Qualia und Kategorie:Anthroposophische Medizin: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Spectrum.2400.1800.S.G.png|thumb|upright=1.5|Farben sind ein klassisches Problem der Qualiadebatte: Wie kommt es, dass bei der Verarbeitung von bestimmten Lichtwellen Farberlebnisse entstehen?]]
{{Gesundheitshinweis}}
[[Datei:Big-eared-townsend-fledermaus.jpg|thumb|upright=1.5|''Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?'' Mit dieser Frage regte der Philosoph [[Thomas Nagel (Philosoph)|Thomas Nagel]] die Debatte um die Qualia neu an.]]
[[Kategorie:Anthroposophische Naturwissenschaft|Nedizin]]
[[Bild:Goethes Farbenkreis.jpg|thumb|upright=1.5|[[Farbkreis]], Zeichnung von [[Johann Wolfgang von Goethe]].]]
[[Kategorie:Anthroposophische Wissenschaft|Medizin]]
Als '''Qualia''' (von [[Latein|lat.]] ''qualis'' „wie beschaffen“) oder ''„Wieheiten“''<ref>Walach, S. 340</ref> werden die zunächst [[subjektiv]] erscheinenden [[Erlebnis]]inhalte des '''phänomenalen Bewusstseins''' bezeichnet. Zu den [[Phänomen|phänomenalen]] '''Bewusstseinsinhalten''' zählen die erlebten [[Sinnesqualitäten]], die auf die Außenwelt verweisen, aber auch rein auf die Innenwelt bezogene Erlebnisse wie [[Gefühl]]e, [[Gedanke]]n, [[Schmerz]]en usw. Jede [[Sinnesmodalität]] - wie etwa [[Sehen]], [[Hören]], [[Riechen]], [[Schmecken]] oder Berührungen [[Tastsinn|Fühlen]] - verfügt über ein breiteres oder engeres Spektrum typischer Qualia, die sich von denen aller anderen Sinnesmodalitäten vollkommen unterscheiden. Träger des '''phänomenalen Erlebens''' ist aus [[Anthroposophie|anthroposophischer]] Sicht der [[Astralleib]].<ref>Anna-Katharina Dehmelt: ''»Alles in der Welt ist bewusst« Anthroposophische Meditation als Weg zur Erforschung des Bewusstseins'', in: [[die Drei]] 4/2015, S. 10 [https://www.academia.edu/13056318/Anna-Katharina_Dehmelt_Alles_in_der_Welt_ist_bewusst_Anthroposophische_Meditation_als_Weg_zur_Erforschung_des_Bewusstseins academia.edu]</ref>
[[Kategorie:Integrative Medizin|B]]
 
[[Kategorie:Alternativmedizin]]
== Das ungelöste Rätsel der Qualia ==
[[Kategorie:Anthroposophie]]
Der Begriff der "Qualia" wurde [[1866]] von dem amerikanischen [[Philosoph]]en [[Charles S. Peirce|Charles S. Peirce]]<ref>[[Charles S. Peirce|Charles S. Peirce]]: ''Collected Papers''. Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge [1866] 1958-1966 (Nachdr.), § 223.</ref> geprägt, aber erst [[1929]] durch [[Clarence Irving Lewis]] in dem Buch ''Mind and the World Order'' im heute gebräuchlichen Sinn verwendet.
[[Kategorie:Medizin]]
 
{{Zitat|Es ''gibt'' erkennbare qualitative Merkmale des Gegebenen, die in verschiedenen Erfahrungen wiederholt werden können und somit eine Art Universalien sind; ich nennen diese "Qualia". Aber obwohl solche Qualitäten Universalien sind, im Sinne der Wiedererkennbarkeit von einer Erfahrung zur anderen, müssen sie von den Eigenschaften von Objekten unterschieden werden. Die Verwechslung dieser beiden ist charakteristisch für viele historische Konzeptionen, sowie von aktuellen Essenztheorien. Das Quale ist direkt intuitiv, gegeben, und ist nicht Gegenstand eines möglichen Irrtums, weil es rein subjektiv ist. Die Eigenschaft eines Objekts ist objektiv; die Zuschreibung ist ein Urteil, das falsch sein kann; und was die Aussage behauptet, ist etwas, das über das hinausgeht, was in einer einzigen Erfahrung gegeben werden kann.|Clarence Irving Lewis|''Mind and the World Order'', S. 121|ref=<ref>„There are recognizable qualitative characters of the given, which may be repeated in different experiences, and are thus a sort of universals; I call these "qualia." But although such qualia are universals, in the sense of being recognized from one to another experience, they must be distinguished from the properties of objects. Confusion of these two is characteristic of many historical conceptions, as well as of current essence-theories. The quale is directly intuited, given, and is not the subject of any possible error because it is purely subjective. The property of an object is objective; the ascription of it is a judgment which may be mistaken; and what the predication of it asserts is something which transcends what could be given in any single experience.“<br />[[Clarence Irving Lewis]]: ''Mind and the World Order. Outline of a Theory of Knowledge.'' Charles Scribner's sons, New York 1929, Dover, New York 1991 (Nachdr.), ISBN 0-486-26564-1 [https://archive.org/details/MindAndTheWorldOrderOutlineOfATheoryOfKnowledgeClarenceIrvingLewis/page/n129 archive.org]</ref>}}
 
Das Problem der Qualia steht im Zentrum der modernen [[Philosophie des Geistes]], die sich damit an eine [[Erkenntnis]]grenze gestellt sieht und vielfach davon ausgeht, dass dieses Problem grundsätzlich nicht mit den Mitteln der [[Neurowissenschaften|Neuro-]] und [[Kognitionswissenschaft]]en gelöst werden kann. Tatsächlich muss für eine rein [[materialistisch]]e Weltsicht das Phänomen der Qualia rätselhaft bleiben. 1868 schrieb der [[Physik]]er [[Wikipedia:John Tyndall|John Tyndall]] (1820-1893):
 
{{Zitat|Aber der Übergang vom physikalischen Gehirn zu den
entsprechenden Tatsachen des Bewusstseins ist als Resultat
mechanischer Vorgänge nicht vorstellbar. Angenommen, ein
bestimmter Gedanke und ein bestimmter molekularer Vorgang
im Gehirn treten gleichzeitig auf, so besitzen wir doch nicht das
intellektuelle Organ, ja nicht einmal ein Bruchstück eines
solchen Organs, das uns ermöglichen würde, durch Überlegung
von dem einen Phänomen zum anderen zu gelangen. Sie treten
zusammen auf, aber wir wissen nicht, warum. Wäre unser
Geist, wären unsere Sinne so ausgedehnt, stark und erleuchtet,
dass wir die einzelnen Moleküle des Gehirns sehen und spüren
könnten, wären wir fähig, all ihren Bewegungen,
Gruppierungen und elektrischen Entladungen zu folgen, so es
diese denn gibt, und wären wir intensiv vertraut mit den
entsprechenden Zuständen des Denkens und Fühlens, wären wir
doch so weit wie immer davon entfernt, das Problem „Wie sind
diese physikalischen Vorgänge mit den Tatsachen des
Bewusstseins verknüpft?“ zu lösen. Die Kluft zwischen den
beiden Klassen von Phänomenen bliebe intellektuell dennoch
unüberwindbar. Nehmen wir beispielsweise an, das
Bewusstsein für Liebe sei mit einer rechtsdrehenden
Spiralbewegung der Moleküle des Gehirns verknüpft, und das
Bewusstsein für Hass mit einer linksdrehenden
Spiralbewegung. Wir müssten dann wissen, dass die Bewegung
in eine Richtung verläuft, wenn wir lieben, und in die andere,
wenn wir hassen. Das „WARUM?“ aber wäre so wenig zu
beantworten als zuvor.|John Tyndall|''Fragments of Science'', S. 94f|ref=<ref>„But the passage from
the physics of the brain to the corresponding facts of
consciousness is inconceivable as a result of mechanics.
Granted that a definite thought, and a definite molecular
action in the brain, occur simultaneously; we do not possess
the intellectual organ, nor apparently any rudiment
of the organ, which would enable us to pass, by a
process of reasoning, from the one to the other. They
appear together, but we do not know why. Were our
minds and senses so expanded, strengthened, and illuminated,
as to enable us to see and feel the very molecules
of the brain; were we capable of following all their motions,
all their groupings, all their electric discharges, if
such there be; and were we intimately acquainted with
the corresponding states of thought and feeling, we
should be as far as ever from the solution of the problem,
''How are these physical processes connected with
the facts of consciousness?" The chasm between the
two classes of phenomena would still remain intellectually
impassable. Let the consciousness of love, for example,
be associated with a right-handed spiral motion of
the molecules of the brain, and the consciousness of hate
with a left-handed spiral motion. We should then know,
when we love, that the motion is in one direction, and,
when we hate, that the motion is in the other; but the
"WHY?" would remain as unanswerable as before.“<br />John Tyndall: ''Scientific Materialism'' (1868), in: ''Fragments of Science'', Band 2, 1902, pp. 94-95 [https://archive.org/stream/fragmentsofscien02tynd#page/94 archive.org]</ref>}}
 
Auf diese Problematik wies auch [[1872]] der [[Physiologie|Physiologe]] [[Emil Heinrich Du Bois-Reymond]] in seiner berühmten [[Ignoramus et ignorabimus|Ignorabimus-Rede]] hin:
 
{{Zitat|Welche denkbare Verbindung besteht zwischen bestimmten Bewegungen bestimmter Atome in meinem Gehirn einerseits, andererseits den für mich ursprünglichen, nicht weiter definierbaren, nicht wegzuleugnenden Tatsachen: "Ich fühle Schmerz, ruhte Lust; ich schmecke Süßes, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Rot," und der ebenso unmittelbar daraus fließenden Gewißheit: "Also bin ich"? Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, daß es einer Anzahl von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- usw. Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen, wie aus ihrem Zusammensein Bewußtsein entstehen könne.|Emil Du Bois-Reymond|''Über die Grenzen des Naturerkennens'', S 458}}
 
Die Welt [[an sich]], so meint man, sei finster, stumm, geruch- und geschmacklos und weder warm noch kalt, wirklich sei nur, was nach Maß und Zahl zu fassen ist. So schreibt etwa der [[Neurowissenschaftler]] [[David Eagleman]]:
 
{{LZ|Aber wie sieht die Welt da draußen wirklich aus? Sie ist nicht nur farblos,
sondern auch stumm: Der Druck und die Ausdehnung der Luft wird von den
Ohren registriert und in elektrische Signale verwandelt. Das Gehirn stellt uns
diese Signale als liebliche Klänge, Rascheln, Klappern und Klirren dar. Die
Wirklichkeit ist außerdem geruchlos: Außerhalb unseres Gehirns gibt es
keine Gerüche. Es gibt nur Moleküle, die durch die Luft schweben, sich mit
Rezeptoren in unserer Nase verbinden und von unserem Gehirn als
unterschiedliche Gerüche interpretiert werden. Die wirkliche Welt ist nicht
voller sinnlicher Ereignisse; es ist unser Gehirn, das die Welt mit seiner
eigenen Sinnlichkeit auflädt.|Eagleman, S. 79}}
 
Zu derartigen Vorstellungen bemerkt [[Rudolf Steiner]]:
 
{{GZ|Die moderne Naturwissenschaft versetzt ein
unwirkliches Abstraktum, ein aller Empfindungsqualitäten
entkleidetes, schwingendes Substrat in den Raum und wundert
sich, dass nicht begriffen werden kann, was den vorstellenden
mit Nervenapparaten und Gehirn ausgestatteten Organismus
veranlassen kann, diese gleichgültigen Bewegungsvorgänge in
die bunte, von Wärmegraden und Tönen durchsetzte
Sinnenwelt zu übersetzen. Du Bois-Reymond nimmt deshalb an,
dass der Mensch wegen einer unüberschreitbaren Grenze seines
Erkennens nie verstehen werde, wie die Tatsache: «ich
schmecke Süßes, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Rot»,
zusammenhängt mit bestimmten Bewegungen kleinster
Körperteile im Gehirn, welche Bewegungen wieder veranlasst
werden durch die Schwingungen der geschmack-, geruch-, tonund
farbenlosen Elemente der äußeren Körperwelt. «Es ist eben
durchaus und für immer unbegreiflich, dass es einer Anzahl von
Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- usw. Atomen
nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen,
wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich
bewegen werden.» («Grenzen des Naturerkennens», Leipzig
1882, 5.33 f) Es liegt aber hier durchaus keine Erkenntnisgrenze
vor. Wo im Raume eine Anzahl von Atomen in einer
bestimmten Bewegung ist, da ist notwendig
auch eine bestimmte Qualität (z.B. Rot) vorhanden. Und
umgekehrt, wo Rot auftritt, da muss die Bewegung vorhanden
sein. Nur das abstrahierende Denken kann das eine von dem
andern trennen. Wer die Bewegung von dem übrigen Inhalte
des Vorganges, zu dem die Bewegung gehört, in der
Wirklichkeit abgetrennt denkt, der kann den Übergang von
dem einen zu dem andern nicht wieder finden.
 
Nur was an einem Vorgang Bewegung ist, kann wieder
von Bewegung abgeleitet werden; was dem Qualitativen der
Farben- und Lichtwelt angehört, kann auch nur auf ein
ebensolches Qualitatives innerhalb desselben Gebietes
zurückgeführt werden. Die Mechanik führt zusammengesetzte
Bewegungen auf einfache zurück, die unmittelbar begreiflich
sind. Die Farbentheorie muss komplizierte
Farbenerscheinungen auf einfache zurückführen, die in gleicher
Weise durchschaut werden können.|6|173f|162}}
 
Der Philosoph [[Thomas Nagel (Philosoph)|Thomas Nagel]] trat mit seinem 1974 veröffentlichten Aufsatz ''"What is it like to be a bat?"''<ref>[[Thomas Nagel (Philosoph)|Thomas Nagel]]: ''[http://web.archive.org/web/20071024145103/http://members.aol.com/NeoNoetics/Nagel_Bat.html What is it like to be a bat?]'' In: ''The Philosophical Review.'' Cornell University, Ithaca 83/1974, S.&nbsp;435–450. {{ISSN|0031-8108}}</ref> (''Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?'') allen [[reduktionistisch]]en Bestrebungen zur Erklärung der Qualia energisch entgegen. Die [[Naturwissenschaft]] sei [[Methode|methodisch]] auf die [[objektiv]]e ''Außenperspektive'' festgelegt und könne daher das [[subjektiv]]e Erleben niemals erfassen. So mögen wir etwa noch so genau die [[Prozess]]e studieren, die im [[Gehirn]] einer [[Wikipedia:Fledermmäuse|Fledermaus]] ablaufen, wenn sie sich im [[Raum]] mit HIlfe der [[Wikipedia:Echoortung (Tiere)|Echolotung]] orientiert. Wie es sich aber im subjektiven Erleben der Fledermaus ''anfühlt'', ein Objekt auf diese Weise wahrzunehmen, werden wir dadurch niemals erfahren.
 
{{GZ|Es war ja so, daß einzelne Persönlichkeiten, die noch Traditionen
aus älteren Anschauungen über die Außenwelt hatten, damit rangen,
sich Vorstellungen zu machen, welche wirklichkeitsgemäßer waren als
diejenigen, welche, ich möchte sagen, als die offiziellen im Laufe des
naturwissenschaftlichen Zeitalters allmählich heraufkamen. So zum
Beispiel, außer ''[[Paracelsus]]'', auch ''[[Johan Baptista van Helmont|van Helmont]]'', der sich durchaus bewußt
war, daß, wenn Farbe, Ton usw. erlebt werden, das Geistige
des Menschen in Tätigkeit ist. Aber weil dieses Geistige im Wachzustande
nur mit Hilfe des physischen Leibes sich betätigt, erzeugt es
in sich bloß ein Bild von dem, was als Wesen in Ton, Farbe und so weiter
enthalten ist, und so kommt man dann zu einer unzutreffenden
Beschreibung der äußeren Wirklichkeit, nämlich zu der reinen mathematisch-
mechanischen Bewegungsform, Bewegungsgestaltung für
dasjenige, was als sekundäre Qualitäten im Menscheninneren erlebt
werden soll. Während es in Wahrheit seiner Realität, seiner Wirklichkeit
gemäß allein außerhalb des Menschenleibes erlebt werden kann.
Man muß zu dem Menschen nicht sagen: Wenn du das wahre Wesen
zum Beispiel des Tones erkennen willst, so mußt du physikalische
Experimente machen über dasjenige, was sich, wenn du einen Ton
hörst, innerlich in der Luft sich abspielt, die den Ton zu dir bringt,
sondern dann mußt du dem Menschen sagen: Wenn du das wahre
Wesen des Tones kennenlernen willst, so mußt du dir eine Vorstellung
davon bilden, wie du eigentlich den Ton außer deinem physischen
und ätherischen Leibe erlebst. Das sind aber Gedanken, welche von
den Menschen des naturwissenschaftlichen Zeitalters eben nicht gedacht
wurden, weil diese Menschen eben nicht auf die vollständige
Menschennatur eingehen wollten, weil sie keine Neigung entwickelten,
die wahre Wesenheit des Menschen kennenzulernen. Und so fanden
sie eben in der ihnen unbekannten Menschennatur nicht die Mathematik
oder auch die primären Qualitäten; und so fanden sie in der
Außenwelt - weil sie nicht wußten, daß der Mensch ja der Außenwelt
auch angehört - nicht die sekundären Qualitäten.
 
Ich sage nicht, daß man hellsichtig sein müsse, um in diesen Dingen
die richtige Einsicht zu bekommen, sondern ich muß betonen, daß
zwar die hellsichtige Weltenerklärung tiefere intensive Erkenntnisse
gerade auch auf diesem Gebiete geben kann, daß aber eine gesunde
Selbstschau durchaus dahin führt, das Mathematische, die primären
Qualitäten, das Mathematisch-Mechanische auch in das Innere des
Menschen zu verlegen, die sekundären Qualitäten auch in die Außenwelt
des Menschen zu verlegen. Man kannte die Menschennatur nicht
mehr. Man wußte nicht in Wirklichkeit, wie die Körperlichkeit des
Menschen erfüllt ist von der Geistigkeit, wie die Geistigkeit, indem sie
wachend im Menschen ist, sich vergessen muß, sich ganz hingeben muß
dem Körper, damit sie das Mathematische begreift. Und man wußte auch
nicht das andere, daß die Geistigkeit sich ganz in sich zusammenfassen
muß und unabhängig vom Körper, das heißt außerhalb des Körpers,
leben muß, um zu den sekundären Qualitäten zu kommen. Über alle
diese Dinge, sage ich, kann die hellseherische Anschauung intensivere
Einsichten geben, aber sie ist nicht nötig. Eine Selbstschau, eine wirkliche,
gesunde Selbstschau kann fühlen, in richtigem Gefühl erkennen,
daß Mathematik auch etwas innerlich Menschliches ist, Ton,
Farbe usw. auch etwas Äußerliches sind.
 
Ich habe das, was einfach ein gesundes Empfinden, das aber zu
wirklichen Erkenntnissen führt, nach dieser Richtung haben kann, in
den achtziger Jahren in meinen Einleitungen zu «Goethes Naturwissenschaftlichen
Schriften» dargestellt. Da ist auf keine hellseherische
Erkenntnis Rücksicht genommen, aber es ist gezeigt, inwieweit der
Mensch ohne hellseherische Erkenntnis zur Anerkennung der Realität
von Farbe, Ton usw. kommen kann. Dies hat man noch nicht verstanden.
Das naturwissenschaftliche Zeitalter ist in der Lockeschen
Denkungsweise noch zu sehr befangen. Dies konnte man nicht verstehen,
konnte es auch nicht verstehen, als ich es, ich möchte sagen,
philosophisch geschürzt, 1911 deutlich ausführte am [[Bologna-Vortrag|Philosophischen Kongreß in Bologna]]. Da versuchte ich zu zeigen, wie das Geistig-Seelische
des Menschen beim Wachzustande zwar im physischen und
Ätherleib ist, aber seiner Qualität nach, gewissermaßen indem es den
physischen und Ätherleib erfüllt, doch innerlich selbständig bleibt.
Fühlt man diese innerliche Selbständigkeit des Geistig-Seelischen des
Menschen, dann hat man auch eine Nachempfindung von dem, was
das Geistig-Seelische im Schlafen von den Realitäten des Grünen und
Gelben, des G und Cis, des Warmen und Kalten, des Sauren und
Süßen usw. erlebt hat. Aber eben auf eine wirkliche Menschenerkenntnis
wollte zunächst das naturwissenschaftliche Zeitalter nicht eingehen.|326|90ff}}
 
=== Qualia-Rätsel - nur ein Scheinproblem? ===
Eine Argumentation in der heutigen Qualia-Diskussion im Rahmen der Philosophie des Geistes ist, daß das Qualia-Problem ein künstlich erzeugtes [[Pseudo-Problem]] der Philosophie sei, dem nichts Reales entspreche. Ein Vertreter der Nichtexistenz des Qualiaproblems ist [[Daniel Dennett]]. Eine Schiene dieser Argumentation sieht die Quelle des angeblichen Qualia-Problems in dem cartesianischen Dualismus, der unbefragt vorausgesetzt werde. Als Alternative zu dem [[Descartes|cartesischen Dualismus]] werden die Ansichten [[Wittgenstein]]s ins Feld geführt, der die Innen-Aussen-Differenz des Bewußtseins verneint habe.
 
Schon in seinen erkenntnistheoretischen Grundlagenwerken, namentlich in seiner «[[GA 4|Philosophie der Freiheit]]», hat [[Rudolf Steiner]] nachdrücklich betont, dass der [[Dualismus]] in unserer spezifisch menschlichen Organisation begründet ist, der die an sich einheitliche Welt in zwei unwirkliche Hälften auseinanderreisst. Die daraus resultierende [[Subjekt-Objekt-Spaltung]] ermöglich uns das [[Ich-Bewusstsein]]. Wir empfinden uns dadurch als abgesonderte [[Persönlichkeit]] der [[Welt]] gegenübergestellt. Beide - Persönlichkeit und Welt - sind dabei aber nur unwirkliche Spiegelbilder. Erst im [[Erkenntnisakt]], in dem [[Wahrnehmung]] und [[Begriff]] wieder zu einer [[Ganzheit]] vereinigt werden, schließt sich diese Kluft, wodurch die [[Wirklichkeit]] bewusst ergriffen werden kann. Wir haben es also mit einem rein [[Epistemologie|epistemolisch]] bedingten Dualismus zu tun, dem in Wirklichkeit ein [[Ontologie|ontologischer]] [[Monismus]] zugrunde liegt. Ein Monismus allerdings, der von Steiner - im Gegensatz zu Dennett - nicht im einseitig [[Materialismus|materialistischen]] Sinn verstanden wird, sondern der in der [[Materie]] letztlich auch nur eine [[Metamorphose]] des [[Geist]]igen sieht. So wie, vergleichsweise gesprochen, [[Wasserdampf]], [[flüssiges Wasser]] und [[Eis]] nur verschiedene Erscheinungsformen derselben [[Substanz]], nämlich des [[Wasser]]s, sind. Diese Substanz, die allen [[sinnlich]] fassbaren oder physikalisch [[messbar]]en Erscheinungsformen des Wasser gemeinsam ist und sie gesetzmäßig miteinander verbindet, ist aber ''nicht'' sinnenfälliger, sondern ideeller bzw. geistiger Natur und nur dem [[Denken]] bzw. der [[Geistige Wahrnehmung|geistigen Wahrehmung]] zugänglich.
 
{{GZ|Für den naiven Realismus ist die wirkliche Welt eine
Summe von Wahrnehmungsobjekten; für den metaphysischen
Realismus kommt außer den Wahrnehmungen auch
noch den unwahrnehmbaren Kräften Realität zu; der Monismus
setzt an die Stelle von Kräften die ideellen Zusammenhänge,
die er durch sein Denken gewinnt. Solche Zusammenhänge
aber sind die ''[[Naturgesetz]]e''. Ein Naturgesetz ist ja
nichts anderes als der begriffliche Ausdruck für den Zusammenhang
gewisser Wahrnehmungen.
 
Der Monismus kommt gar nicht in die Lage, außer Wahrnehmung
und Begriff nach anderen Erklärungsprinzipien
der Wirklichkeit zu fragen. Er weiß, daß sich im ganzen Bereiche der Wirklichkeit ''kein Anlaß'' dazu findet. Er sieht in
der Wahrnehmungswelt, wie sie unmittelbar dem Wahrnehmen
vorliegt, ein halbes Wirkliches; in der Vereinigung
derselben mit der Begriffswelt findet er die volle Wirklichkeit.
Der metaphysische Realist kann dem Anhänger des
Monismus einwenden: Es mag sein, daß für deine Organisation
deine Erkenntnis in sich vollkommen ist, daß kein
Glied fehlt; du weißt aber nicht, wie sich die Welt in einer
Intelligenz abspiegelt, die anders organisiert ist als die deinige.
Die Antwort des Monismus wird sein: Wenn es andere
Intelligenzen gibt als die menschlichen, wenn ihre Wahrnehmungen
eine andere Gestalt haben als die unsrigen, so hat
für mich Bedeutung nur dasjenige, was von ihnen zu mir
durch Wahrnehmen und Begriff gelangt. Ich bin durch mein
Wahrnehmen, und zwar durch dieses spezifische menschliche
Wahrnehmen als Subjekt dem Objekt gegenübergestellt.
Der Zusammenhang der Dinge ist damit unterbrochen. Das
Subjekt stellt durch das Denken diesen Zusammenhang wieder
her. Damit hat es sich dem Weltganzen wieder eingefügt.
Da nur durch unser Subjekt dieses Ganze an der Stelle zwischen
unserer Wahrnehmung und unserem Begriff zerschnitten
erscheint, so ist in der Vereinigung dieser beiden auch
eine wahre Erkenntnis gegeben. Für Wesen mit einer andern
Wahrnehmungswelt (zum Beispiel mit der doppelten Anzahl
von Sinnesorganen) erschiene der Zusammenhang an
einer andern Stelle unterbrochen, und die Wiederherstellung
müßte demnach auch eine diesen Wesen spezifische Gestalt
haben. Nur für den naiven und den metaphysischen Realismus,
die beide in dem Inhalte der Seele nur eine ideelle Repräsentation
der Welt sehen, besteht die Frage nach der
Grenze des Erkennens. Für sie ist nämlich das außerhalb
des Subjektes Befindliche ein Absolutes, ein in sich Beruhendes,
und der Inhalt des Subjektes ein Bild desselben, das
schlechthin außerhalb ''dieses'' Absoluten steht. Die Vollkommenheit
der Erkenntnis beruht auf der größeren oder geringeren
Ähnlichkeit des Bildes mit dem absoluten Objekte.
Ein Wesen, bei dem die Zahl der Sinne kleiner ist, als beim
Menschen, wird weniger, eines, bei dem sie größer ist, mehr
von der Welt wahrnehmen. Das erstere wird demnach eine
unvollkommenere Erkenntnis haben als das letztere.
 
Für den Monismus liegt die Sache anders. Durch die
Organisation des wahrnehmenden Wesens wird die Gestalt
bestimmt, wo der Weltzusammenhang in Subjekt und Objekt
auseinandergerissen erscheint. Das Objekt ist kein absolutes,
sondern nur ein relatives, in bezug auf dieses bestimmte
Subjekt. Die Überbrückung des Gegensatzes kann
demnach auch nur wieder in der ganz spezifischen, gerade
dem menschlichen Subjekt eigenen Weise geschehen. Sobald
das Ich, das in dem Wahrnehmen von der Welt abgetrennt
ist, in der denkenden Betrachtung wieder in den Weltzusammenhang
sich einfügt, dann hört alles weitere Fragen, das
nur eine Folge der Trennung war, auf.
 
Ein anders geartetes Wesen hätte eine anders geartete Erkenntnis.
Die unsrige ist ausreichend, um die durch unser
eigenes Wesen aufgestellten Fragen zu beantworten.|4|124ff}}
 
{{GGZ|Mit der Frage: wie der
Mensch in der wirklichen Welt steht, hat die Phantasie von
dem möglichen ganz anderen Wahrnehmungsbild bei anderen
Sinnen nichts zu tun. Man muß eben einsehen, daß jedes
Wahrnehmungsbild seine Gestalt erhält von der Organisation
des wahrnehmenden Wesens, daß aber das von der erlebten
denkenden Betrachtung durchsetzte Wahrnehmungsbild
den Menschen in die Wirklichkeit führt. Nicht die phantastische
Ausmalung, wie anders eine Welt für andere als
die menschlichen Sinne aussehen müßte, kann den Menschen
veranlassen, Erkenntnis zu suchen über sein Verhältnis zur
Welt, sondern die Einsicht, daß jede Wahrnehmung nur
einen Teil der in ihr steckenden Wirklichkeit gibt, daß sie
also von ihrer eigenen Wirklichkeit hinwegführt. Dieser
Einsicht tritt dann die andere zur Seite, daß das Denken in
den durch die Wahrnehmung an ihr selbst verborgenen Teil
der Wirklichkeit hineinführt.|4|130f}}
 
{{GGZ|Die ''Vertiefung'' der Erkenntnis
hängt von den im Denken sich auslebenden Kräften der Intuition (vergleiche Seite 95) ab. Diese Intuition kann in
demjenigen ''Erleben'', das im Denken sich ausgestaltet, in
tiefere oder weniger tiefe Untergründe der Wirklichkeit
tauchen. Durch die Erweiterung des Wahrnehmungsbildes
kann dieses Untertauchen Anregungen empfangen und auf
diese Art mittelbar gefördert werden. Allein ''niemals'' sollte
das Tauchen in die Tiefe, als das Erreichen der Wirklichkeit,
verwechselt werden mit dem Gegenüberstehen von weiterem
oder engerem Wahrnehmungsbild, in dem stets nur eine
halbe Wirklichkeit, wie sie von der erkennenden Organisation
bedingt wird, vorliegt. Wer nicht in ''Abstraktionen'' sich
verliert, der wird einsehen, wie auch die Tatsache für die
Erkenntnis des Menschenwesens in Betracht kommt, daß
für die Physik im Wahrnehmungsfelde Elemente erschlossen
werden müssen, für welche nicht ein Sinn wie für Farbe
oder Ton unmittelbar abgestimmt ist. Das ''konkrete'' Wesen
des Menschen ist nicht nur durch dasjenige bestimmt, was er
durch seine Organisation sich als unmittelbare Wahrnehmung
gegenüberstellt, sondern auch dadurch, daß er anderes
von dieser unmittelbaren Wahrnehmung ausschließt. Wie
dem Leben neben dem bewußten Wachzustande der unbewußte
Schlafzustand notwendig ist, so ist dem Sich-Erleben
des Menschen neben dem Umkreis seiner Sinneswahrnehmung
notwendig ein - viel größerer sogar - Umkreis von
nicht sinnlich wahrnehmbaren Elementen in dem Felde, aus
dem die Sinneswahrnehmungen stammen.|4|131f}}
 
== [[Goethes Farbenlehre]] ==
 
Einen ganz anderen und auch heute noch wenig verstandenen Weg ging [[Goethe]] mit seiner [[Farbenlehre (Goethe)|Farbenlehre]]. Er hat damit die Grundlage für den [[Goetheanismus]] geschaffen, einer wissenschaftlich exakten Betrachtung der Natur, die sich vom herkömmlichen naturwissenschaftlichen Ansatz in wesentlichen Punkten unterscheidet. Bei diesem steht die  quantitative Erfassung der Naturerscheinung im Vordergrund. ''"Messen, was messbar ist, und messbar machen, was nicht messbar ist"'', war hier seit Galilei der oberste Grundsatz. Goethe strebte demgegenüber nach einer systematischen reinen [[Phänomenologie]] der [[sinnlich]] erfahrbaren Erscheinungen. Das qualitative Element steht im Vordergrund. Die Qualia selbst, die bei der [[Farbwahrnehmung]] unmittelbar erlebten [[Sinnesqualitäten]], die bei der herkömmlichen naturwissenschaftlichen Methode als vorgeblich rein subjektive Erscheinungen aus der wissenschaftlichen Theorienbildung völlig ausgeklammert werden, rücken bei Goethe gerade in den Mittelpunkt der  durchaus [[objektiv]]en naturwissenschaftlichen Betrachtung.
 
== Die seelische Realität der Qualia ==
 
{{Siehe auch|Wahrnehmung#Über die vermeintliche Subjektivität der Wahrnehmung|titel1=Über die vermeintliche Subjektivität der Wahrnehmung}}
 
Die objektive [[Realität]] der [[Sinnesqualitäten]] hat [[Rudolf Steiner]] schon in seinen «[[Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften]]» ausführlich besprochen:
 
{{GZ|Wir wollen einmal die Tatsachen ganz objektiv untersuchen.
Nehmen wir an, es trete eine bestimmte Empfindung in unserem
Bewusstsein auf. Sie tritt dann zugleich so auf, dass sie uns auf
irgendeinen Gegenstand verweist, von dem sie herstammt.
Wenn ich die Empfindung des Rot habe, so verbinde ich, kraft
des Inhaltes dieser Vorstellung, in der Regel damit zugleich ein
bestimmtes Ortsdatum, d. i. eine Stelle im Raume, oder die
Oberfläche eines Dinges, der ich das, was diese Empfindung
ausdrückt, zuschreibe. Nur dann ist das nicht der Fall, wenn
durch einen äußeren Einfluss das Sinnesorgan selbst in der ihm
eigentümlichen Weise antwortet, wie wenn ich bei einem
Schlag aufs Auge eine Lichtempfindung habe. Von diesen Fällen,
in denen die Empfindungen übrigens niemals mit ihrer sonstigen
Bestimmtheit auftreten, wollen wir absehen. Sie können uns ja,
als Ausnahmefälle, über die Natur der Dinge nicht belehren.
Habe ich die Empfindung des Rot mit einem bestimmten
Ortsdatum, so werde ich zunächst an irgendein Ding in der
Außenwelt als den Träger dieser Empfindung verwiesen. Ich
kann mich nun ja wohl fragen: Welche
räumlich-zeitlichen Vorgänge spielen sich in diesem Dinge ab,
während es mir als mit der roten Farbe behaftet erscheint? Es
wird sich mir dann zeigen, dass mechanische, chemische oder
andere Vorgänge als Antwort auf meine Frage sich darbieten.
Nun kann ich weitergehen und die Vorgänge untersuchen, die
sich auf dem Wege von jenem Dinge bis zu meinem
Sinnesorgane vollzogen haben, um die Empfindung der roten
Farbe für mich zu vermitteln. Da können sich mir nun doch
auch wieder nichts anderes als Bewegungsvorgänge oder
elektrische Ströme oder chemische Veränderungen als solche
Vermittler darstellen. Das gleiche Resultat müsste sich mir
ergeben, wenn ich die weitere Vermittlung vom Sinnesorgane
bis zur Zentralstelle im Gehirne untersuchen könnte. Was auf
diesem ganzen Wege vermittelt wird, das ist die in Rede
stehende Wahrnehmung des Rot. Wie sich diese Wahrnehmung
in einem bestimmten Dinge, das auf dem Wege von der
Erregung bis zur Wahrnehmung liegt, darstellt, das hängt
lediglich von der Natur dieses Dinges ab. Die Empfindung ist an
jedem Orte vorhanden, vom Erreger bis zum Gehirne, aber nicht
als solche, nicht expliziert, sondern so, wie es der Natur des
Gegenstandes entspricht, der an jenem Orte sich befindet.
 
Daraus ergibt sich aber eine Wahrheit, die geeignet ist, Licht zu
verbreiten über die gesamte theoretische Grundlage der Physik
und Physiologie. Was erfahre ich aus der Untersuchung eines
Dinges, das von einem Prozesse, der in meinem Bewusstsein als
Empfindung auftritt, ergriffen wird? Ich erfahre nicht mehr als
die Art und Weise, wie jenes Ding auf die Aktion, die von der
Empfindung ausgeht, antwortet, oder mit anderen Worten: wie
sich eine
Empfindung in irgendeinem Gegenstande der räumlichzeitlichen
Welt auslebt. Weit entfernt, dass ein solcher
räumlich-zeitlicher Vorgang die Ursache ist, der in mir die
Empfindung auslöst, ist vielmehr das ganz andere richtig: der
räumlich-zeitliche Vorgang ist die Wirkung der Empfindung in
einem räumlich-zeitlich ausgedehnten Dinge. Ich könnte noch
beliebig viele Dinge einschalten auf dem Wege von dem Erreger
bis zu dem Wahmehmungsorgane: in jedem wird hierbei nur
dasjenige vorgehen, was in ihm vermöge seiner Natur vorgehen
kann. Deshalb bleibt aber doch die Empfindung dasjenige, was
sich in allen diesen Vorgängen auslebt.
 
Man hat also in den longitudinalen Schwingungen der Luft bei
der Schallvermittlung oder in den hypothetischen Oszillationen
des Äthers bei der Vermittlung des Lichtes nichts anderes zu
sehen als die Art und Weise, wie die betreffenden
Empfindungen in einem Medium auftreten können, das seiner
Natur nach nur der Verdünnung und Verdichtung
beziehungsweise der schwingenden Bewegung fähig ist. Die
Empfindung als solche kann ich in dieser Welt nicht finden,
''weil sie einfach nicht da sein kann''. In jenen Vorgängen habe ich
aber durchaus nicht das Objektive der Empfindungsvorgänge
gegeben, sondern eine Form ihres Auftretens.
Und fragen wir uns nun: Welcher Art sind denn jene
vermittelnden Vorgänge selbst? Untersuchen wir sie denn mit
anderen Mitteln als mit Hilfe unserer Sinne? Ja, kann ich denn
meine Sinne selbst mit anderen Mitteln als nur wieder mit eben
diesen Sinnen untersuchen? Ist die peripherische Nervenendung,
sind die Windungen des Gehirnes durch etwas anderes gegeben
denn durch Sinneswahrnehmung?
 
All das ist gleich subjektiv und gleich objektiv, wenn diese
Unterscheidung überhaupt als berechtigt angenommen werden
könnte. Jetzt können wir die Sache noch genauer fassen. Indem
wir die Wahrnehmung von ihrer Erregung bis zu dem
Wahmehmungsorgane verfolgen, untersuchen wir nichts
anderes als den fortwährenden Übergang von einer
Wahrnehmung zur andern. Das «Rot» liegt uns vor als dasjenige,
um dessen willen wir überhaupt die ganze Untersuchung
anstellen. Es weist uns auf seinen Erreger. In diesem beobachten
wir andere Empfindungen als mit jenem Rot zusammenhängend.
Es sind Bewegungsvorgänge. Dieselben treten dann als weitere
Bewegungsvorgänge zwischen dem Erreger und dem
Sinnesorgane auf usw. Alles dieses aber sind gleichfalls
wahrgenommene Empfindungen. Und sie stellen nichts weiter
dar als eine Metamorphose von Vorgängen, die, soweit sie
überhaupt für die sinnliche Beobachtung in Betracht kommen,
sich ganz restlos in Wahrnehmungen auflösen.
 
''Die wahrgenommene Welt ist also nichts anderes als eine
Summe von metamorphosierten Wahrnehmungen.''|1|267|262}}
 
Ein wesentliches Hindernis zum Verständnis der Qualia ist, dass man sich seit [[John Locke]] daran gewöhnt hat, [[primäre und sekundäre Sinnesqualitäten]] zu unterscheiden. Die [[primäre Sinnesqualitäten|primären Qualitäten]] umfassen alles, was [[Raum|räumlich]] ausgedehnt, zählbar  und im Raum beweglich ist, also in etwa das, was [[Descartes]] als [[res extensa]] bezeichnet hat. Allein diesen Qualitäten wird eine [[objektiv]]e, vom [[Mensch]]en unabhängige Realität zugesprochen und praktisch allein sie sind seit [[Galilei]] Gegenstand der [[Naturwissenschaft]] geworden, weil sie den Vorzug haben gut [[Messung|messbar]] zu sein und sich aufgrund ihrer [[Zählen|Zählbarkeit]] leicht in [[Mathematik|mathematische]] [[Formel]]n pressen zu lassen. Den [[sekundäre Sinnesqualitäten|sekundären Qualitäten]] wird hingegen nur ein [[subjekt]]iver Charakter zugesprochen, wegen etwa [[Goethe]] mit seiner wenig verstandenen [[Farbenlehre (Goethe)|Farbenlehre]] energisch protestiert hat.
 
{{GZ|Primäre Qualitäten nannte Locke
zum Beispiel alles dasjenige, was sich auf die Gestalt der Körper, auf
deren geometrische Eigentümlichkeit, auf das Zahlenmäßige bezieht,
auf die Bewegung bezieht, auf die Größe und so weiter. Davon unterschied
er dann alles dasjenige, was er die sekundären Qualitäten nennt,
Farbe, Ton, Wärmeempfindung und so weiter. Und während er die primären
Qualitäten in die Dinge selbst hineinverlegt, so daß er annimmt,
es seien räumliche, körperliche Dinge da, welche Gestalt haben, geometrische
Eigentümlichkeiten haben, Bewegungen haben, nimmt er an,
daß alles dasjenige, was sekundäre Qualitäten sind, Farbe, Ton usw.,
nur Wirkungen auf den Menschen seien. Draußen in der Welt seien
nur primäre Qualitäten in den Körpern. Irgend etwas, dem Größe,
Gestalt, Bewegung zukommt, das aber finster, stumm und kalt ist,
irgend etwas übt eine Wirkung aus, und diese Wirkung drückt sich
eben aus darinnen, daß der Mensch einen Ton, eine Farbe, eine Wärmequalität
usw. erlebt.|326|85}}
 
{{GZ|Wessen Vorstellungsvermögen durch Descartes, Locke, Kant
und die moderne Physiologie nicht vom Grund aus verdorben
ist, der wird niemals begreifen, wie man Licht, Farbe, Ton,
Wärme usw. bloß für subjektive Zustände des menschlichen
Organismus ansehen und dennoch das Vorhandensein einer
objektiven Welt von Vorgängen außerhalb des Organismus
behaupten kann. Wer den menschlichen Organismus zum
Erzeuger der Ton-, Wärme-, Farben- usw. -Geschehnisse macht,
der muss ihn auch zum Hervorbringet der Ausdehnung, Größe,
Lage, Bewegung, der Kräfte usw. machen. Denn diese
mathematischen und mechanischen Qualitäten sind in
Wirklichkeit mit dem übrigen Inhalte der Erfahrungswelt
untrennbar verbunden. Die Abtrennung der Raum-, Zahl- und
Bewegungsverhältnisse, sowie der Kraftäußerungen von den
Wärme-, Ton-, Farben- und den anderen Sinnesqualitäten ist
nur eine Funktion des abstrahierenden Denkens. Die Gesetze der
Mathematik und Mechanik beziehen sich auf abstrakte
Gegenstände und Vorgänge, die von der Erfahrungswelt
abgezogen sind, und können daher auch nur innerhalb der
Erfahrungswelt Anwendung finden. Werden aber auch die
mathematischen und mechanischen Formen und Verhältnisse
für bloß subjektive Zustände erklärt, dann bleibt nichts übrig,
was dem Begriffe von objektiven Dingen und Ereignissen als
Inhalt dienen könnte. Und aus einem leeren Begriffe können
keine Erscheinungen abgeleitet werden.|1|317|312}}
 
Das Problem der Qualia resultiert daraus, dass man die Entstehung der sekundären Qualitäten irgendwie aus den primären Qualitäten, die man allein vor objektiv gegeben hält, ableiten will - und daran notwendigerweise scheitert. Wie unsinnig dieses Unterfangen ist, hat [[Rudolf Steiner]] deutlich aufgezeigt:
 
{{GZ|Da der Mensch
ein Ding unter Dingen ist, so müssen die Dinge natürlich
auf ihn einen Eindruck machen, wenn er von ihnen etwas
erfahren soll. Ein Vorgang außer dem Menschen muß einen
Vorgang im Menschen erregen, wenn im Blickfeld die Erscheinung
«rot» auftreten soll. Es fragt sich nur, was ist
draußen, was ist drinnen? Draußen ist ein in Raum und
Zeit ablaufender Vorgang. Drinnen ist aber zweifellos ein
ähnlicher Vorgang. Ein solcher ist im Auge und setzt sich
ins Gehirn fort, wenn ich «rot» wahrnehme. Der Vorgang,
der «drinnen» ist, den kann ich nicht, ohne weiteres, wahrnehmen; ebensowenig, wie ich die Wellenbewegung «draußen» unmittelbar wahrnehmen kann, welche die Physiker
der Farbe «rot» entsprechend denken. Aber nur in diesem
Sinne kann ich von einem «draußen» und «drinnen» sprechen.
Nur auf der Stufe des ''sinnlichen Erkennens'' hat der Gegensatz
von «draußen» und «drinnen» Geltung. Es führt
mich dieses Erkennen dazu, «draußen» einen räumlich-zeitlichen
Vorgang anzunehmen, wenn ich diesen auch nicht
unmittelbar wahrnehme. Und weiter führt mich das gleiche
Erkennen dazu, ''in'' mir einen solchen Vorgang anzunehmen,
wenn ich auch diesen nicht ''unmittelbar'' wahrnehmen
kann. Aber ich nehme ja auch im gewöhnlichen Leben
räumlich-zeitliche Vorgänge an, die ich nicht unmittelbar
wahrnehme. Ich höre z. B. in meinem Nebenzimmer Klavier
spielen. Ich nehme deshalb an, daß ein räumliches
Menschenwesen am Klavier sitzt und spielt. Und nicht anders
ist mein Vorstellen, wenn ich von Vorgängen ''in'' mir
und ''außer'' mir spreche. Ich setze voraus, daß diese Vorgänge
analoge Eigenschaften haben, wie die Vorgänge, die
in den Bereich meiner Sinne fallen, nur daß sie, wegen gewisser
Ursachen, sich meiner unmittelbaren Wahrnehmung
entziehen. Wollte ich diesen Vorgängen alle Eigenschaften
absprechen, die mir meine Sinne im Bereich des Räumlichen
und Zeitlichen zeigen, so dächte ich in Wahrheit so
etwas wie das berühmte Messer ohne Griff, dem die Klinge
fehlt. Ich kann also nur sagen, «draußen» spielen sich räumlich-zeitliche Vorgänge ab; sie bewirken «drinnen» räumlich-zeitliche Vorgänge. Beide sind notwendig, wenn in
meinem Blickfeld «Rot» erscheinen soll. Dieses Rot, insofern
es nicht räumlich-zeitlich ist, werde ich vergeblich
suchen, gleichgültig, ob ich «draußen» oder «drinnen»
suche. Die Naturforscher und Philosophen, die es «drau-
ßen» nicht finden können, sollten es auch nicht «drinnen»
suchen wollen. Es ist in demselben Sinne nicht «drinnen»,
in dem es nicht «draußen» ist. Den gesamten Inhalt dessen,
was uns die Sinnenwelt darbietet, für eine innere Empfindungswelt
erklären, und zu ihr etwas «Äußeres» suchen,
ist eine unmögliche Vorstellung. Wir dürfen also nicht davon
sprechen, daß «rot», «süß», «heiß» usw. ''[[Zeichen]]'' seien,
die als solche nur in uns erregt werden und denen «außen»
etwas ganz anderes entspricht. Denn, was wirklich ''in uns''
als Wirkung eines äußeren Vorganges erregt wird, das ist
etwas ganz anderes als was in unserem Empfindungsfeld
auftritt. Will man das, was in uns ist, Zeichen nennen, so
kann man sagen: Diese Zeichen treten innerhalb unseres
Organismus auf, um uns die Wahrnehmungen zu vermitteln,
die als solche, in ihrer Unmittelbarkeit, weder innerhalb
noch außerhalb unser sind, sondern die vielmehr zu
der gemeinschaftlichen Welt gehören, von der meine «Außenwelt
» und meine «Innenwelt» nur Teile sind. Um diese
gemeinschaftliche Welt erfassen zu können, muß ich mich
allerdings zu der höheren Stufe des Erkennens erheben,
für die es ein «Innen» und «Außen» nicht mehr gibt.|7|94ff}}
 
Ähnlich argumentiert auch der deutsche [[Psychiater]] und [[Philosoph]] [[Thomas Fuchs]] (*1958):
 
{{LZ|Freilich lässt sich die Existenz von Sinnesqualitäten auch nicht
widerlegen. Der Neurowissenschaftler kann nur feststellen, dass
beim Wahrnehmen der Farbe Grün Licht bestimmter Wellenlänge
auf die Retina fällt und eine Kaskade neuronaler Prozesse auslöst,
ohne dass an irgendeiner Stelle die Farbe grün auftaucht – sowenig
wie in den Beobachtungen des Physikers außerhalb des Körpers.
Zweifellos bedarf es der Lichtwellen, die, von einem Gegenstand
reflektiert, die Retina reizen, ''damit'' wir etwas sehen können, oder der
Schallwellen, die unser Trommelfell in Schwingung versetzen, ''damit''
wir Töne hören. Aber wir sehen keine Lichtwellen und hören keine
Schallwellen, sondern Farben und Töne. Die Tatsache, dass jene
Wellen selbst nicht farbig bzw. laut sind, ist daher kein Grund, die
Wirklichkeit von Farben und Töne zu bestreiten...
 
Dem Physiker kann es an sich gleichgültig sein, ob der Baum
abgesehen von seiner materiellen Teilchenstruktur auch noch grün
ist oder nicht. Die Frage taucht bei seinen Messungen und
Theoriebildungen einfach nicht mehr auf. Die Bestreitung der
Qualitäten ergibt sich daher nicht etwa aus einer physikalischen
Notwendigkeit. Sie rührt vielmehr aus einem ''physikalistischen Weltbild'', das die ursprünglich für bestimmte Zwecke willkürlich
gewählten, quantifizierbaren Ausschnitte der Wirklichkeit, vor allem
aber die daraus abgeleiteten theoretischen Konstrukte (Atome,
Photonen, elektromagnetische Felder etc.) zur „eigentlichen“
Realität erhebt. Physikalische Beschreibungen und Erklärungen
sollen nun für alle Bereiche der Lebenswelt gültig sein. Dann ist der
grüne Baum nur noch ein großer Molekülhaufen, das Lied der
Nachtigall in seinen Zweigen eine irreguläre Sequenz von
Luftdruckschwankungen und die Freude des Wanderers, der ihr
zuhört, ein bestimmtes neuronales Erregungsmuster...
 
Aber eine solche Welt ist nur
eine gedachte Abstraktion von der Welt, die wir als Lebewesen
bewohnen und erfahren – der Welt, die unser Organismus sich
erschließt, um sich in ihr zu erhalten, in der er qualitative
Unterschiede macht, die sich so auf der physikalischen Ebene nicht
finden, und so die Umwelt in Bedeutsames und Relevantes
strukturiert. So wird es auch möglich, dass die Dinge und
Lebewesen sich uns zeigen, also in Farben, Klängen und Düften über
sich hinaus und mit uns in Beziehung treten. Insofern sind die
Sinnesqualitäten Resultate der Beziehung eines Lebewesens zu
seiner Umwelt; doch diese Beziehung hat einen welterschließenden
und insofern durchaus objektiven Charakter. Selbst die sogenannten
primären Qualitäten der Physik werden uns nur über die sekundären
überhaupt zugänglich.
 
Ist der Baum also tatsächlich grün? Das kommt darauf an, ob wir
ihn als Teil unserer gemeinsamen Lebenswelt betrachten – dann
können wir uns jederzeit auf seine Farbe einigen, sie ist also nicht
etwa „nur subjektiv“ – oder aber in eine physikalische Konstruktwelt
hinabsteigen, in der sich von den lebensweltlichen Qualitäten
voraussetzungsgemäß nichts mehr findet. Weder ist die Farbe eine
objektive Eigenschaft der materiellen Welt („naiver“ Realismus),
noch ist sie bloßes Produkt einer Innenwelt (Konstruktivismus).
Farben und andere Sinnesqualitäten sind Ausdruck einer
''[[Komplementarität]]'' von Lebewesen und Umwelt. Sie entstehen im
Zusammenwirken von Wahrnehmungsvermögen und
Objekteigenschaften. So lässt sich zeigen, dass die Ausbildung von
Farbmustern bei Blütenpflanzen sich in ständiger Interaktion mit der
Ausbildung des Farbsehens bei Insekten vollzog. Die Eigenschaft
und ihre Wahrnehmung entstanden in verschiedenen Arten koevolutiv,
im Rahmen eines übergreifenden ökologischen Systems<ref>Ehrlich, P. R., Raven, P. H.: ''Butterflies and plants: a study in coevolution'', in:
Evolution 18 (1964), pp. 586–608.</ref>.|Fuchs, S. 45f}}
 
Aus [[anthroposophisch]]er Sicht liegt die ''eigentliche'' [[objektiv]]e [[Realität]] der Qualia in der [[Astralwelt]] begründet. Indem die Qualia vom [[mensch]]lichen [[Astralleib]] aufgenommen werden, treten sie in den Erlebnishorizont des Bewusstseins ein. Sie sind grundlegende [[seelisch]]e [[Substanz]]en, die diese [[Seelenwelt]] aufbauen, so wie die [[physisch]]en Substanzen die [[physische Welt]] aufbauen. Damit wird aber nicht auf einen grundsätzlichen [[Substanzdualismus]] hingewiesen. Wir nennen nur die räumlich ausgedehnten Dinge, indem wir von ihren sekundären Qualitäten wie [[Farbe]], [[Klang]] usw. absehen, [[physisch]] und die sekundären Qualitäten [[Seele|seelisch]]. Tatsächlich gehören beide ein und derselben Welt an, die wir nur durch unsere [[Erkenntnis]]art in verschiedene Bereiche (physisch, seelisch) gliedern. Tatsächlich gibt es nirgendwo ein reales wahrnehmbares räumliches Ding<ref>[[Atom]]e oder [[Elementarteilchen]] sind in diesem Sinn ''keine'' realen Dinge, sondern mehr oder weniger nützliche Gedankenkonstrukte der [[Physik]].</ref>, das sich in der Wechselwirkung mit dem [[Licht]] nicht auch farbig zeigen würde. [[Rudolf Steiner]] war daher stets ein Vertreter des [[Monismus]], nur beging er nicht den Fehler, diesen ausschließlich auf das physisch-räumliche Geschehen zu beschränken.
 
{{GZ|Was ist also die Wahrnehmung? Diese Frage ist, im allgemeinen
gestellt, absurd. Die Wahrnehmung tritt immer
als eine ganz bestimmte, als konkreter Inhalt auf. Dieser
Inhalt ist unmittelbar gegeben, und erschöpft sich in dem
Gegebenen. Man kann in bezug auf dieses Gegebene nur
fragen, was es außerhalb der Wahrnehmung, das ist: für
das Denken ist. Die Frage nach dem «Was» einer Wahrnehmung
kann also nur auf die begriffliche Intuition gehen, die
ihr entspricht. Unter diesem Gesichtspunkte kann die Frage
nach der Subjektivität der Wahrnehmung im Sinne des
kritischen Idealismus gar nicht aufgeworfen werden. Als
subjektiv darf nur bezeichnet werden, was als zum Subjekte
gehörig wahrgenommen wird. Das Band zu bilden zwischen
Subjektivem und Objektivem kommt keinem im naiven
Sinn realen Prozeß, das heißt einem wahrnehmbaren Geschehen
zu, sondern allein dem Denken. Es ist also für uns
objektiv, was sich für die Wahrnehmung als außerhalb des
Wahrnehmungssubjektes gelegen darstellt.|4|98f}}
 
Die [[Sinnesqualitäten]] sind rein seelischer und ''nicht'' [[physisch]]er Natur, aber wir erfahren sie zunächst nicht in ihrer reinen Gestalt, sondern nur abgeschattet ''an'' der Materie. Tatsächlich eröffnet sich der Blick für die [[Wirklichkeit]] der Qualia erst der [[Imagination|imaginativen]] [[Anschauung]], die durch entsprechende [[Schulungsweg|geistige Übungen]] erreicht werden kann.
 
{{GZ|Mit Bezug auf die Sinneswahrnehmungen ist man
aber in eine wahre wissenschaftliche Verwirrung gekommen.
Die Menschen meinen vielfach - die Physiologen
haben sich in dieser Beziehung sogar den Erkenntnistheoretikern
und Philosophen im 19. Jahrhundert angeschlossen
-, wenn wir zum Beispiel Rot sehen, so ist
der äußere Vorgang irgendein Schwingungsvorgang, der
sich fortpflanzt bis zu unserem Sehorgan, bis zum Gehirn.
Dann wird ausgelöst das eigentliche Rot-Erlebnis.
Oder es wird durch den äußeren Schwingungsvorgang
ausgelöst der Ton Cis auf dieselbe Weise. Hier ist man in
Verwirrung geraten, weil man dasjenige, was in uns, in
unserer Körperbegrenzung lebt, gar nicht mehr von dem
Äußeren unterscheiden kann. Hier spricht man durchaus
davon, daß alle Sinnesqualitäten, Farben, Töne, Wärmequalitäten,
eigentlich nur subjektiv seien; daß das äußere
Objektive etwas ganz anderes sei.
 
Wenn wir nun geradeso, wie wir die drei Raumesdimensionen
zunächst aus uns heraus bilden, um sie an
und in den Dingen wieder zu finden, wenn wir ebenso
dasjenige, was in uns sonst als Sinnesempfindung auftritt,
aus uns selbst schöpfen und dann außer uns versetzen
könnten, dann würden wir das erst in uns Gefundene
in den Dingen ebenso finden, ja, auf uns zurückschauend,
es wiederfinden, wie wir das als Raum in uns
Erlebte in der Außenwelt finden und auf uns zurückschauend,
uns selbst diesem Raume angehörend finden.
Wir würden, wie wir die Raumeswelt um uns haben, eine
Welt von ineinanderfließenden Farben und Tönen um
uns haben. Wir würden sprechen von einer objektivierten
farbigen, tönenden Welt, einer flutenden, farbigen,
tönenden Welt, so wie wir von dem Raume um uns
herum sprechen.
 
Das kann der Mensch aber durchaus erreichen, daß
er diese Welt, die sonst für ihn nur vorliegt als die Welt
der Wirkungen, kennenlernt als die Welt seiner eigenen
Bildung. Wie wir unbewußt, einfach aus unserer
menschlichen Natur heraus, uns die Raumesgestalt ausbilden,
um sie dann in der Welt wiederzufinden, indem
wir sie erst metamorphosiert haben, so kann der Mensch
durch gewisse Übung - das muß er jetzt bewußt ausführen
- dazu kommen, aus sich heraus den gesamten
Umfang der Qualitäten enthaltenden Welt zu finden, um
sie dann wiederzufinden in den Dingen, wiederzufinden
zurückschauend auf sich selbst.
 
Was ich Ihnen hier schildere, das ist das Aufsteigen zu
der sogenannten imaginativen Anschauung.|82|58f}}
 
Durch die [[Sinneswahrnehmung]] kommt der [[Astralleib]] in eine ''unmittelbare'' Beziehung zu dem uns umgebenden [[Wärmeäther|Wärme]]-, [[Lichtäther|Licht]]-, [[Klangäther|Klang]]- und [[Lebensäther]].
 
{{GZ|Wenn wir jetzt zum Astralleib gehen: der Astralleib steht nun auch
nicht etwa bloß durch den Ätherleib, sondern in unmittelbarer Beziehung
zu gewissen Kräften, die auf uns wirken, wenn wir im Wachzustand
sind. Nun, das ist wiederum ein Teil der Wärmekraft; die
Wärme nämlich wirkt mit einem Teil auf den physischen Organismus
und mit einem Teil auf den Ätherorganismus zurück. Dann ist der
astralische Leib in unmittelbarer Beziehung zu den Lichtkräften. Aber
da müssen Sie wissen, daß Lichtkräfte für Geisteswissenschaft etwas
anderes sind als das, was die Physik heute darunter versteht. Wir wollen
nicht auf Theorien eingehen, aber nicht wahr, dem, was die Welt
rings um uns herum in Beleuchtung wahrnehmen kann, dem liegt natürlich
etwas zugrunde, und zwar im Äther, so daß wir schon sagen
können: Licht ist eine Ätherkraft. - Wir sprechen nun in der gewöhnlichen
Wissenschaft heute von dem Licht, als in dem Beleuchteten enthalten.
Geisteswissenschaft spricht so vom Licht: sie nennt Licht auch
dasjenige, was andern Sinneswahrnehmungen zugrunde liegt, wie zum
Beispiel das Licht der Tonwahrnehmungen. Wenn wir Tonwahrnehmungen
haben, so ist die äußere Physik überhaupt nur versucht, als
von dem äußeren Korrelat der Tonwahrnehmung, von der bewegten
Luft zu reden. Die bewegte Luft ist nur das Medium des wirklichen
Tonelementes. Das wirkliche Tonelement ist ein Ätherisches, und die
Vibration der Luft ist nur die Wirkung dieses ätherischen Vibrierens.
Licht lebt auch in der Geruchswahrnehmung. Kurz, für alle Wahrnehmungen
liegt zugrunde ein viel Allgemeineres als Licht, als was man
in der Physik heute Licht nennt. Es ist gewiß irreführend, das gebe ich
Ihnen zu, daß so vom Licht gesprochen wird. Denn im Grunde genommen
hat man so vom Lichte gesprochen in der alten Geisteswissenschaft
bis zum 12., 13. nachchristlichen Jahrhundert. Dann hat sich
das Verständnis dafür verloren, und man hat versucht, andere Ausdrücke
anzuwenden, die aber noch unverständlicher sind. Deshalb
sind die Bücher über Alchimie, die auf das 12. Jahrhundert folgen, so
unverständlich. Für Sie ist von Bedeutung, daß man dies Licht nennt.
Mit diesem Licht nun steht der astralische Leib in Verbindung mit alldem,
was den Sinneswahrnehmungen unterliegt auf der Erde, nicht auf
dem Umweg durch den Ätherleib, sondern direkt in Beziehung. Das ist
ganz besonders interessant. Draußen lebt das Licht im Äther, aber wir
haben auch Ätherisches in uns. Das Licht wirkt auf den Ätherleib.
Aber mit diesem Licht, das in uns ist, kommen wir beim Aufwachen
nicht allein in Beziehung, sondern mit Umgehung dieses Lichtes gliedern
wir uns in das äußerlich strömende Licht ein. Ebenso ist es auch
mit dem äußern, durch die Welt wirkenden Chemismus. Auch in den
Chemismus gliedern wir uns ein auf eine unmittelbare Art. Und das
ist besonders wichtig, denn damit wird gesagt, daß der Mensch wachend
in eine Art kosmischen Chemismus eingegliedert ist. Nun kennt unsere
heutige Wissenschaft nur den leblosen Chemismus, höchstens ein bißchen
den organischen Chemismus, aber sie kennt gar nicht jenen Chemismus,
der ein allgemeiner Weltenchemismus ist. In den gliedern wir
uns ein, wenn wir aufwachen. Und ebenso gliedern wir uns ein in das
allgemeine Weltenleben, in den Lebensäther; alles unmittelbar.
 
Und das, was ich Ihnen jetzt skizziert habe, das muß erreicht werden,
wenn der Mensch so, wie ich es geschildert habe, nach und nach
seinen zweiten Körper aus dem ersten aufbaut und auch den dritten
aufbaut. Das alles muß erreicht werden, indem der Mensch in sich
untertaucht, mit Durchdringung seines eigenen Wesens, in die irdischkosmischen
Agenzien hinein. Er muß die Welt ergreifen können durch
sich. Wir haben heute in unserer Wissenschaft noch eine solche Sache
nur ganz klar auf einem einzigen Gebiet, wo in der Tat die Physik in
ähnlicher Art vorgeht, wie man es auf vielen Gebieten wünschen
könnte. Das ist die Augenorganisation.
 
Denken Sie, wenn man das Auge betrachtet, richtig wie ein knüppeldicker
Physiker, wie eine physische Vorrichtung, ein physikalisches
Instrument: man zeichnet ins Auge hinein genau dieselben Figuren,
wenn man das Auge begreifen will, von Lichtbrechung durch die Linse,
Bildung des objektiven Bildes und so weiter, nur daß man nicht übergehen
kann zu der Art, wie das Seelische in das Physikalische eingreift.
Aber das Ganze ist furchtbar interessant. Denn nun hat man, wenn
man so physikalisch vorgeht, diese ganze Zeichnung da vor sich, und
jetzt stockt man, jetzt will man durch das Gehirn hindurch an das
Seelische heran. Schauen Sie sich einmal diese drolligen philosophischen
Purzelbäume an, alle diese interessanten, aber in der Tat blitzdummen
Theorien vom psychophysischen Parallelismus oder von der Wechselwirkung.
In Wahrheit kommen eben im Auge die Ich-Organisation und
der astralische Leib unmittelbar an das, was wir physisch zeichnen,
heran, ergreifen innerhalb des Auges das Physische. Für das Auge ist
man also nahe daran, den richtigen Tatbestand zu ergreifen, weil man
dazu genötigt ist durch diese eigentümliche Absonderung des Auges,
weil das Auge fast nach außen liegt und in der embryonalen Entwickelung
von außen eingebaut wird. Beim Auge macht man das. Das ist
aber beim ganzen Menschen der Fall. Man müßte den ganzen Menschen
innerlich physikalisch, geist-physikalisch erfassen, so daß man zu den
irdischen Kräften auch die flüchtigen Lichtkräfte hinzufügen kann.
Man müßte innerhalb der menschlichen Organisation dasjenige, was
eigentlich aus der Umgebung heraus am Menschen da vorhanden ist
und was vom Menschen so unmittelbar ergriffen wird, das physikalisch
Konstruierte, das müßte man erkennen.|317|47ff}}
 
== Trivia ==
[[Thomas Metzinger]], einer der wenigen deutschsprachigen Philosophen, die auf dem Gebiet der ansonsten angelsächsisch dominierten Philosophie des Geistes heute hervorragen, glaubt nicht an die Existenz eines [[Ich]], sondern hält dieses für eine [[Modell]]konstruktion des [[Gehirn]]s, und hat eine entsprechende Theorie entworfen. In seinem Buch „Der Ego-Tunnel“ spricht er auch von seinen eigenen [[Außerkörperliche Erfahrung|außerkörperlichen Erfahrungen]] und [[luzider Traum|luziden Träumen]], die er als typische Beispiele [[gehirn]]erzeugter Illusionen interpretiert.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Qualia}}
*[[Sinnesqualitäten]]
*[[Farben]]
*[[Farbwahrnehmungsprozeß]]
*[[Schmerzsinn]]
 
== Literatur ==
 
* [[Emil du Bois-Reymond]]: ''Über die Grenzen des Naturerkennens'', 1872, Nachdruck u.a. in: Emil du Bois-Reymond: ''Vorträge über Philosophie und Gesellschaft'', Hamburg, Meiner, 1974.
* Edmond Wright: ''The Case for Qualia'', MIT Press 2008, ISBN 978-0262731881, eBook {{ASIN|B00LG92GXS}}
* [[Thomas Metzinger]]: ''Grundkurs Philosophie des Geistes 1: Phänomenales Bewusstsein'', Mentis-Verlag, Paderborn 2006, ISBN 3-89785-551-8
* Thomas Metzinger: ''Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik'', Piper Taschenbuch 2014, ISBN 978-3492305334, eBook ASIN B00GZL6ZT8
* [[David Eagleman]]: ''The Brain: Die Geschichte von dir'', 3. Auflage, Pantheon Verlag 2017, ISBN 978-3570552889, eBook ASIN B01N0NRXCP
* [[Thomas Fuchs]]: ''Das Gehirn - ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption.'' Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3170297937, eBook {{ASIN|B01N0I5H72}}
* [[Harald Walach]]: ''Psychologie: Wissenschaftstheorie, philosophische Grundlagen und Geschichte. Ein Lehrbuch'', 3. Auflage, W. Kohlhammer, Stuttgart 2013, ISBN 978-3170229372, eBook {{ASIN|B00I5RIONU}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1995), ISBN 3-7274-0040-4 {{Schriften|004}}
* Rudolf Steiner: ''Goethes Weltanschauung'', [[GA 6]] (1990), ISBN 3-7274-0060-9 {{Schriften|006}}
* Rudolf Steiner: ''Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung'', [[GA 7]] (1990), ISBN 3-7274-0070-6 {{Schriften|007}}
* Rudolf Steiner: ''Damit der Mensch ganz Mensch werde'', [[GA 82]] (1994), ISBN 3-7274-0820-0 {{Vorträge|082}}
* Rudolf Steiner: ''Heilpädagogischer Kurs'', [[GA 317]] (1995), ISBN 3-7274-3171-7 {{Vorträge|317}}
* Rudolf Steiner: ''Der Entstehungsmoment der Naturwissenschaft in der Weltgeschichte und ihre seitherige Entwickelung'', [[GA 326]] (1977), ISBN 3-7274-3260-8 {{Vorträge|326}}
 
{{GA}}
 
=== DVD-Set ===
*2009: ''Philosophie des Bewusstseins - 15 Vorlesungen an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz vom Wintersemester 2007/8'', Auditorium-Netzwerk, 5 DVDs (Video) (enthält zu einem Gutteil die Einführung in die Qualia-Forschung und -Diskussion in der Philosophie des Geistes, mit besonderem Bezug zu den Neurowissenschaften, sehr zu empfehlen. In dieser Vorlesung gibt es auch den Tipp von Metzinger, den Auffassungen [[Martine Nida-Rümelin]]s Aufmerksamkeit zu widmen, denn sie nehme konträre Positionen zu den eigenen Ansichten ein.)
 
== Weblinks ==
* [[Thomas Metzinger]]: ''Das letzte Rätsel der Philosophie'' - Sendereihe in drei Teilen auf SWR2
** [https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/swr2-wissen-aula-das-letzte-raetsel-der-philosophie/-/id=660374/did=2570948/nid=660374/o090a1/index.html Was ist das Bewusstsein (1)] - SWR2 (21.10.2007)
** [https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/swr2-wissen-aula-das-letzte-raetsel-der-philosophie/-/id=660374/did=2601676/nid=660374/ippy8m/index.html Was ist das Bewusstsein (2)] - SWR2 (28.10.2007)
** [https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/swr2-wissen-aula-das-letzte-raetsel-der-philosophie/-/id=660374/did=2631700/nid=660374/sanzca/index.html Was ist das Bewusstsein (2)] - SWR2 (1.11.2007)
 
== Einzelnachweise ==
<references/>
 
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]] [[Kategorie:Bewusstsein]][[Kategorie:Philosophie]][[Kategorie:Philosophie des Geistes]]
[[Kategorie:Kognitionswissenschaft]]

Version vom 8. August 2020, 13:42 Uhr

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