Seelenschlaf und Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Seelenschlaf''' ([[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]] '''Psychopannychie'''; von ''psychê'' = "Seele", ''pan'' = "alles, ganz" u. ''nyx'' = "Nacht") ist eine Bezeichnung für den in der [[Wikipedia:Christliche Theologie|christlichen Theologie]] schon sehr früh diskutierten und seit dem [[Wikipedia:Zweites Konzil von Lyon|Zweiten Konzil von Lyon]] [[Wikipedia:1274|1274]] als [[Häresie|häretisch]] verworfenen Glauben, dass die [[Tote]]n bis zur [[Auferstehung]] schlafen. Dennoch taucht die Vorstellung vom '''Todesschlaf''' immer wieder auf, weshalb der [[Tod]] häufig auch als '''Entschlafung''' bezeichnet wird.
'''Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären''' lautet der Titel der von [[Johann Wolfgang von Goethe]] im Jahr 1790 verfassten botanischen Schrift.<ref>Johann Wolfgang Goethe: ''Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären.'' Ettingersche Buchhandlung, Gotha 1790.</ref> Goethe gilt mit seiner Schrift als Mitbegründer der vergleichenden Morphologie.<ref>Andreas Bresinsky; Strasburger, Eduard. ''Strasburger Lehrbuch der Botanik.'' 36 Auflage, 2008 ISBN 978-3-8274-1455-7</ref> 27 Jahre später veröffentlichte Goethe die Schrift ein zweites Mal als Artikel in der Schriftenreihe ''Zur Morphologie'' mit der Überschrift: ''Die Metamorphose der Pflanzen''.<ref>Goethe, Johann Wolfgang von; Dorothea Kuhn: ''Morphologische Hefte''. 2. Aufl. H. Böhlaus Nachfolger, Weimar 1994 ISBN: 3-7400-0928-4. </ref>
[[Datei:Tulipa Metamorphose Verwachsung Staengel-Bluetenblatt20090516.jpg|thumb|Tulpe, das letzte Stängelblatt und das erste Blütenblatt sind miteinander verwachsen]]
[[Datei:Prunus serrulata Bluete Metamorphose20080421.jpg|thumb|Japanische Zierkirsche, ein Fruchtblatt ist normal gebildet, das zweite verlaubt]]
[[Datei:Taraxacum officinalis Loewenzahn uebergang Bluete Frucht 1.jpg|thumb|Löwenzahn, die Hochblätter bilden einen doppelten Kelch, das Weiss der Schirmchen ist sichtbar]]
[[Datei:Taraxacum officinalis Loewenzahn Bluete Frucht 2.jpg|thumb|Löwenzahn, Umstülpung des "Blütenbodens", die Schirmchen haben sich entfaltet]]
== Inhalt der Schrift ==
Goethe schreibt in seiner Einleitung: "Die geheime Verwandtschaft der verschiedenen Pflanzenteile, als der Blätter des Kelchs, der Krone, der Staubfäden, welche sich nach einander und gleichsam aus einander entwickeln, ist von den Forschern im allgemeinen längst erkannt, ja auch besonders bearbeitet worden und man hat die Wirkung, wodurch ein und dasselbe Organ sich uns mannigfaltig verändert sehen lässt, die Metamorphose der Pflanzen genannt." Goethe unterscheidet drei Arten von Metamorphosen: die ''regelmäßige'', die ''unregelmäßige'' oder ''rückschreitende'' und die ''zufällige'' Metamorphose die von außen, besonders durch Insekten bewirkt wird.
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! Die Metamorphose der Pflanzen
Inhaltsverzeichnis
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::• Einleitung
::• Von den Samenblättern
::• Ausbildung der Stängelblätter von Knoten zu Knoten
::• Übergang zum Blütenstande
::• Bildung des Kelches
::• Bildung der Krone
::• Bildung der Staubwerkzeuge
::• Nektarien
::• Noch einiges von den Staubwerkzeugen
::• Bildung des Griffels
::• Von den Früchten
::• Von den unmittelbaren Hüllen des Samens
::• Rückblick und Übergang
::• Von den Augen und ihrer Entwicklung
::• Bildung der zusammengesetzten Blüten- und Fruchtstände
::• Durchgewachsene Rose
::• Durchgewachsene Nelke
::• Linnés Theorie von der Antizipation
::• Wiederholung
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|[[Bibliothek:Goethe/Naturwissenschaft/Die_Metamorphose_der_Pflanzen|zur Inhalt]]
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Der Aufbau der Schrift folgt die Entwicklung der Pflanze vom Keimling über die grünenden bis zur blühenden Pflanze, danach folgen Frucht und Samen. Goethe vergleicht Keimblätter, Stängelblätter, Hochblätter, Kelchblätter, Kronenblätter, Staubblätter und Griffeln im Sinne einer Metamorphosenreihe miteinander und setzt bei den Früchten, Samen und Augen neu an. Es folgen mit der durchgewachsenen Rose und der durchgewachsenen Nelke zwei Beispiele der unregelmäßigen, rückschreitenden Metamorphose. Zum Schluss bespricht Goethe Linnés Darstellung der Metamorphose. Linné ging davon aus, dass die verschiedenen Kreise der Blütenorgane sich durch eine Metamorphose der kreisförmig angeordneten Gewebeschichten des Stängels bilden und nicht durch eine Verwandlung des Laubblattes. Linné stellte sich die Metamorphose, die in der Blütenknospe stattfindet, ähnlich vor wie die Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling in der Schmetterlingspuppe.
Im letzten Kapitel XVIII Abschnitt 119 fasst Goethe seine Überlegungen zusammen: "So wie wir nun die verschiedenen Organe der sprossenden und blühenden Pflanze alle aus einem einzigen nämlich dem Blatt, welches sich gewöhnlich an jedem Knoten entwickelt, zu erklären gesucht haben; so haben wir auch diejenigen Früchte, welche ihre Samen fest in sich zu verschliessen Pflegen, aus der Blattgestalt herzuleiten gewagt."
Die Schrift behandelt in erster Linie die Metamorphose des Blattes, die Metamorphose des Stängels wird gestreift bei der Bildung der zusammengesetzten Blüten- und Fruchtstände, die Wurzel und ihre Metamorphosen behandelt Goethe nicht.


== Mythologie ==
== Bedeutung der Schrift, inhaltlich ==
Die Morphologie hat seit Goethe große Fortschritte gemacht. Heutzutage ist die Schrift in Bezug auf ihrem Inhalt vor allem von historischem Interesse, dazu ein paar Beispiele. Goethe setzt Staubblatt und Griffel auf der gleichen Bildungsstufe. Das Staubblatt ist, wie wir heute wissen, mit dem Fruchtblatt - Griffel inklusive - zu vergleichen. Goethes Vergleich der Gestalt des Griffels mit der Gestalt des Staubblattes bleibt interessant. Die morphologischen Begriffe sind präziser geworden. Die Entdeckung des Generationenwechsels durch Wilhelm Hofmeister <ref>Wilhelm Hofmeister: ''Vergleichende Untersuchungen der Keimung, Entfaltung und Fruchtbildung höherer Kryptogamen (Moose, Farne, Equisetaceen, Rhizocarpeen und Lycopodiaceen) und der Samenbildung der Confieren''.: Leipzig 1851</ref> war für Julius Sachs Grund die Gleichstellung von Staubblatt und Stängelblatt abzulehnen.<ref>Julius Sachs: ''Vorlesungen über Pflanzenphysiologie.'' Leipzig 1882</ref> Goethe betrachtete das Staubblatt als ein verwandeltes Stängelblatt. Sachs unterscheidet zusätzlich zu den vegetativen Grundorganen Wurzel, Sprossachse und Blatt noch die generativen Grundorgane Sporangien und Gametangien, diese sind nicht aus dem Blatt ableitbar. Ein weiterer großer Fortschritt war die Unterscheidung zwischen homologen und analogen Strukturen. Ein Beispiel. Der Löwenzahn bildet ein Blütenköpfchen, das aus vielen kleinen Zungenblüten besteht. Der Gesamtgestalt sieht aus wie eine Blüte und, die die Blüte umhüllenden schuppenartigen Blättchen, benehmen sich wie Kelchblätter. Aus dem Vergleich mit anderen Familien weiss man aber das es Hochblätter sind und man die Kelchblätter anderswo suchen muss. Die "eigentlichen" Kelchblätter sieht man erst wenn der Löwenzahn fruchtet. Der Pappus, das Schirmchen ist eine Bildung der "richtigen" Kelchblätter. Die von Goethe mitbegründete vergleichende Methode führte zu der Bildung der Begriffe homolog (Organe mit gleicher Herkunft) und analog (Organe mit gleicher Funktion).


Das Bild vom «'''Tod als kleiner Bruder des Schlafes'''» findet sich schon im [[Gilgamesch-Epos]]. Nachdem [[Gilgamesch]]s Freund [[Enkidu]] gestorben war, machte sich Gilgamesch voller Trauer auf den Weg, um das Geheimnis des Leben zu finden. Er hoffte, dass ihm sein Urahn [[Utnapischtim]] dabei helfen könnte. Nach langer Reise fand Gilgamesch [[Urschanabi]], den Fährmann Utnapischtims, der ihn über das [[Wasser des Todes]] zur Insel bringen sollte, auf der Utnapischtim lebte. Aber im Streit zerschlug Gilgamesch „[[Die Steinernen]]“, die allein die für die Überfahrt nötigen Stocherstangen aus dem Holz der Zedern herzustellen wussten, die dem Wasser des Todes standhalten konnten. Der Fährmann erklärte sich dennoch bereit, Gilgamesch überzusetzen, doch musste Gilgamesch dazu hundertzwanzig Ruder aus Holz schnitzen. Nachdem Gilgamesch das getan hatte, fuhren sie los. Sie mussten aber bei jedem Ruderschlag das gerade benutzte Ruder ins Wasser gleiten lassen, da es kein spezielles Ruder aus Stein war und mit dem Wasser des Todes benetzt war. Als das letzte Ruder aufgebraucht war, waren sie aber noch nicht auf der Insel angelangt. Gilgamesch wusste sich zu helfen und zog Urschanabis Hemd aus und hängte es wie ein Segel auf und erreichte so die Insel. Nun suchte er seinen Urahnen Utnapischtim auf. Dieser erzählte ihm von der [[Sintflut]], die die Götter geschickt und nur er und seine Familie überlebt hatten. Eindringlich schärfte ihm Utnapischtim ein, den '''''Schlaf, den kleinen Bruder des Todes''''', zu bezwingen. Doch Gilgamesch konnte sich nicht wach halten und schlief sechs Tage und sechs Nächte. Nach dem er am siebten Tag aufgewacht war, sagte Utnapischtim ihm schliesslich, wo er ein Gewächs des Lebens finden würde. Gilgamesch konnte das Gewächs finden und machte sich auf den Weg in die Heimat. Als er an einem Brunnen rastete, war er unvorsichtig und eine Schlange konnte ihm das Gewächs des Lebens stehlen. Betrübt und niedergeschlagen kam er nach Uruk zurück.
== Bedeutung der Schrift, methodisch ==
Die vergleichende Morphologie hat sich als Methode bewährt. Goethe hat mit seiner Schrift die Morphologie mitgeprägt. Sie wurde mehrmals von Morphologen herausgegeben: Adolph Hansen (1907)<ref>Adolph Hansen: ''Goethes Metamorphose der Pflanzen. Geschichte einer botanischen Hypothese.'' Alfred Töpelmann, Gießen 1907</ref>; Wilhelm Troll (1926)<ref>Wilhelm Troll: ''Goethes Morphologische Schriften''. Eugen Diederichs Verlag, Jena 1926</ref> und Agnes Arber (1946)<ref>Agnes Arber: ''Goethe's Botany''. In: Chronica Botanica, Vol. 10, 2. 1946</ref>. Ein Hauptwerk Wilhelm Trolls heißt Vergleichende Morphologie der höheren Pflanzen.<ref>Wilhelm Troll: ''Vergleichende Morphologie der höheren Pflanzen.'' Drei Bände. Otto Koeltz, Koenigstein-Taunus.1937-1943, Reprint 1967.</ref>


Auch in der [[Wikipedia:Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]] ist das Bild bekannt. Hier gilt [[Hypnos]] ({{ELSalt|Ὕπνος}}, „der Schlaf“), ein Sohn der [[Nyx]] ({{ELSalt|Νύξ}} „Nacht“), als Bruder des [[Thanatos]] ({{ELSalt|θάνατος}} „Tod“) und wohnt mit ihm gemeinsam im [[Hades]].
Goethes Einfluss geht über die Morphologie hinaus. Die Genetiker Eliot Meyerowitz<ref>Meyerowitz E.M., Smyth D.R., Bowman J.L.,: ''Abnormal flowers and pattern formation in floral development.'' Development; 106, S. 209-217, 1989</ref> und Enrico Coen<ref>Enrico Coen: ''Goethe and the ABC model of flower development''. In: Acad. Sci. Paris, Life Sciences 324 1-8. 2000</ref> berufen sich in ihren Arbeiten ausdrücklich auf Goethe. Goethe betonte die Wichtigkeit der unregelmäßigen Metamorphose für das Verständnis der regelmäßigen Metamorphose. Die molekulare Genetik hat sich darauf spezialisiert Missbildungen hervor zurufen, sie braucht diese für das Verständnis des intakten Organismus. In ihren Arbeiten weisen die Genetiker mit Verweis auf Goethe die Blattnatur von Staub- und Fruchtblatt nach.<ref>Peer Schilperoord-Jarke: ''Goethes Metamorphose der Pflanzen und die moderne Pflanzengenetik''. In: Peter Heusser(Hg): ''Goethes Beitrag zur Erneuerung der Naturwissenschaften.'' S. 131-170. Bern 2000 ISBN 3-258-06083-5</ref>


== Der Todesschlaf in der Bibel ==
Für den [[Goetheanismus]] hat die Schrift eine zentrale Bedeutung. Goethes Methodik, die Fragestellungen, das Vergleichen bedingen ein innerliches Nachvollziehen der Formverwandlungen. Die innere Beweglichkeit des Vorstellens wird angeregt. Das miterlebende Nachvollziehen ist ein wichtiger methodischer Bestandteil einer [[Goetheanismus|goetheanistischen]] Betrachtung.


Die [[Hebräer|hebräische]] Seelenlehre des [[Wikipedia:Altes Testament|Alten Testaments]] zeichnet ein differenziertes Bild der Seele, das mit der [[Anthroposophie|anthroposophischen]] Anschauung zusammenstimmt, indem sie zwischen [[nephesch]] ({{HeS|נפש}}; [[Empfindungsseele]]), [[ruach]] ({{HeS|רוח}}; [[Verstandesseele]]) und [[neschama]] ({{HeS|שמה‎נ}}; [[Bewusstseinsseele]]) unterscheidet. Die niederen Seelenglieder ''nephesch'' und ''ruach'' sind sterblich und lösen sich nach dem Tod auf. ''Neschama'' bezeichnet die [[Bewusstseinsseele]], insbesondere in ihrer Verschmelzung mit dem [[Geistselbst]], wodurch sie des [[Geist]]es teilhaftig wird. Derart ist sie der zwar während der [[irdisch]]en [[Inkarnation]] im [[Leib]] wohnende, aber deswegen doch nicht leibgebundene, [[Unsterblichkeit|unsterbliche]] Teil der Seele. Nach dem, wie sich [[Rudolf Steiner]] ausdrückt, auf dem [[Viertes Konzil von Konstantinopel|Vierten Konzil von Konstantinopel]] ([[869]]) der Geist „abgeschafft“ wurde, ging allmählich auch das Bewusstsein für die unsterbliche Seele verloren.
== Der Versuch war ein Versuch ==
 
Goethe hat sich nicht zufrieden gegeben mit seiner Schrift. Er hat weitere für das Verständnis der Metamorphose wichtige Überlegungen angestellt. Aber auch schon in seiner Schrift gibt es stellen die über eine reine Blattmetamorphose hinausweisen. So fragt er sich wie der Zusammenhang zwischen Augen und Samenbildung ist (92). Einige Beispiele: Goethe spricht von der Trennung der Geschlechter, von organischer Entzweiung, von Polarität, von der generativen Vermehrung als Steigerung der vegetativen, Elemente die in seiner Metamorphose der Pflanzen keinen Eingang mehr gefunden haben.<ref>Peer Schilperoord: ''Metamorphosen im Pflanzenreich. Lesen im Buch der Verwandlungen''. 2011, Freies Geistesleben ISBN 978-3-7725-2391-5</ref>  
Unabhängig davon finden sich in der [[Bibel]] allerdings immer wieder Zeugnisse, die auf den Seelenschlaf der [[Tote]]n zwischen [[Tod]] und [[Auferstehung]] hindeuten. So heißt es etwa im [[Wikipedia:Buch Daniel|Buch Daniel]], wo die [[Apokalypse|apokalyptische]] [[Endzeit]] der Welt beschrieben wird:
 
{{Zitat|1 Zu jener Zeit wird Michael, der große Engelfürst, der für dein Volk eintritt, sich aufmachen. Denn es wird eine Zeit so großer Trübsal sein, wie sie nie gewesen ist, seitdem es Menschen gibt, bis zu jener Zeit. Aber zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen.
2 Und viele, die unter der Erde ''schlafen'' liegen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande.|Daniel|{{BB|Dan|12|1-2|LUT}}}}
 
{{Zitat|19 Aber deine Toten werden leben, deine Leichname werden auferstehen. Wachet auf und rühmet, die ihr liegt unter der Erde! Denn ein Tau der Lichter ist dein Tau, und die Erde wird die Toten herausgeben.|[[Wikipedia:Buch Jesaja|Jesaja]]|{{BB|Jes|26|19|LUT}}}}
 
Zu [[Moses]] spricht der HERR:
 
{{Zitat|16 Und der HERR sprach zu Mose: Siehe, du wirst ''schlafen'' bei deinen Vätern, und dies Volk wird sich erheben und nachlaufen den fremden Göttern des Landes, in das sie kommen, und wird mich verlassen und den Bund brechen, den ich mit ihm geschlossen habe.|[[Wikipedia:5. Buch Mose|5. Buch Mose]]|{{BB|5 Mos|31|16|LUT}}}}
 
Ähnlich spricht der HERR auch zu [[Wikipedia:Samuel (Prophet)|Samuel]]:
 
{{Zitat|12 Wenn nun deine Zeit um ist und du dich zu deinen Vätern ''schlafen'' legst, will ich dir einen Nachkommen erwecken, der von deinem Leibe kommen wird; dem will ich sein Königtum bestätigen.|[[Wikipedia:2. Buch Samuel|2. Buch Samuel]]|{{BB|7|12|LUT}}}}
 
[[Paulus von Tarsus|Paulus]] spricht von den ''Entschlafenen'', die auferstehen werden:
 
{{Zitat|13 Wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht im Ungewissen lassen über die, die entschlafen sind, damit ihr nicht traurig seid wie die andern, die keine Hoffnung haben.
14 Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einherführen.
15 Denn das sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, die wir leben und übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind.
16 Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen.
17 Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit.
18 So tröstet euch mit diesen Worten untereinander.|[[Wikipedia:1. Brief des Paulus an die Thessalonicher|1. Brief des Paulus an die Thessalonicher]]|{{BB|1 Thess|4|13-18}}}}
 
== Tertullian Schrift «Über die Seele» ==
 
Schon [[Tertullian]] (* nach 150; † nach 220) hatte die Lehre vom Seelenschlaf entschieden bekämpft und darauf hingewiesen, dass die Seele schon während des Erdenlebens immer auch schon Erlebnisse habe, die völlig unabhängig vom körperlichen Dasein sind; warum also sollte die Seele im leibfreien Zustand nach dem [[Tod]] bewusstlos, also schlafend sein?
 
{{Zitat|Gut, was soll denn also in jenem Zeitraume geschehen? Werden wir schlafen? Nun schlafen aber die Seelen nicht einmal zu Lebzeiten des Menschen, denn der Schlaf ist nur Sache des Leibes, den allein der Tod angeht, so gut wie sein Abbild, der Schlaf. Oder willst du etwa, dass dort, wohin die ganze Menschheit gezogen, wo jede Hoffnung sicher gestellt wird, Nichtsthun herrsche? Meinst du, damit würde das Gericht vorweggenommen und nicht vielmehr angefangen? übereilt und nicht vielmehr vorbereitet? Wie ungerecht vollends würde in der Unterwelt ein müssiger Zustand sein, wenn dabei dem Schuldigen immer noch ganz gut zu Sinne ist und dem Unschuldigen noch nicht? Warum will man, dass es nach dem Tode noch unklare Hoffnungen, die in ungewisser Erwartung schweben, geben soll, und nicht vielmehr eine prüfende Rückschau über das Leben und die drohende Vorbereitung des Gerichts stattfinde?
 
Aber muss denn die Seele immer auf ihren Körper warten, um zu trauern oder zu frohlocken? Ist sie sich nicht selber genug, um beides zu erleiden? Wie oft wird die Seele gequält, ohne dass der Leib einen Schaden gelitten, von Trübsinn, Zorn und Widerwillen allein, dessen sie sehr oft sich selbst nicht einmal bewusst ist? Wie oft sucht sich dagegen, wenn der Körper geschlagen ist, die Seele eine heimliche Freude und macht sich von der Gemeinschaft mit dem Leibe, die ihr dann ungelegen ist, los? Ich will ein Lügner sein, wenn sie nicht wegen körperlicher Leiden sich sogar zu rühmen und zu freuen pflegt.|[[Tertullian]]|''Über die Seele (De anima)'' [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1909-57.htm 58]}}
 
== Calvins ''Nachtwache der Seele'' 1534 ==
[[Wikipedia:Calvin|Calvin]]s erste Schrift theologischen Inhaltes war ''Psychopannychia'' („Nachtwache der Seele“) (Orléans, 1534), in der er die Lehre vom Seelenschlaf zwischen Tod und [[Jüngstes Gericht|Jüngstem Gericht]] verurteilte.<ref>Peter Opitz ''Leben und Werk Johannes Calvins'' 2009, S. 31: „Calvins erste Schrift theologischen Inhaltes stammt aus dieser nur sehr unzulänglich zu erhellenden Zeit zwischen der Coprede und seinem Gang ins Exil. Ihre Vorrede gibt als Entstehungsort Orléans und als Jahr 1534 an“.</ref><ref>Archiv für Reformationsgeschichte: Beiheft, Literaturbericht: 36 Verein für Reformationsgeschichte, American Society for Reformation Research – 2007 „Hinzu kommt sodann eine französische Fassung von Calvins Psychopannychia, in der er zu der Lehre vom Seelenschlaf zwischen Tod und Jüngstem Gericht Stellung genommen hatte.“</ref> Später folgte eine französische Fassung; ''Psychopannychie – La nuit ou le sommeil de l'âme'' (Genf, 1558)<ref>Jean Henri Merle d'Aubigné. ''Histoire de la réformation en Europe au temps de Calvin''.</ref><ref>Ernst Staehelin ''Johannes Calvin: Leben und ausgewählte Schriften,'' Bd. 1‎ 1863 S. 36</ref>
 
== Streitschriften über den Seelenschlaf Luthers ==
[[Martin Luther]] beschrieb häufig den Tod als eine Art Schlaf.<ref>Luther ''Enarrationes in Genesin'' 1535–1545 „sic anima post mortem intrat suum cubiculum et pacem et dormiens non sentit suum somnum“ ''Exegetica opera Latina'' Bd. 5&6 S. 120, Elsberger 1830.</ref><ref>Hans-Georg Kemper ''Konfessionalismus'' 1987 S. 326 „Der Tod erschien Luther als ein bloßer Schlaf, der Zwischenzustand zwischen Tod und Auferstehung als eine kurze Zeit der »Geborgenheit in Christus«, bis dieser sich »leibhaftig offenbar macht«“ (ebda., S. 99).</ref>
 
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„Der Tod in Christus ist wahrhaft nicht ein Tod, sondern ein feiner, süßer, kurzer Schlaf, wo wir ... einen Augenblick ruhen sollen wie in einem Ruhebettlein, bis die Zeit komme, dass er uns mit allen seinen lieben Kindern zu seiner ewigen Herrlichkeit und Freude auferwecken und rufen wird. Denn weil man den Tod einen Schlaf nennt, so wissen wir, dass wir nicht darin bleiben, sondern wieder aufwachen und leben sollen. Die Zeit, da wir schlafen, kann uns selbst nicht länger scheinen, als wären eben erst jetzt diese Stunde entschlafen. Dann werden wir ... in einem Augenblick aus dem Grab und der Verwesung lebendig, ganz gesund, frisch, mit reinem, hellem, verklärten Leib unserem Herrn und Heiland Christus in den Wolken entgegenkommen.“<ref>Martin Luther in: K. Aland, ''Lutherlexikon'', Berlin 1956, S. 30f</ref>
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Im 18. und 19. Jahrhundert war es umstritten, ob Luther Seelenschlaf gelehrt hatte.<ref>Aurelie Horovitz ''Beiträge zu Lessings Philosophie'' 1907 S. 89 „August 1755 über eine Streitschrift, ob Luther an den Seelenschlaf nach dem Tode geglaubt, sagt Lessing, dass da mit Luthers Ansehen nichts zu gewinnen sei.“</ref><ref>Gotthold Ephraim Lessing ''Sämtliche Schriften: Bd. 7'' Karl Lachmann, Franz Muncker – 1891 „Er führet eine ziemliche Menge Stellen aus Luthers Schriften an, in welchen allen der Seelenschlaf, den Worten nach, ... Sie werden sagen, daß Luther mit dem Worte Schlaf gar die Begriffe nicht verbinde, welche Herr R. damit verbindet.“</ref> Der lutherische Historiker Gottfried Fritschel (1867) meinte, dass diese Lehre in Luthers Werken zu finden sei.<ref> G. Fritschel: Denn dass Luther mit den Worten „anima non sic dormit, sed vigilat et patitur visiones, loquelas Angelorum et Dei“ nicht dasjenige leugnen will, was er an allen andern Stellen seiner Schriften vortragt. ''Luther und offene Fragen'', Zeitschrift für die gesammte lutherische Theologie und Kirche 1867 S. 657 – „Differunt tamen somnus sive quies hujus vitae et futurae. Homon enim in hac vita defatigatus diurno labore, sub noctem intrat in cubiculum suum tanquam in pace, ut ibi dormiat, et ea nocte fruitur quiete, neque quicquam scit de ullo malo sive incendii, sive caedis. Anima autem non sic dormit, sed vigilat, et patitur visiones loquelas Angelorum et Dei. Ideo somnus in futura vita profundior est quam in hac vita et tamen anima coram Deo vivit. Hac similitudine, quam habeo a somno viventia.“</ref><ref>Irmgard Wilhelm-Schaffer ''Gottes Beamter und Spielmann des Teufels - Der Tod in Spätmittelalter'' (1999) "Aufgrund biblischer Aussagen räumt Luther die Existenz einiger weniger Ausnahmen vom Seelenschlaf ein. Es handelt sich dabei um Personen wie Moses und Elias, die Jesus erschienen waren; grundsätzlich kommt der Schlaf als Zwischenzustand ..."</ref>
 
== Der Mortalismus von Milton, Hobbes, Locke und Newton ==
In England bekämpfte [[Wikipedia:Thomas More|Thomas More]] mit denselben Argumenten wie Calvin die Lehre vom Seelenschlaf, <ref>Judaica: 22–24 1965 „Gegen Bacon, Gassendi und Hobbes versichert er immer wieder: Die Seele ist keine tabula rasa (II, 33)17. [...] Die Lehre vom Seelenschlaf bekämpft More mit denselben Argumenten wie Calvin (III, 61–78) durch die These: animam post mortem non dormire. Er bestreitet es energisch, daß die Lehre von der Unsterblichkeit unbiblisch und vom Platonismus in die Kirchenlehre...“</ref> trotzdem war Mortalismus im England der Aufklärung weit verbreitet.<ref>Gerhard Krause, Gerhard Müller ''Theologische Realenzyklopädie:'' Bd. 22 S. 758 1992 „Mortalismus war in England weit verbreitet und Sir Thomas Browne bekannte sich zu dieser Auffassung in Religio Medici als der ersten seiner jugendlichen 20 Häresien. Milton stand keinesfalls allein mit der Auffassung, daß der Mensch aufgrund der Untrennbarkeit von Leib und Seele gänzlich sterblich sei.“</ref> Führende Persönlichkeiten der frühen Aufklärung wie [[Wikipedia:John Milton|Milton]],<ref>Jürgen Klein ''Radikales Denken in England: Neuzeit'' 1984 S. 406: „... selben Atemzug gesagt werden muß, wie eigenwillig Milton der orthodox-protestantischen Theologie gegenübergestanden hat, etwa mit seiner These des Mortalismus.“</ref> [[Wikipedia:John Locke|Locke]],<ref>Nuvo (ed.), John Locke: ''Writings on Religion'’, S. xxxiii (2002)</ref> [[Wikipedia:Thomas Hobbes|Hobbes]] und [[Wikipedia:Isaac Newton|Newton]]<ref>Wood, ''Science and dissent in England, 1688–1945'', S. 50 (2004)</ref> lehnten die [[Unsterblichkeit]] der [[Seele]] ab.<ref>Bryan W. Ball ''The Soul Sleepers: Christian Mortalism from Wycliffe to Priestley'', Lutterworth 2008</ref><ref>Norman T. Burns ''Christian Mortalism from Tyndale to Milton'', Harvard University Press 1972</ref><ref>Philip C. Almond ''Heaven and Hell in Enlightenment England'', Cambridge University Press 2009</ref>
 
== Theologischer Hintergrund ==
 
Die Annahme des Seelenschlafes richtet sich vor allem gegen die Vorstellung einer leiblosen [[Unsterblichkeit der Seele|unsterblichen Seele]], die nach Ansicht vieler [[Theologe]]n ein [[heidnisch]]-[[Platonismus|platonisches]] Konzept sei, dass dem christlichen [[Glaube]]n an die [[Auferstehung der Toten]] widerspräche. Tatsächlich wird die [[Unsterblichkeit der Seele]] in der [[Bibel]] nirgends ausdrücklich und unmissverständlich erwähnt. [[Wikipedia:Karl Barth|Karl Barth]] bring diese Anschauung auf den Punkt, wenn er sagt:
 
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„Was bedeutet die christliche Hoffnung in diesem Leben? Ein Leben nach dem Tode? ... Ein Seelchen, das wie ein Schmetterling über dem Grab davonflattert und noch irgendwo aufbewahrt wird, um unsterblich weiterzuleben? So haben sich die Heiden das Leben nach dem Tode vorgestellt. Das ist aber nicht die christliche Hoffnung: Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches.<ref>Karl Barth: ''Dogmatik im Grundriss'', Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1947, S. 180</ref>
</div>
 
Ähnlich auch der [[Wikipedia:katholisch|katholisch]] Theologe Klaus Breuning:
 
<div style="margin-left:20px;">
„Bleibt etwa eine unsterbliche Seele, die den Tod des Leibes überdauert? So haben die griechischen Philosophen das Sterben zu erklären und zu rechtfertigen gesucht. Aber wir wissen heute, dass diese Zweiteilung des Menschen in Leib und Seele nicht haltbar ist, dass der Mensch ein unteilbares Ganzes und der Tod etwas Endgültiges ist, das den ganzen Menschen trifft.“<ref>Klaus Breuning: ''Worauf es wirklich ankommt'', Patmos-Verlag, 1978, S. 68</ref>
</div>
 
Vor diesem Hintergrund ist auch die von vielen [[Wikipedia:evangelisch|evangelisch]] Theologen proklamierte [[Ganztodtheorie]] und die u.a. von [[Wikipedia:Gisbert Greshake|Gisbert Greshake]] vertretene unmittelbare [[Auferstehung im Tod]] zu sehen.
 
In dieser Haltung drückt sich allerdings nicht die offizielle Lehrmeinung der [[Wikipedia:Katholische Kirche|katholischen Kirche]] aus, wenn es in einer von Papst [[Wikipedia:Johannes Paul II.|Johannes Paul II.]] gebilligten und von [[Wikipedia:Benedikt XVI.|Joseph Kardinal Ratzinger]] verfassten Darstellung der [[Wikipedia:Kongregation für die Glaubenslehre|Kongregation für die Glaubenslehre]] aus dem Jahr [[Wikipedia:1979|1979]] heißt:
 
{{Zitat|3. Die Kirche hält an der Fortdauer und Subsistenz eines geistigen Elementes nach dem Tode fest, das mit [[Bewußtsein]] und [[Wille]]n ausgestattet ist, so daß das "[[Ich|Ich des Menschen]]" weiterbesteht, wobei es freilich in der Zwischenzeit seiner vollen [[Körper]]lichkeit entbehrt. Um dieses Element zu bezeichnen, verwendet die Kirche den Ausdruck "[[Seele]]", der durch den Gebrauch in der Heiligen Schrift und in der Tradition sich fest eingebürgert hat. Obwohl sie nicht übersieht, daß dieser Ausdruck in der Heiligen Schrift verschiedene Bedeutungen hat, ist sie doch der Auffassung, daß es keinen stichhaltigen Grund dafür gibt, ihn abzulehnen, zumal ja irgendein sprachlicher Ausdruck zur Stütze des Glaubens der Christen einfach notwendig ist.|[[Wikipedia:Kongregation für die Glaubenslehre|Kongregation für die Glaubenslehre]]|[http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_19790517_escatologia_ge.html ''Schreiben zu einigen Fragen der Eschatologie'']. Rom, 17. Mai 1979}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


== Weblinks ==
{{Navigationsleiste Goethe}}
 
* {{Pierer|Seelenschlaf}}
* {{Kirchner|Psychopannychie}}
* [http://www.bibelstudien-institut.de/fileadmin/bibelstudien-institut.de/downloads/Ausarbeitungen/Unsterblichkeit_der_Seele_oder_Auferstehung.pdf Unsterblichkeit der Seele oder Auferstehung?]
 
[[Kategorie:Religion]]
[[Kategorie:Bibel]]
[[Kategorie:Seele]]
[[Kategorie:Tod]]


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Naturwissenschaftliches Werk von Goethe]]
[[Kategorie:Biologisches Werk]]
[[Kategorie:Goethe (Text)]]

Version vom 7. April 2020, 03:02 Uhr

Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären lautet der Titel der von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1790 verfassten botanischen Schrift.[1] Goethe gilt mit seiner Schrift als Mitbegründer der vergleichenden Morphologie.[2] 27 Jahre später veröffentlichte Goethe die Schrift ein zweites Mal als Artikel in der Schriftenreihe Zur Morphologie mit der Überschrift: Die Metamorphose der Pflanzen.[3]

Tulpe, das letzte Stängelblatt und das erste Blütenblatt sind miteinander verwachsen
Japanische Zierkirsche, ein Fruchtblatt ist normal gebildet, das zweite verlaubt
Löwenzahn, die Hochblätter bilden einen doppelten Kelch, das Weiss der Schirmchen ist sichtbar
Löwenzahn, Umstülpung des "Blütenbodens", die Schirmchen haben sich entfaltet

Inhalt der Schrift

Goethe schreibt in seiner Einleitung: "Die geheime Verwandtschaft der verschiedenen Pflanzenteile, als der Blätter des Kelchs, der Krone, der Staubfäden, welche sich nach einander und gleichsam aus einander entwickeln, ist von den Forschern im allgemeinen längst erkannt, ja auch besonders bearbeitet worden und man hat die Wirkung, wodurch ein und dasselbe Organ sich uns mannigfaltig verändert sehen lässt, die Metamorphose der Pflanzen genannt." Goethe unterscheidet drei Arten von Metamorphosen: die regelmäßige, die unregelmäßige oder rückschreitende und die zufällige Metamorphose die von außen, besonders durch Insekten bewirkt wird.

Die Metamorphose der Pflanzen

Inhaltsverzeichnis

• Einleitung
• Von den Samenblättern
• Ausbildung der Stängelblätter von Knoten zu Knoten
• Übergang zum Blütenstande
• Bildung des Kelches
• Bildung der Krone
• Bildung der Staubwerkzeuge
• Nektarien
• Noch einiges von den Staubwerkzeugen
• Bildung des Griffels
• Von den Früchten
• Von den unmittelbaren Hüllen des Samens
• Rückblick und Übergang
• Von den Augen und ihrer Entwicklung
• Bildung der zusammengesetzten Blüten- und Fruchtstände
• Durchgewachsene Rose
• Durchgewachsene Nelke
• Linnés Theorie von der Antizipation
• Wiederholung
zur Inhalt

Der Aufbau der Schrift folgt die Entwicklung der Pflanze vom Keimling über die grünenden bis zur blühenden Pflanze, danach folgen Frucht und Samen. Goethe vergleicht Keimblätter, Stängelblätter, Hochblätter, Kelchblätter, Kronenblätter, Staubblätter und Griffeln im Sinne einer Metamorphosenreihe miteinander und setzt bei den Früchten, Samen und Augen neu an. Es folgen mit der durchgewachsenen Rose und der durchgewachsenen Nelke zwei Beispiele der unregelmäßigen, rückschreitenden Metamorphose. Zum Schluss bespricht Goethe Linnés Darstellung der Metamorphose. Linné ging davon aus, dass die verschiedenen Kreise der Blütenorgane sich durch eine Metamorphose der kreisförmig angeordneten Gewebeschichten des Stängels bilden und nicht durch eine Verwandlung des Laubblattes. Linné stellte sich die Metamorphose, die in der Blütenknospe stattfindet, ähnlich vor wie die Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling in der Schmetterlingspuppe. Im letzten Kapitel XVIII Abschnitt 119 fasst Goethe seine Überlegungen zusammen: "So wie wir nun die verschiedenen Organe der sprossenden und blühenden Pflanze alle aus einem einzigen nämlich dem Blatt, welches sich gewöhnlich an jedem Knoten entwickelt, zu erklären gesucht haben; so haben wir auch diejenigen Früchte, welche ihre Samen fest in sich zu verschliessen Pflegen, aus der Blattgestalt herzuleiten gewagt." Die Schrift behandelt in erster Linie die Metamorphose des Blattes, die Metamorphose des Stängels wird gestreift bei der Bildung der zusammengesetzten Blüten- und Fruchtstände, die Wurzel und ihre Metamorphosen behandelt Goethe nicht.

Bedeutung der Schrift, inhaltlich

Die Morphologie hat seit Goethe große Fortschritte gemacht. Heutzutage ist die Schrift in Bezug auf ihrem Inhalt vor allem von historischem Interesse, dazu ein paar Beispiele. Goethe setzt Staubblatt und Griffel auf der gleichen Bildungsstufe. Das Staubblatt ist, wie wir heute wissen, mit dem Fruchtblatt - Griffel inklusive - zu vergleichen. Goethes Vergleich der Gestalt des Griffels mit der Gestalt des Staubblattes bleibt interessant. Die morphologischen Begriffe sind präziser geworden. Die Entdeckung des Generationenwechsels durch Wilhelm Hofmeister [4] war für Julius Sachs Grund die Gleichstellung von Staubblatt und Stängelblatt abzulehnen.[5] Goethe betrachtete das Staubblatt als ein verwandeltes Stängelblatt. Sachs unterscheidet zusätzlich zu den vegetativen Grundorganen Wurzel, Sprossachse und Blatt noch die generativen Grundorgane Sporangien und Gametangien, diese sind nicht aus dem Blatt ableitbar. Ein weiterer großer Fortschritt war die Unterscheidung zwischen homologen und analogen Strukturen. Ein Beispiel. Der Löwenzahn bildet ein Blütenköpfchen, das aus vielen kleinen Zungenblüten besteht. Der Gesamtgestalt sieht aus wie eine Blüte und, die die Blüte umhüllenden schuppenartigen Blättchen, benehmen sich wie Kelchblätter. Aus dem Vergleich mit anderen Familien weiss man aber das es Hochblätter sind und man die Kelchblätter anderswo suchen muss. Die "eigentlichen" Kelchblätter sieht man erst wenn der Löwenzahn fruchtet. Der Pappus, das Schirmchen ist eine Bildung der "richtigen" Kelchblätter. Die von Goethe mitbegründete vergleichende Methode führte zu der Bildung der Begriffe homolog (Organe mit gleicher Herkunft) und analog (Organe mit gleicher Funktion).

Bedeutung der Schrift, methodisch

Die vergleichende Morphologie hat sich als Methode bewährt. Goethe hat mit seiner Schrift die Morphologie mitgeprägt. Sie wurde mehrmals von Morphologen herausgegeben: Adolph Hansen (1907)[6]; Wilhelm Troll (1926)[7] und Agnes Arber (1946)[8]. Ein Hauptwerk Wilhelm Trolls heißt Vergleichende Morphologie der höheren Pflanzen.[9]

Goethes Einfluss geht über die Morphologie hinaus. Die Genetiker Eliot Meyerowitz[10] und Enrico Coen[11] berufen sich in ihren Arbeiten ausdrücklich auf Goethe. Goethe betonte die Wichtigkeit der unregelmäßigen Metamorphose für das Verständnis der regelmäßigen Metamorphose. Die molekulare Genetik hat sich darauf spezialisiert Missbildungen hervor zurufen, sie braucht diese für das Verständnis des intakten Organismus. In ihren Arbeiten weisen die Genetiker mit Verweis auf Goethe die Blattnatur von Staub- und Fruchtblatt nach.[12]

Für den Goetheanismus hat die Schrift eine zentrale Bedeutung. Goethes Methodik, die Fragestellungen, das Vergleichen bedingen ein innerliches Nachvollziehen der Formverwandlungen. Die innere Beweglichkeit des Vorstellens wird angeregt. Das miterlebende Nachvollziehen ist ein wichtiger methodischer Bestandteil einer goetheanistischen Betrachtung.

Der Versuch war ein Versuch

Goethe hat sich nicht zufrieden gegeben mit seiner Schrift. Er hat weitere für das Verständnis der Metamorphose wichtige Überlegungen angestellt. Aber auch schon in seiner Schrift gibt es stellen die über eine reine Blattmetamorphose hinausweisen. So fragt er sich wie der Zusammenhang zwischen Augen und Samenbildung ist (92). Einige Beispiele: Goethe spricht von der Trennung der Geschlechter, von organischer Entzweiung, von Polarität, von der generativen Vermehrung als Steigerung der vegetativen, Elemente die in seiner Metamorphose der Pflanzen keinen Eingang mehr gefunden haben.[13]

Einzelnachweise

  1. Johann Wolfgang Goethe: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Ettingersche Buchhandlung, Gotha 1790.
  2. Andreas Bresinsky; Strasburger, Eduard. Strasburger Lehrbuch der Botanik. 36 Auflage, 2008 ISBN 978-3-8274-1455-7
  3. Goethe, Johann Wolfgang von; Dorothea Kuhn: Morphologische Hefte. 2. Aufl. H. Böhlaus Nachfolger, Weimar 1994 ISBN: 3-7400-0928-4.
  4. Wilhelm Hofmeister: Vergleichende Untersuchungen der Keimung, Entfaltung und Fruchtbildung höherer Kryptogamen (Moose, Farne, Equisetaceen, Rhizocarpeen und Lycopodiaceen) und der Samenbildung der Confieren.: Leipzig 1851
  5. Julius Sachs: Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. Leipzig 1882
  6. Adolph Hansen: Goethes Metamorphose der Pflanzen. Geschichte einer botanischen Hypothese. Alfred Töpelmann, Gießen 1907
  7. Wilhelm Troll: Goethes Morphologische Schriften. Eugen Diederichs Verlag, Jena 1926
  8. Agnes Arber: Goethe's Botany. In: Chronica Botanica, Vol. 10, 2. 1946
  9. Wilhelm Troll: Vergleichende Morphologie der höheren Pflanzen. Drei Bände. Otto Koeltz, Koenigstein-Taunus.1937-1943, Reprint 1967.
  10. Meyerowitz E.M., Smyth D.R., Bowman J.L.,: Abnormal flowers and pattern formation in floral development. Development; 106, S. 209-217, 1989
  11. Enrico Coen: Goethe and the ABC model of flower development. In: Acad. Sci. Paris, Life Sciences 324 1-8. 2000
  12. Peer Schilperoord-Jarke: Goethes Metamorphose der Pflanzen und die moderne Pflanzengenetik. In: Peter Heusser(Hg): Goethes Beitrag zur Erneuerung der Naturwissenschaften. S. 131-170. Bern 2000 ISBN 3-258-06083-5
  13. Peer Schilperoord: Metamorphosen im Pflanzenreich. Lesen im Buch der Verwandlungen. 2011, Freies Geistesleben ISBN 978-3-7725-2391-5