Unendliche Menge und Kardinalzahl: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Unendliche Menge ''' ist ein Begriff aus der [[Mengenlehre]], einem Teilgebiet der [[Mathematik]]. Schon die Verwendung der negierenden Vorsilbe ''un'' legt folgende Definition nahe:
#WEITERLEITUNG [[Mächtigkeit (Mathematik)#Kardinalzahl]]
 
* Eine Menge heißt unendlich, wenn sie nicht endlich ist.
 
Mit Hilfe der Definition der [[Endliche Menge|endlichen Menge]] lässt sich das wie folgt umformulieren:
 
* Eine Menge ist unendlich, wenn es keine natürliche Zahl <math>n</math> gibt, so dass die Menge gleichmächtig zu <math>\{0,1,\ldots,n-1\}</math> ist (für <math>n=0</math> ist das die [[leere Menge]]),
 
mit dem [[Natürliche Zahlen#Von Neumanns Modell der natürlichen Zahlen|von-Neumannschen Modell]] der natürlichen Zahlen noch kompakter als
 
* eine Menge ist unendlich, wenn sie nicht gleichmächtig zu einer natürlichen Zahl (gemäß ihrer von-Neumannschen Darstellung) ist.
 
Beispiele für unendliche Mengen sind die Menge der [[Natürliche Zahlen|natürlichen Zahlen]] <math>\N = \{0, 1, 2, 3, \ldots\}</math> oder die Menge <math>\R</math> der [[Reelle Zahl|reellen Zahlen]].
 
== Dedekind-Unendlichkeit ==
Auf [[Richard Dedekind]] geht die folgende Definition einer unendlichen Menge zurück:
 
* Eine Menge heißt unendlich, falls sie zu einer echten [[Teilmenge]] gleichmächtig ist.
 
Genauer spricht man in diesem Fall von Dedekind-Unendlichkeit. Der Vorteil dieser Definition ist, dass sie keinen Bezug auf die [[Natürliche Zahl|natürlichen Zahlen]] nimmt. Die Äquivalenz zur eingangs definierten Unendlichkeit erfordert allerdings das [[Auswahlaxiom]]. Dass Dedekind-unendliche Mengen unendlich sind, ist klar, da keine endliche Menge zu einer echten Teilmenge gleichmächtig sein kann. Ist umgekehrt <math>A</math> eine unendliche Menge, so wähle man mit Hilfe des Auswahlaxioms rekursiv Elemente
 
:<math>a_0 \in A </math>
:<math>a_1 \in A \setminus \{a_0\}</math>
:<math>\ldots</math>
:<math>a_n \in A \setminus \{a_0,\ldots,a_{n-1}\}</math>
:<math>\ldots</math>
 
Da <math>A</math> unendlich ist, kann niemals <math>A=\{a_0,\ldots,a_{n-1}\}</math> sein, weshalb die Wahl von <math>a_n</math> stets möglich ist.
Die Abbildung
:<math>f:A\rightarrow A\setminus \{a_0\},\quad a\mapsto \begin{cases} a_{n+1} &, \mbox{ falls } a=a_n \mbox{ für ein }n\\ a &, \mbox{ sonst}\end{cases}</math>
zeigt dann, dass <math>A</math> zur echten Teilmenge <math>A\setminus \{a_0\}</math> gleichmächtig und daher Dedekind-unendlich ist.
 
Ohne eine zumindest schwache Version des Auswahlaxioms (i.&nbsp;d.&nbsp;R. das [[Abzählbares Auswahlaxiom|abzählbare Auswahlaxiom]]) kann man nicht zeigen, dass unendliche Mengen auch Dedekind-unendlich sind.
 
== Existenz unendlicher Mengen ==
In der [[Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre]], das heißt in der üblichen, von den meisten Mathematikern akzeptierten Grundlage der Mathematik, ist die Existenz unendlicher Mengen durch ein Axiom, dem sogenannten [[Unendlichkeitsaxiom]], gefordert. In der Tat kann man die Existenz unendlicher Mengen nicht aus den übrigen Axiomen schließen. Dieses Unendlichkeitsaxiom wird von manchen Mathematikern, sogenannten [[Konstruktive Mathematik|Konstruktivisten]], kritisiert, da die Existenz unendlicher Mengen nicht aus logischen Axiomen beweisbar ist. Daher werden unendliche Mengen auch in der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre verdächtigt, möglicherweise zu Widersprüchen zu führen, obwohl die Russellsche Antinomie dort nicht möglich ist. In der Tat kann die [[Widerspruchsfreiheit]] der Mengenlehre und damit der Mathematik nach dem auf [[Kurt Gödel]] zurückgehenden [[Unvollständigkeitssatz]] nicht bewiesen werden. Für eine weitergehende Diskussion siehe ''[[Potentielle und aktuale Unendlichkeit]]''.
 
== Unterschiedliche Mächtigkeiten unendlicher Mengen ==
 
Die [[Mächtigkeit (Mathematik)|Mächtigkeiten]] endlicher Mengen sind die natürlichen Zahlen; schwieriger und interessanter ist die Idee, den Begriff der Mächtigkeit auch auf unendliche Mengen auszuweiten.
 
Der [[Mengenlehre|mengentheoretische]] Begriff des Unendlichen wird noch interessanter, da es verschiedene Mengen gibt, die unendlich viele Elemente besitzen, die aber nicht bijektiv aufeinander abgebildet werden können. Diese unterschiedlichen Mächtigkeiten werden mit dem Symbol <math>\aleph</math> ([[Aleph]], dem ersten Buchstaben des [[Hebräische Schrift|hebräischen]] Alphabets), und einem (anfangs ganzzahligen) Index bezeichnet, die Indizes durchlaufen die [[Ordinalzahlen]].
 
Die Mächtigkeit der natürlichen Zahlen <math>\N</math> (die kleinste Unendlichkeit) ist in dieser Schreibweise
<math>\aleph_0</math>. Obwohl die natürlichen Zahlen eine echte [[Teilmenge]] der [[Rationale Zahl|rationalen Zahlen]] <math>\Bbb Q</math> sind, besitzen beide Mengen <math>\N</math> und <math>\Bbb Q</math> dieselbe Mächtigkeit <math>\aleph_0</math>. (→ [[Cantors erstes Diagonalargument]])
 
Die [[Reelle Zahlen|Reellen Zahlen]] bilden eine unendliche Menge, die mächtiger als die Menge der natürlichen und rationalen Zahlen ist; sie ist [[Überabzählbarkeit|überabzählbar]]. Man spricht auch von der Kardinalität der überabzählbaren Mengen erster Stufe. (→ [[Cantors zweites Diagonalargument]])
 
Die [[Kontinuumshypothese]] ist die Behauptung, dass die Mächtigkeit der reellen Zahlen gleich <math>\aleph_1</math>, also die nach <math>\aleph_0</math> nächstgrößere Mächtigkeit, ist. Sie ist allein mit den üblichen [[Axiom]]en der Mengenlehre ([[Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre|ZFC]]) weder [[Beweisbarkeit|beweisbar]] noch [[Widerspruchsbeweis|widerlegbar]].
 
Zu jeder unendlichen Menge lassen sich weitere Unendlichkeiten mittels Bildung der [[Potenzmenge]] (Menge aller Teilmengen) konstruieren. Der [[Satz von Cantor]] sagt aus, dass die Mächtigkeit einer Potenzmenge größer als die Mächtigkeit der Menge ist.
Ob durch Potenzmengenbildung aus einer Menge mit Mächtigkeit <math>\aleph_n</math> eine Menge der nächstgrößeren Mächtigkeit <math>\aleph_{n+1}</math> entsteht oder einige Größenordnungen übersprungen werden, ist ein klassisches Problem der Mengenlehre (die verallgemeinerte [[Kontinuumshypothese]]). Dieser Vorgang kann (formal) immer weitergeführt werden, so dass es unendlich viele [[Unendlichkeit]]en gibt.
 
Es gibt in der Mengenlehre mehrere Zahlensysteme, die unendlich große Zahlen enthalten. Die bekanntesten sind [[Ordinalzahl]]en, [[Kardinalzahl (Mathematik)|Kardinalzahlen]], [[Hyperreelle Zahl]]en und [[Surreale Zahl]]en.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Unendliche Menge}}
* {{WikipediaDE|Aleph-Funktion}}
* {{WikipediaDE|Endliche Menge}}
* {{WikipediaDE|Hilberts Hotel}}
* {{WikipediaDE|Tarski-Endlichkeit}}
* {{WikipediaDE|Unendlichkeit}}
 
== Literatur ==
* Harro Heuser: ''Lehrbuch der Analysis. Teil 1'', Vieweg+Teubner, ISBN 978-3-8348-0777-9, Seiten 137 ff.
* Oliver Deiser: ''Einführung in die Mengenlehre'', Springer Berlin 2004, ISBN 978-3-540-20401-5, Seiten 91–108.
* David Foster Wallace: Georg Cantor: [[Wikipedia:Der Jahrhundertmathematiker und die Entdeckung des Unendlichen|Der Jahrhundertmathematiker und die Entdeckung des Unendlichen]], Piper Verlag 2007, gebundene Ausgabe, ISBN 3-492-04826-9
 
[[Kategorie:Mengenlehre]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 15. Oktober 2018, 07:04 Uhr