Gedanke und Heilpädagogik: Unterschied zwischen den Seiten

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Der '''Gedanke''' ist das mehr oder weniger erstarrte, abgestorbene Produkt des lebendigen [[Denken]]s, wobei deutlich zwischen der [[subjekt]]iven Form seines Auftretens im [[Bewusstsein]], etwa als [[Vorstellung]], und seinem [[objekt]]iven Gehalt unterschieden werden muss. Durch die Gedanken werden wir uns des Denkens überhaupt erst bewusst, denn den lebendigen Denkprozess beobachten wir normalerweise nicht, jedenfalls nicht in seiner vollen Tiefe, sondern erst die Produkte, die er hervorbringt, nämlich die Gedanken.
Die '''Heilpädagogik''' für seelenpflegebedürftige [[Mensch]]en auf [[anthroposophisch]]er Basis wird heute weltweit sehr erfolgreich angewendet. Sie ist aus den Impulsen hervorgegangen, die [[Rudolf Steiner]] in seinem [[Wikipedia:1924|1924]] für Ärzte und Heilpädagogen gehaltenen [[Heilpädagogischer Kurs|heilpädagogischen Kurs]] gegeben hat zur Förderung von Kindern oder auch Erwachsenen, ''"die aus einer unvollständig gebliebenen Entwickelung heraus erzogen werden sollen, beziehungsweise, soweit es möglich ist, geheilt werden sollen."'' {{Lit|{{G|317|11}}}}


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== Grundlagen ==
"Und da kommen wir darauf, daß
sich dasjenige, was wir im engeren Sinne Denken, Vorstellen nennen,
so wie der Mensch hier auf dem physischen Plan lebt, eigentlich abspielt
im Ätherleib. Aber damit sich Gedanken bilden durch dieses
Denken, durch dieses Vorstellen, ist der physische Leib notwendig,
denn der physische Leib muß seine Eindrücke bekommen, wenn Gedanken
hier im physischen Leben erinnerungsmäßig festgehalten werden
sollen.
 
Der Vorgang ist also der: Wenn wir denken, so geht natürlich das
Denken vom Ich aus, geht durch den astralischen Leib, aber es spielt
sich dann hauptsächlich in den Bewegungen des Ätherleibes ab. Was
wir immer denken, was wir vorstellen, spielt sich in den Bewegungen
des Ätherleibes ab. Diese Bewegungen des Ätherleibes drücken sich
förmlich ein in den physischen Leib. Das ist grob gesprochen, denn es
handelt sich um viel feinere Vorgänge als um ein grobes Einprägen,
aber man kann die Sache vergleichsweise so nennen. Und dadurch, daß
diese Bewegungen des Ätherleibes in den physischen Leib eingeprägt
werden, spielen sich für unser Bewußtsein die Gedanken ab, und dadurch
auch erhalten sich die Gedanken in der Erinnerung. Gewissermaßen
ist es so: Wenn wir einen Gedanken haben und den später einmal
aus der Erinnerung hervorholen, so kommt bei dieser Arbeit des
Sich-Erinnern-Wollens unser Ätherleib in Bewegung, und er paßt sich
mit seinen Bewegungen dem physischen Leib an, und indem er hineinkommt
in jene Eindrücke, die dieser Ätherleib bei dem entsprechenden
Gedanken in den physischen Leib gemacht hat, kommt der Gedanke
wieder herauf ins Bewußtsein. Also Erinnerung ist daran geknüpft,
daß die Bewegungen des Ätherleibes sich in den physischen
Leib einprägen können. Natürlich ist das Gedächtnis an den Ätherleib
gebunden, aber der Ätherleib muß eine Art von Bewahrer seiner
Bewegungen haben, damit im physischen Leben das Erinnern zustande
kommen könne. Und so leben wir denn unser Leben zwischen Geburt
und Tod, haben unsere Erlebnisse und erinnern uns unserer Erlebnisse,
das heißt, es läuft unser Gedankenleben in uns ab. Im wachen Zustande
haben wir immer mehr oder weniger dieses in unserem Inneren ablaufende
Gedankenleben." {{Lit|{{G|174b|160f}}}}
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"Zwei
"Es ist ja natürlich, daß vorangehen soll bei jedem, der unvollständig
Dinge werden ja häufig nicht sehr voneinander unterschieden, nämlich:
entwickelte Kinder erziehen will, eine Erkenntnis, eine wirklich
Der Mensch denkt - und: Der Mensch hat Gedanken. - Aber die
eindringliche Erkenntnis der Erziehungspraxis für gesunde Kinder.
beiden Dinge sind wirklich sehr voneinander verschieden. Denken ist
Das ist dasjenige, was sich jeder, der solche Kinder erziehen will,
eine Kraft, die der Mensch hat, eine Tätigkeit; und diese Tätigkeit
aneignen müßte. Denn man muß sich ganz klar darüber sein, daß all
führt erst zu den Gedanken. Nun, die Tätigkeit des Denkens, diese
dasjenige, was eigentlich bei unvollständig entwickelten Kindern, bei
Kraft, die im Denken lebt, bringen wir uns aus dem Leben zwischen
krankhaften Kindern auftreten kann, in intimerer Art auch im sogenannten
dem Tod und einer neuen Geburt in dieses Erdenleben herein. Diese
normalen Seelenleben bemerkbar ist, man muß nur entsprechend
Kraft des Denkens betätigen wir an den äußeren Wahrnehmungen
das normale Seelenleben beobachten können. Man möchte
durch die Sinne und machen uns die Gedanken über die Umgebung,
sagen, irgendwo in einer Ecke sitzt bei jedem Menschen im Seelenleben
die wir hier haben. Aber diese Dinge in unserer Umgebung haben ja
zunächst eine sogenannte Unnormalität." {{Lit|{{G|317|11}}}}
keine Bedeutung für das Leben zwischen dem Tode und einer neuen
Geburt, denn dort sind sie nichts. Sie sind nur hier für die Sinne. Deshalb
haben auch die Gedanken, die wir uns hier machen über diejenigen
Dinge, die vor unseren Sinnen ausgebreitet sind, keine Bedeutung
für das Leben nach dem Tode; aber eine Bedeutung für das Leben
nach dem Tode hat es, daß wir der Denkkraft überhaupt etwas
zuführen, denn diese Denkkraft, die bleibt uns für das ganze Leben
zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Die Gedanken, die wir
von den sinnlichen Wahrnehmungen hinnehmen, die können uns nichts
fruchten nach dem Tode. Die dienen da nur, um Anhaltspunkte zu
haben zur Erinnerung an das Ich während des Lebens zwischen Geburt
und Tod." {{Lit|{{G|174b|316}}}}
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"Derjenige, der hier keine Gedanken aufgenommen hat über die geistigen
"Wir haben
Welten, der also nichts hat durch seine Seele ziehen lassen von Gedanken
ja im Grunde genommen gar kein weiteres Recht, über die Normalität
über die geistigen Welten, der ist als seelisches Wesen nach
oder Abnormalität des kindlichen Seelenlebens oder menschlichen Seelenlebens
dem Tode in derselben Lage wie einer, der einen physischen Organismus
überhaupt zu reden, als indem wir hinschauen auf dasjenige,
hat, aber nichts zu essen, der hungern muß. Denn die Gedanken,
was durchschnittsmäßig «normal» ist. Es gibt kein anderes Kriterium
die wir uns hier machen über die geistigen Welten, sie sind die Nahrung
als dasjenige, was allgemein üblich ist vor einer Gemeinschaft von
für eine der hauptsächlichsten Kräfte, die uns bleiben nach dem
Philistern. Und wenn diese Gemeinschaft irgend etwas für vernünftig
Tode: für die Denkkraft. Die Denkkraft haben wir, wie wir hier die
oder gescheit ansieht, so ist alles dasjenige «abnormes» Seelenleben,
Hungerkraft haben, aber genährt werden kann diese Hungerkraft zwischen
was nach Ansicht dieser Philister nicht «normales» Seelenleben ist. Ein
dem Tode und einer neuen Geburt gar nicht. Wir können zwischen
anderes Kriterium gibt es zunächst nicht. Daher sind die Urteile so
dem Tode und einer neuen Geburt Imagination haben, Inspiration
außerordentlich konfus, wenn man anfängt, indem man eine Abnormität
und Intuition, aber wir können nicht Gedanken als solche haben.
konstatieren kann, dann alles Mögliche zu treiben, und damit
Die müssen wir uns hier erwerben. Wir müssen eintreten in das Leben
abzuhelfen glaubt - statt dessen treibt man ein Stück Genialität heraus." {{Lit|{{G|317|12f}}}}
zwischen Geburt und Tod, damit wir uns hier Gedanken erwerben.
Von diesen Gedanken, die wir uns hier erworben haben, zehren wir
die ganze Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, und wir
hungern nach diesen Gedanken, wenn wir sie nicht haben." {{Lit|{{G|174b|317f}}}}
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[[Logik|Logische]] Gedanken sind eng an die natürlichen oder an formale [[Sprache]]n gebunden. Die sprachliche Form logischer Gedanken ist der [[Aussagesatz]]. Es gibt aber auch andere Gedankenformen, die nicht unmittelbar an die Logik und an die Sprache gebunden sind. Dazu zählen vor allem die [[Bild|bildhaften]] Gedanken.
=== Erziehung durch [[Selbsterziehung]] ===
 
== Gedankenwesen ==
In der Welt um uns herum sind die Gedanken lebendige [[Elementarwesen]], '''Gedankenwesen''', und erst in unserem [[Bewusstsein]] werden sie zu Gedankenleichen, die als solche keine [[Wirklichkeit]] mehr sind, sondern nur das Schattenbild einer ehemals lebendigen Wirklichkeit.


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"Wir sind nämlich in Wirklichkeit überall, wo wir stehen, gehen
"Derjenige, der Erzieher werden will für abnorme
und liegen, nicht nur in der Welt von Luft und Licht und so weiter,
Kinder, der ist nie fertig, für den ist jedes Kind wieder ein neues
sondern wir sind immer in einer flutenden Gedankenwelt. Sie können
Problem, ein neues Rätsel. Aber er kommt nur darauf, wenn er nun
sich das am besten vorstellen, indem Sie sich die Sache so zurechtlegen:
geführt wird durch die Wesenheit im Kinde, wie er es im einzelnen
Wenn Sie durch den Raum gehen als gewöhnlicher, physischer
Fall machen muß. Es ist eine unbequeme Arbeit, aber sie ist die einzig
Mensch, gehen Sie atmend hindurch, Sie gehen durch den
reale.
lufterfüllten Raum. So aber bewegen Sie sich gewissermaßen auch
durch den gedankenerfüllten Raum. Die Gedankensubstanz, die
erfüllt den Raum um Sie herum. Und diese Gedankensubstanz ist
nicht ein unbestimmtes Gedankenmeer. Das ist nicht so etwas wie
ein nebuloser Äther, wie man es sich zuweilen gern vorstellen möchte,
sondern diese Gedankensubstanz ist eigentlich das, was wir die
elementarische Welt nennen. Wenn wir von Wesen der elementarischen
Welt sprechen im weitesten Sinne des Wortes, dann bestehen
diese Wesen der elementarischen Welt aus dieser Gedankensubstanz,
richtig aus dieser Gedankensubstanz. Es ist nur ein gewisser
Unterschied zwischen den Gedanken, die da draußen herumschwirren,
die eigentlich lebendige Wesen sind, und den Gedanken, die wir
in uns haben. Ich habe hier schon öfter darauf hingewiesen, was da
für ein Unterschied ist. In meinem demnächst erscheinenden Buch,
das ich gestern schon erwähnt habe, werden Sie wiederum Hinweise
finden auf diesen Unterschied.


Sie können sich nämlich die Frage vorlegen: Wenn wir da draußen
Daher handelt es sich im Sinne dieser Geisteswissenschaft so stark
im Gedankenraum irgendsoein Wesen, ein elementarisches Wesen
darum, daß wir gerade als Erzieher im allereminentesten Sinne [[Selbsterziehung]]
haben und in mir ich doch auch Gedanken habe - wie verhalten sich
pflegen.
meine Gedanken zu den Gedankenwesen, die da draußen im Gedankenraum
sind? Sie bekommen eine richtige Vorstellung von diesem
Verhältnis der eigenen Gedanken zu den Gedankenwesen draußen
im Raum, wenn Sie sich das Verhältnis vorstellen eines menschlichen
Leichnams, der, nachdem der Mensch gestorben ist, zurückgeblieben
ist, zu dem lebendigen Menschen, der herumwandelt. Dabei
müssen Sie allerdings solche Gedanken ins Auge fassen, die Sie an der
äußeren Sinneswelt im wachen Bewußtsein gewinnen. Unsere Gedanken
sind nämlich Gedankenleichen. Das ist das Wesentliche. Die
Gedanken, die wir von der äußeren Sinneswelt so durch das wache
Bewußtsein mit uns schleppen, das sind eigentlich Gedankenleichen,
sind abgelähmte, abgetötete Gedanken; draußen sind sie lebendig.
Das ist der Unterschied.


Nun sind wir also eigentlich dadurch in die Gedankenelementarwelt
Wir werden die beste Selbsterziehung üben, wenn wir mit Interesse
eingespannt, daß wir, indem wir aus der Umwelt unsere Wahrnehmungen
die Krankheitssymptome verfolgen." {{Lit|{{G|317|74f}}}}
aufnehmen und diese Wahrnehmungen zu Gedanken
verarbeiten, die lebendigen Gedanken töten. Und indem wir sie
dann in uns haben, diese Gedankenleichen, denken wir. Daher sind
unsere Gedanken abstrakt. Unsere Gedanken bleiben gerade aus
dem Grunde abstrakt, weil wir die lebendigen Gedanken töten. Wir
gehen wirklich mit unserem Bewußtsein eigentlich so herum, daß
wir Gedankenleichen in uns tragen und diese Gedankenleichen
unsere Gedanken, unsere Vorstellungen nennen. So ist es in der
Wirklichkeit." {{Lit|{{G|177|99ff}}}}
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=== [[Geistertoren]] ===
=== [[Humor]] und Enthusiasmus ===
Die [[mensch]]lichen Gedanken, wie wir sie in unserem [[Bewusstsein]] erleben, sind keine eigenständige [[Wirklichkeit]], sondern bloße [[Bild]]er. Wären sie mehr als bloße Bilder, könnten wir sie nicht dazu gebrauchen, über die Wirklichkeit nachzudenken; wir würden dann mit jedem Gedanken eine neue Wirklichkeit erschaffen. Die Bilder, als die uns unsere Gedanken erscheinen, sind aber äußerst flüchtig. Um sie in unserem Bewusstsein festhalten zu können, bedürfen wir einer besonderen Art nur schwer zu beobachtender abnormer [[Elementarwesen]], die aber durchaus ''nicht'' [[ahrimanisch]]er Natur sind, wie man vielleicht irrtümlich glauben könnte. Sie gehören dem selben Reich an wie die [[Gnome]], liegen aber mit diesen ständig im Kampf und von ihnen zutiefst verachtet. Während die Gnome über eine hervorragende Intelligenz verfügen, sind sie nämlich ausgesprochene [[Geistertoren]]. Sie sind besonders in der Umgebung sehr gescheiter Menschen zu finden, aber etwa auch in [[Wikipedia:Bibliothek|Bibliothek]]en, wenn viel Gescheites in den Büchern steht.


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"Wenn man nun einen wirklich gescheiten Menschen verfolgt, wie
"Vor allen Dingen, was gehört zum Erziehen von solchen Kindern
er in seinem Gefolge ein ganzes Heer solcher Wesenheiten haben
dazu? Nicht die bleierne Schwere, sondern [[Humor]], wirklicher Humor,
kann, wie ich vorhin gesagt habe, so findet man, daß diese Wesenheiten
Lebenshumor. Man wird trotz allen möglichen gescheiten Kunstgriffen
außerordentlich geringgeachtet werden von den Gnomengeistern
solche Kinder nicht erziehen können, wenn man nicht den nötigen Lebenshumor
der elementarischen Welt, weil sie plump sind, und vor allen
hat. Also es wird schon Platz greifen müssen in der anthroposophischen
Dingen, weil sie furchtbar töricht sind. Das Törichte ist ihre hauptsächlichste
Bewegung, daß man Sinn hat für Beweglichkeit. Ich will
Eigenschaft. Und so kann man sagen: Gerade gescheiteste
nicht auf zu viel hinweisen. Aber es ist schon wirklich wahr, am wenigsten
Leute in der Welt, wenn man sie daraufhin beobachten kann, werden
wird man verstanden mit dem, was ich, wenn ich gefragt werde,
von ganzen Trupps von Toren verfolgt aus der geistigen Welt." {{Lit|{{G|219|76}}}}
wenn es sich um die eine oder andere Kalamität handelt, was sollen wir
tun, wenn ich da antworte: Enthusiasmus haben. Enthusiasmus haben,
das ist dasjenige, auf was es ankommt. - Und auf Enthusiasmus kommt
es gerade bei Kindern an, welche abnorm sind." {{Lit|{{G|317|102f}}}}
</div>
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Sie haben in unserer Zeit kein eigenständiges Leben und müssen sich der verströmenden Lebenskräfte sterbender Menschen bedienen.
== Geschichte der anthroposophischen Heilpädagogik ==
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"Als im Jahre 1924 eine Gruppe junger Menschen, die in der Behinderten-Arbeit tätig war, an [[Rudolf Steiner]] herantrat mit der Frage nach einem erneuerten Menschenverständnis als Grundlage für ihre Arbeit, erfolgte die Gründung der heilpädagogischen Bewegung in den Instituten am Lauenstein bei Jena und unter der Leitung von [[Ita Wegman]] (1876-1943) am Sonnenhof in Arlesheim. Es ist dadurch ... ein neuer Einschlag in der Entwicklung der Heilpädagogik in Mitteleuropa erfolgt.
 
(...) Der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmende Verlust eines religiös-verankerten Menschenbildes, der bis in unser Jahrhundert hinein die Signatur der Behinderten-Arbeit ist, spiegelt den Bruch gegenüber dem Menschenbild der [[Goethe]]zeit und machte für das breite, gesellschaftliche Bewußtsein den andersartigen Menschen zunehmend zu einem zu Versorgenden, zu einer Last in den progressiv naturwissenschaftlich ausgerichteten Sozialgebilden. Man muß ins Auge fassen, daß hier ein Vakuum sich auszubreiten begann, dem sich damals ein erweitertes denkendes Bewußtsein nicht entgegenstellen konnte. Gegenüber einem absterbenden Glauben war eine neue Erkenntnissicherheit über den Ursprung, das Wesen und die Entwicklung des Menschen nicht mehr gegenwärtig. Zweifellos gibt es genügend Beispiele hervorragender Persönlichkeiten und mutiger Einrichtungen in der Entwicklungsgeschichte der karitativ orientierten Organisationen, vor allem auch in den Jahren nach [[1933]], die den Versuch machten, das Ebenbild Gottes im Menschen wenigstens zu bewahren. Der Einbruch des materialistischen Weltbildes hat aber schon früh auch dort tiefe Spuren hinterlassen.


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(...) Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sich eine materialistisch-biologische Denkungsart gegenüber diesem Durchblick auf die seelisch-geistige Bestimmung des Menschen im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bewußtsein durchgesetzt hatte, die folgenreich im 20. Jahrhundert in die Arbeit mit behinderten Menschen hineinwirkt unter dem Primat der Vererbungsbestimmtheit der Entwicklung. Auf diesem Hintergrund gewinnen die Ausführungen [[Rudolf Steiner]]s, als er 1924 die Richtkräfte der anthroposophischen Heilpädagogik formulierte ihr historisches Gewicht" {{Lit|Müller-Wiedenmann, S. 318 - 322}}.
"Diese Wesen haben im gegenwärtigen Zeitalter eigentlich kein eigenes
</div>
Leben. Sie kommen dadurch zu einem Leben, daß sie das Leben
derjenigen benutzen, welche sterben, welche durch Krankheiten sterben,
aber noch Lebenskräfte in sich haben. Vergangenes Leben nur
können sie benutzen. Es sind also Geistertoren, welche das Leben, das
von Menschen übrigbleibt, benützen, die also sozusagen sich vollsaugen
von dem, was von übrigbleibendem Leben noch an Kirchhöfen
und dergleichen aufsteigt.


Gerade wenn man eindringt in solche Welten, dann bekommt man
In der Praxis der anthroposophischen Heilpädagogik kommt der Zusammenarbeit der Heilpädagogen mit anthroposophischen Ärzten und Heileurythmisten ein großer Stellenwert zu.
einen Begriff, wie unendlich stark die Welt, die hinter der menschlichen
Keine Behinderung darf als unabänderlich hingenommen werden, auch nicht im Erwachsenenalter:
Sinneswelt ist, bevölkert ist, und wie mannigfaltig die Klassen
von solchen geistigen Wesenheiten sind, und wie diese geistigen
Wesenheiten durchaus im Zusammenhang mit unseren Fähigkeiten
stehen. Denn der gescheite Mensch, den man da in seiner Tätigkeit
verfolgt, kann, wenn er nicht hellsichtig, sondern bloß gescheit ist,
seine gescheiten Gedanken gerade dadurch besonders festhalten, daß
er von diesem Troß von geistigen Toren verfolgt ist. Die klammern
sich an seine Gedanken, zerren sie und geben ihnen Gewicht, so daß
sie bei ihm bleiben, während er sonst die Gedanken rasch verschwinden
haben würde." {{Lit|{{G|219|77}}}}
</div>


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"Wenn sie
"Ich glaube, es ist außerordentlich wichtig, daß man gegenüber der Situation behinderter Erwachsener immer offen bleibt. Wir fügen einem behinderten Erwachsenen das größte und wahrscheinlich unverzeihliche Unrecht zu, wenn wir seinen Fall als gegeben, endgültig und als nicht mehr zu ändern hinnehmen. Das ist gleichbedeutend mit Mord" {{Lit|Thomas J. Weihs, S. 186}}.
gar zu sehr von den Naturgeistern gnomenhafter Art verfolgt werden,
dann flüchten sie sich in die menschlichen Köpfe, und während sie
eigentlich draußen in der Natur fast Riesen sind - sie sind nämlich
außerordentlich groß -, werden sie ganz klein, wenn sie in den menschlichen
Köpfen sind. Man könnte sagen, daß sie eine Art abnormer
Naturgeister sind, die aber mit der ganzen menschlichen Entwickelung
auf der Erde innig zusammenhängen." {{Lit|{{G|219|78}}}}
</div>
</div>


== Literatur ==
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Die geistigen Hintergründe des Ersten Weltkrieges'', [[GA 174b]] (1994), ISBN 3-7274-1742-0 {{Vorträge|174b}}
#Rudolf Steiner: ''Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis'', [[GA 177]] (1999), ISBN 3-7274-1771-4 {{Vorträge|177}}
#Rudolf Steiner: ''Das Verhältnis der Sternenwelt zum Menschen und des Menschen zur Sternenwelt. Die geistige Kommunion der Menschheit.'', [[GA 219]] (1994), ISBN 3-7274-2190-8 {{Vorträge|219}}


{{GA}}
* Rudolf Steiner: ''Heilpädagogischer Kurs'', [[GA 317]] (1995), ISBN 3-7274-3171-7 {{Vorträge|317}}
* Wilhelm Uhlenhoff: ''Die Kinder des Heilpädagogischen Kurses''. Krankheitsbilder und Lebenswege, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 3. Auflage 2007
* Bernard Lievegoed: ''Heilpädagogische Betrachtungen''. Edition Bingenheim, Wuppertal 1984
* Bernard Lievegoed: ''Soziale Gestaltungen am Beispiel heilpädagogischer Einrichtungen''. Info3-Verlag, Frankfurt am Main 1986
* [[Thomas J. Weihs]]: ''Das entwicklungsgestörte Kind''. Heilpädagogische Erfahrungen in Camphill-Gemeinschaften, Fischer TB, Frankfurt am Main 1983
* Hans Müller-Wiedemann: ''Heilpädagogik und Sozialtherapie - Idee und Auftrag.'' In: Zivilisation der Zukunft. Arbeitsfelder der Anthroposophie, herausgegeben von Herbert Rieche und Wolfgang Schuchhardt, Urachhaus Vlg., Stuttgart 1981, S. 318 - 346
* Georg von Arnim: ''Was bedeutet Seelenpflege?''. Die Aufgaben der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie, Verein für ein erweitertes Heilwesen, Bad Liebenzell/Unterlengenhardt 1993
 
== Siehe auch: ==
 
* [[Genselektion]]
* [[Sozialtherapie]]


[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Denken]]
[[Kategorie:Pädagogik]] [[Kategorie:Medizin]]

Version vom 29. Juni 2014, 15:33 Uhr

Die Heilpädagogik für seelenpflegebedürftige Menschen auf anthroposophischer Basis wird heute weltweit sehr erfolgreich angewendet. Sie ist aus den Impulsen hervorgegangen, die Rudolf Steiner in seinem 1924 für Ärzte und Heilpädagogen gehaltenen heilpädagogischen Kurs gegeben hat zur Förderung von Kindern oder auch Erwachsenen, "die aus einer unvollständig gebliebenen Entwickelung heraus erzogen werden sollen, beziehungsweise, soweit es möglich ist, geheilt werden sollen." (Lit.: GA 317, S. 11)

Grundlagen

"Es ist ja natürlich, daß vorangehen soll bei jedem, der unvollständig entwickelte Kinder erziehen will, eine Erkenntnis, eine wirklich eindringliche Erkenntnis der Erziehungspraxis für gesunde Kinder. Das ist dasjenige, was sich jeder, der solche Kinder erziehen will, aneignen müßte. Denn man muß sich ganz klar darüber sein, daß all dasjenige, was eigentlich bei unvollständig entwickelten Kindern, bei krankhaften Kindern auftreten kann, in intimerer Art auch im sogenannten normalen Seelenleben bemerkbar ist, man muß nur entsprechend das normale Seelenleben beobachten können. Man möchte sagen, irgendwo in einer Ecke sitzt bei jedem Menschen im Seelenleben zunächst eine sogenannte Unnormalität." (Lit.: GA 317, S. 11)

"Wir haben ja im Grunde genommen gar kein weiteres Recht, über die Normalität oder Abnormalität des kindlichen Seelenlebens oder menschlichen Seelenlebens überhaupt zu reden, als indem wir hinschauen auf dasjenige, was durchschnittsmäßig «normal» ist. Es gibt kein anderes Kriterium als dasjenige, was allgemein üblich ist vor einer Gemeinschaft von Philistern. Und wenn diese Gemeinschaft irgend etwas für vernünftig oder gescheit ansieht, so ist alles dasjenige «abnormes» Seelenleben, was nach Ansicht dieser Philister nicht «normales» Seelenleben ist. Ein anderes Kriterium gibt es zunächst nicht. Daher sind die Urteile so außerordentlich konfus, wenn man anfängt, indem man eine Abnormität konstatieren kann, dann alles Mögliche zu treiben, und damit abzuhelfen glaubt - statt dessen treibt man ein Stück Genialität heraus." (Lit.: GA 317, S. 12f)

Erziehung durch Selbsterziehung

"Derjenige, der Erzieher werden will für abnorme Kinder, der ist nie fertig, für den ist jedes Kind wieder ein neues Problem, ein neues Rätsel. Aber er kommt nur darauf, wenn er nun geführt wird durch die Wesenheit im Kinde, wie er es im einzelnen Fall machen muß. Es ist eine unbequeme Arbeit, aber sie ist die einzig reale.

Daher handelt es sich im Sinne dieser Geisteswissenschaft so stark darum, daß wir gerade als Erzieher im allereminentesten Sinne Selbsterziehung pflegen.

Wir werden die beste Selbsterziehung üben, wenn wir mit Interesse die Krankheitssymptome verfolgen." (Lit.: GA 317, S. 74f)

Humor und Enthusiasmus

"Vor allen Dingen, was gehört zum Erziehen von solchen Kindern dazu? Nicht die bleierne Schwere, sondern Humor, wirklicher Humor, Lebenshumor. Man wird trotz allen möglichen gescheiten Kunstgriffen solche Kinder nicht erziehen können, wenn man nicht den nötigen Lebenshumor hat. Also es wird schon Platz greifen müssen in der anthroposophischen Bewegung, daß man Sinn hat für Beweglichkeit. Ich will nicht auf zu viel hinweisen. Aber es ist schon wirklich wahr, am wenigsten wird man verstanden mit dem, was ich, wenn ich gefragt werde, wenn es sich um die eine oder andere Kalamität handelt, was sollen wir tun, wenn ich da antworte: Enthusiasmus haben. Enthusiasmus haben, das ist dasjenige, auf was es ankommt. - Und auf Enthusiasmus kommt es gerade bei Kindern an, welche abnorm sind." (Lit.: GA 317, S. 102f)

Geschichte der anthroposophischen Heilpädagogik

"Als im Jahre 1924 eine Gruppe junger Menschen, die in der Behinderten-Arbeit tätig war, an Rudolf Steiner herantrat mit der Frage nach einem erneuerten Menschenverständnis als Grundlage für ihre Arbeit, erfolgte die Gründung der heilpädagogischen Bewegung in den Instituten am Lauenstein bei Jena und unter der Leitung von Ita Wegman (1876-1943) am Sonnenhof in Arlesheim. Es ist dadurch ... ein neuer Einschlag in der Entwicklung der Heilpädagogik in Mitteleuropa erfolgt.

(...) Der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmende Verlust eines religiös-verankerten Menschenbildes, der bis in unser Jahrhundert hinein die Signatur der Behinderten-Arbeit ist, spiegelt den Bruch gegenüber dem Menschenbild der Goethezeit und machte für das breite, gesellschaftliche Bewußtsein den andersartigen Menschen zunehmend zu einem zu Versorgenden, zu einer Last in den progressiv naturwissenschaftlich ausgerichteten Sozialgebilden. Man muß ins Auge fassen, daß hier ein Vakuum sich auszubreiten begann, dem sich damals ein erweitertes denkendes Bewußtsein nicht entgegenstellen konnte. Gegenüber einem absterbenden Glauben war eine neue Erkenntnissicherheit über den Ursprung, das Wesen und die Entwicklung des Menschen nicht mehr gegenwärtig. Zweifellos gibt es genügend Beispiele hervorragender Persönlichkeiten und mutiger Einrichtungen in der Entwicklungsgeschichte der karitativ orientierten Organisationen, vor allem auch in den Jahren nach 1933, die den Versuch machten, das Ebenbild Gottes im Menschen wenigstens zu bewahren. Der Einbruch des materialistischen Weltbildes hat aber schon früh auch dort tiefe Spuren hinterlassen.

(...) Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sich eine materialistisch-biologische Denkungsart gegenüber diesem Durchblick auf die seelisch-geistige Bestimmung des Menschen im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bewußtsein durchgesetzt hatte, die folgenreich im 20. Jahrhundert in die Arbeit mit behinderten Menschen hineinwirkt unter dem Primat der Vererbungsbestimmtheit der Entwicklung. Auf diesem Hintergrund gewinnen die Ausführungen Rudolf Steiners, als er 1924 die Richtkräfte der anthroposophischen Heilpädagogik formulierte ihr historisches Gewicht" (Lit.: Müller-Wiedenmann, S. 318 - 322).

In der Praxis der anthroposophischen Heilpädagogik kommt der Zusammenarbeit der Heilpädagogen mit anthroposophischen Ärzten und Heileurythmisten ein großer Stellenwert zu. Keine Behinderung darf als unabänderlich hingenommen werden, auch nicht im Erwachsenenalter:

"Ich glaube, es ist außerordentlich wichtig, daß man gegenüber der Situation behinderter Erwachsener immer offen bleibt. Wir fügen einem behinderten Erwachsenen das größte und wahrscheinlich unverzeihliche Unrecht zu, wenn wir seinen Fall als gegeben, endgültig und als nicht mehr zu ändern hinnehmen. Das ist gleichbedeutend mit Mord" (Lit.: Thomas J. Weihs, S. 186).

Literatur

  • Rudolf Steiner: Heilpädagogischer Kurs, GA 317 (1995), ISBN 3-7274-3171-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  • Wilhelm Uhlenhoff: Die Kinder des Heilpädagogischen Kurses. Krankheitsbilder und Lebenswege, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 3. Auflage 2007
  • Bernard Lievegoed: Heilpädagogische Betrachtungen. Edition Bingenheim, Wuppertal 1984
  • Bernard Lievegoed: Soziale Gestaltungen am Beispiel heilpädagogischer Einrichtungen. Info3-Verlag, Frankfurt am Main 1986
  • Thomas J. Weihs: Das entwicklungsgestörte Kind. Heilpädagogische Erfahrungen in Camphill-Gemeinschaften, Fischer TB, Frankfurt am Main 1983
  • Hans Müller-Wiedemann: Heilpädagogik und Sozialtherapie - Idee und Auftrag. In: Zivilisation der Zukunft. Arbeitsfelder der Anthroposophie, herausgegeben von Herbert Rieche und Wolfgang Schuchhardt, Urachhaus Vlg., Stuttgart 1981, S. 318 - 346
  • Georg von Arnim: Was bedeutet Seelenpflege?. Die Aufgaben der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie, Verein für ein erweitertes Heilwesen, Bad Liebenzell/Unterlengenhardt 1993

Siehe auch: