Zivildienst

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Ambulante Altenpflege durch einen Zivildienstleistenden in München, 1996

Der Zivildienst ist die häufigste Form des Wehrersatzdienstes bzw. der Wehrdienstverweigerung. Der Wehrdienstverweigerer lehnt aus Gewissensgründen den Wehrdienst mit der Waffe ab und leistet stattdessen den Zivildienst. Streng genommen erfüllt dieser die Kriterien der Zwangsarbeit. Als Wehrersatzdienst ist der Zivildienst allerdings vom Verbot der Zwangsarbeit durch die Europäische Menschenrechtskonvention ausgenommen. Offizielle und umgangssprachliche Bezeichnungen:

  • Zivildienstleistender: offizielle Bezeichnung in Österreich und in der Schweiz
  • Zivildienstpflichtiger: weitere offizielle Bezeichnung in der Schweiz
  • Zivildiener: häufig genutzte Bezeichnung in Österreich
  • Zivi: umgangssprachliche Bezeichnung in Österreich und der Schweiz

Geschichte

Als erstes Land führte Dänemark im Jahr 1917 einen Wehrersatzdienst, der für soziale Aufgaben herangezogen wurde, ein; es folgten kurz darauf Länder wie Schweden und die Niederlande 1920, Norwegen 1921 und Finnland 1931.

Dauer

Dauer in Monaten der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes in europäischen Staaten
Land   Grundwehrdienst     Zivildienst  
Österreich 6 9
Schweiz 8,5
(260 Tage)
12,8
(390 Tage)
Finnland 6
 
12
(362 Tage)
Griechenland   12[1] 15[2]
Russland 12 21

Zivildienst in Europa

Österreich

Österreichische Zivildienst-Plakette von 1982

In Österreich kann der Wehrdienst seit 1975 aus Gewissensgründen verweigert werden. Der Zivildienst umfasst in der Regel Tätigkeiten im sozialen Umfeld, wie etwa im Rettungswesen, in der Sozial- und Behindertenhilfe, in der Altenbetreuung, in Krankenhäusern, bei der Feuerwehr, in der Landwirtschaft oder im Straßenverkehr als Schulwegpolizisten[3]. Der ordentliche Zivildienst dauert neun Monate, mehr als 40 % der tauglichen Männer eines Jahrganges (2018 waren es 13.466) leisten ihren Staatsdienst als Wehrersatzdienst ab, wobei die Zahl seit 2015 rückläufig ist.[4] Als Ersatz zum Zivildienst sind folgende Dienste möglich:

Schweiz

In der Schweiz sieht die Verfassung seit 1992 einen zivilen Ersatzdienst anstelle der Militärdienstleistung vor. 2009 wurde die Gewissensprüfung abgeschafft, seither darf jeder Schweizer ohne Hürde in den Zivildienst wechseln.[8] Der Zivildienst dauert das 1,5fache des noch zu leistenden Militärdienstes (derzeit total 260 Tage), also maximal 390 Tage. Geleistet wird er schwerpunktmäßig im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Umweltschutzbereich. Zudem sind Auslandseinsätze in der Entwicklungszusammenarbeit möglich. Die Einsätze werden selbständig ausgesucht und vereinbart, die Vollzugsstelle des Zivildienstes erstellt daraufhin das Aufgebot.

Finnland

In Finnland dauert der Zivildienst 12 Monate, während der Militärdienst nur sechs Monate dauert. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung wurde erstmals 1931 eingerichtet, beschränkt sich aber bis heute auf Friedenszeiten. Bei der Einführung des Zivildienstgesetzes 1987 dauerte der Zivildienst noch 16 Monate, was aber zu vielen Totalverweigerern führte. Die Dienstzeit wurde 1992 zu 13 Monaten verkürzt, seit 2008 ist die Dienstzeit 12 Monate. Der Antrag zur Kriegsdienstverweigerung wird ungeprüft genehmigt. Die Zahl der Verweigerer vervierfachte sich in den 1990er-Jahren auf 2.500 und stellt das Zivildienstsystem auch heute noch vor das Problem, dass es zu wenig Plätze für die Verweigerer gibt.

Russland

In Russland gibt es seit 2004 die Möglichkeit, Zivildienst zu leisten. Dieser dauert 21 Monate. Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen und der langen Dauer entscheiden sich jedoch nur wenige Russen gegen den Militärdienst. Im Frühling 2005 meldeten sich nur 346 von rund 170.000 Wehrpflichtigen für den Zivildienst und angeblich sind die Zahlen rückläufig.[9][10] In Russland gilt eine allgemeine Wehrpflicht von 12 Monaten für wehrfähige Männer ab 18 bis maximal 27 Jahren.

Länder mit abgeschafftem oder ausgesetztem Zivildienst

Deutschland

In Deutschland konnte der Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen verweigert werden. Bis zum Jahr 2010 musste das Recht auf Wehrdienstverweigerung unter Darlegung der Gewissensgründe beantragt werden. Wurde der Antrag angenommen, was seit den 1980er Jahren die Regel war, musste man als Ersatz für den Wehrdienst den Zivildienst leisten. Dieser Ersatzdienst dauerte anfänglich mit bis zu 20 Monaten meist länger als der Grundwehrdienst, da die Reserveübungen von Wehrdienstleistenden entfielen; vor der Aussetzung der Wehrpflicht dauerte der Zivildienst ebenso wie dieser nur noch 6 Monate. Zivildienstleistende wurden in der Regel für Tätigkeiten im sozialen Bereich eingesetzt, wie etwa in Krankenhäusern, Jugendhäusern, Altenheimen, im Rettungsdienst bzw. Krankentransport sowie in der Behindertenbetreuung. Sie leisteten Pflege- und Fahrdienste sowie Betreuung. Bis zum Jahr 2010 verweigerten viele 10.000 Männer jährlich den Wehrdienst. Die Zahl stieg dabei im Laufe der Jahrzehnte deutlich an. Während dies 1968 noch knapp 12.000 waren, lag die Zahl der Wehrdienstverweigerer 1990 bei 74.569.[11] Der Jahresdurchschnitt lag bis 2010 bei 62.000 Männern.[12] Wegen der Aussetzung des Wehrdienstes zum 1. Juli 2011 wurden ab Oktober 2010 Zivildienstleistende nur noch auf eigenen Wunsch einberufen. Diese freiwillige Art der Einberufung war nur bis zum 1. Juli 2011 möglich, sodass auch bei freiwillig längerer Dienstverpflichtung die letzten Zivildienstverhältnisse am 31. Dezember 2011 endeten. Als Ersatz für den ausgesetzten Zivildienst wurde 2011 der Bundesfreiwilligendienst (BFD) eingeführt, der alle bestehenden Freiwilligendienste ergänzt.

Italien

In Italien wurde der Zivildienst im Jahr 1972 eingeführt. Die Zivildienstzeit war nach der damaligen gesetzlichen Regelung acht Monate länger als die Militärdienstzeit. Dies und die strengen Prüfungen der vorgebrachten Gewissensgründe bewirkten, dass sich die Zahl der Wehrdienstverweigerer auf einem sehr geringen Niveau bewegte. 1989 erklärte das italienische Verfassungsgericht einige Teile der bisherigen rechtlichen Regelung für verfassungswidrig. In den Jahren danach stieg die Zahl der Zivildienstleistenden sprunghaft an und übertraf schließlich die der Wehrdienstleistenden. 1998 trat nach langer Diskussion ein zeitgemäßeres Gesetz über den Zivildienst in Kraft, das auch den inzwischen allgemein anerkannten Leistungen der Zivildienstleistenden für die Gesellschaft Rechnung trug. Im Jahr 2005 wurde in Italien die Wehrpflicht (und damit auch die Ersatzdienstpflicht) ausgesetzt und zugleich für Männer und Frauen die Möglichkeit eingeführt, einen freiwilligen einjährigen Wehrdienst in der italienischen Armee abzuleisten. Auch das italienische Zivildienstamt[13] bietet einen freiwilligen einjährigen Zivildienst an, der bei besonderem Bedarf auch im Ausland durchgeführt werden kann. Für den Zivildienst können sich junge Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 28 Jahren bewerben. 2009 waren zwei Drittel der Zivildienstleistenden Frauen. Jährlich stehen in der Regel nicht mehr als 50.000 Stellen zur Verfügung.

Schweden

In Schweden gab es schon in den 1920er-Jahren waffenfreie Dienste. Ab 1995 gab es die sogenannte Totalförsvarsplikt, die sowohl waffenfreie Dienste (Civilplikt) wie auch bewaffnete Dienste (Värnplikt) beinhalteten. Man hatte das Recht, einen waffenfreien Dienst abzuleisten, wenn man der Überzeugung war, keine Waffe gegen einen anderen Menschen anwenden zu können. Die dann erfolgende Zuteilung zur Civilplikt (Zivilpflicht) bedeutete aber nicht notwendigerweise einen sozialen Dienst, sondern konnte auch eine Ausbildung für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur (Wasser, Strom etc.) im Kriegsfall bedeuten, d. h. operative und Reparaturtätigkeiten.

In der Vergangenheit wurden die waffenfreie Dienste daher u. a. beim Rettungsdienst, Flugplatzfeuerwehren und der Eisenbahn durchgeführt. Vor der Aussetzung der Wehr- und Zivildienstpflicht gab es allerdings nur noch drei Ausbildungen im Rahmen der Civilplikt, die alle bei Svenska Kraftnät, dem Betreiber des schwedischen Stromnetzes, stattfanden.

In der Realität spielte der Zivildienst in Schweden aber nur eine untergeordnete Rolle. Schon aus Kostengründen wurden nicht alle Männer zur Musterung einberufen, wobei die Auswahl nach einem Vortest getroffen wurde, in dem auch die Motivation zum Wehrdienst abgefragt wurde. Über 90 % derer, die zur Musterung einberufen wurden, haben Interesse am Wehrdienst geäußert und waren damit in der Regel keine Kandidaten für einen waffenfreien Dienst. Die Beantragung eines waffenfreien Diensts war daher vielfach gar nicht notwendig.

Nur rund ein Viertel der Gemusterten wurde letztendlich auch zum Wehrdienst einberufen, wovon sich dann nur ein Bruchteil für den waffenfreien Dienst entschieden hat. Im Jahr 2006 wurden von 41.720 gemusterten Männern 10.990 Männer zum Wehrdienst und 133 zum waffenfreien Dienst eingezogen. Im Jahr 2010 hat Schweden als erstes neutrales Land die Wehr- und Zivildienstpflicht abgeschafft.

Siehe auch

  • [[WikipediaDE|Kategorie:Zivildienst}}
  • Zvildienst - Artikel in der deutschen Wikipedia
  • [[WikipediaDE|Anderer Dienst im Ausland}}
  • [[WikipediaDE|Bundesfreiwilligendienst}}
  • [[WikipediaDE|Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen|Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)}}
  • [[WikipediaDE|Entwicklungspolitischer Freiwilligendienst}}
  • [[WikipediaDE|Freiwilliges Soziales Jahr}}
  • [[WikipediaDE|Freiwilliges Ökologisches Jahr|Freiwilliges Ökologisches Jahr / Freiwilliges Umweltjahr}}
  • [[WikipediaDE|Kriegsdienstverweigerung}}
  • [[WikipediaDE|Pflichtjahr}}
  • [[WikipediaDE|Service Civil International}}
  • [[WikipediaDE|Soziales Pflichtjahr}}
  • [[WikipediaDE|Totalverweigerer}}
  • [[WikipediaDE|Wehrgerechtigkeit}}
  • Zivile Dienstpflicht

Weblinks

Einzelnachweise

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