Jean-Pierre Changeux und Karl Fortlage: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Jean-Pierre Changeux by Erling Mandelmann.jpg|mini|hochkant|Jean-Pierre Changeux]]
'''Karl Fortlage''' (* [[Wikipedia:12. Juni|12. Juni]] [[Wikipedia:1806|1806]] in [[Wikipedia:Osnabrück|Osnabrück]]; † [[Wikipedia:8. November|8. November]] [[Wikipedia:1881|1881]] in [[Wikipedia:Jena|Jena]]) war ein deutscher [[Philosoph]].  
'''Jean-Pierre Changeux''' (* [[Wikipedia:6. April|6. April]] [[Wikipedia:1936|1936]] in [[Wikipedia:Domont|Domont]], Frankreich) ist Professor für molekulare [[Neurobiologie]] am [[Wikipedia:Collège de France|Collège de France]] und am [[Wikipedia:Institut Pasteur|Institut Pasteur]] (seit 1967). Die Hauptforschungsthemen des ehemaligen Studenten von [[Jacques Monod (Biologe)|Jacques Monod]] sind die molekularen und zellulären Mechanismen der [[Signaltransduktion]] von [[Rezeptor (Biochemie)|Rezeptoren]] im Gehirn. Changeux und Mitarbeiter sind Autoren einer Theorie zur [[Epigenese]] von neuronalen Netzwerken und [[Kognitionswissenschaft|höheren Gehirnfunktionen]] durch selektive Stabilisierung von [[Synapse]]n.


Changeux studierte an der [[Wikipedia:École normale supérieure (Paris)|École normale supérieure]] mit dem Abschluss 1955. Er erwarb 1957 seinen DEA-Abschluss und wurde 1964 bei Jacques Monod und Francois Jacob am Institut Pasteur promoviert. 1965/66 war er als [[Wikipedia:Post-Doktorand|Post-Doktorand]] an der [[Wikipedia:University of California, Berkeley|University of California]] und 1967 an der [[Wikipedia:Columbia University|Columbia University]] (Medizinische Fakultät). Ab 1972 war er in der Forschungsgruppe ''Molekulare Neurobiologie'' des Instituts Pasteur und wurde dort 1975 Professor. 1975 bis 2006 war er außerdem Professor für Zellkommunikation am Collège de France.
== Leben und Werk ==
Karl Fortlage wurde 1829 Privatdozent in Heidelberg, 1845 in Berlin und 1846 als Professor der Philosophie nach Jena berufen.  


Seine Doktorarbeit beschäftigte sich mit der Regulation von Enzymen, wobei er das Konzept der ''allosterischen Interaktion'' einführte. Ein Signal greift an einer Stelle des Enzyms an, was zu einer Konformationsänderung führt und somit die Wirkung des Enzyms (Bindungsstelle an das Substrat an einer örtlich davon getrennten Stelle) beeinflusst. Das Konzept wandte er später auf den [[Wikipedia:Acetylcholin|Acetylcholin]]-Rezeptor im Nervensystem an. Insbesondere untersuchte er den [[Wikipedia:Nikotinischer Acetylcholinrezeptor|nikotinischen Acetylcholinrezeptor]], der einen Ionenkanal in der Zellmembran von Nervenzellen und Muskelzellen bildet. Das war der erste Membranrezeptor, der isoliert und charakterisiert wurde (Struktur, Bindungsstellen, genauer Funktionsmechanismus durch die Gruppe von Changeux). In den 1990er Jahren brachte er auch höhere kognitive Funktionen mit Eigenschaften von Transmitter-Rezeptoren in Verbindung (zum Beispiel Emotionen, Drogenabhängigkeit, Langzeitgedächtnis, Aufmerksamkeit mit Acetylcholin-Rezeptoren). Seine Gruppe machte mutierte hyperaktive Rezeptoren für eine Form der Epilepsie verantwortlich (autosomal-dominante Frontallappen-Epilepsie) und Funktionsverluste bei Acetylcholin-Rezeptoren für Lerndefizite und Beschleunigung von Alterungsprozessen. Er prägte dafür den Begriff „Rezeptorenkrankheit“.
Ursprünglich [[Hegel]]ianer, wie seine Jugendschrift ''Die Lücken des Hegelschen Systems'' (Heidelb. 1832) beweist, ging er, durch das Studium [[Immanuel Kant|Kant]]s und besonders [[Johann Gottlieb Fichte|Fichte]]s und [[Wikipedia:Friedrich Eduard Beneke|Beneke]]s veranlasst, zu einer Verschmelzung der Wissenschaftslehre mit der empirischen Psychologie und zu einem Standpunkt über, den er selbst als transcendentalen Pantheismus bezeichnet hat.  


Die Laudatio zum Balzan-Preis würdigt ihn mit den Worten, er habe eine ''neue Richtung bei der Erforschung der kognitiven Funktionen begründet, indem er sie mit der molekularen Ebene verband,'' und als einen der Väter der modernen Neurobiologie.
Seine beiden philosophischen Hauptwerke sind: ''Genetische Geschichte der Philosophie seit Kant'' (Leipzig 1852) u. ''System der Psychologie'' (Leipzig 1855, 2 Bde.).


Er verfasste ein populärwissenschaftliches Buch über Neurobiologie auf hohem Niveau ''(Der neuronale Mensch)'' und Bücher über den künstlerischen Schöpfungsakt ''(Raison et plaisir)'' aus neurobiologischer Perspektive sowie Diskurse mit dem Philosophen [[Wikipedia:Paul Ricoeur|Paul Ricoeur]] und dem Mathematiker [[Wikipedia:Alain Connes|Alain Connes]].
[[Rudolf Steiner]] wies darauf hin, dass Fortlage bereits erkannt hatte, dass Bewusstsein auf einem dem [[Leben]] entgegengesetzen ''Verzehrungsprozess'' beruht. In seinen «Acht psychologischen Vorträgen» (1869) schrieb Fortlage:


== Schriften ==
{{LZ|Wenn wir uns lebendige Wesen nennen, und so uns eine Eigenschaft beilegen,
Bücher:
die wir mit Tieren und Pflanzen teilen, so verstehen wir unter dem
* ''Der neuronale Mensch. Wie die Seele funktioniert – die Entdeckungen der neuen Gehirnforschung.'' Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1984, ISBN 3-498-00865-X (Originalausgabe ''L'Homme Neuronal,'' Fayard, Paris, 1983, Hachette, Paris, 1998).
lebendigen Zustand notwendig etwas, das uns nie verlässt, und sowohl
* Mit Alain Connes: ''Gedankenmaterie.'' Springer, Berlin u. a. 1992, ISBN 3-540-54559-X (Original ''Matière à pensée,'' Odile Jacob 1989, Ed. du Seuil 1992).
im Schlaf als im Wachen stets in uns fortdauert. Dies ist das vegetative
* ''Raison et plaisir.'' Odile Jacob, Paris, 1992.
Leben der Ernährung unseres Organismus, ein unbewusstes Leben, ein
* Herausgeber: ''Fondements naturels de l'éthique.'' Odile Jacob, Paris, 1993.
Leben des Schlafs. Das Gehirn macht hier dadurch eine Ausnahme, dass
* Herausgeber mit Jean Chavaillon: ''Origins of the Human Brain.'' (Fyssen Foundation Symposium 5), Oxford University Press, 1996.
dieses Leben der Ernährung, dieses Schlafleben bei ihm in den Pausen
* Herausgeber: ''Une même éthique pour tous ?'' Odile Jacob, Paris, 1997.
des Wachens überwogen wird von dem Leben der Verzehrung. In diesen
* Mit Paul Ricoeur: ''Ce qui nous fait penser.'' Odile Jacob, Paris, 1998, 2000 (englische Übersetzung: ''What makes us think? A Neuroscientist and a Philosopher Argue about Ethics, Human Nature, and the Brain,'' Princeton University Press, 2000).
Pausen steht das Gehirn einer überwiegenden Verzehrung preisgegeben,
und gerät folglich in einen Zustand, welcher, wenn er sich auf die übrigen
Organe miterstreckte, die absolute Entkräftigung des Leibes oder
den Tod zu Wege bringen würde. Der Zustand des Bewusstseins und der Persönlichkeit kommt demnach nur dann zustande, wenn das Zentrum und der Urquell unserer Nervenkraft, das Gehirn, an der Gefahr des Todes leidet. Jedoch wird auf diesem Wege der Lebensgefahr nur immer soweit vorgeschritten, als sich mit der Erhaltung des Gesammtorganismus verträgt ...|Fortlage, S. 35f [https://archive.org/stream/achtpsychologis00fortgoog#page/n45/mode/2up]}}


Aufsätze (Auswahl):
==Schriften (Auswahl)==
* Mit J. Monod, J. Wyman: ''On the nature of allosteric transitions: a plausible model.'' J. Mol. Biol., Band 12, 1965, S. 88–118.
* ''Ueber die Denkweise der ältesten Philosophen'' (Inaugural-Abhandlung, München 1829) [https://archive.org/details/ueberdiedenkwei00fortgoog archive.org]
* Mit M. Kasai, C. Y. Lee: ''The use of a snake venom toxin to characterize the cholinergic receptor protein.'' Proc. Nat. Acad. Sc. U.S.A., Band 67, 1970, S. 1241–1247.
* ''Die Lücken des Hegelschen Systems der Philosophie'' (Leipzig, 1832) [https://archive.org/details/dielckendeshege00fortgoog archive.org]
* Mit A. Danchin: ''The selective stabilization of developing synapses: a plausible mechanism for the specification of neuronal networks.'' A. Nature, Band 264, 1976, S. 705–712.
* ''Darstellung und Kritik der Beweise für das Dasein Gottes'' (Heidelberg 1840)
* Mit J. Giraudat u. a.: ''Structure of the high affinity binding site for noncompetitive blockers of the acetylcholine receptor: Serine-262 of the delta subunit is labeled by [3 H] chlorpromazine.'' Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A., Band 83, 1986, S. 2719–2723.
* ''Gesänge christlicher Vorzeit'' (Berlin 1844) [https://archive.org/details/gesngechristlic00fortgoog archive.org]
* Mit S. Dehaene: ''The Wisconsin card sorting test: theoretical analysis and modelling in a neuronal network.'' Cerebral Cortex, Band 1, 1991, S. 62–79.
* ''Das musikalische System der Griechen'' (Leipzig 1847)
* Mit M. Picciotto u. a.: ''Abnormal avoidance learning in mice lacking functional high-affinity nicotine receptor in the brain.'' Nature, Band 374, 1995, S. 65–67.
* ''Genetische Geschichte der Philosophie seit Kant'' (Leipzig 1852)
* Mit M. Picciotto u. a.: ''Acetylcholine receptors containing 2-subunit are involved in the reinforcing properties of nicotine.'' J.P. Nature, Band 391, 1998, S. 173–177.
* ''System der Psychologie'' (Leipzig 1855, 2 Bde.) [https://archive.org/details/systemderpsycho01fortgoog Band 1]
* Mit M. Zoli u. a.: ''Increased neurodegeneration during aging in mice lacking high-affinity nicotinic receptors.'' EMBO J., Band 18, 1999, S. 1235–1244.
* ''Acht psychologische Vorträge'' (Jena 1869, 2. Aufl. 1872) [https://archive.org/details/achtpsychologis00fortgoog archive.org]
* Mit R. Klink u. a.: ''Molecular and physiological diversity of nicotinic acetylcholine receptors in the midbrain dopaminergic nuclei.'' J. Neurosci., Band 21, 2001, S. 1452–1463.
* ''Sechs philosophische Vorträge'' (Jena 1869)
* Mit S. Edelstein: ''Allosteric receptor after 30 years.'' Neuron, Band 21, 1998, S. 959–980.
* ''Vier psychologische Vorträge'' (Jena 1874) [https://archive.org/details/vierpsychologis00fortgoog archive.org]
* Mit S. Dehaene, M. Kerszeberg: ''A neuronal model of a global workspace in effortful cognitive tasks.'' J.P. Proc. Natl. Acad. Sci. (USA), Band 95, 1998, S. 14529–14534.
* ''[[Wikipedia:Friedrich Rückert|Friedrich Rückert]] und seine Werke'' (Frankfurt 1867) [https://archive.org/details/friedrichrckert00fortgoog archive.org]
* ''Beiträge zur Psychologie als Wissenschaft aus Spekulation und Erfahrung'' (Leipzig 1875) [https://archive.org/details/beitrgezurpsych00fortgoog archive.org]
 
== Literatur ==
* {{NDB|5|304|305|Fortlage, Karl|Heinz Alfred Brockhaus|118684256}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|132034557}}
{{Commonscat}}
* [http://www.balzan.org/de/preistrager/jean-pierre-changeux ''Jean-Pierre Changeux.''] Internationale Stiftung Preis Balzan
* {{DNB-Portal|118684256}}
* [http://www.ae-info.org/ae/Member/Changeux_Jean-Pierre Webseite bei der Academia Europaea]
* [http://www.deutsche-biographie.de/pnd118684256.html Fortlage, Arnold Rudolf Karl] In: [[Wikipedia:Neue Deutsche Biographie|Neue Deutsche Biographie]] (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9


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Version vom 15. Oktober 2018, 09:16 Uhr

Karl Fortlage (* 12. Juni 1806 in Osnabrück; † 8. November 1881 in Jena) war ein deutscher Philosoph.

Leben und Werk

Karl Fortlage wurde 1829 Privatdozent in Heidelberg, 1845 in Berlin und 1846 als Professor der Philosophie nach Jena berufen.

Ursprünglich Hegelianer, wie seine Jugendschrift Die Lücken des Hegelschen Systems (Heidelb. 1832) beweist, ging er, durch das Studium Kants und besonders Fichtes und Benekes veranlasst, zu einer Verschmelzung der Wissenschaftslehre mit der empirischen Psychologie und zu einem Standpunkt über, den er selbst als transcendentalen Pantheismus bezeichnet hat.

Seine beiden philosophischen Hauptwerke sind: Genetische Geschichte der Philosophie seit Kant (Leipzig 1852) u. System der Psychologie (Leipzig 1855, 2 Bde.).

Rudolf Steiner wies darauf hin, dass Fortlage bereits erkannt hatte, dass Bewusstsein auf einem dem Leben entgegengesetzen Verzehrungsprozess beruht. In seinen «Acht psychologischen Vorträgen» (1869) schrieb Fortlage:

„Wenn wir uns lebendige Wesen nennen, und so uns eine Eigenschaft beilegen, die wir mit Tieren und Pflanzen teilen, so verstehen wir unter dem lebendigen Zustand notwendig etwas, das uns nie verlässt, und sowohl im Schlaf als im Wachen stets in uns fortdauert. Dies ist das vegetative Leben der Ernährung unseres Organismus, ein unbewusstes Leben, ein Leben des Schlafs. Das Gehirn macht hier dadurch eine Ausnahme, dass dieses Leben der Ernährung, dieses Schlafleben bei ihm in den Pausen des Wachens überwogen wird von dem Leben der Verzehrung. In diesen Pausen steht das Gehirn einer überwiegenden Verzehrung preisgegeben, und gerät folglich in einen Zustand, welcher, wenn er sich auf die übrigen Organe miterstreckte, die absolute Entkräftigung des Leibes oder den Tod zu Wege bringen würde. Der Zustand des Bewusstseins und der Persönlichkeit kommt demnach nur dann zustande, wenn das Zentrum und der Urquell unserer Nervenkraft, das Gehirn, an der Gefahr des Todes leidet. Jedoch wird auf diesem Wege der Lebensgefahr nur immer soweit vorgeschritten, als sich mit der Erhaltung des Gesammtorganismus verträgt ...“ (Lit.: Fortlage, S. 35f [1])

Schriften (Auswahl)

  • Ueber die Denkweise der ältesten Philosophen (Inaugural-Abhandlung, München 1829) archive.org
  • Die Lücken des Hegelschen Systems der Philosophie (Leipzig, 1832) archive.org
  • Darstellung und Kritik der Beweise für das Dasein Gottes (Heidelberg 1840)
  • Gesänge christlicher Vorzeit (Berlin 1844) archive.org
  • Das musikalische System der Griechen (Leipzig 1847)
  • Genetische Geschichte der Philosophie seit Kant (Leipzig 1852)
  • System der Psychologie (Leipzig 1855, 2 Bde.) Band 1
  • Acht psychologische Vorträge (Jena 1869, 2. Aufl. 1872) archive.org
  • Sechs philosophische Vorträge (Jena 1869)
  • Vier psychologische Vorträge (Jena 1874) archive.org
  • Friedrich Rückert und seine Werke (Frankfurt 1867) archive.org
  • Beiträge zur Psychologie als Wissenschaft aus Spekulation und Erfahrung (Leipzig 1875) archive.org

Literatur

Weblinks

Commons: Karl Fortlage - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema


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