Nous und Negative Theologie: Unterschied zwischen den Seiten

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Als '''Nous''' ({{ELSalt|νοῦς}}, ''{{lang|grc-Latn|nous}}'' „[[Geist]], [[Intellekt]], [[Verstand]], [[Vernunft]]“; zusammenhängend mit {{polytonisch|νοεῖν}} ''noeín'' „denken“) wird schon bei [[Wikipedia:Homer|Homer]] das [[mensch]]liche [[Erkenntnis]]vermögen bezeichnet.  
Die '''negative Theologie''' ist aus dem Versuch hervorgegangen, den religiösen Glauben mit der Philosophie und der Vernunft zu vereinbaren und darüber auszulegen. Darin gleicht sie der  [[Natürliche Theologie|natürlichen Theologie]], doch im Gegensatz zu dieser bestreitet die negative Theologie die Möglichkeit zur objektiven Erkenntnis und zum Beweis eines Gottes. Alle Eigenschaften, Benennungen oder Definitionen des Göttlichen werden hier konsequent negiert, so dass das Göttliche ein unvorstellbares und nicht beweisbares "Nichts" jenseits der Welt ist und bleibt. Ihm wird in dieser Weise selbst das Sein abgesprochen.


[[Wikipedia:Parmenides|Parmenides]] und [[Wikipedia:Demokrit|Demokrit]] setzten den ''nous'' weitgehend mit der [[Psyche]] ([[Seele]]) gleich und [[Platon]] und [[Aristoteles]] verstanden darunter den erhabensten, göttlichen Teil der derselben. [[Aristoteles]] hat dafür den [[Begriff]] [[Dianoetikon]] geprägt, der im wesentlichen mit dem der [[Bewusstseinsseele]] identisch ist und die Grundlage des [[Intellekt]]s bildet, der durch sein selbsttätiges, selbstbewustes Denken über die bloße Tätigkeit der [[Verstandes- oder Gemütsseele]] hinausreicht. Platon unterschied allerdings zwischen der [[Dianoia]] ({{polytonisch|διάνοια}}), als dem insbesonders auf [[Technik|technisch]]-[[Mathematik|mathematische]] Fragen bezogenen [[diskursiv]]en, auf die [[sinnlich]]e [[Wahrnehmung]] gegründeten [[Denken]], und der eigentlichen '''Noesis''' ({{polytonisch|νόησις}}), der unmittelbaren, von jeder [[Sinneswahrnehmung]] unabhängigen [[Ideenschau]], zu der allerdings aufgrund der Verbindung der [[Seele]] mit dem [[Körper]] nur mehr wenige Menschen befähigt sind. Für Aristoteles hingegen werden die unvergänglichen [[Idee]]n in Form von [[Allgemeinbegriff]]en durch die [[Erkenntnistätigkeit]] aus den Sinnesbildern ({{ELSalt|φἀντασμα}} ''[[phantasma]]'') herausgehoben. Er unterschied dabei in seiner Schrift «[[De anima|Über die Seele]]» zwischen dem ''passiven Intellekt'', dem {{polytonisch|νοῦς παθητικός}} (''[[nous pathetikos]]''; [[lat.]] ''[[intellectus possibilis]]'', auch ''intellectus passivus''), der durch den ''inneren Gemeinsinn'', das [[Gedächtnis]] usw. aus den [[Wahrnehmung]]en zuerst als Erkenntnisbasis ein [[kognitiv]]es Gesamtbild schafft, und dem ''aktiven Intellekt'', dem {{polytonisch|νοῦς ποιητικός}} (''[[nous poietikos]]''; [[lat.]] ''[[intellectus agens]]''), der daraus durch [[Abstraktion]] aktiv die reinen sinnlichkeitsfreien Ideen heraushebt. Auf dieser Grundlage hat später [[Thomas von Aquin]] seinen gemäßigten [[Ideenrealismus]] aufgebaut.
Die negative Theologie trat schon in der Antike stets im Zusammenhang mit der griechischen Philosophie auf und hier besonders mit dem [[Neuplatonismus]] ([[Dionysius Areopagita]]). Bedeutendster Vertreter einer negativen Theologie im Mittelalter ist [[Meister Eckhart]], der den personalen dreieinigen Gott zusammen mit allen weltlichen Phänomenen zum unerkennbaren ''Einen'' hin transzendiert.  


{{Zitat|Da in der ganzen Natur für jede Gattung etwas als
== Die antiken Wurzeln der negativen Theologie ==
Stoff besteht (dieser Stoff ist alles Einzelne dem Vermögen
nach) und etwas Anderes als Ursache und Wirkendes,
indem es Alles bewirkt<ref>A. trennt in diesem Kapitel die leidende Vernunft
von der thätigen; jene vergleicht er mit dem
Stoff, diese mit der Kunst, d. h. mit dem, was den
Stoff zu den wirklichen konkreten Dingen gestaltet.
Diese Trennung würde für die ganze Seele begründet
erscheinen, da A. das Wahrnehmen als ein Leiden
dargestellt hat; allein für das Denken allein erscheint
sie auffallend, da A. bisher das Denken nur als
das Thätige hingestellt hat...</ref>, wie z. B. die Kunst sich zu dem
Stoffe verhält, so müssen diese Unterschiede auch in der
Seele bestehen. Deshalb ist also die Vernunft theils so
beschaffen, dass sie Alles wird, theils so, dass sie Alles
bewirkt, gleich einem Sein, wie das Licht; denn auch
dieses macht gleichsam die nur dem Vermögen nach
seienden Farben zu wirklichen Farben; und diese Vernunft
ist trennbar, leidlos, ungemischt und in ihrem Wesen nur
Wirklichkeit, da das Wirkende immer geehrter ist als das
Leidende, und der Anfang geehrter ist als der Stoff.
Das wirkliche Wissen ist dasselbe mit seinem Gegenstande;
dagegen ist das Wissen als Vermögen der Zeit
nach in dem Einen früher, aber nicht überhaupt; denn
die Vernunft ist nicht so, dass sie bald denkt, bald nicht
denkt. Getrennt ist die Vernunft, so wie sie an sich ist,
und nur diese ist unsterblich und ewig<ref>Diese Stelle ist dunkel, und es ist wohl möglich,
das diese wie die mehreren bereits behandelten dunkelen
Stellen durch das Verderbniss der Handschriften mit verursacht
ist und nicht Alles dem A. zur Last gelegt werden
darf. Die Identität des wirklichen Wissens mit seinem
Gegenstande bezieht sich auf den logos; realistisch ausgedrückt,
auf den Inhalt des Gegenstandes, der mit dem
Inhalte seiner Vorstellung identisch ist. Das Wissen dem
Vermögen nach ist in dem einzelnen Menschen (in dem
Einen) vor seinem wirklichen Wissen; allein da die thätige
Vernunft für sich besteht, ewig, unsterblich ist, so ist
ihr Dasein und ihre Wirksamkeit als Vernunft überhaupt
nicht von der Thätigkeit des einzelnen Individuums bedingt,
sondern als solche ewige, selbstständige, von den
Individuen getrennte Vernunft ist sie immer thätig, und
deshalb ist sie als solche immer ''energeia'' und niemals
''dynamei''; nur in dem einzelnen Menschen entsteht diese
Trennung in Vermögen und Wirklichkeit...</ref>. Wir erinnern
uns jedoch dessen nicht, weil dieser Theil der Vernunft
leidlos ist; die leidende Vernunft ist aber vergänglich, und
ohne diese kann das Denken nicht stattfinden.<ref>Das Denken der Begriffe kann ohne die bildlichen
Vorstellungen des Wahrnehmens und der Einbildungskraft
nach A. nicht stattfinden. Dies gehört aber ebenso wie
das Erinnern zu der leidenden und vergänglichen Vernunft,
und daraus erklärt es sich , dass wir uns des Daseins
unserer thätigen Vernunft vor der Zeit, wo sie in diesen
Körper eingetreten ist, nicht erinnern. Die thätige Vernunft
hat es nur mit den ewigen Wahrheiten; mit dem
Wesen der Dinge zu thun; diese stehen aber ansserhalb
der Zeit, und es findet bei ihnen kein Entstehen und Vergehen
statt. Deshalb ist diese thätige Vernunft immer
gegenwärtig, sie steht nicht innerhalb der Zeit und ist
deshalb ewig, nicht im Sinne einer unendlichen Zeitdauer,
sondern in dem Sinne der Freiheit von aller Zeit.
- Diese Gedanken erinnern lebhaft an Spinoza, der
ganz dieselbe Auffassung hat. - Plato hatte dem entgegen
alles Wissen als Erinnern aufgefasst, wie namentlich
in seinem Dialog „Menon" ausgeführt wird...</ref>|[[Aristoteles]]|''Drei Bücher über die Seele'' III,5|ref=<ref>''Aristoteles' drei Bücher über die Seele'', Übersetzt und erläutert von J. H. v. Kirchmann, Verlag von L. Heimann, Berlin 1871, [http://www.odysseetheater.org/jump.php?url=http://www.odysseetheater.org/ftp/bibliothek/Philosophie/Aristoteles/Aristoteles_Drei_Buecher_ueber_die_Seele_small.pdf#page=173&view=Fit S. 166ff]</ref>}}


Im [[Trichotomie|trichotomen]] Menschenbild des [[Wikipedia:Spätantike|spätantiken]] [[Neuplatonismus]], nach dem der [[Mensch]] als aus [[Leib]], [[Seele]] und [[Geist]] bestehend angesehen wurde, bildete der ''nous'' die oberste, geistige Instanz. Durch seinen ''nous'' ist der Mensch unsterblicher, unvergänglicher Bürger der [[Geistige Welt|geistigen Welt]], die seine eigentliche und oberste [[Wesen]]sheimat ist, aus der er nur zeitweilige in die Niederungen des vergänglichen [[Dasein]]s versetzt wird.
=== Alexandria: Philo, Kirchenväter ===


{{GZ|Daß Aristoteles gewissermaßen heruntergeholt hat durch
Die negative Theologie hat ihre Wurzeln in der von  [[Wikipedia:Alexander der Große|Alexander dem Großen]] gegründeten ägyptischen Hafenstadt [[Wikipedia:Alexandria|Alexandria]], die danach die Hauptstadt des Reiches der griechischen [[Wikipedia:Ptolemäer|Ptolemäer]] wurde. In Alexandria lag das geistige Zentrum des östlichen Mittelmeerraumes in den Jahrhunderten um die Zeitenwende mit der ersten Universität im modernen Sinn. In der sogenannten  [[Wikipedia:Alexandrinische Schule|Alexandrinischen Schule]] kam es zu einer Verschmelzung verschiedener Geistesrichtungen, insbesondere der  [[Wikipedia:Philosophie der Antike|griechischen Philosophie]] und dem [[Judentum]] unter Anteil weiterer orientalischer Elemente.
abstrakte Begriffe dasjenige, was die anderen in Schauungen
gehabt haben, davon haben ein Bewußtsein Albertus und
Wegweisend war hier zunächst der ''Jude  [[Philo von Alexandria|Philo]]''. Bei dieser Verschmelzung entledigte Philo den alttestamentlichen Gott aller weltlichen Eigenschaften und Bestimmungen. Der eine jüdische Gott wurde bei Philo für die Welt und den Menschen schlechthin unerkennbar und unbestimmbar, was den Beginn einer negativen Theologie markierte. Diese Verschmelzung des griechischen systematischen und kritischen Denkens mit dem jüdischen Glauben an den einen Gott kann darüber hinaus als Geburt der wissenschaftlichen [[Wikipedia:Theologie|Theologie]] an sich angesehen werden.
Thomas. Deshalb stehen sie auch dem Aristoteles wahrhaftig
nicht so gegenüber wie die jetzigen Philosophiephilologen,
die kuriose Streite entfaltet haben über zwei Begriffe, die
von Aristoteles herrühren. Aber da die Aristotelischen
Schriften nicht vollständig auf die Nachwelt gekommen
sind, so findet man diese beiden Begriffe, ohne daß man sie
bei Aristoteles im Zusammenhang hat - was ja immer eine
Tatsache ist, die für viele gelehrte Streitigkeiten den Unterschied
bieten kann —, man findet zwei Ideen bei Aristoteles.
Aristoteles sieht ja in der menschlichen Wesenheit das, was
zu einer Einheit zusammenfaßt das vegetative Prinzip des
Menschen, das animalische Prinzip des Menschen, das niedere
menschliche Prinzip, und dann das höhere menschliche
Prinzip, dasjenige, was Aristoteles den Nous, was die Scholastik
dann den Intellekt nennt. Aber Aristoteles unterscheidet
zwischen dem Nous poietikos und dem Nous pathetikos,
zwischen dem tätigen und leidenden Geiste des Menschen.
Die Ausdrücke sind nicht mehr so bezeichnend, wie
die griechischen waren, aber man kann doch sagen, Aristoteles
unterscheidet zwischen dem aktiven Verstand, dem
tätigen Geist des Menschen und dem passiven Verstand des
Menschen. Was ist damit gemeint?


Man begreift nicht, was damit gemeint ist, wenn man
Als Vermittler zu diesem unbestimmbaren Gott zog Philo die griechische Logos-Vorstellung heran und nannte diese weltdurchwaltende Vernunft den Sohn dieses Gottes. Diese das jüdische Gottesbild verändernden Gedanken hatten einen maßgebenden Einfluss auf die kurz danach entstehende christliche Theologie.  
nicht auf den Ursprung dieser Begriffe zurückgeht. Geradeso
wie die anderen Seelenkräfte sind in einer anderen Metamorphose
die beiden Arten des Verstandes an dem Aufbau
der menschlichen Seele betätigt: der Verstand, insofern er
wirkt als tätiger, noch im Aufbau des Menschen wirksam,
aber als Verstand, nicht wie das Gedächtnis einmal aufhörend
und dann als Gedächtnis sich emanzipierend, sondern
als Verstand das ganze Leben hindurch wirkend, das
ist der Nous poietikos, das ist dasjenige, was aus dem
Weltenall heraus sich individualisierend den Leib aufbaut
im Sinne des Aristoteles. Es ist nichts anderes als das, was
die den menschlichen Leib aufbauende tätige Seele des Plotin
auch ist. Und dasjenige, was dann sich emanzipiert, was nur
noch dazu da ist, um die äußere Welt aufzunehmen und die
Eindrücke der äußeren Welt dialektisch zu verarbeiten, das
ist der Nous pathetikos, das ist der leidende Intellekt, der
intellectus possibilis. Es geht zurück, was in scharfer Dialektik,
in präziser Logik in der Scholastik uns entgegentritt,
auf diese alten Überlieferungen. Und man kommt nicht zurecht
mit dem, was in den Seelen der Scholastiker sich abspielte,
wenn man nicht dieses Hereinspielen uralter Traditionen
berücksichtigt.|74|54ff}}


[[Wikipedia:Xenophanes|Xenophanes]] sprach als erster von einer [[objektiv]] waltenden [[Weltvernunft]], die von [[Wikipedia:Anaxagoras|Anaxagoras]] ({{polytonisch|Αναξαγόρας}}, * [[Wikipedia:499 v. Chr.|499 v. Chr.]]; † [[Wikipedia:428 v. Chr.|428 v. Chr.]]) mit dem ''nous'' gleichgesetzt wurde und ein Hinweis auf die allgegenwärtige [[kosmische Intelligenz]] ist, die von dem [[Erzengel]] [[Michael]] verwaltet wird. Dass der Begriff der Weltvernuft gerade zu dieser Zeit auftrat, ist kein Zufall, denn damals hatte gerade das letzte vorchristliche [[Michael-Zeitalter]] begonnen.  
Die alexandrinischen ''Kirchenväter [[Wikipedia:Origenes|Origenes]] und [[Wikipedia:Clemens von Alexandria|Clemens]]'' vertraten eine negative christliche Theologie und standen wie Philo dem griechischen Denken sehr nahe. So ist für Origenes Christus nicht nur alleiniger Erlöser, sondern auch Vorbild, d.h. für ihn zeigte sich der göttliche Logos genau wie für Clemens auch in der heidnischen, also griechischen Philosophie und hier besonders bei Platon.


Was die griechischen Philosophen als ''nous'' bezeichneten, steht in enge Beziehung zu dem in der Welt [[schöpferisch]] wirkenden [[Logos]] ({{Polytonisch|λόγος}}, ''Wort, Rede, Sinn''). Der ''nous'' ist gleichsam der innerste [[Wesen]]skern dessen, was nach außen als ''Logos'' erscheint, der in Wahrheit mit dem [[Christus]] identisch ist. 
=== Gnosis ===


Auch die [[Gnosis|Gnostiker]], insbesonders [[Basilides (Gnostiker)|Basilides]], beschäftigten sich mit dem Verhältnis von Logos und Nous. Nach Basilides [[Emanation|emanieren]] aus der Gottheit, dem „ungewordenen Vater“, nach der Zahl der Planeten sieben göttliche Kräfte, davon vier intellektuelle, deren oberste der Nous ist:
Das [[Wikipedia:Apokryphon des Johannes|Apokryphon des Johannes]] beinhaltet die Aussagen, daß man über Gott nur negativ sprechen kann, daß Gott jenseits der Zeit und daß seine Existenz unbeweisbar ist.


# der Geist (Nous),
=== Gemeinsamkeiten von negativer Theologie und Neuplatonismus ===
# das ihn offenbarende Wort, der [[Logos]],
# die Denkkraft ([[Phronesis]]) und
# Weisheit ([[Sophia (Gnosis)|Sophia]]),
# dann die Macht,
# die sittliche Vollkommenheit und
# der innere Friede


{{GZ|Wenn
Das letzte große System der griechischen Philosophie war der [[Neuplatonismus]], der ca. 150 Jahre nach Philo ebenfalls in Alexandria und der alexandrinischen Schule seinen Anfang nahm und den Grundgedanken Philos fortführte. Für den Begründer [[Wikipedia:Ammonios Sakkas|Ammonios Sakkas]] und dessen Schüler [[Plotin]] war das Göttliche das Eine oder Erste, das genau wie bei Philo jenseits aller Bestimmungen und Gegensätze stand. Grundlage war für Plotin zwar weiterhin das Denken der griechischen Philosophie, doch im Unterschied zu der vorangegangenen griechischen Philosophie lag das Höchste für Plotin außerhalb des Denkens und konnte von und in dem begrifflichen Denken in keiner Weise mehr erfasst werden. Dieser Grundgedanke der absoluten Unvorstellbarkeit und Nichtbestimmbarkeit des Höchsten oder Göttlichen in der alexandrinischen Schule bedingt und begründet die negative Theologie.
ich Ihnen ein charakteristisches Merkmal der Gnosis angeben soll in
bezug auf das innere menschliche Erleben, so ist es dieses, daß der
In diesem Grundgedanken sind negative jüdische bzw. später negative christliche Theologie und philosophischer Neuplatonismus aufs engste miteinander verbunden und enthalten in dieser Unbestimmbarkeit eines Höchsten, Einen gleichzeitig ein mystisches Element. Das mystische Element bedingt sich vor allem durch die Nichtfassbarkeit im begrifflichen Denken und Vorstellen, geht in dieser Nichtfassbarkeit aber noch tiefer. Sie gründet auf einer strikten Trennung der Strukturen von Welt und jenseitigem Einen, wobei dem Einen bei Plotin und später besonders auch bei [[Meister Eckhart]] neben den Kategorien Raum und Zeit selbst die des Seins abgesprochen wird. Die weltlichen Phänomene, die Materie und die Welt selbst gelten in Anlehnung an [[Platon]]s Schatten hier nur noch als aus der Seele oder dem Geist ausquellende Erscheinungen, so dass Plotin in seiner Abhandlung über Ewigkeit und Zeit zu der Aussage gelangt, dass „es außer der Seele keinen anderen Ort für dieses All gibt“. Während in der Neuzeit [[Wikipedia:Immanuel Kant|Immanuel Kant]] in seinem [[Idealismus]] die Erscheinungshaftigkeit der weltlichen Phänomene nur feststellt, ist die geistige Rückkehr in dieses jenseitige Eine das letztendliche Ziel des Neuplatonismus und der mit ihm verbundenen negativen christlichen Theologie, insbesondere später bei Meister Eckhart. Diese Rückkehr kann als dieser Vorgang in oder mit den erscheinungshaften Strukturen der Welt aber weder erreicht noch erkannt werden kann, wodurch sich sowohl das Negative als auch das Mystische in der Konsequenz dieser Theologie ergibt.
Gnostiker alles Streben hatte, bis zum Höchsten hinauf mit der
Erkenntnis zu dringen, so daß sich sein Blick über den Logos hinauf
zu dem Nous erhob. Der Gnostiker sagte: In Christus und im
Mysterium von Golgatha erschien der Nous menschlich verkörpert;
nicht der Logos, der Nous erschien menschlich verkörpert. Das hat
aber, meine lieben Freunde, wenn man es lebendig erfaßt, eine ganz
bestimmte Folge für unser inneres Seelenleben. Wenn man die Dinge
so abstrakt hinstellt, wie sie heute im intellektualistischen Zeitalter
vielfach vor die Leute hingestellt werden, nun ja, dann hört man,
die Menschen der älteren Zeiten hätten nicht von dem Logos gesprochen,
der in Jesus Fleisch geworden ist, sondern von dem
Nous, der in Jesus Fleisch geworden ist. Damit ist die Sache dann
aus, wenn man einen solchen Begriff hingepfahlt hat. Derjenige
aber, der im lebendigen Erleben des Begrifflichen geistig drinnensteht,
der kann nicht anders, indem er einen solchen Seeleninhalt
faßt, als sich plastisch gestaltet das vorzustellen, was fleischgewordener
Nous ist. Fleischgewordener Nous aber kann nicht sprechen,
das kann nicht der Christus sein, kann nicht durch Tod und durch
Auferstehung gehen. Der Christus der Gnostiker, der eigentlich der
Nous ist, konnte nur so weit kommen, daß er sich im Menschen
verkörperte, er konnte aber nicht bis zum Sterben und zur Auferstehung kommen. Dadurch verdunkelt sich für Basilides zum Beispiel
die Anschauung. Ihm trübt sich der Blick in dem Moment, wo
er sich mit seinem inneren Schauen den letzten Akten des Mysteriums
von Golgatha nähert; ihm trübt sich der Blick, wenn es zum
Sterben und zur Auferstehung kommt. Der Bück wurde hingeworfen
auf den Kreuz-Gang, auf den Golgatha-Gang des Christus
Jesus, aber er konnte aus einer lebendigen Vorstellung das nicht
vollenden, daß der Christus das Kreuz bis Golgatha getragen hat,
daß er ans Kreuz geschlagen worden ist und auferstanden ist. Ihm
stellt sich in den Blick hinein, daß Simon von Kyrene [dem
Christus] das Kreuz abgenommen hat, daß er es bis Golgatha
hinaufgetragen hat, und daß anstelle des Christus Simon von Kyrene
gekreuzigt worden ist. Das ist die Christus-Vorstellung der Gnostiker,
insofern die Gnosis in der Gestalt des Basilides auftritt, und
im Grunde genommen ist das die historische Gestalt der Gnosis.|343a|271}}


Aus dem [[objektiv]] waltenden und [[subjektiv]] erscheinenden ''nous'' hat sich der Begriff der [[mensch]]lichen [[Vernunft]] herausgebildet, die als leitende Instanz dem [[Verstand]] übergeordnet ist. Die Vernunft wurde ursprünglich nicht als ein rein menschliches [[Denken|Denkvermögen]] aufgefasst, sondern in ihr konnte man noch den waltenden [[Weltgeist]] selbst durch [[Inspiration]] als innerlich erlebtes [[Wort]] ver''nehmen''.
=== Das Ende der negativen Theologie in der Antike ===


Die [[Wahrheit]] kann nur im [[Ätherleib]], den [[Rudolf Steiner]] auch als [[Liebeleib]] bezeichnet hat, erfasst werden. Das geschieht bereits durch das sinnlichkeitsfreie [[Reines Denken|reine Denken]] und führt zu einer ersten [[Hellsehen|hellsichtigen Wahrnehmung]] der geistigen Außenwelt.
Problematisch war schon damals, dass die negative Theologie dem mehr emotionalen religiösen Verehrungsglauben das Objekt und die Grundlage entzog. Das und die Nähe zu der als heidnisch angesehenen Philosophie war besonders für fundamentalistische Juden und Christen eine Häresie an ihrem jeweiligen vorstellbaren, bildhaften und benennbaren Glauben. Einen der vielen Höhepunkte dieser oft gewalttätigen Auseinandersetzungen in Alexandria stellte die grausame Ermordung der neuplatonischen Philosophin [[Hypatia]] durch die Christen dar.  


{{GZ|Das Wahre nimmt man eigentlich erst dann wahr, wenn es einem gelingt, die Urteile so
Ein durchgehend prägendes Kennzeichen der negativen Theologie ist die Nähe zur [[Wikipedia:Griechische Philosophie|griechischen Philosophie]], besonders in dem damaligen Wissenschaftszentrum [[Wikipedia:Alexandria|Alexandria]], während die positive christliche Theologie stets mehr vom Wesen des jüdischen Gottesglaubens geprägt ist. Ganz im Gegensatz zur toleranten negativen Theologie, die jedwede Gottesbilder zwar als ein erstes Hilfsmittel akzeptierte, sie letztlich aber restlos alle verleugnete und in Hinsicht auf das wahre Göttliche eben negierte, ist es das Wesen der positiven Theologie, ein ganz bestimmtes Gottesbild als einzig wahr und heilig anzusehen und alle anderen dementsprechend abzuwerten. Als es dann die Vertreter der positiven christlichen Theologie schafften, im Römischen Reich ihren Glauben zur [[Wikipedia:Staatsreligion|Staatsreligion]] zu erheben, wurden entsprechend dieser positiven Theologie alle konkurrierenden, [[Gnostizismus|gnostischen]] Richtungen und hier besonders der [[Neuplatonismus]] und die mit ihm eng verwandte negative Theologie verfolgt und unterdrückt. Im Jahre [[Wikipedia:529|529]] n. Chr. schloss Kaiser  [[Wikipedia:Justinian I.|Justinian]] schließlich die in Athen seit Platon bestehende [[Wikipedia:Platonische Akademie|Akademie]] und verbot jeden weiteren Unterricht in griechischer Philosophie.
zu erfassen, daß man sie losbekommt vom physischen Leibe, daß man den Ätherleib
losbekommt vom physischen Leibe. Das erste Hellsehen ist schon das wirklich reine
Denken. Derjenige, der einen reinen Gedanken faßt, ist schon hellsehend. Nur ist
das gewöhnliche menschliche Denken eben kein reines Denken, sondern ein von
sinnlichen Vorstellungen, von Phantasmen erfülltes Denken. Aber derjenige, der einen
reinen Gedanken faßt, ist eigentlich schon hellsehend, denn der reine Gedanke
kann nur im Ätherleibe gefaßt werden.|176|116}}


Durch die [[bewusst]]e Arbeit des [[Ich]] wird der Ätherleib zu [[Buddhi]], dem [[Lebensgeist]], verwandelt, in dem der [[Christus]] wirkt. Eine Vorstufe dazu ist die [[Verstandes- und Gemütsseele]], die durch die ''unbewusste'' Arbeit des Ich am Ätherleib entsteht und vornehmlich in der [[Griechisch-Lateinische Kultur|griechisch-lateinischen Zeit]] ausgebildet wurde. Heute muss diese Arbeit immer bewusster geschehen; nur dadurch ist in voller [[Freiheit]] die Verbindung mit dem Christus möglich.
== Taoismus ==


Wenn in alten, vorchristlichen Zeiten die auserwählten Menschheitsführer unmittelbar aus dem [[Geist]] heraus sprachen, d.h. aus dem Nous und dem Logos, so hatte das eine suggestive Wirkung. Das darf heute nicht mehr sein, denn es würde die Freiheit des [[Mensch]]en verletzen und ihn gerade dadurch von dem Christus abtrennen. Heute muss aus dem [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] gesprochen werden, wie er durch das [[Pfingstfest|Pfingstwunder]] auf die [[Apostel]] herabgekommen ist.
Da Gott in der negativen Theologie weder Name, Personalität noch vorstellbare Eigenschaften hat, ist Gott der negativen Theologie kaum unterscheidbar von Tao, dem zu Beginn des [Tao Te King] auch alle vorstellbaren Eigenschaften abgesprochen werden.


{{GZ|Wenn jemand die Rede mißbrauchen
== Die negative Theologie im Mittelalter ==
würde zur Magie, so wäre das im Sinne desjenigen, was Anthroposophie
vertreten muß, ein im eminentesten Sinne Irreligiöses, ja eine
ungöttliche Hantierung, es wäre in dem strengen Sinne, wie es die
Anthroposophie auffassen muß, eine Sünde wider den Heiligen
Geist. Denn die Rede darf nur durchdrungen sein von jener Heiligung,
die man nennen kann die Heiligung durch den Heiligen Geist,
und muß beobachten im Menschen absolut das Prinzip der unmittelbar
vollständig freien Überzeugung, die es vor dem Mysterium
von Golgatha überhaupt nicht hat geben können in der Menschheitsentwickelung,
weil man überhaupt an dem Menschen abgeprallt
wäre mit dem Worte, wenn das Wort nur die Kraft gehabt hätte, die
es heute allein haben darf. Damals mußte es suggestiv wirken, weil
eben die menschliche Organisation darauf angelegt war. Darum
mußten auch auserwählte Führer da sein, wie ich gestern gesagt
habe, und es durfte damals auch durch das Wort gewirkt werden in
einem Sinne, wie es bloß im Geiste geschieht, indem man sich bewußt
wurde, man redete im Geiste, nicht aus seiner eigenen Kraft,
sondern aus der Kraft des in einem lebenden Gottes, des Nous oder
des Logos. Man muß sich bewußt sein, daß dies heute unmöglich
ist, und daß heute nur aus dem Heiligen Geiste heraus gesprochen
werden darf; das ist aber das Wort, dem allein antwortet die freie
Überzeugung dessen, der das Wort hört. Es muß also heute alle
Unterweisung in dem Zeichen des Heiligen Geistes geschehen. Daher
müssen wir uns sehr klar darüber sein, daß alles dasjenige, was
von Worten hinüberfließt in die Handlung, nur allein im christlichen
Sinne so vollzogen werden darf, wenn bei dem Vollziehenden
das Paulus-Bewußtsein vorhanden ist: Nicht ich, sondern der Christus
in mir! - Nichts darf an einer Handlung, die so vollzogen wird,
ohne das Bewußtsein ausgeführt werden: Die Handlung wird vollzogen
als ein innerliches göttliches Gebot, als dasjenige, was im
Sinne des Christus-Auftrages selber vollzogen wird.|343a|313f}}


== Anmerkungen ==
=== Eine neue Blüte durch Meister Eckhart ===


<references />
Trotz Verfolgung und Verbots lebte die negative Theologie auch in der Spätantike und im Mittelalter fort. Das entscheidende Bindeglied zum Mittelalter hin war ein, wohl wegen der widrigen Umstände, unbekannt bleibender Autor, der unter dem Pseudonym [[Dionysius Areopagita]] verschiedene Schriften veröffentlichte, in denen er erneut versuchte, das Christentum mit der heidnischen griechischen Philosophie zu verbinden, so wie es schon Philo 500 Jahre zuvor mit dem Judentum getan hatte. Da Dionysius mit einem in der Apostelgeschichte genannten gleichnamigen Athener verwechselt wurde (oder verwechselt werden sollte), wurden seine Schriften im Mittelalter intensiv gelesen und kommentiert. Besonders bei [[Meister Eckhart]] gelangte die negative Theologie auf diese Weise zu einer neuen Blüte.


== Siehe auch ==
Meister Eckhart erklärt ausdrücklich, dass die Heilige Schrift mit der Philosophie und damit auch dem Naturerkennen übereinstimmt, weil es nur eine einzige „Quelle und Wurzel der Wahrheit“ geben kann. Eckharts Ansatz und Methode ist es daher, genau wie bei Philo und Dionysius, den religiösen Glauben durch die Vernunftgründe der Philosophen auszulegen. In seinen lateinischen Werken sagt Eckhart: „Demgemäß wird also die Hl. Schrift sehr angemessen so erklärt, dass mit ihr übereinstimmt, was die Philosophen über die Natur der Dinge und ihre Eigenschaften geschrieben haben, zumal aus einer Quelle und einer Wurzel der Wahrheit alles hervorgeht, was wahr ist, sei es im Sein, sei es im Erkennen, in der Schrift und in der Natur“ (Meister Eckhart, Lat. Werke III, S. 154-155). 


* {{UTB-Philosophie|Holm Bräuer|625|Nous}}
Meister Eckhart überwindet in seiner Theologie dabei die personale, dreieinige Gottesvorstellung hin zu dem unvorstellbaren „einigen Einen“. Auch in seinen Aussagen zum Wesen der Welt wird Eckharts Nähe zum Neuplatonismus deutlich, wie etwa in Predigt 43 (nach der Predigt-Zählung der Diogenes-Ausgabe von J. Quint): „Dort, wo niemals Zeit eindrang, niemals ein Bild hineinleuchtete: im Innersten und im Höchsten der Seele erschafft Gott die ganze Welt“.
* {{Eisler|Nus}}
* {{Kirchner|Nus / Nous}}


== Literatur ==
In der Sohn-Erkenntnis wird bei Eckhart dieses Eine nur in einem, wie er es in Predigt 57 (Quint) ausdrückt, „nichterkennenden Erkennen“ erfasst, so dass die negative Theologie selbst in der Sohn-Erkenntnis nicht aufgehoben wird, ja das ist gerade der entscheidende Aspekt der Sohn-Erkenntnis. Denn das höchste Eine ist für Meister Eckhart letztlich, wie er es in Predigt 23 (Quint) nennt, „das verborgene Dunkel der ewigen Gottheit und ist unerkannt und ward nie erkannt und wird nie erkannt werden.“
 
=== Die Definition der negativen Theologie durch Heinrich Seuse ===
 
Meister Eckharts Schüler [[Heinrich Seuse]] verweist im I. Abschnitt in seinem „Buch der Wahrheit“ auf den „Kern der Heiligen Schrift“, den er im folgenden II. Abschnitt als eine gleichzeitige Definition der negativen Theologie näher erläutert. Darin heißt es, dass es allen Menschen, die wieder in das Eine geführt werden sollen, nützlich ist, den Ursprung von sich und allen Dingen zu wissen, da dort auch ihr letztes Ziel ist. Dieses nützliche Wissen steht für Seuse als Kern der Heiligen Schrift bei Dionysius, der nach Seuses Aussage dieses Eine unverhüllt geschaut hat.
Das, was dort im einigen Einen geschaut wurde, ist aber nun als Kern dieser negativen Theologie vor allem, dass dieses einige Eine „mit allen Namen letztlich ungenannt bleibt“, wobei der Name immer auch die Natur und die Definition des genannten Dinges ausdrückt. Der Kern der Heiligen Schrift und gleichzeitig die Definition der negativen Theologie ist demnach also, dass in dem unverhüllten Schauen des Einen dieses Eine paradoxerweise gerade nicht erkannt, gewusst und benannt werden kann. Die Natur des genannten einfachen Seins ist, wie es bei Seuse heißt, „endlos, unermesslich und unbegreiflich für alles kreatürliche Denken“, so dass „allen gelehrten Theologen bekannt ist, dass eben dieses Wesen, das keine Weise hat, auch ohne Namen ist“. Weiter sagt Seuse hier als konkrete Definition der negativen Theologie über diesen Kern des christlichen Glaubens:
 
:''Und darum sagt Dionysius in dem Buch >Von den göttlichen Namen<, Gott sei ein »Nichtsein« oder ein »Nichts«, und das ist in Bezug auf alles Sein und jedes bestimmte Etwas zu verstehen, das wir ihm nach kreatürlicher Weise zulegen können. Denn »was man ihm in dieser Weise zuschreibt, das ist alles in gewissem Sinn falsch, und seine Verneinung ist wahr«. Und daher könnte man ihn ein »ewiges Nichts« nennen. Andererseits, will man von etwas sprechen, wie erhaben und über alles Verstehen es ist, so muss man ihm irgend einen Namen geben.''
 
Für die negative Theologie sind in dieser Weise alle Aussagen über das jenseitige Eine, Absolute nur austauschbare Hilfsmittel oder Krücken, die als solche der Verehrung nicht wert sind. Letztlich erkennt die negative Theologie keine Aussage über das Göttliche an, geschweige denn ein Dogma. In einer negativen Theologie würden daher alle Widersprüche zwischen und Spaltungen in den Religionen mit einem Schlage behoben. Über etwas, das nicht erkannt, benannt und definiert werden kann, kann auch nicht gestritten werden.
 
=== Das erneute Ende der negativen Theologie durch die Inquisition ===
 
Doch wie schon in der Antike geriet auch im Mittelalter die negative Theologie in Konflikt mit dem Wesen und  [[Wikipedia:Dogma|Dogma]]tismus der positiven Theologie. Meister Eckhart wurde als einziger Theologe von Rang des gesamten Mittelalters vor ein  [[Wikipedia:Inquisition|Inquisition]]sgericht gestellt und verurteilt. Mit diesem Prozess und dem allgemeinen Verbot der Schriften und Gedanken Meister Eckharts fand die negative ''Theologie'' im Mittelalter ihr abruptes Ende.
 
== Die Unterschiede der Theologien von Meister Eckhart und Nikolaus von Kues ==
 
[[Wikipedia:Nikolaus von Kues|Nikolaus von Kues]], der ca. 100 Jahre nach Eckhart an der Schwelle des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit lebte, sah sich als ein Vertreter der negativen Theologie und wird bis heute so verstanden. Doch hinsichtlich Eckarts Theologieverständnis sind bei Nikolaus von Kues entscheidende Abweichungen feststellbar, die das Besondere der negativen Theologie von Meister Eckhart veranschaulichen. Meister Eckhart kennt entsprechend seines neuplatonischen Weltverständnisses kein Gottesreich in der Zeit als nach dieser Welt, in dem dann auch noch andere weltliche Kategorien wie die der Personalität oder die von gut und böse enthalten sind. Er sagt stattdessen: „Nehme ich aber das Nun, so begreift das alle Zeit in sich. Das Nun, in dem Gott die Welt erschuf, das ist dieser Zeit so nahe wie das Nun, in dem ich jetzt spreche, und der jüngste Tag ist diesem Nun so nahe wie der Tag, der gestern war“ (Quint 1979, S. 196). Der Theologe Udo Kern stellt den entscheidenden Aspekt der negativen Theologie Eckharts fest, wenn er sagt: „Der Mensch erreicht hier [in der göttlichen Schau] nach Eckhart die beatitudo. Eine in diesem Sinne noch ausstehende qualitätsmäßig noch zu steigernde beatitudo kennt er nicht. Eckhart dechiffriert die endeschatologischen Aussagen ins Präsentisch-Eschatologische“ (Kern 2003, S. 244).
 
Ganz anders sieht das Nikolaus von Kues. Er spricht in seiner negativen Theologie zwar zunächst auch von der Einheit in Gott als „‚Einer und Alles’ oder ‚Alles in eins’“ (v. Kues, Buch I 2002, S. 97) und sagt: „Im Voraufgehenden wurde erwiesen, dass die Auferstehung der Menschen sich jenseits allen Geschehens, jenseits von Zeit, Quantität, und was sonst der Zeit unterworfen ist, ereignet“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 73). Doch mit der Auferstehung verbindet Nikolaus von Kues nicht wie Eckhart allein die Gottesschau im Hier und Jetzt, die darin das geistige Zunichtewerden alles Weltlichen inklusive Raum und Zeit und besonders des Kreatur-Seins zur Voraussetzung hat, sondern die Auferstehung der menschlichen Kreaturen in der Zeit und dem Sein als Kreatur in unendlich viel Zeit. Nikolaus von Kues sagt: „Der Mensch Christus ist auferstanden; deshalb werden alle Menschen, wenn das gesamte zeitlicher Vergänglichkeit unterliegende Geschehen aufhört, durch ihn auferstehen, um in Ewigkeit unvergänglich zu sein“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 55-57). Weiter heißt es: „Es werden also alle durch Christus auferstehen [‚Gute wie Schlechte’], aber nicht alle wie Christus und in ihm durch die Vereinigung mit ihm, sondern nur diejenigen, die durch Glaube, Hoffnung und Liebe mit Christus vereint sind“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 57), wobei „auch die Strafen der Verdammten gleichfalls alle erdenklichen und beschreibbaren Strafen übersteigen“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 73). Eckhart kennt diese Unterscheidungen im göttlichen Jenseits nicht („keinerlei Unterschied“ Quint 1979, S. 186). Unterscheidungen bedingen kein einheitliches Jenseits mehr, sondern sind praktisch eine Erweiterung der Welt ins Jenseitige. Nikolaus von Kues sagt dann etwas Entscheidendes, das zeigt, dass diese unterschiedlichen negativen Theologieverständnisse nicht theoretische Haarspaltereien, sondern gerade heute von zentraler Bedeutung sind: „Du siehst, wenn ich mich nicht täusche, dass es keine vollkommene, die Menschen zum letzten, heißersehnten Ziel des Friedens führende Religion gibt, die Christus nicht als Mittler und Erlöser, als Gott und Mensch, als Weg, Leben und Wahrheit umfasst“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 57-59). Nikolaus von Kues beklagt in der weiteren Ausführung dieses Satzes die Unstimmigkeit des Glaubens der Sarazenen oder Mohammedaner, die die Gottheit des Menschen Christus leugnen. „Sie sind in der Tat verblendet, weil sie Unmögliches behaupten“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 59). „Mit diesen bekennen die Juden gleicherweise den Messias als größten, vollkommensten und unsterblichen Menschen, dessen Gottheit sie, durch dieselbe teuflische Blindheit gehindert, leugnen“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 59).
 
Meister Eckhart versteht die biblischen Figuren genau wie [[Philo]] nur allegorisch als Kräfte der Seele („»Petrus« besagt soviel wie Erkenntnis“, Quint 1979, S. 165). Auch der Sohn steht bei Eckhart nur allegorisch für die höchste (Selbst-) Erkenntnis des göttlichen Urgrundes in der Seele (auch als „Funke“) und damit nahe dem griechischen Logos-Begriff für die Geschaffenheit und Erscheinungshaftigkeit der Welt und des Seins, nicht dagegen für eine reale und absolute göttliche Person, die darin stets mit weiteren Jenseitsvorstellungen und –erwartungen verbunden ist. Wenn der Mensch in der höchsten Erkenntnis sein Kreatur-Sein und die Welt überwindet, ist er bei Eckhart Sohn, wobei gilt: „Wo der Vater seinen Sohn in mir gebiert, da bin ich derselbe Sohn und nicht ein anderer“ (Quint 1979, S. 172). Doch auch dieses relativierte Sohn-Sein wird bei Eckhart noch überstiegen, wenn er sagt: „es will in den einfaltigen Grund, in die stille Wüste, in die nie Unterschiedenheit hineinlugte, weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist“ (Quint 1979, S. 316). Meister Eckhart negiert in seiner negativen Theologie im Gegensatz zu Nikolaus von Kues die christlichen Jenseitsvorstellungen nicht nur auf der begrifflichen Ebene, sondern auch auf der Ebene des Seins, d.h. restlos alle religiösen Vorstellungen sind nicht dogmatisch als real und absolut zu nehmen, sondern als bloße und im Grunde austauschbare Hilfsmittel (im Sinne von Dionysius: „Andererseits, will man von etwas sprechen, wie erhaben und über alles Verstehen es ist, so muss man ihm irgend einen Namen geben“). Bestätigt wird das dadurch, dass Eckhart oft heidnische Meister in einem zustimmenden Sinn zitiert und deren Aussagen manchmal sogar über die der Schrift stellt (Quint 1979, S. 219). Eckharts negative Theologie besitzt bezüglich der von Nikolaus von Kues nicht nur ein anderes Sohn-Verständnis, sondern eine völlig andere [[Wikipedia:Eschatologie|Eschatologie]]. Bei Eckhart geht es um die Erkenntnis des wahren Wesens der Welt, ihres verborgenen Urgrundes und um die Identifikation mit diesem einheitlichen Urgrund, nicht dagegen um die Rettung der Kreaturen und des weltlichen Selbstverständnisses in diesen Urgrund. Dabei wird Eckharts negative Theologie im Gegensatz zu der von Nikolaus von Kues mit dessen realen göttlichen Sohn nicht von der [[Wikipedia:Religionskritik|Religionskritik]] von Kant berührt, sondern besitzt über den Neuplatonismus vielmehr eine gemeinsame Wurzel mit Kants idealistischer Philosophie. In dem Verständnis der negativen Theologie als Folge der widerspruchsfreien Vereinigung der Religion mit der Philosophie und der menschlichen Vernunft, wie es von Philo angestoßen wurde und für die heute statt Platon Kant als wichtigster und entscheidender philosophischer Bezug angesehen werden kann, kann die Theologie von Nikolaus von Kues nicht als Fortgang der antiken und mittelalterlichen negativen Theologie verstanden werden. Es ist nach Kants Religionskritik nicht vernünftig, eine bestimmte göttliche oder metaphysische Vorstellung als real (und darin immer auch „positiv“) zu nehmen, wobei uns das „die Vernunft aus der Natur der Handlungen selbst lehrt“ (Kant 1787, B 847).
 
== Die Bedeutung einer negativen Theologie in der heutigen Welt ==
 
In der modernen, [[Wikipedia:Globalisierung|globalisierten]] Welt prallen die verschiedenen [[Kultur]]en und [[Wikipedia:Religion|Religion]]en mit ihren [[Wikipedia:Gottesbild|Gottesbild]]ern aufeinander und bilden oftmals das Motiv oder den Hintergrund gewalttätiger Auseinandersetzungen (Schlagwort [[Wikipedia:Kampf der Kulturen|Kampf der Kulturen]]). Weder die [[Wikipedia:Philosophie|Philosophie]] noch die moderne [[Wikipedia:Naturwissenschaft|Naturwissenschaft]] kann dabei eines dieser einander widersprechenden Gottesbilder als wahr bestätigen, um so den religiös geprägten Auseinandersetzungen den Boden zu entziehen. Die negative Theologie bietet hier allein aufgrund ihrer Entstehung in der Alexandrinischen Philosophie, sowie ihrer Nähe zum Neuplatonismus und der damit gegebenen Verwandtschaft zum neuzeitlichen Idealismus noch am ehesten die Chance nicht nur zu einem [[Wikipedia:Interreligiöser Dialog|interreligiösen Dialog]], sondern auch einer  interdisziplinären Verständigung und Problemlösung. So lehnt etwa [[Wikipedia:Immanuel Kant|Kant]] in seiner [[Religionskritik]] die Gottesvorstellungen und -bilder nicht gänzlich ab. Er sagt aber, dass sie nur dazu geschaffen worden sind, den notwendigen moralischen Gesetzen "Effekt zu geben" (Kant, ''KRV'', B 846). Wenn dagegen die Vorstellungen oder Ideen eines höchsten Wesens als "unmittelbare Kenntnis neuer Gegenstände“ oder als reales Sein verstanden werden, von denen dann umgekehrt die moralischen Gesetze erst abgeleitet werden, so ist das nach Kant "schwärmerisch oder wohl gar frevelhaft" und muss "die letzten Zwecke der Vernunft verkehren und vereiteln" (Kant, ''KRV'', B 847). Das Absolute kann für Kant nicht bestimmt werden, obwohl er es selbst hinter den Phänomenen der Welt voraussetzt.
 
Manche Autoren, die sich in der Bewältigung drängender religiöser Probleme der Gegenwart engagierten, wie besonders der Philosoph [[Wikipedia:Willi Oelmüller|Willi Oelmüller]] in seiner philosophischen Rede von Gott, gehen davon aus, dass die drei abrahamitischen Religionen die aufklärerische Kritik an anthropomorphen Gottesbildern und Gottesvorstellungen durch die gemeinsame Tradition des Bilderverbotes immer schon in sich tragen und vorweggenommen haben - jedenfalls in einem Teil ihrer Überlieferungen. Da dieses Bilderverbot der negativen Theologie zugeordnet werden kann, heißt das, dass eine mit einer neuzeitlichen aufklärerischen Philosophie verbundene negative Theologie auch so verstanden werden kann, dass sie den Religionen nicht schaden, sondern sie vielmehr zu ihren eigentlichen Wurzeln führen würde. Nichts anderes war auch früher schon die Absicht so wichtiger Vertreter der negativen Theologie wie Philo von Alexandria und Meister Eckhart, indem sie einen vorhandenen Glauben mit Philosophie als einem kritischen und logischen Denken zu einer dadurch negativen Theologie verbanden.
 
== Kritik ==
Die Grenzen einer rein negativen Theologie liegen, wie besonders [[Wikipedia:Karl Rahner|Karl Rahner]] betont hat, in ihrer anthropologischen Grundentscheidung. Das Ziel, Gott und Göttliches von raum-zeitlicher und verbal-rationaler Einengung und Besitzbarkeit frei zu halten, steht im unauflösbaren Widerspruch zum Bedürfnis vieler Menschen, das Transzendente gemeinschaftlich, verbal und rituell zu verehren. Negative Theologie, die sich nicht als Korrektiv, sondern absolut versteht, muss dieses Bedürfnis anerkennen und ernst nehmen. Einige Theologen gehen demgegenüber von einem Konzept der Selbstmitteilung des Göttlichen aus. Einigen Kritikern zufolge geschieht dies um den Preis interreligiöser Rechthaberei, der immer wieder konfliktträchtig sei.


#Rudolf Steiner: ''Die Philosophie des Thomas von Aquino'', [[GA 74]] (1993), ISBN 3-7274-0741-7 {{Vorträge|074}}
== Wichtige Werke ==
#Rudolf Steiner: ''Menschliche und menschheitliche Entwicklungswahrheiten. Das Karma des Materialismus.'', [[GA 176]] (1982), ISBN 3-7274-1760-9 {{Vorträge|176}}
* Plotin: ''Über Ewigkeit und Zeit'', übersetzt von W. Beierwaltes, Frankfurt/M. 1995
#Rudolf Steiner: ''Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II'', [[GA 343a]] (1993), ISBN 3-7274-3430-9 {{Vorträge|343a}}
* H. Seuse: ''Das Buch der Wahrheit'', hrsg. von L. Sturlese, R. Blumrich, Hamburg 1993
* J. Quint: ''Meister Eckehart: Deutsche Predigten und Traktate'', München 1963 (zuletzt als Diogenes-Taschenbuch, Zürich 1990)
* Meister Eckhart, ''Die lateinischen Werke Bd. III'', hrsg. und übers. von Karl Christ u.a., Stuttgart 1994, ISBN 3-17-001085-9  
* Nikolaus von Kues: ''Die belehrte Unwissenheit'', Buch 1-3, Hamburg 1999 und 2002


{{GA}}
== Literatur ==
* M. Clauss: ''Alexandria – Schicksale einer antiken Weltstadt''. Stuttgart 2003
* J. Halfwassen: ''Plotin und der Neuplatonismus'', München 2004
* P. Deussen: ''Allgemeine Geschichte der Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Religionen'', II. Band, Leipzig 1911
* I. Kant: ''Kritik der reinen Vernunft'', B = 2. Auflage 1787, zitiert nach der Ausgabe Meiner, Hamburg 1998
* Udo Kern: ''„Gottes Sein ist mein Leben“ - Philosophische Brocken bei Meister Eckhart'', Berlin 2003


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Version vom 7. Juli 2022, 15:10 Uhr

Die negative Theologie ist aus dem Versuch hervorgegangen, den religiösen Glauben mit der Philosophie und der Vernunft zu vereinbaren und darüber auszulegen. Darin gleicht sie der natürlichen Theologie, doch im Gegensatz zu dieser bestreitet die negative Theologie die Möglichkeit zur objektiven Erkenntnis und zum Beweis eines Gottes. Alle Eigenschaften, Benennungen oder Definitionen des Göttlichen werden hier konsequent negiert, so dass das Göttliche ein unvorstellbares und nicht beweisbares "Nichts" jenseits der Welt ist und bleibt. Ihm wird in dieser Weise selbst das Sein abgesprochen.

Die negative Theologie trat schon in der Antike stets im Zusammenhang mit der griechischen Philosophie auf und hier besonders mit dem Neuplatonismus (Dionysius Areopagita). Bedeutendster Vertreter einer negativen Theologie im Mittelalter ist Meister Eckhart, der den personalen dreieinigen Gott zusammen mit allen weltlichen Phänomenen zum unerkennbaren Einen hin transzendiert.

Die antiken Wurzeln der negativen Theologie

Alexandria: Philo, Kirchenväter

Die negative Theologie hat ihre Wurzeln in der von Alexander dem Großen gegründeten ägyptischen Hafenstadt Alexandria, die danach die Hauptstadt des Reiches der griechischen Ptolemäer wurde. In Alexandria lag das geistige Zentrum des östlichen Mittelmeerraumes in den Jahrhunderten um die Zeitenwende mit der ersten Universität im modernen Sinn. In der sogenannten Alexandrinischen Schule kam es zu einer Verschmelzung verschiedener Geistesrichtungen, insbesondere der griechischen Philosophie und dem Judentum unter Anteil weiterer orientalischer Elemente.

Wegweisend war hier zunächst der Jude Philo. Bei dieser Verschmelzung entledigte Philo den alttestamentlichen Gott aller weltlichen Eigenschaften und Bestimmungen. Der eine jüdische Gott wurde bei Philo für die Welt und den Menschen schlechthin unerkennbar und unbestimmbar, was den Beginn einer negativen Theologie markierte. Diese Verschmelzung des griechischen systematischen und kritischen Denkens mit dem jüdischen Glauben an den einen Gott kann darüber hinaus als Geburt der wissenschaftlichen Theologie an sich angesehen werden.

Als Vermittler zu diesem unbestimmbaren Gott zog Philo die griechische Logos-Vorstellung heran und nannte diese weltdurchwaltende Vernunft den Sohn dieses Gottes. Diese das jüdische Gottesbild verändernden Gedanken hatten einen maßgebenden Einfluss auf die kurz danach entstehende christliche Theologie.

Die alexandrinischen Kirchenväter Origenes und Clemens vertraten eine negative christliche Theologie und standen wie Philo dem griechischen Denken sehr nahe. So ist für Origenes Christus nicht nur alleiniger Erlöser, sondern auch Vorbild, d.h. für ihn zeigte sich der göttliche Logos genau wie für Clemens auch in der heidnischen, also griechischen Philosophie und hier besonders bei Platon.

Gnosis

Das Apokryphon des Johannes beinhaltet die Aussagen, daß man über Gott nur negativ sprechen kann, daß Gott jenseits der Zeit und daß seine Existenz unbeweisbar ist.

Gemeinsamkeiten von negativer Theologie und Neuplatonismus

Das letzte große System der griechischen Philosophie war der Neuplatonismus, der ca. 150 Jahre nach Philo ebenfalls in Alexandria und der alexandrinischen Schule seinen Anfang nahm und den Grundgedanken Philos fortführte. Für den Begründer Ammonios Sakkas und dessen Schüler Plotin war das Göttliche das Eine oder Erste, das genau wie bei Philo jenseits aller Bestimmungen und Gegensätze stand. Grundlage war für Plotin zwar weiterhin das Denken der griechischen Philosophie, doch im Unterschied zu der vorangegangenen griechischen Philosophie lag das Höchste für Plotin außerhalb des Denkens und konnte von und in dem begrifflichen Denken in keiner Weise mehr erfasst werden. Dieser Grundgedanke der absoluten Unvorstellbarkeit und Nichtbestimmbarkeit des Höchsten oder Göttlichen in der alexandrinischen Schule bedingt und begründet die negative Theologie.

In diesem Grundgedanken sind negative jüdische bzw. später negative christliche Theologie und philosophischer Neuplatonismus aufs engste miteinander verbunden und enthalten in dieser Unbestimmbarkeit eines Höchsten, Einen gleichzeitig ein mystisches Element. Das mystische Element bedingt sich vor allem durch die Nichtfassbarkeit im begrifflichen Denken und Vorstellen, geht in dieser Nichtfassbarkeit aber noch tiefer. Sie gründet auf einer strikten Trennung der Strukturen von Welt und jenseitigem Einen, wobei dem Einen bei Plotin und später besonders auch bei Meister Eckhart neben den Kategorien Raum und Zeit selbst die des Seins abgesprochen wird. Die weltlichen Phänomene, die Materie und die Welt selbst gelten in Anlehnung an Platons Schatten hier nur noch als aus der Seele oder dem Geist ausquellende Erscheinungen, so dass Plotin in seiner Abhandlung über Ewigkeit und Zeit zu der Aussage gelangt, dass „es außer der Seele keinen anderen Ort für dieses All gibt“. Während in der Neuzeit Immanuel Kant in seinem Idealismus die Erscheinungshaftigkeit der weltlichen Phänomene nur feststellt, ist die geistige Rückkehr in dieses jenseitige Eine das letztendliche Ziel des Neuplatonismus und der mit ihm verbundenen negativen christlichen Theologie, insbesondere später bei Meister Eckhart. Diese Rückkehr kann als dieser Vorgang in oder mit den erscheinungshaften Strukturen der Welt aber weder erreicht noch erkannt werden kann, wodurch sich sowohl das Negative als auch das Mystische in der Konsequenz dieser Theologie ergibt.

Das Ende der negativen Theologie in der Antike

Problematisch war schon damals, dass die negative Theologie dem mehr emotionalen religiösen Verehrungsglauben das Objekt und die Grundlage entzog. Das und die Nähe zu der als heidnisch angesehenen Philosophie war besonders für fundamentalistische Juden und Christen eine Häresie an ihrem jeweiligen vorstellbaren, bildhaften und benennbaren Glauben. Einen der vielen Höhepunkte dieser oft gewalttätigen Auseinandersetzungen in Alexandria stellte die grausame Ermordung der neuplatonischen Philosophin Hypatia durch die Christen dar.

Ein durchgehend prägendes Kennzeichen der negativen Theologie ist die Nähe zur griechischen Philosophie, besonders in dem damaligen Wissenschaftszentrum Alexandria, während die positive christliche Theologie stets mehr vom Wesen des jüdischen Gottesglaubens geprägt ist. Ganz im Gegensatz zur toleranten negativen Theologie, die jedwede Gottesbilder zwar als ein erstes Hilfsmittel akzeptierte, sie letztlich aber restlos alle verleugnete und in Hinsicht auf das wahre Göttliche eben negierte, ist es das Wesen der positiven Theologie, ein ganz bestimmtes Gottesbild als einzig wahr und heilig anzusehen und alle anderen dementsprechend abzuwerten. Als es dann die Vertreter der positiven christlichen Theologie schafften, im Römischen Reich ihren Glauben zur Staatsreligion zu erheben, wurden entsprechend dieser positiven Theologie alle konkurrierenden, gnostischen Richtungen und hier besonders der Neuplatonismus und die mit ihm eng verwandte negative Theologie verfolgt und unterdrückt. Im Jahre 529 n. Chr. schloss Kaiser Justinian schließlich die in Athen seit Platon bestehende Akademie und verbot jeden weiteren Unterricht in griechischer Philosophie.

Taoismus

Da Gott in der negativen Theologie weder Name, Personalität noch vorstellbare Eigenschaften hat, ist Gott der negativen Theologie kaum unterscheidbar von Tao, dem zu Beginn des [Tao Te King] auch alle vorstellbaren Eigenschaften abgesprochen werden.

Die negative Theologie im Mittelalter

Eine neue Blüte durch Meister Eckhart

Trotz Verfolgung und Verbots lebte die negative Theologie auch in der Spätantike und im Mittelalter fort. Das entscheidende Bindeglied zum Mittelalter hin war ein, wohl wegen der widrigen Umstände, unbekannt bleibender Autor, der unter dem Pseudonym Dionysius Areopagita verschiedene Schriften veröffentlichte, in denen er erneut versuchte, das Christentum mit der heidnischen griechischen Philosophie zu verbinden, so wie es schon Philo 500 Jahre zuvor mit dem Judentum getan hatte. Da Dionysius mit einem in der Apostelgeschichte genannten gleichnamigen Athener verwechselt wurde (oder verwechselt werden sollte), wurden seine Schriften im Mittelalter intensiv gelesen und kommentiert. Besonders bei Meister Eckhart gelangte die negative Theologie auf diese Weise zu einer neuen Blüte.

Meister Eckhart erklärt ausdrücklich, dass die Heilige Schrift mit der Philosophie und damit auch dem Naturerkennen übereinstimmt, weil es nur eine einzige „Quelle und Wurzel der Wahrheit“ geben kann. Eckharts Ansatz und Methode ist es daher, genau wie bei Philo und Dionysius, den religiösen Glauben durch die Vernunftgründe der Philosophen auszulegen. In seinen lateinischen Werken sagt Eckhart: „Demgemäß wird also die Hl. Schrift sehr angemessen so erklärt, dass mit ihr übereinstimmt, was die Philosophen über die Natur der Dinge und ihre Eigenschaften geschrieben haben, zumal aus einer Quelle und einer Wurzel der Wahrheit alles hervorgeht, was wahr ist, sei es im Sein, sei es im Erkennen, in der Schrift und in der Natur“ (Meister Eckhart, Lat. Werke III, S. 154-155).

Meister Eckhart überwindet in seiner Theologie dabei die personale, dreieinige Gottesvorstellung hin zu dem unvorstellbaren „einigen Einen“. Auch in seinen Aussagen zum Wesen der Welt wird Eckharts Nähe zum Neuplatonismus deutlich, wie etwa in Predigt 43 (nach der Predigt-Zählung der Diogenes-Ausgabe von J. Quint): „Dort, wo niemals Zeit eindrang, niemals ein Bild hineinleuchtete: im Innersten und im Höchsten der Seele erschafft Gott die ganze Welt“.

In der Sohn-Erkenntnis wird bei Eckhart dieses Eine nur in einem, wie er es in Predigt 57 (Quint) ausdrückt, „nichterkennenden Erkennen“ erfasst, so dass die negative Theologie selbst in der Sohn-Erkenntnis nicht aufgehoben wird, ja das ist gerade der entscheidende Aspekt der Sohn-Erkenntnis. Denn das höchste Eine ist für Meister Eckhart letztlich, wie er es in Predigt 23 (Quint) nennt, „das verborgene Dunkel der ewigen Gottheit und ist unerkannt und ward nie erkannt und wird nie erkannt werden.“

Die Definition der negativen Theologie durch Heinrich Seuse

Meister Eckharts Schüler Heinrich Seuse verweist im I. Abschnitt in seinem „Buch der Wahrheit“ auf den „Kern der Heiligen Schrift“, den er im folgenden II. Abschnitt als eine gleichzeitige Definition der negativen Theologie näher erläutert. Darin heißt es, dass es allen Menschen, die wieder in das Eine geführt werden sollen, nützlich ist, den Ursprung von sich und allen Dingen zu wissen, da dort auch ihr letztes Ziel ist. Dieses nützliche Wissen steht für Seuse als Kern der Heiligen Schrift bei Dionysius, der nach Seuses Aussage dieses Eine unverhüllt geschaut hat.

Das, was dort im einigen Einen geschaut wurde, ist aber nun als Kern dieser negativen Theologie vor allem, dass dieses einige Eine „mit allen Namen letztlich ungenannt bleibt“, wobei der Name immer auch die Natur und die Definition des genannten Dinges ausdrückt. Der Kern der Heiligen Schrift und gleichzeitig die Definition der negativen Theologie ist demnach also, dass in dem unverhüllten Schauen des Einen dieses Eine paradoxerweise gerade nicht erkannt, gewusst und benannt werden kann. Die Natur des genannten einfachen Seins ist, wie es bei Seuse heißt, „endlos, unermesslich und unbegreiflich für alles kreatürliche Denken“, so dass „allen gelehrten Theologen bekannt ist, dass eben dieses Wesen, das keine Weise hat, auch ohne Namen ist“. Weiter sagt Seuse hier als konkrete Definition der negativen Theologie über diesen Kern des christlichen Glaubens:

Und darum sagt Dionysius in dem Buch >Von den göttlichen Namen<, Gott sei ein »Nichtsein« oder ein »Nichts«, und das ist in Bezug auf alles Sein und jedes bestimmte Etwas zu verstehen, das wir ihm nach kreatürlicher Weise zulegen können. Denn »was man ihm in dieser Weise zuschreibt, das ist alles in gewissem Sinn falsch, und seine Verneinung ist wahr«. Und daher könnte man ihn ein »ewiges Nichts« nennen. Andererseits, will man von etwas sprechen, wie erhaben und über alles Verstehen es ist, so muss man ihm irgend einen Namen geben.

Für die negative Theologie sind in dieser Weise alle Aussagen über das jenseitige Eine, Absolute nur austauschbare Hilfsmittel oder Krücken, die als solche der Verehrung nicht wert sind. Letztlich erkennt die negative Theologie keine Aussage über das Göttliche an, geschweige denn ein Dogma. In einer negativen Theologie würden daher alle Widersprüche zwischen und Spaltungen in den Religionen mit einem Schlage behoben. Über etwas, das nicht erkannt, benannt und definiert werden kann, kann auch nicht gestritten werden.

Das erneute Ende der negativen Theologie durch die Inquisition

Doch wie schon in der Antike geriet auch im Mittelalter die negative Theologie in Konflikt mit dem Wesen und Dogmatismus der positiven Theologie. Meister Eckhart wurde als einziger Theologe von Rang des gesamten Mittelalters vor ein Inquisitionsgericht gestellt und verurteilt. Mit diesem Prozess und dem allgemeinen Verbot der Schriften und Gedanken Meister Eckharts fand die negative Theologie im Mittelalter ihr abruptes Ende.

Die Unterschiede der Theologien von Meister Eckhart und Nikolaus von Kues

Nikolaus von Kues, der ca. 100 Jahre nach Eckhart an der Schwelle des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit lebte, sah sich als ein Vertreter der negativen Theologie und wird bis heute so verstanden. Doch hinsichtlich Eckarts Theologieverständnis sind bei Nikolaus von Kues entscheidende Abweichungen feststellbar, die das Besondere der negativen Theologie von Meister Eckhart veranschaulichen. Meister Eckhart kennt entsprechend seines neuplatonischen Weltverständnisses kein Gottesreich in der Zeit als nach dieser Welt, in dem dann auch noch andere weltliche Kategorien wie die der Personalität oder die von gut und böse enthalten sind. Er sagt stattdessen: „Nehme ich aber das Nun, so begreift das alle Zeit in sich. Das Nun, in dem Gott die Welt erschuf, das ist dieser Zeit so nahe wie das Nun, in dem ich jetzt spreche, und der jüngste Tag ist diesem Nun so nahe wie der Tag, der gestern war“ (Quint 1979, S. 196). Der Theologe Udo Kern stellt den entscheidenden Aspekt der negativen Theologie Eckharts fest, wenn er sagt: „Der Mensch erreicht hier [in der göttlichen Schau] nach Eckhart die beatitudo. Eine in diesem Sinne noch ausstehende qualitätsmäßig noch zu steigernde beatitudo kennt er nicht. Eckhart dechiffriert die endeschatologischen Aussagen ins Präsentisch-Eschatologische“ (Kern 2003, S. 244).

Ganz anders sieht das Nikolaus von Kues. Er spricht in seiner negativen Theologie zwar zunächst auch von der Einheit in Gott als „‚Einer und Alles’ oder ‚Alles in eins’“ (v. Kues, Buch I 2002, S. 97) und sagt: „Im Voraufgehenden wurde erwiesen, dass die Auferstehung der Menschen sich jenseits allen Geschehens, jenseits von Zeit, Quantität, und was sonst der Zeit unterworfen ist, ereignet“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 73). Doch mit der Auferstehung verbindet Nikolaus von Kues nicht wie Eckhart allein die Gottesschau im Hier und Jetzt, die darin das geistige Zunichtewerden alles Weltlichen inklusive Raum und Zeit und besonders des Kreatur-Seins zur Voraussetzung hat, sondern die Auferstehung der menschlichen Kreaturen in der Zeit und dem Sein als Kreatur in unendlich viel Zeit. Nikolaus von Kues sagt: „Der Mensch Christus ist auferstanden; deshalb werden alle Menschen, wenn das gesamte zeitlicher Vergänglichkeit unterliegende Geschehen aufhört, durch ihn auferstehen, um in Ewigkeit unvergänglich zu sein“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 55-57). Weiter heißt es: „Es werden also alle durch Christus auferstehen [‚Gute wie Schlechte’], aber nicht alle wie Christus und in ihm durch die Vereinigung mit ihm, sondern nur diejenigen, die durch Glaube, Hoffnung und Liebe mit Christus vereint sind“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 57), wobei „auch die Strafen der Verdammten gleichfalls alle erdenklichen und beschreibbaren Strafen übersteigen“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 73). Eckhart kennt diese Unterscheidungen im göttlichen Jenseits nicht („keinerlei Unterschied“ Quint 1979, S. 186). Unterscheidungen bedingen kein einheitliches Jenseits mehr, sondern sind praktisch eine Erweiterung der Welt ins Jenseitige. Nikolaus von Kues sagt dann etwas Entscheidendes, das zeigt, dass diese unterschiedlichen negativen Theologieverständnisse nicht theoretische Haarspaltereien, sondern gerade heute von zentraler Bedeutung sind: „Du siehst, wenn ich mich nicht täusche, dass es keine vollkommene, die Menschen zum letzten, heißersehnten Ziel des Friedens führende Religion gibt, die Christus nicht als Mittler und Erlöser, als Gott und Mensch, als Weg, Leben und Wahrheit umfasst“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 57-59). Nikolaus von Kues beklagt in der weiteren Ausführung dieses Satzes die Unstimmigkeit des Glaubens der Sarazenen oder Mohammedaner, die die Gottheit des Menschen Christus leugnen. „Sie sind in der Tat verblendet, weil sie Unmögliches behaupten“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 59). „Mit diesen bekennen die Juden gleicherweise den Messias als größten, vollkommensten und unsterblichen Menschen, dessen Gottheit sie, durch dieselbe teuflische Blindheit gehindert, leugnen“ (v. Kues, Buch III 1999, S. 59).

Meister Eckhart versteht die biblischen Figuren genau wie Philo nur allegorisch als Kräfte der Seele („»Petrus« besagt soviel wie Erkenntnis“, Quint 1979, S. 165). Auch der Sohn steht bei Eckhart nur allegorisch für die höchste (Selbst-) Erkenntnis des göttlichen Urgrundes in der Seele (auch als „Funke“) und damit nahe dem griechischen Logos-Begriff für die Geschaffenheit und Erscheinungshaftigkeit der Welt und des Seins, nicht dagegen für eine reale und absolute göttliche Person, die darin stets mit weiteren Jenseitsvorstellungen und –erwartungen verbunden ist. Wenn der Mensch in der höchsten Erkenntnis sein Kreatur-Sein und die Welt überwindet, ist er bei Eckhart Sohn, wobei gilt: „Wo der Vater seinen Sohn in mir gebiert, da bin ich derselbe Sohn und nicht ein anderer“ (Quint 1979, S. 172). Doch auch dieses relativierte Sohn-Sein wird bei Eckhart noch überstiegen, wenn er sagt: „es will in den einfaltigen Grund, in die stille Wüste, in die nie Unterschiedenheit hineinlugte, weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist“ (Quint 1979, S. 316). Meister Eckhart negiert in seiner negativen Theologie im Gegensatz zu Nikolaus von Kues die christlichen Jenseitsvorstellungen nicht nur auf der begrifflichen Ebene, sondern auch auf der Ebene des Seins, d.h. restlos alle religiösen Vorstellungen sind nicht dogmatisch als real und absolut zu nehmen, sondern als bloße und im Grunde austauschbare Hilfsmittel (im Sinne von Dionysius: „Andererseits, will man von etwas sprechen, wie erhaben und über alles Verstehen es ist, so muss man ihm irgend einen Namen geben“). Bestätigt wird das dadurch, dass Eckhart oft heidnische Meister in einem zustimmenden Sinn zitiert und deren Aussagen manchmal sogar über die der Schrift stellt (Quint 1979, S. 219). Eckharts negative Theologie besitzt bezüglich der von Nikolaus von Kues nicht nur ein anderes Sohn-Verständnis, sondern eine völlig andere Eschatologie. Bei Eckhart geht es um die Erkenntnis des wahren Wesens der Welt, ihres verborgenen Urgrundes und um die Identifikation mit diesem einheitlichen Urgrund, nicht dagegen um die Rettung der Kreaturen und des weltlichen Selbstverständnisses in diesen Urgrund. Dabei wird Eckharts negative Theologie im Gegensatz zu der von Nikolaus von Kues mit dessen realen göttlichen Sohn nicht von der Religionskritik von Kant berührt, sondern besitzt über den Neuplatonismus vielmehr eine gemeinsame Wurzel mit Kants idealistischer Philosophie. In dem Verständnis der negativen Theologie als Folge der widerspruchsfreien Vereinigung der Religion mit der Philosophie und der menschlichen Vernunft, wie es von Philo angestoßen wurde und für die heute statt Platon Kant als wichtigster und entscheidender philosophischer Bezug angesehen werden kann, kann die Theologie von Nikolaus von Kues nicht als Fortgang der antiken und mittelalterlichen negativen Theologie verstanden werden. Es ist nach Kants Religionskritik nicht vernünftig, eine bestimmte göttliche oder metaphysische Vorstellung als real (und darin immer auch „positiv“) zu nehmen, wobei uns das „die Vernunft aus der Natur der Handlungen selbst lehrt“ (Kant 1787, B 847).

Die Bedeutung einer negativen Theologie in der heutigen Welt

In der modernen, globalisierten Welt prallen die verschiedenen Kulturen und Religionen mit ihren Gottesbildern aufeinander und bilden oftmals das Motiv oder den Hintergrund gewalttätiger Auseinandersetzungen (Schlagwort Kampf der Kulturen). Weder die Philosophie noch die moderne Naturwissenschaft kann dabei eines dieser einander widersprechenden Gottesbilder als wahr bestätigen, um so den religiös geprägten Auseinandersetzungen den Boden zu entziehen. Die negative Theologie bietet hier allein aufgrund ihrer Entstehung in der Alexandrinischen Philosophie, sowie ihrer Nähe zum Neuplatonismus und der damit gegebenen Verwandtschaft zum neuzeitlichen Idealismus noch am ehesten die Chance nicht nur zu einem interreligiösen Dialog, sondern auch einer interdisziplinären Verständigung und Problemlösung. So lehnt etwa Kant in seiner Religionskritik die Gottesvorstellungen und -bilder nicht gänzlich ab. Er sagt aber, dass sie nur dazu geschaffen worden sind, den notwendigen moralischen Gesetzen "Effekt zu geben" (Kant, KRV, B 846). Wenn dagegen die Vorstellungen oder Ideen eines höchsten Wesens als "unmittelbare Kenntnis neuer Gegenstände“ oder als reales Sein verstanden werden, von denen dann umgekehrt die moralischen Gesetze erst abgeleitet werden, so ist das nach Kant "schwärmerisch oder wohl gar frevelhaft" und muss "die letzten Zwecke der Vernunft verkehren und vereiteln" (Kant, KRV, B 847). Das Absolute kann für Kant nicht bestimmt werden, obwohl er es selbst hinter den Phänomenen der Welt voraussetzt.

Manche Autoren, die sich in der Bewältigung drängender religiöser Probleme der Gegenwart engagierten, wie besonders der Philosoph Willi Oelmüller in seiner philosophischen Rede von Gott, gehen davon aus, dass die drei abrahamitischen Religionen die aufklärerische Kritik an anthropomorphen Gottesbildern und Gottesvorstellungen durch die gemeinsame Tradition des Bilderverbotes immer schon in sich tragen und vorweggenommen haben - jedenfalls in einem Teil ihrer Überlieferungen. Da dieses Bilderverbot der negativen Theologie zugeordnet werden kann, heißt das, dass eine mit einer neuzeitlichen aufklärerischen Philosophie verbundene negative Theologie auch so verstanden werden kann, dass sie den Religionen nicht schaden, sondern sie vielmehr zu ihren eigentlichen Wurzeln führen würde. Nichts anderes war auch früher schon die Absicht so wichtiger Vertreter der negativen Theologie wie Philo von Alexandria und Meister Eckhart, indem sie einen vorhandenen Glauben mit Philosophie als einem kritischen und logischen Denken zu einer dadurch negativen Theologie verbanden.

Kritik

Die Grenzen einer rein negativen Theologie liegen, wie besonders Karl Rahner betont hat, in ihrer anthropologischen Grundentscheidung. Das Ziel, Gott und Göttliches von raum-zeitlicher und verbal-rationaler Einengung und Besitzbarkeit frei zu halten, steht im unauflösbaren Widerspruch zum Bedürfnis vieler Menschen, das Transzendente gemeinschaftlich, verbal und rituell zu verehren. Negative Theologie, die sich nicht als Korrektiv, sondern absolut versteht, muss dieses Bedürfnis anerkennen und ernst nehmen. Einige Theologen gehen demgegenüber von einem Konzept der Selbstmitteilung des Göttlichen aus. Einigen Kritikern zufolge geschieht dies um den Preis interreligiöser Rechthaberei, der immer wieder konfliktträchtig sei.

Wichtige Werke

  • Plotin: Über Ewigkeit und Zeit, übersetzt von W. Beierwaltes, Frankfurt/M. 1995
  • H. Seuse: Das Buch der Wahrheit, hrsg. von L. Sturlese, R. Blumrich, Hamburg 1993
  • J. Quint: Meister Eckehart: Deutsche Predigten und Traktate, München 1963 (zuletzt als Diogenes-Taschenbuch, Zürich 1990)
  • Meister Eckhart, Die lateinischen Werke Bd. III, hrsg. und übers. von Karl Christ u.a., Stuttgart 1994, ISBN 3-17-001085-9
  • Nikolaus von Kues: Die belehrte Unwissenheit, Buch 1-3, Hamburg 1999 und 2002

Literatur

  • M. Clauss: Alexandria – Schicksale einer antiken Weltstadt. Stuttgart 2003
  • J. Halfwassen: Plotin und der Neuplatonismus, München 2004
  • P. Deussen: Allgemeine Geschichte der Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Religionen, II. Band, Leipzig 1911
  • I. Kant: Kritik der reinen Vernunft, B = 2. Auflage 1787, zitiert nach der Ausgabe Meiner, Hamburg 1998
  • Udo Kern: „Gottes Sein ist mein Leben“ - Philosophische Brocken bei Meister Eckhart, Berlin 2003
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