Ratatöskr

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Ratatöskr in der Weltenesche Yggdrasil. Aus einer isländischen Handschrift des 17. Jahrhunderts.

Ratatöskr (auch Ratatosk, Ratatösk oder Ratatwisker) ist ein Eichhörnchen der nordischen Mythologie, das zu den Tieren des Weltenbaums Yggdrasil gehört.

Edda

Das Eichhörnchen wird in den Liedern der Lieder-Edda nur im Grímnismál erwähnt.

„Ratatoscr heitir ícorni,
er renna scal
at asci Yggdrasils;
arnar orð
hann scal ofan bera
oc segia Níðhǫggvi niðr.“[1]

„Ratatosk heißt das Eichhörnchen,
das herumspringt
an der Esche Yggdrasil;
die Worte des Adlers
trägt es von oben herab
und sagt sie unten Nidhögg.“[2]


Grímnismál 32

Demnach ist das Eichhörnchen im Wesentlichen der Überbringer der Botschaften des Adlers an den Drachen Nidhögg, der sich unten an den Wurzeln des Weltenbaums aufhält. Snorri Sturluson fügte in seiner Prosa-Edda hinzu, dass Ratatosk auch die Nachrichten des Drachen an den Adler übermittelt und dass die beiden auf diese Weise einen Streit miteinander austragen. Aus welchem Grund bleibt unerwähnt.

„Örn einn sitr í limum asksins, ok er hann margs vitandi [...].
Íkorni sá, er heitir Ratatoskr, renn upp ok niðr eftir askinum
ok berr öfundarorð milli arnarins ok Níðhöggs, [...]“[3]

„Ein Adler sitzt in den Ästen der Esche, der hat manches Wissen [...].
Das Eichhörnchen, das Ratatosk heißt, springt an der Esche hinauf und hinunter.
Zwischen dem Adler und Nidhögg tauscht es Gehässigkeiten aus.“[4]


– SNORRI STURLUSON: Prosa-Edda: Gylfaginning 16

Rezeption

Das Eichhörnchen gehört wohl nicht zur ursprünglichen Grundausstattung des nordischen Weltenbaums, dessen Wurzeln noch bis in indogermanische Zeit zurückreichen. Es handelt sich vermutlich um ein ausschmückendes Detail aus späterer Zeit.[5]

Das Streitmotiv zwischen Adler und Drache hingegen könnte ein altes Motiv sein. Entsprechende Parallelen finden sich in der indischen und römischen Welt. Den Streit zwischen Adler und Schlange am Baum kennt auch die indische Mythologie. In einer Fabel des Phädrus stiftet eine Katze an einem Baum Feindschaft zwischen einem Adler in der Höhe und einer Wildsau an den Wurzeln.[6] Als weit hergeholt gilt jedoch, dass der Streit zwischen Adler und Drache den Widerstreit zwischen den aufbauenden und den zerstörerischen Kräften in der Welt, den Göttern und den Riesen, darstelle.[7]

Den Namen Ratatöskrs, altnordisch Ratatoskr, leitet man meist ab von altnordisch rati ‚Bohrer‘ und *toskr ‚Zahn?‘, so dass der Name mit ‚Bohrerzahn, Nagezahn‘ übersetzt wird.[8]

Literatur

  • Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X (Kröners Taschenausgabe 368).

Einzelnachweise

  1. Lieder-Edda: Grímnismál 32. Textausgabe nach Titus Projekt, URL: http://titus.uni-frankfurt.de/texte/etcs/germ/anord/edda/edda.htm, aufgerufen am 14. Dezember 2009.
  2. Übersetzung nach Arnulf Krause: Die Götter- und Heldenlieder der Älteren Edda. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-15050-047-7.
  3. Textausgabe nach CyberSamurai Encyclopedia of Norse Mythology, URL: http://www.cybersamurai.net/Mythology/NorseMyth.htm, aufgerufen am 14. Dezember 2009.
  4. Arnulf Krause: Die Edda des Snorri Sturluson. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-15000-782-2
  5. Simek (2006) S. 343
  6. Jan de Vries: Altgermanische Religionsgeschichte, Band 2: Religion der Nordgermanen. Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin – Leipzig 1937, § 328 – Simek (2006) S. 343 weist darauf hin, dass diese Parallelen keinen sicheren Schluss über das Alter des Streitmotivs erlauben.
  7. Henry Adams Bellows: The Poetic Edda: The Mythological Poems. Courier Dover Publications, 2004, ISBN 978-0-48643-710-1 S. 97, Anmerkung 32. Online Auszug
  8. Simek (2006) S. 343: Bohrerzahn – John Lindow: Handbook of Norse Mythology. ABC-CLIO Ltd, USA 2001, ISBN 978-1-57607-217-2, S. xi: Bore-Tooth. – Reiner Tetzner: Germanische Göttersagen (nach den Quellen neu erzählt). Reclam, 1992, S. 193: Nagezahn.


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