Schāhnāme

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Miniatur aus einer Schāhnāme-Handschrift mit der Schlacht von al-Qādisīya

Schāhnāme (auch Schahnameh, persisch شاهنامه, DMG Šāhnāma oder Šāhnāme), das Königsbuch oder auch Buch der Könige, bezeichnet insbesondere das Lebenswerk des persischen Dichters Abū ʾl-Qāsim Firdausī (940–1020) und gleichzeitig das Nationalepos der persischsprachigen Welt; für seine Niederschrift benötigte der Dichter nach eigenen Angaben 35 Jahre. Es ist eines der berühmtesten Werke der persischen Literatur und der Weltliteratur. Mit nahezu 60.000 Versen in Form von Distichen ist es mehr als doppelt so umfangreich wie Homers Epen und mehr als sechsmal so lang wie das Nibelungenlied.

Daneben sind auch andere Schahnamehs (Königsbücher) oder ähnlich benannte Werke, die zu Ehren bzw. im Auftrag von Königen (Schahs) verfasst wurden, bekannt.[1]

Der historische Kern

Das Heldenepos befasst sich mit der Geschichte Persiens vor der islamischen Eroberung im siebten Jahrhundert. Es beginnt mit der Erschaffung der Welt und beschreibt die Entwicklung der persischen Zivilisation (Nutzung des Feuers, Entwicklung der Kochkunst, der Schmiedekunst und die Entstehung eines kodifizierten Rechtssystems, die Stiftung der traditionellen Festtage usw.). Das Werk führt den Leser, wenngleich nicht exakt chronologisch, von der Vergangenheit in die Gegenwart Firdausīs. Einige der literarischen Figuren leben für mehrere hundert Jahre, aber die meisten erleben nur ein Menschenalter. Im Werk benutzt Firdausī nicht das aus dem Griechischen stammende Wort „Persien“, welches im Persischen nur die südiranische Provinz Fārs (gr. Persis) bezeichnet, sondern stattdessen die einheimische Bezeichnung Irān, welche in der Vergangenheit ein weitaus größeres Gebiet umfasste als den heutigen Staat Iran. Die Schahs und Helden kommen und gehen, und das Einzige, was bleibt, ist – so erklärt es Firdausī – nur Irān. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, von denen keiner dem anderen gleicht, beschreiben das Vergehen der Zeit.

Entstehungsgeschichte

Firdausīs Biograf Nezāmī ʿArūżī berichtet, dass Firdausī als Vorlage seiner Dichtung das Ḫodāynāme, das „Buch der Könige“, herangezogen hat.[2] Dieses Opus der Könige Persiens entstand auf Betreiben von Abū Manṣur Moḥammad ibn ʿAbdor-Razzāq, dem seinerzeitigen Statthalter von Tūs,[3] und basierte auf Berichten zoroastrischer Priester, die in mündlichen Überlieferungen von Generation zu Generation weitergegeben worden waren und im Mittelpersischen als Ḫotāynāmag bekannt waren.

Der erste, der die vorislamische Geschichte Persiens in Gedichtform fasste, war Abū Mansūr Muhammad ibn Ahmad Daqīqī, ein Dichter am Hof der Samaniden. Daqīqī war angeblich Anhänger der zoroastrischen Religion, was in diesen Tagen lebensgefährlich war. Sein türkischer Diener soll ihn erstochen haben. Vor seinem gewaltsamen Ende hatte er mit dem sogenannten Schāhnāme-ye Mansur tausend Verse verfasst, wobei den Beginn seiner Arbeit die Schilderung der Herrschaft Goštāsps und das Auftreten Zarathustras bildete.[4] Ein Vers seiner Dichtung lautet:[5]

„Daqīqī, was in diese Welt geboren
aus Gut und Schlechtem, hat vier Dinge auserkoren,
Rubinrote Lippen und der Harfe Klang,
Blutroter Wein und Zarathustras Sang.“

Firdausī berichtet, dass ihm Daqīqī im Traum erschienen sei und ihn gebeten habe, sein Werk fortzusetzen. Firdausī hat einige Versvorlagen Daqīqīs in sein Werk einbezogen. Er begann 977 mit der Niederschrift und beendete sein Werk um 1010.[6] Firdausī schrieb sein gewaltiges Epos in einer Zeit, in der die neue Dynastie der Ghasnawiden sich einer islamischen Staatsidee zuwandte und Vorislamisches nicht gefragt war. Firdausī ging bei seiner Dichtung umsichtiger als Daqīqī vor und vermied es, pro-zoroastrisch zu erscheinen. Einige Autoren behaupten daher, dass mehrere Verse Daqīqīs, die gegenüber der Herrscherschicht zu kontrovers gewesen wären, von Firdausī nicht übernommen worden seien.[5] Trotzdem enthält das Werk deutliche Hinweise auf die zoroastrischen Traditionen Irans, die heute noch unter anderem in der Feier des iranischen Neujahrsfestes „Nouruz“ lebendig sind.

Um Anfeindungen zu entgehen, widmete Firdausī sein Werk dem Ghasnawiden Sultan Mahmud.

Inhalt

Das Schāhnāme ist in 62 Sagen, bestehend aus 990 Kapiteln mit nahezu 60.000 Versen, gegliedert. Firdausī selbst spricht von 60.000 Versen. Die vorliegenden Veröffentlichungen enthalten 50 Sagen mit etwas mehr als 50.000 Versen.

Hauptfigur ist neben den in den jeweiligen Sagen dargestellten Königen der mythische Held Rostam, Prinz von Zabulistan, der bei vielen Schlachten die Grenzen des antiken Iran gegen seine Feinde, insbesondere gegen die Turaner, verteidigt. Das Schāhnāme ist nicht nur ein beeindruckendes Denkmal der persischen Dichtkunst, sondern auch ein Stück geschichtlicher Erzählung, da Firdausī in seinem Werk wiedergibt, was er und seine Zeitgenossen als die Geschichte Irans betrachteten. In die Darstellung historischer Ereignisse lässt Firdausī an seine Mitmenschen gerichtete Ratschläge einfließen. Er nutzte offenbar schriftliche und mündliche Quellen, doch handelt es sich um keine Geschichtsschreibung im eigentlichen Sinne: Oft sind historische Geschehnisse mit sagenhaften Erzählungen verknüpft, so dass sich tatsächlich belegte Personen und Ereignisse mit fiktiven Schilderungen mischen.

Das Epos beginnt mit der Regierungszeit der Urkönige, in der die rasche Entwicklung der menschlichen Zivilisation dargestellt wird. Wirklich lebendig wird das Epos mit der Sage 4 von Dschamschid und dessen Auseinandersetzungen mit Zahak, dessen Sturz durch den Schmied Kaveh und Fereydūn. Die Teilung des altiranischen Reiches unter den drei Söhnen des Fereydūn führt zum ersten Brudermord. Iradsch wird von seinen Brüdern Tur und Salm ermordet. Damit beginnt die Blutsfeindschaft zwischen Iran und Turan. Zunächst rächt Manutschehr den Tod seines Vaters Iradsch. Unter Manutschers Regierung wird von Sām berichtet. In diese Zeit fallen auch die abenteuerlichen Jugendgeschichten von Sāms Sohn Zāl, seine Liebe zu Rudabeh und die Geburt und die ersten Abenteuer von Rostam. Die Ermordung des in Gefangenschaft geratenen Königs Nowzar, des Nachfolgers von Manutscher, durch den turanischen König Afrasiab entfacht wieder den Krieg mit Turan. Der Krieg sollte, zwar mehrmals auf längere Zeit unterbrochen, die Zeit der Regierung der fünf folgenden Könige andauern. Rostam kann zwar bereits in der ersten Schlacht Afrasiab am Gürtel packen, doch der Gürtel reißt und der feindliche König entkommt. In die Regierungszeit des unverständigen Kai Kawous, auch Kai Kaus genannt, fallen die großartigsten Heldentaten Rostams und auch der tragische Zusammenstoß mit seinem Sohn Sohrab, der durch seinen eigenen Vater aus Unkenntnis über dessen wahre Identität getötet wird. Afrasiab tötet Siyawasch, der sich wegen Misshelligkeiten mit seinem Vater Kai Kawous zu ihm geflüchtet und dem er seine Tochter zur Ehe gegeben hat. Diese Mordtat macht den Krieg unversöhnlich. Im weiteren Kriegsgeschehen, das unter dem Motto „Rache für Siyawasch steht“, tritt Rostam etwas in den Hintergrund. Kai Chosrau, der Sohn Siyawaschs, der mit viel Mühe aus Turan geholt worden war, beendet den Krieg siegreich. Afrasiab flüchtet, wird aber entdeckt und getötet. Zuvor wird noch die Liebesgeschichte zwischen Bijan und Manischeh, der Tochter Afrasiabs, erzählt. Bei Lohrāsp, mit dem eine Nebenlinie auf den Thron kommt, hören wir fast nur von den Abenteuern seines Sohnes Goschtasp. Unter Goschtasp predigt Zarathustra seine neue Religion. Infolgedessen kommt es erneut zum Krieg. Vorkämpfer der Religion des Zarathustra ist Esfandiyar, der Sohn des Königs Goschtasp. Esfandiyar wird von seinem Vater, der ihm den Thron versprochen hat, immer wieder in den Krieg geschickt. Zuletzt soll er Rostam gefangen nehmen. Esfandiyar, der mit geschlossenen Augen ein Bad der Unverwundbarkeit genommen hat, wird von Rostam durch einen Pfeilschuss in die offenen Augen getötet. Rostam fällt jedoch wenig später ebenfalls. Mit Darab und Dara leitet das Epos auf Alexander über. Mit Ardaschir I. beginnt der Bericht der Geschichte der Sassaniden bis zum Untergang des Perserreiches mit der Schlacht von Kadesia. Das Epos endet mit der Schilderung des Schicksals des letzten Königs der Sassaniden Yazdegerd III.[7]

Für die Rostam-Legende sind die ersten fünfzehn Könige interessant, die schon das Avesta nennt und deren Reihenfolge dort mit der Reihenfolge in Schāhnāme übereinstimmt. Diese Anordnung erfolgte wahrscheinlich unter Schapur I., um die Rechtmäßigkeit der dynastischen Ansprüche der Sassaniden zu belegen.[8]

Siehe auch

Schāhnāme-Übersetzungen

Deutsch

  • Friedrich Rückert: Firdosi’s Königsbuch (Schahname). Aus dem Nachlaß herausgegeben von Edmund Alfred Bayer, 3 Bände, Verlag von Georg Reimer, Berlin 1890–1895 (Copyright: Walter de Gruyter & Co., Berlin) Nachdruck: Imperial Organization for Social Services, Teheran 1976 (in der Reihe: The Pahlavi Commemorative Reprint Series, hrsg. von M. Moghdam und Mostafa Ansari).
  • Friedrich Rückert: Firdosi’s Königsbuch (Schahname) Sage I-XIII. Aus dem Nachlaß herausgegeben von E. A. Bayer. 1890. Nachdruck: epubli, Berlin 2010, ISBN 978-3-86931-356-6.
  • Friedrich Rückert: Firdosi’s Königsbuch (Schahname) Sage XV-XIX. Aus dem Nachlaß herausgegeben von E. A. Bayer. Nachdruck: epubli, Berlin 2010, ISBN 978-3-86931-407-5.
  • Friedrich Rückert: Firdosi’s Königsbuch (Schahname) Sage XX-XXVI. Aus dem Nachlaß herausgegeben von E. A. Bayer. Nachdruck der Erstausgabe. epubli Berlin, 2010, ISBN 978-3-86931-555-3.
  • Friedrich Rückert: Rostem und Suhrab. Eine Heldengeschichte in 12 Büchern. Nachdruck der Erstausgabe von 1838. epubli, Berlin, 2010, ISBN 978-3-86931-571-3.
  • Friedrich Rückert: Schahname - Das Buch der Könige, Band 1. Neuausgabe. Berlin 2017. ISBN 978-3-745007572.
  • Friedrich Rückert: Rostam und Sohrab. Neuausgabe. Epubli, 2010 ISBN 978-3-86931-684-0.
  • Friedrich Rückert: Rostam und Sohrab. Neuausgabe E-Book. Epubli, 2011 ISBN 978-3-86931-939-1.
  • Helmhart Kanus-Credé: Das Königsbuch. Augustin, Glückstadt
  • Joseph Görres: Das Heldenbuch von Iran. Aus dem Schah Nameh des Firdussi. I-II, Georg Reimer, Berlin 1820
  • Werner Heiduczek (unter Mitarbeit von Dorothea Heiduczek): Die schönsten Sagen aus Firdausis Königsbuch, neu erzählt. (Nach Görres, Rückert und Schack. Fachliche Beratung und Nachwort: Burchard Brentjes) Der Kinderbuchverlag, Berlin 1982, ISBN 3-7684-5525-4.
  • Adolf Friedrich von Schack: Heldensagen des Firdusi. In deutscher Nachbildung nebst einer Einleitung von Adolf Friedrich von Schack. In drei Bänden, Cotta, Stuttgart 18xx.
  • Uta von Witzleben: Firdausi: Geschichten aus dem Schahnameh. Eugen Diederichs Verlag. Düsseldorf und Köln 1960 (Neuausgabe 1984, ISBN 3-424-00790-0).
  • Abū'l-Qāsem Ferdausi: Rostam – Die Legenden aus dem Šāhnāme. Aus dem Persischen übersetzt und herausgegeben von Jürgen Ehlers. Reclam, Stuttgart 2002, ISBN 3-15-050039-7; Neuauflage: Schahname – Die Rostam-Legenden, 2010

Englisch

  • Arthur Warner, Edmond Werner: The Shahnama. 9 Bd. London 1905–1925.
  • Dick Davis: Shahnameh. Penguin Group, New York 2006, ISBN 0-670-03485-1.

Französisch

  • Jules Mohl: Le Livre des Rois I-VII. Paris 1838–1855.

Literatur

  • Fateme Hamidifard-Graber: Von Ackerwinde bis Zypresse - Das Pflanzenreich im „Königsbuch“ des Ferdousī. Klaus Schwarz Verlag, Berlin 2009.
  • Djalal Khaleghi-Motlagh: Notes on the Shahnameh. Vol 1-4. Published by the Persian Heritage Foundation. Eisenbraun, Winona Lake/Indiana 2001–2009, ISBN 0-933273-59-2.
  • Djalal Khaleghi-Motlagh: Die Frauen im Schahname - Ihre Geschichte und Stellung unter gleichzeitiger Berücksichtigung vor- und nachislamischer Quellen. Köln 1971.
  • Theodor Nöldeke: Das iranische Nationalepos. 2. Aufl. Berlin 1920 (Digitalisat der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle).
  • Parvaneh Pourshariati: The Parthians and the Production of Canonical Shahnames. In: Henning Börm, Josef Wiesehöfer (Hrsg.): Commutatio et Contentio. Studies in the Late Roman, Sasanian, and Early Islamic Near East. In memory of Zeev Rubin (= Reihe Geschichte. Bd. 3). Wellem, Düsseldorf 2010, ISBN 978-3-941820-03-6, S. 346–392.
  • Stuart Cary Welch: Persische Buchmalerei aus fünf königlichen Handschriften des sechzehnten Jahrhunderts. Prestel-Verlag, München 1976, 2. Aufl. 1978, S. 29 und 34–53
  • Fritz Wolff: Glossar zu Firdosis Schahname. Nachdruck der Erstausgabe von 1935. Hildesheim 1965 und Teheran 1377/1998.

Weblinks

Commons: Schāhnāme - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Paul Horn: Geschichte der persischen Litteratur. C. F. Amelang, Leipzig 1901 (= Die Litteraturen des Ostens in Einzeldarstellungen, VI.1), S. 112 f.
  2. Nezāmī ʿArūżī: Ahmad ibn ʿOmar ibn ʿAlī: Čahār maqāle (Vier Abhandlungen). o.J., S. 51.
  3. Theodor Nöldeke: Das iranische Nationalepos. 2. Aufl. Berlin 1920, S. 16.
  4. Abu'l-Qasem Ferdausi: Rostam – Die Legenden aus dem Sahname. Aus dem Persischen übersetzt und herausgegeben von Jürgen Ehlers. Reclam, Stuttgart 2002, ISBN 3-15-050039-7, S. 383.
  5. 5,0 5,1 Ferdowsis Shahnameh. Zoroastrian Heritage (englisch)
  6. Djalal Khaleghi-Motlagh: FERDOWSI, ABU'L-QĀSEM i. Life. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica, eingesehen am 15. Mai 2013 (englisch, inkl. Literaturangaben)
  7. Theodor Nöldeke: Das Iranische Nationalepos. 2. Aufl. Berlin 1920, S. 44f.
  8. Abū'l-Qāsem Ferdausi: Rostam – Die Legenden aus dem Šāhnāme. Aus dem Persischen übersetzt und herausgegeben von Jürgen Ehlers. Stuttgart 2002, S. 405.


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