 1130/35 als Sohn eines Notars in Celico (Kalabrien) geboren. Anfangs arbeitete er auf Bestreben seiner Eltern als Notar in Cosenza und in der Kanzlei am Königshof von Wilhelm I. in Palermo.

Diese verließ er aber bald, um sich einem religiösen Leben zuzuwenden. So unternahm er 1166/67 eine Pilgerfahrt ins Heilige Land und besuchte Jerusalem. Nach Streitereien mit seinem Vater über seinen weiteren beruflichen Werdegang zog Joachim als Prediger und Einsiedler über das Land, verbrachte zuerst eine Zeitlang auf dem Hügel Guarassano bei Cosenza und dann nahe dem Zisterzienserkloster Sambucina di Luzzi. In Rende wurde er vom Bischof von Catanzaro zum Priester geweiht. Erst jetzt schloss er sich einer Ordensgemeinschaft an: er trat in das Kloster Corazzo ein. Nachdem er Prior geworden war, zog er sich in das Kloster SS. Trinità in Acri nach Sambucina zurück, und erst auf Grund der Bitten kirchlicher Würdenträger kehrte er als Abt nach Corazzo zurück. Er leitete das Kloster von 1171 bis 1177 und führte dort die Zisterzienserregel ein. 1183/84 hielt er sich im Kloster Casamari auf und begann das Psalterium decem chordarum, das er 1187/88 in Petralata (Kalabrien) beendete. Nachdem er schon 1183 bei der Kurie um Erlaubnis nachgesucht hatte, über die Offenbarung (revelatio) schreiben zu dürfen, erhielt er von Papst Klemens III. 1188 die Erlaubnis, sich ausschließlich seinen hermeneutischen Studien zu widmen. Zu diesem Zweck zog er sich in das Silagebirge zurück. Das Zisterzienser-Generalkapitel rief ihn aber 1192 nach Corazzo zurück. Stattdessen gründete er jedoch ein neues Kloster, San Giovanni in Fiore, dem er auch als Abt vorstand. An einem Ostermorgen zwischen 1190 und 1195 empfing er während der Meditation über der Johannes-Apokalypse seine entscheidende Erleuchtung. In die Zeit um 1190 fällt auch seine Gründung des Florenser-Ordens. Joachim von Fiore starb vermutlich im Jahre 1202 (weniger wahrscheinlich 1205) in San Giovanni in Fiore im Silagebirge.

„Wenn wir zum Beispiel zurückkommen so in das 9., 10., 11. Jahrhundert, auch ins 12., 13. Jahrhundert, aber da schon sehr wenig, da kommen wir zu Menschen, die wir, wenn wir heute das Wort anwenden würden, gelehrte Menschen, Wissenschafter nennen würden. Wir kommen da zurück zu jenen großartigen Gelehrten im Sinne der damaligen Zeit, die in der bedeutsamen Schule von Chartres im 11., 12. Jahrhundert gelehrt haben, kommen zurück zu Bernardus Silvestris, zu Bernardus von Chartres, zu Alanus ab Insulis. Wir kommen zurück dann zu solchen Persönlichkeiten, die in der damaligen Zeit noch, ich möchte sagen, mit dem Typus des Eingeweihten unter anderen Menschen herumgingen, mit dem Typus eines Menschen, der viel weiß um die Geheimnisse des Daseins, wie jener großartige, im Sinne des Mittelalters noch initiierte Joachim de Fiore, oder zu jener großartigen Persönlichkeit, die auch in jener Zeit gewirkt hat, die der Welt bekanntgeworden ist unter dem Namen Johannes von Auville.“ (Lit.:GA 243, S. 79)

Lehre

Bedeutend ist Joachim von Fiore vor allem wegen seines Geschichtsbildes und seiner exegetischen Methode, bei der er die allegorischen Schriftauslegungen den typologisch-historischen vorzieht. Den historischen Ablauf des Alten und des Neuen Testaments deutet er in seiner Schrift Concordia novi et veteris Testamenti im heilsgeschichtlichen Sinn. Die Geschichte wird in drei Zeitalter gegliedert, welche er mit der Trinität in Verbindung bringt: Die Zeit des Vaters (Altes Testament), des Sohnes (beginnt mit dem Neuen Testament und endet nach seiner Vorhersage 1260) und die des Heiligen Geistes. Dieses dritte, glückliche Zeitalter werde von der intelligentia spiritualis erleuchtet sein und alle Freuden des Himmlischen Jerusalem (Offenbarung 21) bieten. Das letzte, das Dritte Zeitalter, das durch das in Off 14,6 LUT verheissene Evangelium aeternum (ital.Vangelio eternoEwiges Evangelium“) geprägt wird, steht im Zentrum des joachimitischen Geschichtbildes. Dieses Zeitalter wird auch Drittes Reich genannt (siehe auch Chiliasmus).[1] Dem Dritten Zeitalter geht die Ankunft des Antichrist voraus, welcher dann von einer kirchlichen Persönlichkeit besiegt wird. So identifizierten einige joachimitische Franziskaner den Heiligen Franziskus auf Grund seiner Stigmata als Alter-Christus. Seine Lehre wird auch mit dem Begriff der Drei-Zeiten-Lehre bezeichnet.

Joachim von Fiore klagte Petrus Lombardus an, er habe neben Vater, Sohn und Heiligem Geist noch die Trinität als vierte kollektive Einheit und damit eine Quaternitas eingeführt. Diese These wurde auf dem Vierten Laterankonzil von 1215 verurteilt. 1254 wurden einige seiner Lehren überprüft, aber er wurde von der Kirche nie als Häretiker angesehen, auch wenn postum gefälschte Bibelkommentare sein Ansehen schädigen sollten. Seine Lehren verbreiteten sich einige Jahrzehnte nach seinem Tod sehr rasch. Neben dem Joachimismus gewann vor allem der so genannte Pseudojoachimismus großen Einfluss. Besonders der Franziskanerorden nahm im 13. Jahrhundert joachimitische Ideen auf.

Wirken

Seine Ideen fanden im späten 13. und 14. Jahrhundert großen Anklang und verbreiteten sich schnell. So beeinflussten sie auch Dante Alighieri, vermutlich über die spirituale Strömung der Franziskaner, der dann auch Joachim von Fiore in seine Göttliche Komödie aufnahm. So wie er auf die spiritualen Franziskaner wirkte, so kann man auch seinen Einfluss bei den Täufern der Reformationszeit, z. B. bei Thomas Müntzer und schließlich auch bei LessingsErziehung des Menschengeschlechts“ sowie bei Hegel, Auguste Comte, Karl Marx und in Ernst BlochsPrinzip Hoffnung“ erkennen.

Papst Benedikt XVI. ist seit Jahrzehnten ein führender Joachim-Spezialist. Im Lexikon für Theologie und Kirche verfasste er 1960 den Artikel „Joachim von Fiore“ und betonte, Joachim sei nicht antihierarchisch eingestellt gewesen, mit Benedikt von Nursia habe laut Joachim das Geist-Zeitalter begonnen.

1255 gab Gerhard von Borgo San Donnino in Paris die drei Hauptwerke Joachims – Concordia Novi et Veteris Testamenti, Expositio in Apocalypsim und Psalterium decem chordarum – heraus und fügte eine eigene Schrift mit dem Titel Introductorius in Evangelium aeternum hinzu. Direkt nach Erscheinen des Evangelium aeternum erfolgt die Verwerfung der Schrift durch eine Kardinalskommission in Anagni[2].

Werke

Hauptwerke
  • Concordia novi et veteris Testamenti
  • Expositio in Apocalypsim
  • Psalterium decem chordarum
  • Tractatus super quatuor Evangelia
  • De articulis Fidei
  • Adversus Iudeos
  • Vita S. Benedicti (unvollendet)

Siehe auch

Literatur

  • Herbert Grundmann: Zur Biographie Joachims von Fiore und Rainers von Ponza. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 16, 1960, S. 437-546.
  • M. Reeves: The Influence of Prophecy in the Later MA. A Study in Joachimism. 1969.
  • Matthias Riedl: Joachim von Fiore. Denker der vollendeten Menschheit. 2004 ISBN 3-8260-2697-7
  • G.L. Potestà: Il tempo dell'apocalisse. Vita di Gioacchino da Fiore. 2004.
  • Julia Eva Wannenmacher: Hermeneutik der Heilsgeschichte: de septem Sigillis und die sieben Siegel im Werk Joachims von Fiore. Leiden; Boston: Brill 2005 ISBN 90-04-13750-5
  • Henri de Lubac: Schleiermacher, Fichte, Hölderlin Übers. Alexander Düttmann. In: Typologie. Internat. Beiträge zur Poetik. Frankfurt am Main, 1988 ISBN 3518114514 - S.338-356 (Zuerst in: Lubac La postérité spirituelle de Joachim de Flore. T.1: De Joachim à Schelling. Paris, 1979. - S.327-342 (das Buch ist wichtig für die Wirkung des Begriffs Drittes Reich mit dem deutschen Idealismus als Brücke hin zur Verwendung durch die Nazis)
  • Karl Löwith: Kapitel „Joachim“, in: Ders., Weltgeschichte und Heilgeschehen, Sämtliche Schriften Bd.2, Stuttgart 1983, S. 158-172
  • Rudolf Steiner: Das Initiaten-Bewußtsein. Die wahren und die falschen Wege der geistigen Forschung., GA 243 (2004), ISBN 3-7274-2430-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  • Joachim Stiller: Das Vier-Stadien-Gesetz PDF


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Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Nazis benutzten später den Begriff „Drittes Reich“, um den neuen Charakter ihres Staates zu unterstreichen, aber keinesfalls den Inhalt im Sinne Joachims.
  2. vgl. z.B. Heinrich Denifle: Das Evangelium aeternum und die Commission zu Anagni, Berlin 1885 [1]


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