Heilpädagogik und Begierdenkerl: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Heilpädagogik''' für seelenpflegebedürftige [[Mensch]]en auf [[anthroposophisch]]er Basis wird heute weltweit sehr erfolgreich angewendet. Sie ist aus den Impulsen hervorgegangen, die [[Rudolf Steiner]] in seinem [[Wikipedia:1924|1924]] für Ärzte und Heilpädagogen gehaltenen [[Heilpädagogischer Kurs|heilpädagogischen Kurs]] gegeben hat zur Förderung von Kindern oder auch Erwachsenen, ''"die aus einer unvollständig gebliebenen Entwickelung heraus erzogen werden sollen, beziehungsweise, soweit es möglich ist, geheilt werden sollen."'' {{Lit|{{G|317|11}}}}
#WEITERLEITUNG [[Kalk#Begierdenkerl]]
 
== Grundlagen ==
 
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"Es ist ja natürlich, daß vorangehen soll bei jedem, der unvollständig
entwickelte Kinder erziehen will, eine Erkenntnis, eine wirklich
eindringliche Erkenntnis der Erziehungspraxis für gesunde Kinder.
Das ist dasjenige, was sich jeder, der solche Kinder erziehen will,
aneignen müßte. Denn man muß sich ganz klar darüber sein, daß all
dasjenige, was eigentlich bei unvollständig entwickelten Kindern, bei
krankhaften Kindern auftreten kann, in intimerer Art auch im sogenannten
normalen Seelenleben bemerkbar ist, man muß nur entsprechend
das normale Seelenleben beobachten können. Man möchte
sagen, irgendwo in einer Ecke sitzt bei jedem Menschen im Seelenleben
zunächst eine sogenannte Unnormalität." {{Lit|{{G|317|11}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Wir haben
ja im Grunde genommen gar kein weiteres Recht, über die Normalität
oder Abnormalität des kindlichen Seelenlebens oder menschlichen Seelenlebens
überhaupt zu reden, als indem wir hinschauen auf dasjenige,
was durchschnittsmäßig «normal» ist. Es gibt kein anderes Kriterium
als dasjenige, was allgemein üblich ist vor einer Gemeinschaft von
Philistern. Und wenn diese Gemeinschaft irgend etwas für vernünftig
oder gescheit ansieht, so ist alles dasjenige «abnormes» Seelenleben,
was nach Ansicht dieser Philister nicht «normales» Seelenleben ist. Ein
anderes Kriterium gibt es zunächst nicht. Daher sind die Urteile so
außerordentlich konfus, wenn man anfängt, indem man eine Abnormität
konstatieren kann, dann alles Mögliche zu treiben, und damit
abzuhelfen glaubt - statt dessen treibt man ein Stück Genialität heraus." {{Lit|{{G|317|12f}}}}
</div>
 
=== Erziehung durch [[Selbsterziehung]] ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Derjenige, der Erzieher werden will für abnorme
Kinder, der ist nie fertig, für den ist jedes Kind wieder ein neues
Problem, ein neues Rätsel. Aber er kommt nur darauf, wenn er nun
geführt wird durch die Wesenheit im Kinde, wie er es im einzelnen
Fall machen muß. Es ist eine unbequeme Arbeit, aber sie ist die einzig
reale.
 
Daher handelt es sich im Sinne dieser Geisteswissenschaft so stark
darum, daß wir gerade als Erzieher im allereminentesten Sinne [[Selbsterziehung]]
pflegen.
 
Wir werden die beste Selbsterziehung üben, wenn wir mit Interesse
die Krankheitssymptome verfolgen." {{Lit|{{G|317|74f}}}}
</div>
 
=== Humor und Enthusiasmus ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Vor allen Dingen, was gehört zum Erziehen von solchen Kindern
dazu? Nicht die bleierne Schwere, sondern Humor, wirklicher Humor,
Lebenshumor. Man wird trotz allen möglichen gescheiten Kunstgriffen
solche Kinder nicht erziehen können, wenn man nicht den nötigen Lebenshumor
hat. Also es wird schon Platz greifen müssen in der anthroposophischen
Bewegung, daß man Sinn hat für Beweglichkeit. Ich will
nicht auf zu viel hinweisen. Aber es ist schon wirklich wahr, am wenigsten
wird man verstanden mit dem, was ich, wenn ich gefragt werde,
wenn es sich um die eine oder andere Kalamität handelt, was sollen wir
tun, wenn ich da antworte: Enthusiasmus haben. Enthusiasmus haben,
das ist dasjenige, auf was es ankommt. - Und auf Enthusiasmus kommt
es gerade bei Kindern an, welche abnorm sind." {{Lit|{{G|317|102f}}}}
</div>
 
== Geschichte der anthroposophischen Heilpädagogik ==
<div style="margin-left:20px">
"Als im Jahre 1924 eine Gruppe junger Menschen, die in der Behinderten-Arbeit tätig war, an [[Rudolf Steiner]] herantrat mit der Frage nach einem erneuerten Menschenverständnis als Grundlage für ihre Arbeit, erfolgte die Gründung der heilpädagogischen Bewegung in den Instituten am Lauenstein bei Jena und unter der Leitung von [[Ita Wegman]] (1876-1943) am Sonnenhof in Arlesheim. Es ist dadurch ... ein neuer Einschlag in der Entwicklung der Heilpädagogik in Mitteleuropa erfolgt.
 
(...) Der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmende Verlust eines religiös-verankerten Menschenbildes, der bis in unser Jahrhundert hinein die Signatur der Behinderten-Arbeit ist, spiegelt den Bruch gegenüber dem Menschenbild der [[Goethe]]zeit und machte für das breite, gesellschaftliche Bewußtsein den andersartigen Menschen zunehmend zu einem zu Versorgenden, zu einer Last in den progressiv naturwissenschaftlich ausgerichteten Sozialgebilden. Man muß ins Auge fassen, daß hier ein Vakuum sich auszubreiten begann, dem sich damals ein erweitertes denkendes Bewußtsein nicht entgegenstellen konnte. Gegenüber einem absterbenden Glauben war eine neue Erkenntnissicherheit über den Ursprung, das Wesen und die Entwicklung des Menschen nicht mehr gegenwärtig. Zweifellos gibt es genügend Beispiele hervorragender Persönlichkeiten und mutiger Einrichtungen in der Entwicklungsgeschichte der karitativ orientierten Organisationen, vor allem auch in den Jahren nach [[1933]], die den Versuch machten, das Ebenbild Gottes im Menschen wenigstens zu bewahren. Der Einbruch des materialistischen Weltbildes hat aber schon früh auch dort tiefe Spuren hinterlassen.
 
(...) Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sich eine materialistisch-biologische Denkungsart gegenüber diesem Durchblick auf die seelisch-geistige Bestimmung des Menschen im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bewußtsein durchgesetzt hatte, die folgenreich im 20. Jahrhundert in die Arbeit mit behinderten Menschen hineinwirkt unter dem Primat der Vererbungsbestimmtheit der Entwicklung. Auf diesem Hintergrund gewinnen die Ausführungen [[Rudolf Steiner]]s, als er 1924 die Richtkräfte der anthroposophischen Heilpädagogik formulierte ihr historisches Gewicht" {{Lit|Müller-Wiedenmann, S. 318 - 322}}.
</div>
 
In der Praxis der anthroposophischen Heilpädagogik kommt der Zusammenarbeit der Heilpädagogen mit anthroposophischen Ärzten und Heileurythmisten ein großer Stellenwert zu.
Keine Behinderung darf als unabänderlich hingenommen werden, auch nicht im Erwachsenenalter:
 
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"Ich glaube, es ist außerordentlich wichtig, daß man gegenüber der Situation behinderter Erwachsener immer offen bleibt. Wir fügen einem behinderten Erwachsenen das größte und wahrscheinlich unverzeihliche Unrecht zu, wenn wir seinen Fall als gegeben, endgültig und als nicht mehr zu ändern hinnehmen. Das ist gleichbedeutend mit Mord" {{Lit|Thomas J. Weihs, S. 186}}.
</div>
 
== Literatur ==
 
* Rudolf Steiner: ''Heilpädagogischer Kurs'', [[GA 317]] (1995), ISBN 3-7274-3171-7 {{Vorträge|317}}
* Wilhelm Uhlenhoff: ''Die Kinder des Heilpädagogischen Kurses''. Krankheitsbilder und Lebenswege, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 3. Auflage 2007
* Bernard Lievegoed: ''Heilpädagogische Betrachtungen''. Edition Bingenheim, Wuppertal 1984
* Bernard Lievegoed: ''Soziale Gestaltungen am Beispiel heilpädagogischer Einrichtungen''. Info3-Verlag, Frankfurt am Main 1986
* [[Thomas J. Weihs]]: ''Das entwicklungsgestörte Kind''. Heilpädagogische Erfahrungen in Camphill-Gemeinschaften, Fischer TB, Frankfurt am Main 1983
* Hans Müller-Wiedemann: ''Heilpädagogik und Sozialtherapie - Idee und Auftrag.'' In: Zivilisation der Zukunft. Arbeitsfelder der Anthroposophie, herausgegeben von Herbert Rieche und Wolfgang Schuchhardt, Urachhaus Vlg., Stuttgart 1981, S. 318 - 346
* Georg von Arnim: ''Was bedeutet Seelenpflege?''. Die Aufgaben der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie, Verein für ein erweitertes Heilwesen, Bad Liebenzell/Unterlengenhardt 1993
 
== Siehe auch: ==
 
* [[Genselektion]]
* [[Sozialtherapie]]
 
[[Kategorie:Pädagogik]] [[Kategorie:Medizin]]

Aktuelle Version vom 1. Mai 2022, 07:51 Uhr

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