Ophiten

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Die Anbetung der Schlange, Hellenistische Alabasterschale, 22 cm Durchmesser

Die Ophiten oder Ophianer (von griech. ὄφις, Ophis, „Schlange“) und Naassener (von hebr. נָחָשׁ nachasch, „Schlange“) waren gnostische Sekten der frühchristlichen Zeit im 2. Jahrhundert, die in ihren Kulten die Paradiesesschlange als göttliches Wesen verehrten. Sie brachte die göttlichen Erkenntnis (nach 1 Mos 3,5 EU), aber auch die Verderbnis. Den Naassener galt die Schlange als die alles belebende Weltseele. Die Kainiten verehrten sie, weil sie die Menschheit von der Knechtschaft des Schöpfergottes Jahve bzw. Jaldabaoth befreit habe.

Epiphanios von Salamis berichtet über den Schlangenkult in seiner sehr polemischen „Hausapotheke gegen die Schlangenbisse der Häresie“:

„Sie halten nämlich eine natürliche Schlange und ziehen sie in einem Behälter auf, die sie zur Zeit ihrer Mysterien aus dem Schlupfwinkel hervorholen, und während sie Brote auf einem Tisch anhäufen, rufen sie ebendiese Schlange herbei; wenn nun der Schlupfwinkel geöffnet ist, kommt sie hervor. Und wenn so die Schlange vermöge ihrer Weisheit und Klugheit herbeikommt und schon deren Dummheit erkennt, geht sie auf den Tisch und wälzt sich in den Broten. Und dies, sagen sie, sei das vollkommene Opfer. Und dann, wie ich von jemandem gehört habe, brechen sie nicht nur die Brote, in denen sich die Schlange gewälzt hat, und teilen sie an die Kommunizierenden aus, sondern jeder küßt auch die Schlange mit dem Munde, da die Schlange durch einen magischen Beschwörungsgesang zahm gemacht worden ist oder das Tier durch eine andere teuflische Kraft zu ihrer Täuschung milde gemacht worden ist. Sie werfen sich also vor diesem nieder und nennen dies Eucharistie, die das geworden ist durch sie [die Schlange], die sich herumgewälzt hat, und indem sie dann dem oberen Vater durch sie [die Schlange], wie sie sagen, einen Hymnus emporsenden, vollenden sie so ihre Mysterien.“

Epiphanios: Panarion haer. XXVI,4.5[1]

Ophitendiagramm

Das Ophitendiagramm (rekonstruiert von Hans Leisegang 1955)

Das Diagramm der Ophianer ist eine beschriftete schematische Zeichnung, die tiefere Einblicke in die Kosmologie der Ophiten gibt. Die Zeichnung ist allerdings verschollen. Der Platoniker Celsus (griech. Κέλσος Kélsos), der auch die älteste bekannte Streitschrift gegen das Christentum verfasst hat, gab eine Beschreibung des Diagramms, die aber ebenfalls nicht erhalten ist und nur aus der Gegenschrift Contra Celsum des Origenes erschlossen werden kann. Origenes schreibt:

„In diesem Diagramm "waren zehn Kreise gezeichnet, die von einander geschieden, aber durch einen Kreis verbunden waren", der als die Seele aller Dinge bezeichnet und Leviathan genannt wurde. Von diesem Leviathan sagen die jüdischen Schriften mit irgendeiner geheimnisvollen Andeutung, dass er von Gott geschaffen worden sei zu einem "Spielzeug". Denn in den Psalmen fanden wir die Stelle: "Alles hast du in Weisheit geschaffen; die Erde ist erfüllt von deinen Geschöpfen. Dies ist das große und weite Meer; daselbst gehen die Schiffe, da sind kleine und große Tiere, da ist dieser Drache, den du geschaffen hast, um mit ihn zu spielen". Statt drakon steht im Hebräischen Leviathan. Obgleich der Prophet sonach offenbar von dem Leviathan nichts Gutes sagt, so bezeichnete ihn doch das gottlose Diagramm als die Seele, welche alle Dinge durchdringt. Wir fanden darauf auch den Namen des Behemon, gleichsam nach dem untersten Kreise aufgestellt. Diesen Leviathan aber hat der Verfertiger jenes abscheulichen Diagramms auf dem Rand und auf dem Mittelpunkt des Kreises aufgeschrieben, seinen Namen also zweimal angebracht.
Celsus gibt ferner noch an, "das Diagramm sei durch einen schwarzen dicken Strich in zwei Teile geschieden, und dieser Strich heiße dort die Gehenna, die auch Tartaros sei."

Origenes: Contra Celsum VI, 25 [1]

Als Ouroborosschlange (von griech. οὐροβóρος „Schwanzfresser“) umwindet Leviathan das niedere Reich der sieben Planetensphären, die von sieben Dämonen beherrscht werden. Ähnlich wird im kabalistischen Sefer Jetzira die Himmelsschlange Teli (hebr. תלי, geringelt ?) beschrieben. Leviathan ist zugleich der Herr und König der geschaffenen Welt und die Weltseele, die alle Dinge durchdringt.

„Im folgenden nimmt dann Celsus wieder die Lehre von "den sieben herrschenden Dämonen" auf, die nirgends von den Christen genannt, sondern wie ich glaube, von den Ophianern angenommen werden. In der Tat haben wir auf dem Diagramm, das wir uns ihretwegen verschafften, dieselbe Ordnung beobachtet gefunden, welche Celsus angegeben hat. Celsus sagt nun, "der erste sei nach dem Aussehen eines Löwen gestaltet," ohne anzugeben, wie ihn diese wahrhaft gottlosen Leute benennen. Wir aber fanden, dass der in den heiligen Schriften gepriesene Engel des Schöpfers in jenem abscheulichen Diagramm als Michael der Löwengestaltige bezeichnet wurde. "Der zweite in der Reihe ist" nach des Celsus Angabe, "ein Stier" das Diagramm, das uns vorlag, bezeichnete den Suriel, den stierähnlichen. "Der dritte ist" nach der Versicherung des Celsus, "ein gewisses Doppelwesen, das schauerlich zischt". Das Diagramm aber sagte vom dritten, er sei Raphael, der drachenartige. "Der vierte hat" nach der Behauptung des Celsus, "die Gestalt eines Adlers"; das Diagramm aber sprach von Gabriel, dem adlerähnlichen. "Der fünfte", sagt dann Celsus, "hat das Gesicht eines Bären", das Diagramm aber nannte den Thauthabaoth, den bärenartigen. Dann sagt Celsus, "vom, sechsten würde berichtet, dass er bei jenen das Gesicht eines Hundes habe"; das Diagramm dagegen behauptete, er sei Erathaoth. "Von dem siebenten" gibt dann Celsus an, dass er "das Gesicht eines Esels habe und Thaphabaoth oder Onoel genannt werde"; wir haben in dem Diagramm gefunden, dass dieser Onoel oder Thartharaoth genannt wird und wie ein Esel gestaltet ist.“

Origenes: Contra Celsum VI, 30 [2]

Nach der Rekonstruktion von Hans Leisegang ist der äußerster Kreis das Reich des Vaters. Wie der darunter sich anschließende Kreis des Sohnes besteht er aus reinem Geist (Pneuma). Diese beiden Kreise werden durch einen kleinen Kreis verbunden, der die göttliche Liebe (Agape) darstellt.

Anschließend an die beiden äußeren Kreise folgen nun zwei weitere, seelisch-geistige Kreise: der gelbe Kreis des göttlichen Lichts und der blaue Kreis der Finsternis, der als Himmelsgewölbe jenseits der Fixsternsphäre liegt und mit der in der Bibel genannten «Feste» (1 Mos 1,6 LUT) identisch sein dürfte. Der gelbe und der blaue Kreis sind wieder durch einen kleinen Kreis verbunden, der das Reich der «Sophia» repräsentiert. Von hier entspringen die Keime des „Lebens“, d.h. die „lebendige Seele“ des Menschen. In den Sophia-Kreis ist in der Zeichnung Leisegangs noch eine Raute mit zwei kleinen, einander überschneidenden Kreisen eingeschrieben (siehe Zeichnung). In horizontaler Richtung liest man die Worte «Vorsehung der Sophia», vertikal steht «Natur der Sophia». Im oberen Kreis steht «Gnosis» (Erkenntnis), im unteren «Synesis» (Einsicht).

An das blaue Himmelsgewölbe schließt sich innen der Tierkreis an. Hier ist auch das Paradies (in der Zeichnung als Rechteck dargestellt) mit dem Baum der Erkenntnis und dem Baum des Lebens angesiedelt. Das «flammende, sich drehende Schwert» scheidet das Paradies von der Fixsternsphäre.

Dann folgt, wie schon erwähnt, Leviathan, der als Himmelsschlange die böse Welt der Planetensphären umschließt und die höhere und die nieder Welt voneinander trennt - und zugleich verbindet. Im Zentrum steht die Erde, deren unterer Teil der Tartaros, die Unterwelt, ist. Umgeben ist die Erde von einem Luftkreis, der bis an die Mondensphäre heranreicht. Hier, im Reich der niederen Begierden, vergkleichbar dem Kamaloka, herrscht Behemoth.

Anmerkungen

  1. Epiphanios: Panarion haer. XXVI,4.5; übers. nach H. Leisegang: Gnosis (1985), S.190-192

Literatur

  1. Hans Jonas: Gnosis uns spätantiker Geist I, Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1934, 1964, 1988 ISBN 978-3525531235
  2. Hans Leisegang: Die Gnosis. A. Kröner, Leipzig 1924. 2. Auflage 1936. 5. Auflage, Kröner, Stuttgart 1985. ISBN 3-520-03205-8
  3. Kurt Rudolph: Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005 ISBN 3-525-52110-3