Ahamkara

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Ahamkara (sanskrt. अहंकार ahaṃkāra, wörtlich: „Ich-Macher“, von ahaṃ „Ich, Ego“ und kāra „machend“, von der Wurzel kṛ „tun“, wovon sich auch „Karma“ ableitet) ist die indisch-theosophische gemeinsame Bezeichnung für das Ich bzw. Ego, das Selbstbewusstsein bzw. die Persönlichkeit und die Ursache der Subjekt-Objekt-Spaltung. Aus hinduistischer Sicht entsteht dadurch die Illusion eines separaten, eigenständigen Seins. Von den drei Gunas, in denen sich die Urmaterie Prakriti entfaltet, ist hier Rajas („Leidenschaft, Rastlosigkeit, Bewegung, Energie“) vorherrschend. Diese Urmaterie oder Urflut ist zugleich die Ursubstanz, aus der sich später unser höchstes Wesensglied, der Geistesmensch (Atma) bilden wird. Nach der Samkhya-Philosophie ging aus der Ursubstanz zuerst Buddhi hervor, dann Ahamkara und schließlich Manas. Heute sind, wie Rudolf Steiner betont, Ahamkara und Manas im Geistselbst zu einer Einheit verbunden. Aus Manas gehen die Kräfte hervor, die die Sinnesorgane bilden, also der Astralleib, und daraus dann die Lebenskräfte, der Ätherleib.

„Der Sankhyaphilosoph spricht von dem Zusammenwirken der einzelnen, von dem Manas herausdifferenzierten Sinneskräfte auf dieser Stufe.

Aus diesen Sinneskräften entsteht wiederum das, was die feineren Elemente sind, aus denen wir uns den menschlichen Ätherleib zusammengesetzt denken. Er ist ein verhältnismäßig spätes Produkt. Wir finden diesen Ätherleib im Menschen.

So müssen wir uns also vorstellen, daß sich gebildet haben im Laufe der Entwickelung: Urflut, Buddhi, Ahamkara, Manas, Sinnessubstanzen, feinere Elemente. In der Außenwelt, dem Reiche der Natur, sind ja auch diese feineren Elemente als Ätherleib oder Lebensleib, bei den Pflanzen zum Beispiel.“ (Lit.:GA 142, S. 39)

„Das Höchste, zu dem wir zunächst aufblicken können und zu dem es die menschliche Seele bringen wird, wird das sein, was wir den Geistesmenschen nennen. Wenn einmal der Mensch als Wesenheit aufgestiegen sein wird zu der Stufe des Geistesmenschen, dann wird er noch immer zu unterscheiden haben das, was in ihm als Seele lebt, von dem, was der Geistesmensch selber ist; so wie wir heute im alltäglichen Leben zu unterscheiden haben zwischen dem, was unser innerster seelischer Kern ist und dem, was einhüllt diesen Kern: dem Astralleib, dem Äther- oder Lebensleib und dem physischen Leib. Und wie wir die letzteren Leiber als Hüllen ansehen und sie unterscheiden von dem eigentlichen Seelischen, das wir ja für den heutigen Menschheitszyklus in dreifacher Weise gliedern, in Empfindungs-, Verstandes- oder Gemüts- und in Bewußtseinsseele, wie wir da unterscheiden das Seelische von dem Hüllensystem, so wird man in der Zukunft zu rechnen haben mit dem eigentlich Seelischen, das dann für die zukünftigen Stufen die gehörige Einteilung haben wird, die unserer Empfindungs-, Verstandes- und Bewußtseinsseele entspricht, und der Hüllennatur, die dann bei jener Stufe des Menschen, die als Geistesmensch in unserer Sprache anzusprechen ist, sein wird. Was aber einmal menschliche Hülle sein wird, worin sich sozusagen der geistig-seelische Kern des Menschen einhüllen wird, der Geistesmensch, das wird für den Menschen zwar erst in Zukunft sozusagen eine Bedeutung haben; aber im großen Weltall ist das, zu dem sich ein Wesen erst hinaufentwickelt, ja immer da. Sozusagen die Substanz des Geistesmenschen, in die wir uns einstmals hüllen werden, sie ist im großen Universum immer da gewesen und ist auch heute vorhanden. Wir können sagen: Andere Wesenheiten haben heute schon Hüllen, die einstmals unseren Geistesmenschen bilden werden. Es ist also im Weltall die Substanz vorhanden, aus der der menschliche Geistesmensch einstmals bestehen wird.

Das, was man ganz im Sinne unserer Lehre sagen kann, das sagte sich schon die alte Sankhyalehre. Und das, was so im Weltall vorhanden ist, noch nicht individuell differenziert, sondern gleichsam wie eine geistige Wasserflut undifferenziert Räume und Zeiten erfüllend, was so vorhanden war und was so vorhanden ist und vorhanden sein wird und woraus alle anderen Gestaltungen herauskommen, das nannte eben die Sankhyaphilosophie die höchste Form der Substanz. Es ist diejenige Form der Substanz, die von Ewigkeit zu Ewigkeit angenommen wird in der Sankhyaphilosophie. Und wie wir etwa sprechen - gedenken Sie dabei jenes Vortragszyklus, den ich einmal in München über die geisteswissenschaftliche Begründung der Schöpfungsgeschichte hielt -, wie wir am Ausgangspunkt der Erdenentwickelung davon sprechen, daß alles noch, was Erdenentwickelung geworden ist, im Geiste vorhanden war als Geisteswesenheit substantiell, so sprach die Sankhyaphilosophie von ihrer Ursubstanz, von ihrer Urflut, könnten wir sagen, aus der alle anderen Formen, die physischen und überphysischen, dann sich herausentwickelt haben. Für den heutigen Menschen kommt ja noch nicht in Betracht diese höchste Form, aber sie wird, wie wir eben auseinandergesetzt haben, einmal in Betracht kommen.

Als die nächste Form, die sich herausentwickelt aus dieser substantiellen Urflut, haben wir das anzusehen, was wir von oben herunter als das zweite Glied des Menschen erkennen, wie wir es nennen, den Lebensgeist, oder wie man es nennen kann mit einem orientalischen Ausdruck, die Buddhi. Wir wissen auch aus unserer Lehre, daß der Mensch erst in der Zukunft diese Buddhi im normalen Leben entwickeln wird. Aber sie ist als geistiges Formprinzip übermenschlich bei anderen Wesenheiten immer vorhanden gewesen, und indem sie vorhanden gewesen ist, ist sie als erste Form herausdifferenziert worden aus der ursprünglichen Urflut. Im Sinne der Sankhyaphilosophie entsteht aus der ersten Form des substantiellen Daseins, des außerseelischen Daseins die Buddhi.

Wenn wir dann die weitere Evolution dieses substantiellen Prinzips ins Auge fassen, so tritt uns als dritte Form entgegen das, was genannt wird im Sinne der Sankhyaphilosophie Ahamkara. Während die Buddhi sozusagen an der Grenze des Differenzierungsprinzips steht, erst andeutet eine gewisse Individualisierung, tritt die Form des Ahamkara schon völlig differenziert auf, so daß, wenn wir von Ahamkara sprechen, wir gleichsam uns vorzustellen haben, daß die Buddhi sich herunterorganisiert zu selbständigen, wesenhaften, substantiellen Formen, die also dann individuell in der Welt existieren. Wir hätten uns gleichsam vorzustellen, wenn wir ein Bild gewinnen wollen von dieser Evolution, eine gleichmäßig verteilte Wassermasse als substantielles Urprinzip, dann aufquellend so, daß sich einzelne, nicht zu vollen Tropfen sich loslösende Formen bilden, Formen, die wie kleine Wasserberge aus der gemeinsamen Substanz auftauchen, die aber mit der Basis in der gemeinsamen Urflut darinnen sind: da hätten wir Buddhi. Und indem diese Wasserberge sich loslösen zu Tropfen, zu selbständigen Kugeln, da haben wir die Form des Ahamkara. Durch eine gewisse Verdichtung dieses Ahamkara, also der schon individualisierten Form, jeder einzelnen Seelenform, entsteht dann das, was als das Manas bezeichnet wird.

Hier müssen wir sagen, daß eine gewisse, vielleicht Unebenheit zu nennende Sache eintritt gegenüber unseren Bezeichnungen. Wir setzen, wenn wir von oben nach unten in der menschlichen Entwikkelung nach unserer Lehre gehen, nach dem Lebensgeist oder Buddhi das Geistselbst. Diese Bezeichnungsweise ist durchaus für den heutigen Menschheitszyklus gerechtfertigt und wir werden noch sehen im Verlaufe der Vorträge, warum sie gerechtfertigt ist. Wir schieben zwischen Buddhi und Manas nicht Ahamkara ein, sondern vereinigen für unsere Begriffe Ahamkara mit Manas und bezeichnen das zusammen als Geistselbst. In jenen alten Zeiten war es durchaus gerechtfertigt, die Trennung vorzunehmen aus einem Grund, den ich heute nur andeuten will, später noch ausführen werde. Es war gerechtfertigt, weil man jene bedeutsame Charakteristik damals nicht geben konnte, die wir heute geben müssen, wenn wir verständlich für unsere heutige Zeit sprechen wollen: die Charakteristik, die auf der einen Seite aus dem Einfluß des luziferischen und auf der anderen Seite aus dem Einfluß des ahrimanischen Prinzips kommt. Diese Charakteristik fehlt durchaus der Sankhyaphilosophie. Und für jene Konstitution, die keine Veranlassung hatte, zu diesen beiden Prinzipien hinzublicken, weil sie ihre Kraft noch nicht verspüren konnte, war es durchaus gerechtfertigt, einzufügen diese differenzierte Form zwischen der Buddhi und dem Manas. Wenn wir also von Manas im Sinne der Sankhyaphilosophie sprechen, dann sprechen wir nicht genau von demselben, von dem man im Sinne Shankaracharyas spricht als Manas. In diesem Sinne kann man durchaus Manas und Geistselbst identifizieren, nicht aber genau im Sinne der Sankhyaphilosophie.“ (S. 31ff)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Die Bhagavad Gita und die Paulusbriefe, GA 142 (1982), ISBN 3-7274-1420-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.