Sefer Jetzira und Idealismus: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Sefer Jetzira''' ([[Hebräische Sprache|hebr.]]: &#1505;&#1508;&#1512; &#1497;&#1510;&#1497;&#1512;&#1492;, ''„Buch der Formgebung“''; fälschlich<ref name="Jetzira">Die gelegenlich gebrauchte Übersetzung als ''Buch der Schöpfung'' ist inkorrekt, denn als [[Welt der Schöpfung]] ([[Hebräische Sprache|hebr.]] עולם בריאה, ''Olam Briah'') wird zu Recht die [[Astralwelt]] bezeichnet, in der sich die Ereignisse abspielen, die im ersten Schöpfungsbericht der [[Wikipedia:Genesis|Genesis]] geschildert werden. Das ''Sefer Jetzira'' bezieht sich hingegen auf Strukturen und Ereignisse in der [[Ätherwelt]].</ref> auch übersetzt als ''Buch der Schöpfung'') gilt als das älteste eigenständig überlieferte Werk der [[Kabbala]]. [[Jetzira]] steht in der [[jüdisch]]en [[Geheimlehre]] für die [[Ätherwelt]]<ref name="Jetzira" />. Das Buch stellt die wesentlichen Elemente der [[Schöpfung]] in ihrer Entstehung ([[Kosmogonie]]) und ihrer Struktur ([[Kosmologie]]) dar. Diese Elemente sind die 10 Urziffern ([[Sephiroth]]) und die 22 Buchstaben des [[Hebräisches Alphabet|hebräischen Alphabets]].  
[[Datei:DPAG_2012_Fichte.jpg|thumb|left|Johann Gottlieb Fichte]]
Der '''Idealismus''' (von [[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]] ιδέα, ''[[Idee]], [[Urbild]]'') ist eine der 12 grundlegenden [[Weltanschauung]]en, von denen [[Rudolf Steiner]] spricht, und vertritt den [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Standpunkt, dass die eigentliche [[Wirklichkeit]] in [[Idee]]n und damit zugleich in [[Vernunft]] und [[Bewusstsein]] begründet ist und die [[materiell]]e Welt und die [[sinnlich]]en Erscheinungen nur sekundäre abgeleitete [[Phänomen]]e sind. Die Gegenposition dazu ist der [[Realismus]]. Im [[Tierkreis]] entspricht dem Idealismus das Zeichen des [[Widder (Sternbild)|Widders]].


== Entstehung und Geschichte ==
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Nach [[Judentum|jüdischer]] [[Wikipedia:mündliche Überlieferung|mündlicher Tradition]] gilt als Autor des Werks der biblische [[Abraham]], der es bei seiner [[Einweihung]] durch [[Melchisedek]] empfangen habe<ref>{{Literatur
"Es kann aber noch andere Menschen geben, die etwa folgendes
|Autor = Heinrich E. Benedikt
sagen. Um uns herum ist die Materie und die Welt der materiellen
|Titel = Die Kabbala als jüdisch-christlicher Einweihungsweg
Erscheinungen. Aber die Welt der materiellen Erscheinungen ist
|Band = Bd. 1.
eigentlich in sich sinnleer. Sie hat keinen rechten Sinn, wenn nicht
|Auflage = 3.
in ihr jene Tendenz liegt, die sich eben bewegt nach vorwärts, wenn
|Verlag = Hermann Bauer
nicht aus dieser Welt, die da um uns herum ausgebreitet ist, das
|Jahr = 1991
geboren werden kann, wonach die Menschenseele sich richten kann
|Seiten = 24
als nicht in der Welt enthalten, die um uns herum ausgebreitet ist.
|ISBN = 3-7626-0279-4
Es muß nach der Anschauung solcher Menschen das Ideelle und das
}}</ref>. Der Text selbst nennt keinen Verfasser, erwähnt jedoch Abraham als den ersten, der die beschriebenen Wege der Weisheit gegangen ist, worauf sich die Annahme seiner Autorschaft stützt. Im letzten Absatz des ''Sefer Jetzira'' heißt es<ref>http://www.hermetik.ch/ath-ha-nour/site/kabbalajetzirah6.htm</ref>:
Ideale im Weltprozesse drinnen sein. Solche Menschen geben den
realen Weltprozessen ihr Recht. Sie sind nicht Realisten, trotzdem
sie dem realen Leben recht geben, sondern sie sind der Anschauung,
das reale Leben muß durchtränkt werden von dem Ideellen, nur
dann bekommt es einen Sinn. - In einem Anfluge von solcher Stimmung
hat Fichte einmal gesagt: Alle Welt, die sich um uns herum
ausbreitet, ist das versinnlichte Material für die Pflichterfüllung. -
Die Vertreter solcher Weltanschauung, die alles nur Mittel sein läßt
für Ideen, die den Weltprozeß durchdringen, kann man Idealisten
nennen und ihre Weltanschauung Idealismus. Schönes und Großes
und Herrliches ist für diesen Idealismus vorgebracht worden. Und
auf dem Gebiete, das ich eben charakterisiert habe, wo es darauf ankommt,
zu zeigen, wie die Welt zweck- und sinnlos wäre, wenn die
Ideen nur menschliche Phantasiegebilde wären und nicht im Weltprozesse
drinnen wirklich begründet wären, auf diesem Gebiete hat
der Idealismus seine volle Bedeutung. Aber mit diesem Idealismus
kann man zum Beispiel die äußere Wirklichkeit, die äußere Realität
des Realisten nicht erklären. Daher hat man zu unterscheiden von
den anderen eine Weltanschauung, die Idealismus genannt werden
kann." {{Lit|{{G|151|37}}}}
</div>


{{Zitat|Und als gekommen war Abraham, unser Vater, Friede sei mit ihm, da schaute er, betrachtete, forschte und verstand dies, er hieb und zeichnete, bis er es erlangt hatte, dann offenbarte sich ihm der Herr des Alls, gesegnet sei sein Name, es setzte ihn auf seinen Schoss und küsste ihn auf das Haupt und nannte ihn  Abraham, seinen Freund. Er schloss ein Bündnis mit ihm und seinen Kindern, (denn so heisst es:) er glaubte an [[JHVH]], dies wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet. Er setzte das Bündniszeichen zwischen die zehn Finger seiner Hände, dies ist die Zunge, und zwischen die zehn Zehen seiner Füsse, dies ist die Beschneidung.<br><br>
== Rudolf Steiners Weltsicht und Erkenntnistheorie im Verhältnis zum Deutschen Idealismus ==
Er band ihm die zweiundzwanzig Buchstaben der Torah an die Zunge und der Heilige, gesegnet sei er, offenbarte ihm ihre Geheimnisse: Und er machte sie zur Zugkraft des Wassers, zum Brennen des Feuers und zum Rauschen des Windes, er machte sie zur Leuchtkraft der sieben Sterne und zur Führungskraft der zwölf Sternbilder.|Sefer Jetzira 6}}
[[Datei:GeorgWilhelmFriedrichHegel.jpg|thumb|Georg Wilhelm Friedrich Hegel]]
 
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Die Autorschaft Abrahams ist wohl nich wörtlich in dem Sinn zu nehmen, als hätte er unmittelbar den überlieferten Text verfasst, aber richtig ist, dass die Lehren der [[Kabbala]] ganz aus dem Geist des abrahamitischen Zeitalters entspringen. [[Abraham]] war der erste, dessen [[physisch]]es [[Gehirn]] so beschaffen war, dass er das, was ehemals durch das ursprüngliche [[Hellsehen]] erlebt wurde, nun in klare [[Gedanke|gedankliche]] [[Begriff]]e fassen konnte. Dazu gehört vor allem auch die [[Erkenntnis]] von dem [[Wesen]] der [[Zahlen]] und ihrem gesetzmäßigen Zusammenwirken. Der Überlieferung nach gilt Abraham daher auch als "Erfinder" des [[Wikipedia:Zählen|Zählen]]s und [[Wikipedia:Rechnen|Rechnen]]s, der [[Wikipedia:Arithmetik|Arithmetik]] überhaupt. Heute, wo wir mit dem Ablauf des [[Kali Yuga]]s bzw. mit dem Beginn des dritten Jahrtausends gleichsam in das umgekehrte abrahamitische Zeitalter einlaufen, stehen wir vor der gegenteiligen Aufgabe: Wir müssen aus den klar gefassten [[spirituell]]en, aber an den logischen [[Verstand]] gebundenen Gedanken allmählich wieder die [[Imagination]]en entbinden und so von der [[sinnlich]]en wieder zur direkten geistigen [[Wahrnehmung]] aufsteigen. In diesem Sinne kann heute die [[Kabbala]] in zeitgemäßer Form studiert werden.
"Ich bin zu meiner Weltansicht nicht allein durch das
Studium Goethes oder etwa gar des Hegelianismus gekommen.
Ich ging von der mechanisch-naturalistischen Weltauffassung
aus, erkannte aber, daß bei intensivem Denken
dabei nicht stehengeblieben werden kann. Ich fand, streng
nach naturwissenschaftlicher Methode verfahrend, in dem
[[objektiver Idealismus|objektiven Idealismus]] die einzig befriedigende Weltansicht.
Die Art, wie ein sich selbst verstehendes, widerspruchsloses
Denken zu dieser Weltansicht gelangt, zeigt meine Erkenntnistheorie<ref>[[Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller]] -  ({{G|002}})</ref>. ({{G|001|129}})
</div>


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Wir haben nun gesehen bei meinem letzten Besuche hier, wie das erste Jahrtausend bei seinem Abschlusse eine Art Ersatz brachte für das Hineinschauen in die geistigen Welten, jenen Ersatz, der dadurch dem Menschen gegeben war, daß eine besondere Individualität, Abraham, ausersehen worden ist - die jene Einrichtung im physischen Gehirn besonders hatte -, ohne die alten Fähigkeiten dennoch zu einem Bewußtsein von der geistigen Welt kommen zu können. Deshalb nennen wir den ersten Teil des Kali Yuga in der Geisteswissenschaft vorzugsweise das abrahamitische Zeitalter, jenes Zeitalter, in dem der Mensch zwar den unmittelbaren Ausblick in die höheren geistigen Welten verliert, in dem ihm aber etwas erwächst wie ein Gottesbewußtsein, das nach und nach immer mehr und mehr in sein Ich hereinwächst, so daß er immer mehr und mehr den Gott vorstellt als verwandt mit dem Ich-Bewußtsein, dem menschlichen Ich-Bewußtsein. Wie das Welten-Ich, so erscheint die Gottheit demjenigen Zeitalter, dem ersten Jahrtausend im Kali Yuga, das wir an seinem Abschluß das abrahamitische Zeitalter nennen können.  
"Ich muss einen besonderen Wert darauf legen, dass hier an dieser Stelle beachtet werde, dass ich als meinen Ausgangspunkt das Denken bezeichnet habe und nicht Begriffe und Ideen, die erst durch das Denken gewonnen werden. Diese setzen das Denken bereits voraus. Es kann daher, was ich in bezug auf die in sich selbst ruhende, durch nichts bestimmte Natur des Denkens gesagt habe, nicht einfach auf die Begriffe übertragen werden. (Ich bemerke das hier ausdrücklich, weil hier meine Differenz mit [[Hegel]] liegt. Dieser setzt den Begriff als Erstes und Ursprüngliches.)" - [[Philosophie der Freiheit]], S.34 ({{G|004}})
</div>


[...]
Steiner ordnet seine Erkenntnistheorie also dem objektiven Idealismus zu. Was jedoch positiv unter der durch nichts als sich selbst bestimmten Natur des Denkens zu verstehen ist, ist nicht ohne weiteres klar. Später heißt es im Text der Philosophie der Freiheit:


Die Bedeutung des abrahamitischen Zeitalters war, daß sozusagen das alte Hellsehen geschwunden ist, daß dem Menschen ein Gottesbewußtsein gegeben ward, das mit den menschlichen Fähigkeiten eng zusammenhängt. Alles, was die Menschheit aus diesem Gottesbewußtsein, das an das menschliche Gehirn gebunden ist, gewinnen konnte, ist nach und nach ausgeschöpft worden, und nur wenig ist noch auf dem Weg dieser Fähigkeiten für das Gottesbewußtsein der Menschen zu gewinnen, wenig nur noch. Dagegen gehen wir den genau umgekehrten Weg in dem neuen abrahamitischen Zeitalter. Wir gehen den Weg, der die Menschheit wiederum hinausführt aus dem bloß physisch-sinnlichen Anschauen, aus dem Kombinieren der physischsinnlichen Merkmale; wir gehen den Weg, der die Menschen wiederum zurückführt in jene Regionen, in denen sie einmal vor dem abrahamitischen Zeitalter waren. Wir gehen den Weg, der die Menschen wieder eintreten lassen wird in Zustände natürlichen Hellsehens, natürlich hellseherischer Kräfte. In dem Zeitalter Kali Yuga war es ja nur die Einweihung, die hinaufführen konnte in regelrechter Weise in die geistigen Welten. Natürlich führt die Einweihung in hohe Stufen hinauf, die von den Menschen in sehr ferner Zukunft erst erklommen werden können, aber die ersten Spuren eines erneuerten Hellsehens, das auftreten wird wie eine natürliche menschliche Fähigkeit, werden sich verhältnismäßig bald zeigen, je mehr wir in die Erneuerung des abrahamitischen Zeitalters hinübergehen."  
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{{Lit|GA 118, S 110ff}}
"Nun darf aber nicht übersehen werden, daß wir uns nur mit Hilfe des Denkens als Subjekt bestimmen und uns den Objekten entgegensetzen können. Deshalb darf das Denken niemals als eine bloß subjektive Tätigkeit aufgefaßt werden. Das Denken ist ''jenseits'' von Subjekt und Objekt. Es bildet diese beiden Begriffe ebenso wie alle anderen. Wenn wir als denkendes Subjekt also den Begriff auf ein Objekt beziehen, so dürfen wir diese Beziehung nicht als etwas bloß Subjektives auffassen. Nicht das Subjekt ist es, welches die Beziehung herbeiführt, sondern das Denken. Das Subjekt denkt nicht deshalb, weil es Subjekt ist; sondern es erscheint sich als ein Subjekt, weil es zu denken vermag. Die Tätigkeit, die der Mensch als ''denkendes'' Wesen ausübt, ist also keine bloß subjektive, sondern eine solche, die weder subjektiv noch objektiv ist, eine über diese beiden Begriffe hinausgehende. Ich darf niemals sagen, daß mein individuelles Subjekt denkt; dieses lebt vielmehr selbst von des Denkens Gnaden. Das Denken ist somit ein Element, das mich über mein Selbst hinausführt und mit den Objekten verbindet. Aber es trennt mich zugleich von ihnen, indem es mich ihnen als Subjekt gegenüberstellt." ({{G|004|60}})
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Mit "Denken" ist anscheinend eine Tätigkeit, oder ein Tätigsein noch jenseits von begrifflich erfaßtem als Ergebnis solchen Denkens gemeint. Sie kann vom Menschen als denkendes Wesen ausgeübt werden und bildet (erfaßt) erst die Begriffe, die Hegel schon voraussetzt.


Im ''Pardes Rimmonim'' (1548) vertritt [[Moses Cordovero]] (1522–1570) die Meinung, das ''Sefer Jetzira'' gehe zwar auf Abraham zurück, wäre aber in der vorliegenden überlieferten Form von [[Wikipedia:Rabbi Akiba|Rabbi Akiba]] redigiert worden<ref>[http://www.maqom.com/journal/paper14.pdf Christopher P. Benton: ''An Introduction to the Sefer Yetzirah'']</ref>.
Gegenüber dem [[subjektiven Idealismus]] [[Johann_Gottlieb_Fichte|Fichtes]] hebt Steiner hervor, daß das [[absolute Ich]] Fichtes dem [[Wahrnehmung|unmittelbar Gegebenen]] nicht gerecht wird. Das Denken ist nicht nur tätiges Hervorbringen, sondern zugleich auch sein Inhalt als ein vorgefundener. Diese Vorfindlichkeit des Denkinhaltes, bzw. was zum Denkinhalt wird, liegt auf der [[Wahrnehmung|Wahrnehmungsseite]] des Erkennens. Fichte gelingt es nicht, das Wahrnehmliche aus dem absoluten Ich hervorgehen zu lassen. Darin liegt das "objektive" des Steinerschen Idealismus, daß er dieses Wahrnehmliche in seiner selbstgebenden, nicht durch ein absolutes Ich produzierten, Eigenart anerkennt, obwohl es sich bei diesem wahrnehmlich Vorgegebenen nicht schon gleich um Begriffenes, Vergegenständlichtes handelt<ref>Das dies so ist, zeigt sich z.B. im Falle des Falschdenkens und seiner Korrektur</ref>. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Fichte findet sich in [[Wahrheit_und_Wissenschaft]] - ({{G|003}})


Die wissenschaftliche Erforschung der Entstehungsgeschichte des ''Sefer Jetzira'' hat zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Von einigen Forschern wird das Werk in die [[Wikipedia:Hellenismus|hellenistisch]]-römische Antike eingeordnet. [[Wikipedia:Heinrich Graetz|H. Graetz]] sah darin zunächst eine Antwort auf die [[Gnosis]] und datierte es in das 2. oder 3.&nbsp;Jahrhundert, ebenso wie [[Wikipedia:Gershom Scholem|Gershom Scholem]]. Neuere Forschungen sehen jedoch eine Abhängigkeit von [[Islam|islamischen]] Traditionen und setzen die Entstehung demzufolge erst nach dem 7.&nbsp;Jahrhundert an. Aber auch diesen Theorien ist unter Hinweis auf Parallelen zur Philosophie [[Wikipedia:Philon von Alexandria|Philos von Alexandria]] widersprochen worden, woraus eine Frühdatierung sogar ins 1. Jahrhundert  folgt.<ref> Zur Datierung vgl. K. Herrmann, ''Sefer Jezira'', Seiten 184 bis 204</ref> Abschließende Antworten auf die Frage nach der historischen Einordnung sind nicht möglich, jedoch ist eine Entstehung jedenfalls vor dem 10.&nbsp;Jahrhundert sicher.  
== "Idealismus", ein weites Spektrum von Auffassungen und Bedeutungen==
Neben dem [[Ethik|ethischen]] Idealismus kann man zwischen einem [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]], einem [[Ontologie|ontologischen]] und einem [[Metaphysik|metaphysischen]] Idealismus unterscheiden.


Das ''Sefer Jetzira'' ist ab dem 10.&nbsp; Jahrhundert in der jüdischen Tradition reich kommentiert worden. Dabei stand zunächst der philosophisch-wissenschaftliche Zugang im Vordergrund. Später wurde es vermehrt mystisch-spekulativ interpretiert und so die Bedeutung des Buches für die [[Kabbala]] begründet.    
== Die Gefahr des Idealisten ==
<div style="margin-left:20px">
"Die Idealisten, die werden immerfort vor der Gefahr stehen, daß sie mit ihren Vorstellungen in luziferische Regionen hineinkommen, daß sie Schwärmer, Phantasten, Schwarmgeister, Lenine, Trotzkijs werden, ohne wirklichen Boden unter den Füßen; mit ihrem Willen können sie leicht ahrimanisch werden, despotisch, tyrannisch." ({{G|190|74}})
</div>


=== Überlieferte Textfassungen ===
== Einzelnachweise ==
Die Textüberlieferung des Werkes ist unübersichtlich. Es existieren handschriftliche Kurz- und Langfassungen, deren Verhältnis zueinander jedoch unklar und umstritten ist. Die Kurzfassung umfasst ungefähr 1300 Worte, die Langfassung etwa das Doppelte. Zur Langfassung gehört vor allem die Handschrift ''Ms. Vatikan 299'' aus dem [[Wikipedia:10. Jahrhundert|10. Jahrhundert]], zur Kurzfassung die Handschrift ''Ms. London 6577'' aus dem 14.&nbsp;Jahrhundert. Dazu kommt eine frühe Textversion aus dem 10. Jahrhundert, die sogenannte ''Sa'adjanische Rezension'', für die der jüdische Gelehrte [[Wikipedia:Saadia Gaon|Saadia Gaon]] († 942) die Langfassung neu arangierete und kommentierte. Im [[Wikipedia:16. Jahrhundert|16. Jahrhundert]] bearbeitete [[Isaak Luria]] den Text, um ihn mit dem [[Sohar]] zu harmonisieren. Die weitere Bearbeitung durch [[Wikipedia:Gaon von Wilna|Gaon von Wilna]] im [[Wikipedia:18. Jahrhundert|18. Jahrhundert]] ist als ''Gra Version'' bekannt geworden.
<references/>
 
Der erste Druck − in [[Latein|lateinischer]] Übersetzung − wurde 1552 in [[Wikipedia:Paris|Paris]] gefertigt. Die erste gedruckte hebräische Ausgabe erfolgte 1562 in [[Wikipedia:Mantua|Mantua]]. Es liegen heute verschiedene Ausgaben vor, die teilweise auch implizite kommentierende Texte umfassen.


== Inhalt ==
== Siehe auch ==
Das ''Sefer Jetzira'' hat selbst in den umfangreichsten Fassungen kaum mehr als 2000 Worte. Es stellt '''[[32 Pfade der Weisheit]]''' dar, die sich zusammensetzen aus den 10 [[Sephiroth]] und den 22 [[Hebräisches Alphabet|hebräischen Buchstaben]], die den 22 Pfaden entsprechen, welche die 10 Sephiroth miteinander verbinden.
 
{{Zitat|In zweiunddreißig geheimnisvollen Pfaden der Weisheit zeichnete JAH, JHVH Zabaoth, Gott Israels, lebendiger Elohim, König der Welt, allmächtig, barmherzig und gnädig, hoch und erhaben, waltend in Ewigkeit, heilig ist sein Name, und schuf seine Welt mit drei Sefarim ({{HeS|םפרים}}): Erzählung ({{HeS|סִפּוּר}},''sippur''), Zahl ({{HeS|סִפְרָה}}, ''sefar'', Ziffer) und  Zeichen ({{HeS|סֵפֶר}}, ''sefer''; Buchstabe).|Sefer Jezirah 1,2}}


Das sind die Kräfte, die den [[Baum des Lebens]] bilden: der [[Zahlenäther]] und der [[Wortäther|Wort]]- oder [[Lebensäther]]. Die Verfügung über diese [[ätherisch]]en Kräfte wurde dem [[Mensch]]en nach dem [[Sündenfall]] und der Vertreibung aus dem [[Paradies]] entzogen. Bis zum Ende der [[Erdentwicklung]] soll er die Herrschaft darüber mit Hilfe des [[Christus]] neu und [[Bewusstsein|vollbewusst]] wieder gewinnen.
* [[Wikipedia:Idealismus (Philosophie)|Idealismus]]
 
* [[Wikipedia:Deutscher Idealismus|Deutscher Idealismus]]
=== [[Sephiroth]] ===
* {{Kirchner|Idealismus}}
[[Datei:Tree of life hebrew.png|thumb|300px|Die 10 Sephiroth im Lebensbaum verbunden durch den [[Pfad des flammenden Schwerts]] (gelb), der die Reihenfolge ihrer Entstehung von 1 - 10 angibt.
Bezieht man dieses Diagramm auf den irdischen Menschen, so entspricht die rechte Seite der rechten Körperhälfte, die linke Seite der linken Körperhälfte - es ist also ein Bild des Menschen, wie es von ''hinten'' gesehen wird. In [[freimaurer]]ischen und [[rosenkreuzer]]ischen Darstellungen wird der Mensch meist von ''vorne'' betrachtet und im Diagramm erscheinen dann die linke und rechte Seite vertauscht.]]
Der Begriff ''[[Sephiroth]]'' (hebr. ספרות, Singular: ''Sephira'' - ספרה) ist eine Neuschöpfung des Buches Jetzira. Er geht auf den hebräischen Verbalstamm s-f-r (ספר, vgl. Sefer Jezirah §&nbsp;1) zurück, der „zählen“, „schreiben“, „erzählen“ und als Nomen auch „Buch“ (''sefer'') bedeuten kann, entlehnt aus [[Wikipedia:Arabisch|arabisch]] ''sifr'' „[[Null]], [[leer]]“, was wiederum lehnübersetzt ist von [[Wikipedia:altindisch|altindisch]] ''[[sunya]]'' „Null, leer“. Meist wird ''Sephira'' als „Zahl“ übersetzt. Es ist [[Wikipedia:Etymologie|etymologisch]] aber auch verwandt mit dem griechischen Wort σφαιρα und wird daher auch als „Sphäre“ oder „Element“ wiedergegeben.<ref>K. Herrmann, ''Sefer Jezira'', Seite 226</ref>
 
Die Zahl [[0]] (okkult gelesen als Ei) bezeichnet die Vollendung und vollständige Vergeistigung eines vorangegangenen Entwicklungszyklus {{Lit|GA 110, S 187}}, aus dem mit der [[10]] (okkult gelesen als [[Eins aus dem Ei]]) die neue [[Schöpfung]] hervorbricht. 10 entspricht auch dem hebräischen Buchstaben [[Jod (Hebräisch)|Jod]] (י), der für das schöpferische göttliche [[Ich]] steht, von dem auch ein Funke im [[Mensch]]en wohnt. Sehr nachdrücklich wird daher im ''Sefer Jetzira'' betont, dass es 10 Sephiroth gibt, nicht mehr und nicht weniger:
 
{{Zitat|Zehn Zahlen aus dem Nichts, zehn und nicht neun, zehn und nicht elf, begreife diese Weisheit, verstehe dieses Wissen, forsche danach und erwäge es, fasse es in Klarheit und folge dem Schöpfer wieder zu seinem Thron.|Sefer Jezirah 1,4}}
 
Die zehn Sephiroth sind Sinnbilder der dialogischen Struktur der Welt:
* Vorher – Nachher
* Gutes – Böses
* Männliches – Weibliches
* Hohes – Niedriges;
daneben stehen die vier Himmelsrichtungen
* Osten – Westen – Norden – Süden.
 
Das Sefer Jetzira kennt noch keine Namen der Sephiroth, wie sie später im Sephiroth- oder Lebensbaum strukturbildend geworden sind. Die Namen werden den zehn Ziffern erst ab dem 13.&nbsp; Jahrhundert im [[Sohar]] und daran anschließenden kabbalistischen Werken zugeordnet.
 
=== [[Hebräisches Alphabet|Buchstaben]] ===
Der weitaus größte Teil des Buches widmet sich den Bedeutungen und Beziehungen der hebräischen Buchstaben. Die 22 Buchstaben werden in Gruppen zusammengefasst und den grundlegenden Dimensionen von Zeit, Welt und Mensch zugeordnet:
 
{{Zitat|Zehn Zahlen aus dem Nichts und zweiundzwanzig Buchstaben, die Fundamente allen Seins: drei Mütter, sieben Einfache und zwölf Doppelte.|Sefer Jezirah 1,2}}
 
{| class="prettytable"
|-
! Gruppe
! Buchstaben
! Zuordnung
|-
| 3 [[Mütter (Kabbala)|Mütter]]
| <big>&#1513;&nbsp;&nbsp;&#1502;&nbsp;&nbsp;&#1488;</big><br />
Aleph, Mem, Schin
| Luft ([[Seele]]) – Wasser ([[Materie]]) – Feuer ([[Geist]])<br/>
Von den drei [[Säulen der Manifestation]] wird der rechten, weißen Säule [[Jachin]] das [[Shin]] zugeordnet, der mittleren [[Säule der Milde]] das [[Aleph]] und der linken, schwarzen Säule [[Boas]] das [[Mem]].<br/>
Von den [[Weltentwicklungsstufen]] enspricht ''Shin'' dem [[Alter Saturn|alten Saturn]], ''Aleph'' der [[Alte Sonne|alten Sonne]] und ''Mem'' dem [[Alter Mond|alten Mond]].
|-
| 7 Doppelte
| <big>&#1514;&nbsp;&nbsp;&#1512;&nbsp;&nbsp;&#1508;&nbsp;&nbsp;&#1499;&nbsp;&nbsp;&#1491;&nbsp;&nbsp;&#1490; &nbsp;&nbsp;&#1489;</big><br />
Beth, Gimel, Daleth, Kaph, Peh, Resch, Thaw
| 7 Planeten (von [[Saturn]] bis [[Mond]]), 7 Wochentage, 7 Pforten der Sinne am menschlichen Haupt: zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, Mund.<ref name="doppelte">Die genaue Zuordnung ist allerdings unsicher, da die verschiedenen Ausgaben des Sefer Jetzira dazu sehr unterschiedliche, widersprüchliche Angaben machen.</ref>
|-
| 12 Einfache
|  <big>&#1511;&nbsp;&nbsp;&#1510;&nbsp;&nbsp;&#1506;&nbsp;&nbsp;&#1505;&nbsp;&nbsp;&#1504;&nbsp;&nbsp;&#1500;&nbsp;&nbsp;&#1497;&nbsp;&nbsp;&#1496;&nbsp;&nbsp;&#1495;&nbsp;&nbsp;&#1494; &nbsp;&nbsp;&#1493;&nbsp;&nbsp;&#1492;</big><br />
Heh, Waw, Sajin, Cheth, Tet, Jod, Lamed, Nun, Samech, Ajin, Zade, Qoph
| 12 Sternbilder (von [[Widder (Sternbild)|Widder]] bis [[Fische (Sternbild)|Fische]]), 12 Monate, 12 Organe des menschlichen Körpers.<ref name="einfache">Bezüglich der Zuordnung zu den Sternbildern stimmen die meisten Ausgaben überein - im Gegensatz zur Zuordnung der Planeten.</ref>
|}
 
== Bedeutung ==
Das ''Sefer Jetzira'' hat mit der Lehre über die 10 Sephiroth erheblichen Einfluss auf die kabbalistische Tradition im Judentum genommen. Die Sephiroth bilden die Elemente des [[Lebensbaum (Kabbala)|Lebensbaums]] und stellen damit das wohl wirkungsvollste Symbol der Kabbala überhaupt dar. Dafür zeugen auch die späteren Ausführungen zu ihrer Gestalt und ihren Beziehungen zueinander im [[Sohar]] und den sich daran anschließenden Lehr- und Lebenstraditionen.
 
Die Spekulationen über die hebräischen Buchstaben und deren dreigliedrige Struktur haben ebenfalls größte Wirkung im Judentum und darüber hinaus in anderen [[Mystik|mystischen]] Traditionen erzielt. Das bekannteste Beispiel dafür ist der moderne [[Wikipedia:Tarot|Tarot]]. Die Zuordnung der 22 Karten der „Großen Arkana“ wurde von bekannten Tarot-Auslegern bis in Details hinein der Struktur der Buchstaben im Buch Jetzira nachgebildet.
 
== Anmerkungen ==
<references />
 
== Kommentierte Textausgaben ==
Hebräisch und Deutsch:
* [[Wikipedia:Lazarus Goldschmidt|Lazarus Goldschmidt]], ''Sefer Jesirah. Das Buch der Schöpfung'', Frankfurt 1894, Nachdruck Hamburg 2004 ISBN 3-937392-14-9
* Arjeh Kaplan, ''Sefer Jezira - Das Buch der Schöpfung in Theorie und Praxis'', Grevenbroich, 2007, ISBN 978-3-929588-25-5
* Guillaume Postel, Wolf P. Klein (Herausgeber), ''Sefer jezirah.'', Stuttgart, 1994, ISBN 3-7728-1623-1
Deutsch:
* Klaus Herrmann (Herausgeber), ''Sefer Jezira - Buch der Schöpfung.'', Verlag der Weltreligionen, Frankfurt a. M. und Leipzig, 2008, ISBN 978-3-458-70007-4
Hebräisch und Englisch:
* A. Peter Hayman, ''Sefer yeṣira: edition, translation, and text-critical commentary.'', Tübingen, 2004, ISBN 3-16-148381-2
 
== Textausgaben online==
* http://faculty.biu.ac.il/~barilm/yezifra.html (Hebräisch mit hebräischem Kommentar)
* http://www.hebrewbooks.org/pdfpager.aspx?req=38753 (Hebräisch-Englisch)
* http://www.sacred-texts.com/jud/yetzirah.htm (Englische Übersetzung von W. Wescott)
* http://www.psyche.com/psyche/txt/scholem_sy.html (Englische Übersetzung von [[Wikipedia:Gershom Scholem|Gershom Scholem]])
* http://www.wbenjamin.org/saadia.html (Englische Übersetzung inkl. des Kommentars von Saadja)


== Literatur ==
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt'', [[GA 118]] (1984) {{Vorträge|118}}
#Rudolf Steiner: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1990), ISBN 3-7274-1510-X {{Vorträge|151}}
 
#Rudolf Steiner: ''Vergangenheits- und Zukunftsimpulse im sozialen Geschehen'', [[GA 190]] (1980), ISBN 3-7274-1900-8 {{Vorträge|190}}
{{GA}}
{{GA}}


== Weblinks ==
[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Weltanschauung]] [[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
* [http://www.rodurago.de/index.php?site=lebensbaum Kabbalistischer Lebensbaum (interaktiv)]
* http://www.hagalil.com/judentum/kabbala/jezirah0.htm
* [http://www.hermetik.ch/ath-ha-nour/site/kabbalaaleph.htm Das hebräische Alephbeth]
 
== Siehe auch ==
* [[Wikipedia:Dunasch ibn Tamim|Dunasch ibn Tamim]]
* [[Sefer ha-Bahir]]
* [[Sefer ha-Sohar]]
 
[[Kategorie:Kabbala]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 9. März 2013, 05:36 Uhr

Johann Gottlieb Fichte

Der Idealismus (von griech. ιδέα, Idee, Urbild) ist eine der 12 grundlegenden Weltanschauungen, von denen Rudolf Steiner spricht, und vertritt den erkenntnistheoretischen Standpunkt, dass die eigentliche Wirklichkeit in Ideen und damit zugleich in Vernunft und Bewusstsein begründet ist und die materielle Welt und die sinnlichen Erscheinungen nur sekundäre abgeleitete Phänomene sind. Die Gegenposition dazu ist der Realismus. Im Tierkreis entspricht dem Idealismus das Zeichen des Widders.

"Es kann aber noch andere Menschen geben, die etwa folgendes sagen. Um uns herum ist die Materie und die Welt der materiellen Erscheinungen. Aber die Welt der materiellen Erscheinungen ist eigentlich in sich sinnleer. Sie hat keinen rechten Sinn, wenn nicht in ihr jene Tendenz liegt, die sich eben bewegt nach vorwärts, wenn nicht aus dieser Welt, die da um uns herum ausgebreitet ist, das geboren werden kann, wonach die Menschenseele sich richten kann als nicht in der Welt enthalten, die um uns herum ausgebreitet ist. Es muß nach der Anschauung solcher Menschen das Ideelle und das Ideale im Weltprozesse drinnen sein. Solche Menschen geben den realen Weltprozessen ihr Recht. Sie sind nicht Realisten, trotzdem sie dem realen Leben recht geben, sondern sie sind der Anschauung, das reale Leben muß durchtränkt werden von dem Ideellen, nur dann bekommt es einen Sinn. - In einem Anfluge von solcher Stimmung hat Fichte einmal gesagt: Alle Welt, die sich um uns herum ausbreitet, ist das versinnlichte Material für die Pflichterfüllung. - Die Vertreter solcher Weltanschauung, die alles nur Mittel sein läßt für Ideen, die den Weltprozeß durchdringen, kann man Idealisten nennen und ihre Weltanschauung Idealismus. Schönes und Großes und Herrliches ist für diesen Idealismus vorgebracht worden. Und auf dem Gebiete, das ich eben charakterisiert habe, wo es darauf ankommt, zu zeigen, wie die Welt zweck- und sinnlos wäre, wenn die Ideen nur menschliche Phantasiegebilde wären und nicht im Weltprozesse drinnen wirklich begründet wären, auf diesem Gebiete hat der Idealismus seine volle Bedeutung. Aber mit diesem Idealismus kann man zum Beispiel die äußere Wirklichkeit, die äußere Realität des Realisten nicht erklären. Daher hat man zu unterscheiden von den anderen eine Weltanschauung, die Idealismus genannt werden kann." (Lit.: GA 151, S. 37)

Rudolf Steiners Weltsicht und Erkenntnistheorie im Verhältnis zum Deutschen Idealismus

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

"Ich bin zu meiner Weltansicht nicht allein durch das Studium Goethes oder etwa gar des Hegelianismus gekommen. Ich ging von der mechanisch-naturalistischen Weltauffassung aus, erkannte aber, daß bei intensivem Denken dabei nicht stehengeblieben werden kann. Ich fand, streng nach naturwissenschaftlicher Methode verfahrend, in dem objektiven Idealismus die einzig befriedigende Weltansicht. Die Art, wie ein sich selbst verstehendes, widerspruchsloses Denken zu dieser Weltansicht gelangt, zeigt meine Erkenntnistheorie[1]. (GA 001, S. 129)

"Ich muss einen besonderen Wert darauf legen, dass hier an dieser Stelle beachtet werde, dass ich als meinen Ausgangspunkt das Denken bezeichnet habe und nicht Begriffe und Ideen, die erst durch das Denken gewonnen werden. Diese setzen das Denken bereits voraus. Es kann daher, was ich in bezug auf die in sich selbst ruhende, durch nichts bestimmte Natur des Denkens gesagt habe, nicht einfach auf die Begriffe übertragen werden. (Ich bemerke das hier ausdrücklich, weil hier meine Differenz mit Hegel liegt. Dieser setzt den Begriff als Erstes und Ursprüngliches.)" - Philosophie der Freiheit, S.34 (GA 004)

Steiner ordnet seine Erkenntnistheorie also dem objektiven Idealismus zu. Was jedoch positiv unter der durch nichts als sich selbst bestimmten Natur des Denkens zu verstehen ist, ist nicht ohne weiteres klar. Später heißt es im Text der Philosophie der Freiheit:

"Nun darf aber nicht übersehen werden, daß wir uns nur mit Hilfe des Denkens als Subjekt bestimmen und uns den Objekten entgegensetzen können. Deshalb darf das Denken niemals als eine bloß subjektive Tätigkeit aufgefaßt werden. Das Denken ist jenseits von Subjekt und Objekt. Es bildet diese beiden Begriffe ebenso wie alle anderen. Wenn wir als denkendes Subjekt also den Begriff auf ein Objekt beziehen, so dürfen wir diese Beziehung nicht als etwas bloß Subjektives auffassen. Nicht das Subjekt ist es, welches die Beziehung herbeiführt, sondern das Denken. Das Subjekt denkt nicht deshalb, weil es Subjekt ist; sondern es erscheint sich als ein Subjekt, weil es zu denken vermag. Die Tätigkeit, die der Mensch als denkendes Wesen ausübt, ist also keine bloß subjektive, sondern eine solche, die weder subjektiv noch objektiv ist, eine über diese beiden Begriffe hinausgehende. Ich darf niemals sagen, daß mein individuelles Subjekt denkt; dieses lebt vielmehr selbst von des Denkens Gnaden. Das Denken ist somit ein Element, das mich über mein Selbst hinausführt und mit den Objekten verbindet. Aber es trennt mich zugleich von ihnen, indem es mich ihnen als Subjekt gegenüberstellt." (GA 004, S. 60)

Mit "Denken" ist anscheinend eine Tätigkeit, oder ein Tätigsein noch jenseits von begrifflich erfaßtem als Ergebnis solchen Denkens gemeint. Sie kann vom Menschen als denkendes Wesen ausgeübt werden und bildet (erfaßt) erst die Begriffe, die Hegel schon voraussetzt.

Gegenüber dem subjektiven Idealismus Fichtes hebt Steiner hervor, daß das absolute Ich Fichtes dem unmittelbar Gegebenen nicht gerecht wird. Das Denken ist nicht nur tätiges Hervorbringen, sondern zugleich auch sein Inhalt als ein vorgefundener. Diese Vorfindlichkeit des Denkinhaltes, bzw. was zum Denkinhalt wird, liegt auf der Wahrnehmungsseite des Erkennens. Fichte gelingt es nicht, das Wahrnehmliche aus dem absoluten Ich hervorgehen zu lassen. Darin liegt das "objektive" des Steinerschen Idealismus, daß er dieses Wahrnehmliche in seiner selbstgebenden, nicht durch ein absolutes Ich produzierten, Eigenart anerkennt, obwohl es sich bei diesem wahrnehmlich Vorgegebenen nicht schon gleich um Begriffenes, Vergegenständlichtes handelt[2]. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Fichte findet sich in Wahrheit_und_Wissenschaft - (GA 003)

"Idealismus", ein weites Spektrum von Auffassungen und Bedeutungen

Neben dem ethischen Idealismus kann man zwischen einem erkenntnistheoretischen, einem ontologischen und einem metaphysischen Idealismus unterscheiden.

Die Gefahr des Idealisten

"Die Idealisten, die werden immerfort vor der Gefahr stehen, daß sie mit ihren Vorstellungen in luziferische Regionen hineinkommen, daß sie Schwärmer, Phantasten, Schwarmgeister, Lenine, Trotzkijs werden, ohne wirklichen Boden unter den Füßen; mit ihrem Willen können sie leicht ahrimanisch werden, despotisch, tyrannisch." (GA 190, S. 74)

Einzelnachweise

  1. Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller - (GA 002)
  2. Das dies so ist, zeigt sich z.B. im Falle des Falschdenkens und seiner Korrektur

Siehe auch

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Der menschliche und der kosmische Gedanke, GA 151 (1990), ISBN 3-7274-1510-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Vergangenheits- und Zukunftsimpulse im sozialen Geschehen, GA 190 (1980), ISBN 3-7274-1900-8 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.